Neue Pinnwand: Ukraine – Kriegshandlungen und die festgefahrene Offensive

ABNUTZUNGSKRIEG? IM OSTEN WENIG NEUES …

Hier ist genug Platz für die Meldungen von der steckengebliebenen Offensive der Ukrainischen Streitkräfte, Siegesmeldungen aus westlichen Medien, Waffenlieferungen, die zugesagt werden, usw.

Oder aber, Bedenken von Thinktanks und YouTubern, halbherzige Rufer in der Wüste, Forderungen nach mehr und besseren Waffen von ukrainischer Seite, usw.

Pressespiegel El País, 7.9.: Rumänien und der Ukraine-Krieg

„RUMÄNIEN, DER STILLE VERBÜNDETE, DER NICHT IN DEN KRIEG IN DER UKRAINE HINEINGEZOGEN WERDEN WILL

Bukarest untersucht Überreste einer mutmaßlichen russischen Drohne, die auf seinem Territorium abgestürzt ist, versucht jedoch, nach den Angriffen nahe seiner Grenze einen vorsichtigen Ton gegenüber Moskau beizubehalten

Der Lärm von Flugabwehrsirenen, ein Nachthimmel voller Explosionen und riesige Feuerbälle, die plötzlich auf der ukrainischen Seite der Donau auftauchen, tun kund, daß nur wenige Meter von Rumänien entfernt eine tödliche Schlacht tobt.

Seit dem Scheitern des Abkommens im Juli, das der Ukraine erlaubte, ihr Getreide über das Schwarze Meer zu exportieren, hat die russische Armee die Bombardierung von Getreidesilos in den ukrainischen Häfen Ismail und Reni, die zur letzten Möglichkeit für den Transport übers Meer von Millionen Tonnen Getreide geworden sind, verstärkt. Diese Orte sind auch zu einem potenziell gefährlichen Szenario geworden, da sie direkt an der Grenze zu Rumänien, einem NATO-Mitgliedsland, liegen und daher unter dem Schutz des Bündnisses für die kollektive Sicherheit stehen.

Der jüngste Vorfall ereignete sich am frühen Montagmorgen. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums berichtete, dass ihnen ein Bild vorliegt, das die Explosion einer im Iran hergestellten Shahed-Drohne auf rumänischem Boden zeigt.“

Beachtlich, welche genaue Überwachung rumänischen Bodens der Ukraine zugänglich ist. Die Ukraine ist nicht in der NATO, und sie hat vermutlich keine eigenen Satelliten, die solche detaillierten Aufnahmen ermöglichen.
Die andere Möglichkeit ist, daß die Drohne von der Ukraine selbst dorthin geschossen und dabei aufgenommen wurde.

„Das rumänische Verteidigungsministerium gab schnell eine eigene Erklärung ab, in der es die Informationen kategorisch dementierte. Es war das zweite Mal in diesem Jahr, dass Bukarest eine Aussage dieses Kalibers gegenüber Kiew dementierte.

Das Beharren der Ukraine auf ihrer Aussage sorgte bei den rumänischen Politikern für Verärgerung: Sie wollen verhindern, daß ihr Land in den Propagandakrieg hineingezogen wird.“

Nicht nur in den Propaganda-, sondern vor allem in den tatsächlichen Krieg.

„»Es wurden Angriffe registriert, die nachweislich 800 Meter von unserer Grenze entfernt stattgefunden haben; mit anderen Worten: sehr nahe«, erklärte der rumänische Präsident Klaus Iohannis am Dienstag bei einem Besuch auf dem Militärstützpunkt Cincu im Zentrum des Landes. »Es gab keine Teile, keine Drohnen oder Komponenten eines anderen Geräts, die in Rumänien heruntergefallen sind. Wir haben die vollständige Kontrolle über unseren Luftraum«, sagte Iohannis, der besorgt war, dass die Bombenanschläge »so nah an der rumänischen Grenze« stattfanden.

Am Mittwoch schlug der rumänische Präsident jedoch andere Töne an. Er tat dies, nachdem Verteidigungsminister Angel Tilva dem rumänischen Sender Antena 3 bestätigt hatte, dass nach dem russischen Angriff »Stücke gefunden wurden, die Elemente einer Drohne sein könnten«.“

Vorher wurde die Verteidigungsministerin vorgeschickt, um alle Behauptungen der ukrainischen Seite kategorisch zu dementieren.

„Ein großes Gebiet wurde abgesperrt, die wenigen dort lebenden Bewohner jedoch nicht evakuiert, da man davon ausging, dass die gefundenen Überreste keine Bedrohung darstellten.

Tilva bemerkte außerdem, dass die gefundenen Stücke analysiert werden, um ihre Herkunft zu bestätigen.

Angesichts der Enthüllungen des Ministers forderte Iohannis noch am selben Nachmittag »eine dringende Untersuchung … Wenn bestätigt wird, dass diese Elemente von einer russischen Drohne stammen, wäre das völlig unzulässig, eine schwere Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Rumäniens, eines NATO-Verbündeten«, fügte der Präsident hinzu, der bekräftigte, dass das Land in höchster Alarmbereitschaft sei und die Überwachung seit Wochen verstärkt wird.“

Man merkt, in der rumänischen Führung gibt es unterschiedliche Sichtweisen, wie dieser Vorfall handzuhaben sei.

„Der Experte für den postsovjetischen Raum Armand Gosu hält es für möglich, dass eine Drohne den rumänischen Luftraum überquert hat oder in Zukunft durchqueren wird. Ein möglicher Einmarsch birgt das Risiko einer Aktivierung des Atlantischen Bündnisses. »Die Gefahr«, sagt dieser ehemalige BBC-Korrespondent in Moskau, »besteht darin, dass Russland die Grenzen des Erlaubten austesten kann.«“

Aus all den Dementis und sonstigen Aussagen geht nicht hervor, wie die Drohne nach Plauru gekommen ist: Wurde sie direkt dorthin geschossen? Wurde sie von einem ukrainischen oder rumänischen Abwehrsystem zu Fall gebracht und schlug deshalb in Rumänien ein?
Es gibt in Rumänien auch keine Einigkeit darüber, ob diese Drohne Sprengstoff transportiert habe oder lediglich eine Aufklärungsdrohne gewesen sei.

„Der NATO-Artikel 4

Sollte ein Angriff auf rumänischem Boden stattfinden, so wisse die Armee des Landes, was zu tun ist, sagen Quellen aus dem Verteidigungsministerium. Bukarest ist imstande, mit der Situation umzugehen, falls eine russische Drohne oder Rakete versehentlich abstürzt. Wäre dies der Fall und gäbe es keine verheerenden Auswirkungen, hätte Rumänien kein Interesse an einer Eskalation der Spannungen.

Bukarest kann jedoch die Anwendung von Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragen, wonach die Mitgliedstaaten des Bündnisses »gemeinsame Konsultationen abhalten, wann immer einer von ihnen der Ansicht ist, dass seine territoriale Integrität, Unabhängigkeit, Politik oder Sicherheit beeinträchtigt sind«.“

Die rumänische Führung behält sich sehr nachdrücklich die Entscheidung über weiteres Vorgehen vor, das haben verschiedene Politiker klargestellt. Daß die NATO entscheidet, wann in Rumänien Krieg ist, das will wirklich niemand in Rumänien.

„Rumänien ist zu einem wichtigen Verbündeten der Ukraine an der Ostflanke geworden.“

Es handelt sich um die Südflanke.

„Diese ist zu einem echten Flaschenhals für den Export unter anderem von ukrainischem Mais, Raps und Hirse geworden. Aber auch für den Transport von Waffen und Kriegsmaterial.“

Und nicht nur für den Transport, sondern auch den Einsatz derselben.
Vor allem deshalb hat Rußland das Getreideabkommen aufgekündigt. Die Wasserdrohnen gegen die Krim-Brücke wurden von Schiffen aus dem Getreidekorridor abgeschickt. Vom Festland her wäre die Strecke zu weit gewesen.

„Der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu erklärte im August nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Denis Shmyhal, dass er wolle, daß 60 % des Getreidetransports des Nachbarlandes über Rumänien laufen würden. Ciolacu kündigte an, daß dafür die Kapazität des Hafens von Constanța am Schwarzen Meer und anderen Routen verdoppelt werde, um vier Millionen Tonnen pro Monat verschiffen zu können. »Wir investieren in den Sulina-Kanal«, sagte der rumänische Premierminister und bezog sich dabei auf Rumäniens wichtigste Wasserstraße, die durch das Donaudelta verläuft.“

Das ist nicht richtig. Die „Wasserstraße“, auf die sich der Autor des Artikels bezieht, ist der Sulina-Arm, der mittlere der drei Arme des Donaudeltas.
Ciolacu bezog sich aber vermutlich auf den Kanal Meile 35, der den Kilia- und den Sulina-Arm (genaugenommen über den 3., den St. Georgs-Arm) verbindet und kurz hinter Ismail flußabwärts in den Kilia-Arm mündet. Dieser Kanal wird derzeit vermutlich erweitert und vertieft, um größere Schiffe aufnehmen zu können, da er bisher nicht so intensiv genutzt wurde.
Bis dahin und nach Constanța muß das Getreide jedoch zuerst einmal kommen, und deswegen staut es sich in den ukrainischen Donauhäfen, die von Rußland bombardiert werden.
Es mag sein, daß der Getreideexport dabei behindert werden soll.
Aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß diese Häfen eben in der umgekehrten Richtung für Waffenimporte genutzt werden.
Die Getreidelaster kommen mit Getreide in Reni und Ismail an – fahren sie leer zurück?

„»Bukarest hat enorme Anstrengungen unternommen, um den Export von Getreide aus der Ukraine zu erleichtern«, erklärt Mihai Isac, Experte für internationale Beziehungen, »einschließlich der Modernisierung einiger Eisenbahnlinien in ursprünglich sowjetischer Breitspur, wie der Strecke zwischen Reni (Ukraine), Giurgiulesti (Moldawien) und Galați (Rumänien)«.“

Vor dem Krieg war dort nämlich tote Hose, die Strecke wurde kaum genutzt.

„»Auch die Umsetzung von Sanierungsprojekten des Sulina-Kanals wird beschleunigt, wodurch ab Oktober auch die Nachtschifffahrt möglich ist. Und Kiew kann den Bystre-Kanal ausbaggern, der im Schutzgebiet des Donaudeltas liegt«, fügte der Experte hinzu.“

Dagegen hatte sich Rumänien lange gesträubt und ökologische Gründe vorgeschoben, um sich das Monopol des Zugangs der Donau zum Schwarzen Meer zu erhalten.
Die Ukraine hat jedoch angeblich bereits gehandelt und den Kanal ausgebaggert, nach eigenen Angaben von 3,90 m auf 6,50 m Tiefe. (Wikipedia, Bystre Kanal)

„Wenn größere Schiffe die Donau befahren könnte, so würde das bedeuten, daß die Ukraine die Getreidespeicher weniger in Anspruch nehmen müßte, was die Wahrscheinlichkeit verringern würde, dass sie das Ziel russischer Angriffe wären.“

Das natürlich nur unter der Voraussetzung, daß sich sonst nichts dort befindet, wie z.B. Waffen und Munition

„Der Getreidetransit aus der Ukraine hat jedoch das Misstrauen der rumänischen Landwirte geweckt,“

– eine komische Art, auszudrücken, daß die ukrainische Importkonkurrenz die rumänischen Landwirte zu Widerstand angeregt hat.
Es war eben teilweise kein Transit, sondern das Getreide blieb dort liegen, in rumänischen Getreidespeichern –

„die die Bukarester Behörden gezwungen haben, finanzielle Unterstützung von der EU zu beantragen, um sie zu entschädigen.
Trotz der Spannungen zwischen den beiden Ländern und der Lage der rumänischen ethnischen Minderheit in der Ukraine“

– die – wie alle anderen Minderheiten auch – ebenfalls im Visier der ukrainischen Nations-Schöpfer bzw. Banderisten sind, weil sie eben keine Ukrainer sind –

„trug Bukarest seit Beginn der russischen Invasion massiv zur Unterstützung Kiews bei. Mehr als eine Million ukrainische Flüchtlinge sind durch Rumänien gereist. Hunderttausende sind geblieben. »Neben der ständigen politischen Unterstützung hat Rumänien die Ukraine auch mit Waffen und Artillerie sowjetischer Produktion und Munition für leichte Waffen beliefert«, erklärt Isac.

Die rumänische Regierung hat nicht öffentlich über die Militärhilfe für Kiew gesprochen. Ciolacu brachte jedoch zum Ausdruck, dass seine Partner wüssten, daß Bukarest weit mehr als humanitäre Hilfe und logistische Unterstützung biete.

Das Land wird sich auch an der Ausbildung ukrainischer Piloten für das Kampfflugzeug F-16 beteiligen und wartet auf die erforderlichen Dokumente, um den Beginn der Ausbildung zu genehmigen. »Ich hoffe, in den kommenden Tagen die erforderlichen Dokumente (für die Pilotenausbildung) unterzeichnen zu können. Es ist das letzte Hindernis, das noch zu überwinden ist«, erklärte der Premierminister.

Weiters gelangte ein Teil des von Bulgarien, der Türkei und anderen Staaten an die Ukraine gelieferten Militärmaterials über rumänisches Territorium.“

Es ist also eher Rumänien, das ausreizt, an welche Grenzen es gehen kann, ohne von Rußland als direkter Kriegsgegner wahrgenommen zu werden.

„»Nächstes Jahr sind in Rumänien eine Reihe von Wahlen (Präsidentschaftswahlen, Europawahlen, Kommunalwahlen und Parlamentswahlen) angesagt, die die Beziehungen zwischen Rumänien und der Ukraine prägen werden«, betont der Experte für internationale Beziehungen. »Die ultranationalistische Kraft Alianza para la Unión de los Rumanos (AUR, was auf Rumänisch Gold bedeutet) nutzt die schwierige Wirtschaftslage bei Wahlen aus und fordert die Einschränkung der Unterstützung für die Ukraine, während die sozialen Netzwerke von extremistischen Medien genutzt werden, um ihr eigenes Image zu stärken und mit Fake News und anderen konspirativen Theorien überschwemmt werden. “, fügte er hinzu. »Rumänien«, so Isac abschließend, »steht an der Front des hybriden Krieges, den die Russische Föderation gegen die EU und die NATO begonnen hat.«“

Das alles weist darauf hin, daß die Unterstützung der Ukraine und die Gegnerschaft zu Rußland in Rumänien gar nicht populär sind, sodaß dieses rumänische Pedant der AfD gute Chancen hat.

„Nebenbei sind verschiedene Konflikte zwischen Bukarest und Kiew zu lösen, einschließlich der Anerkennung der Existenz der moldauischen Sprache durch die Ukraine (…), obwohl Moldawien ohne Vorbehalte die territorialen Integrität und Souveränität des Nachbarlandes unterstützt.“

Mit der Anerkennung von Moldawisch als eigener Sprache würde nämlich noch eine neue offizielle Minderheit in der Ukraine geschaffen. Bisher wurden die ukrainischen Bürger mit moldawischer Muttersprache entweder der rumänischen Minderheit zugeschlagen oder als Ukrainer definiert.

„(Rumänien) hilft auch indirekt der Ukraine durch die wirtschaftliche und politische Unterstützung, die Moldawien gewährt wird“, sagte Isac, »mit dem Ziel, zu verhindern, daß pro-russische Politiker an die Macht kommen.«“

Rumänien stützt also die Regierung von Maia Sandu, obwohl auch in Moldawien die Bevölkerung eher gegen die NATO und deren Politik eingestellt ist und viele zur rußlandfreundlichen Partei Schor oder dem Vorgänger Sandus, Dodon, neigen.

Serie „Lateinamerika heute“, Teil 20: Peru

EINE FESTE BURG DER USA?

Vor einiger Zeit ist in Peru die nicht ganz verfassungskonforme Absetzung des gewählten Staatsoberhauptes von sich gegangen. Man könnte auch von einem Putsch reden. Diese Art von Absetzung eines Präsidenten durch das Parlament fand 2012 in Paraguay statt, 2016 in Brasilien, 2019 in Bolivien und eben zuletzt, 2022 in Peru.
Die demokratische Legitimation von Staatsoberhäuptern ist dort nicht viel wert, wenn die Personen, die die wirtschaftliche Macht ausüben, ihre Position durch einen solchen Volksvertreter gefährdet sehen.

Man geht sicher nicht fehl, hinter dieser Art von Machtwechsel die lange Hand der USA zu vermuten. Genauso ist es jedoch notwendig, sich die Eliten dieses Staates anzusehen, die mit dem gewählten Repräsentanten unzufrieden sind und ihre Interessen durch einen solchen Machtwechsel schützen.

Metropole und Dschungel

Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Perus, ca. 33 Millionen, lebt in Lima. Es gibt also einen urbanen Ballungsraum, die sich sehr vom Rest des Landes unterscheidet. Die Eliten sitzen in der Stadt und blicken mit Mißtrauen auf die ländliche Bevölkerung. Sie erscheint ihnen lästig, unnötig und gefährlich. Um so mehr, als die Eingeborenen im Inneren des Landes durch ihre bloße Existenz immer an den durch die Kolonisatoren verübten Raub erinnern, auf dem ihr Reichtum beruht.

Der Rest des Landes teilt sich auf zwischen Großgrundbesitz, wo für den Weltmarkt produziert wird – Peru ist derzeit international Marktführer für Heidelbeeren –, Bergbau und Subsistenz. Ein bedeutender Teil des Landes unterliegt gar keiner Kontrolle, dorthin führen keine Straßen, und Holzräuber, illegale Bergbau-Firmen, Schmuggler und Indianerstämme treiben sich dort herum. Ihre Tätigkeit bleibt unbekannt, sie gehen in kein BIP ein und sie scheinen höchstens einander zu stören, niemanden sonst.

Es gab Versuche von Politikern, diese disparaten Teile des Landes zu einer mehr als nur territorialen Einheit zu formen, sie sind bisher alle gescheitert.

Die Wirtschaft Perus – die Armut des Menschen als Ergebnis des Reichtums der Erde

Die Bergbauindustrie macht 80% des BIP aus. Peru exportiert Kupfer, Gold, Silber, Eisen, Zinn, Zink, Blei, Wismut und Tellur, es verfügt auch über Lithium, das allerdings noch in der Prospektionsphase ist.

Die meisten dieser Minerale verlassen Peru jedoch in Form von Erz, weil es nie gelungen ist, so etwas wie eine Hüttenindustrie zu etablieren. Diese Erze werden also aus Peru in ihrer rudimentärsten Form exportiert und im Ausland verhüttet. Das ist z.B. ein großer Unterschied zu den Verhältnissen in Chile, wo die gesamte Kupferproduktion im Inland und größtenteils staatlich betrieben wird.

Als die Regierung unter dem inzwischen abgesetzten Präsidenten darüber nachdachte, die Verträge mit den Bergbauunternehmen neu zu verhandeln und eventuell zur Verarbeitung im Land zu veranlassen, kam es zu gröberem Grummeln und über dem Haupte von Castillo braute sich Unheil zusammen.

Die Ölindustrie wurde unter General Velasco 1969 verstaatlicht und die Ölfirma Petroperu ist bis heute in staatlicher Hand. Seither wurden jedoch offenbar andere Ölfelder privatisiert oder Konzessionen vergeben. Die Raffinerie bei Lima, bei der es im Jänner 2022 zu einem Unfall beim Befüllen eines Tankers kam, gehört jedenfalls der spanischen Firma Repsol bzw. wird von ihr betrieben.

Beim Erdgas ist die Situation sehr unklar. Peru besitzt angeblich die zweitgrößten Erdgasreserven Südamerikas. Aber um an die heranzukommen, braucht man erst einmal Kapital, das sich in Peru für diese Zwecke nicht findet. Es ist allerdings auch schwierig, ausländisches Kapital anzulocken, weil das will für seine Investitionen Freiheiten, die den Energiebedürfnissen der peruanischen Wirtschaft wiedersprechen, die mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs durch Importe decken muß.

Es ist das gleiche Problem, das auch schon in Bolivien für Aufruhr gesorgt hat. In Peru wäre die Energie obendrein sehr notwendig, um die restliche Industrie voranzubringen.

Eine Energieversorgung ist nämlich eine Vorleistung für jede industrielle Entwicklung bzw. Produktion. Wo die nicht gewährleistet ist, sieht es schlecht aus für andere energieintensive Geschäftszweige, wie eben eine Schwerindustrie mit Hochöfen und Walzstraßen.

Peru besitzt auch eine Textilindustrie, produziert Gewebe und Kleidung aus tierischen, pflanzlichen und Kunststoff-Fasern. Diese angestammte Industrie gerät jedoch seit geraumer Zeit sehr unter Druck durch die Importe aus China. Die Textil-„Front“ zieht sich quer durch diverse Sektoren der peruanischen Gesellschaft: Für oder gegen chinesische Kleidung?
Agrikultur und Fischereiwirtschaft tragen auch noch ihr Scherflein bei zur Wirtschaftsleistung, fransen jedoch bereits in den informellen Sektor aus, wo Mengen nicht wirklichkeitsgetreu deklariert und steuerschonend im Inland versilbert oder ins Ausland verschoben werden.

Der Rest der Bevölkerung ist entweder beim Staat angestellt oder bringt sich im weiten und breiten informellen Sektor weiter: am Bau, als fliegende Händler, Kellner, Gärtner, Fuhrunternehmer und Taxler, Krimineller, usw. usf. Keine Krankenversicherung, keine Pension, keine Steuern.
Das Ausmaß und die Unsicherheit dieser Existenzen wurde durch die Corona-Pandemie deutlich. Peru hat nach den offiziellen Zahlen weltweit sowohl die höchste Sterblichkeit im Verhältnis zur Bevölkerung als auch im Verhältnis zu den gemeldeten Infektionen.

Die Unabhängigkeit und die Grenzen Perus

Die Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialherrschaft war in Peru größtenteils ein Werk außerhalb dieses Territoriums ansässiger Mächte und Personen.
Die spanischen königstreuen Truppen zogen sich in die Berge zurück und wurden erst 1824 durch die Armee Simón Bolívars geschlagen.
Diese Waffenhilfe war nicht ganz uneigennützig – Bolívar und seine Mannschaft erwarteten den Anschluß Perus an die Föderation Groß-Kolumbiens. Das führte zum ersten Grenzkrieg zwischen Peru und dieser – immer mehr abbröckelnden – Föderation.
Dieser Krieg trat eine lange Reihe von Grenzkriegen los, die Peru allesamt entweder verloren oder nicht wirklich gewonnen hat, was das ursprüngliche Gebiet verkleinert und einen Haufen Ausgaben verursacht hat. Peru verlor in alle Richtungen Territorien, häufte dabei Schulden an und hat bis heute offene Grenzfragen mit seinen Nachbarn.

Neben Grenzkriegen machte Peru auch einige Bürgerkriege durch, bei denen zu kurz gekommene Provinz-Häuptlinge durch Verfügung über Waffen vermeintliche Rechte von den Eliten der Metropole einforderten.
Das Militär als Hüter des Vaterlandes brachte auch den entschlossensten Präsidenten hervor, der Peru zu einer Nation formen wollte: Der General Velasco Alvarado (Präsident von 1968 bis 1975) unternahm den Versuch, die Bodenschätze und sonstigen Reichtümer Perus in einer Weise zu entwickeln, die den durchschnittlichen Wohlstand heben, der Staatskasse Einnahmen und der Armee Schlagkraft verschaffen sollten. Seine Anerkennung des Ketschua als Verkehrssprache und die kulturelle Rückbesinnung auf das Inkareich waren sicher auch von der Hoffnung getragen, die Erfolge der Inkas auf irgendeine Art zu wiederholen und die einheimischen Reichtumsquellen sprudeln zu lassen.

Damit brachte er sowohl einheimische Eliten als auch die USA gegen seine Regierung auf. Er störte besonders in einer Zeit des „Containment“, als aller sowjetischer oder kommunistischer Einfluß durch die USA in Lateinamerika bis aus äußerste bekämpft wurde. Velasco störte sehr und wurde 1975 durch einen Putsch abgesetzt. Er verstarb 2 Jahre später, unter seinem Nachfolger nahm Peru am Plan Cóndor teil.

Die politischen Traditionen Perus

Der Aufstand des Kaziken Condorcanqui – Tupac Amaru II beruhte auf dem „Modell“ der spanischen Kolonialverwaltung, das der indigenen Bevölkerung eine eigene (meist mestizische) Elite beließ, auf die sich dann das restliche, vom Mutterland gesteuerte Kolonialsystem stützte.

Im 18. Jahrhundert kam es jedoch zu umfassenden Verwaltungsreformen, sowohl in Spanien als auch in den Kolonien, und diese Form der Sub-Regierung geriet ins Visier der Kolonialbehörden. Der Versuch, diese beschränkte Selbstverwaltung der Kolonien zu begrenzen bzw. aufzuheben und die Kaziken durch vom Mutterland eingesetzte Beamte zu ersetzen, brachte die Mittelschicht der Kolonien in Aufruhr.
Dieser Aufstand von 1780-1783 enthält alle Widersprüche, die Revolutionäre und Reformer in Peru bis heute beschäftigt: Staatseigentum, Stammes- bzw. Familieneigentum, Privateigentum? Tauschhandel, Geldwirtschaft oder Requirierung? Lohnarbeit oder Zwangsarbeit (Mita)? Für welche Ziele kämpft man? Wer entscheidet und wer verteilt, und nach welchem Schlüssel?

Die 1930 in Peru gegründete Partei APRA (Amerikanische revolutionäre Volksallianz) vereinte alle Unzufriedenen in Stadt und Land mit einem anfänglich ebenso umfassenden als verschwommenem Programm: gegen die USA, für Volkseigentum und Solidarität mit den Unterdrückten der ganzen Welt. Die APRA war in Peru wiederholtermaßen verboten. Während sie sich in ihren Anfängen sehr radikal gab, mäßigte sie ihre Vorstellungen im Lauf der Zeit auf eine Art gemäßigte europäische Sozialdemokratie und nahm Maß an den europäischen Staaten der Nachkriegszeit. Damit gewann sie zwar erstmals Wahlen, verlor aber die meisten ihrer Anhänger und ist heute nicht mehr im Parlament vertreten. 

Der Publizist José Mariátegui gründete mit anderen zusammen 1928 die Peruanische Sozialistische Partei, die sich vor allem den Kampf gegen die feudalen Strukturen im ländlichen Peru auf ihre Fahnen schrieb. Nach seinem Tod benannte sich die Partei in Peruanische Kommunistische Partei um.

Auf der anderen Seite trat von Seiten der Eliten der zweifache Präsident Belaúnde Terry auf den Plan, der die indianische Bevölkerung als ein einziges Hindernis für die Entwicklung Perus betrachtete. In seinem Buch „Die Eroberung Perus durch die Peruaner“ stellte er die Forderung auf, daß alle Gegenden des Landes sich als Quelle der Reichtumsproduktion zu bewähren hätten. Eingeborene, die mit dem nicht einverstanden waren, wurden als Kommunisten oder Barbaren denunziert und damit sozusagen zum Abschuß freigegeben. In Anlehnung an seinen Buchtitel waren das eben keine Peruaner und gehörten deshalb weg.
Solche Ideen beruhen auf der Vorstellung, daß die Eroberung durch die Spanier unvollständig ist, solange es noch Eingeborene gibt, die sich den europäischen Vorstellungen von Staat, Eigentum, Grundbesitz usw. widersetzen.)

Während seiner zweiten Regierungszeit – er beerbte nach einer Übergangszeit den gestürzten und indianerfreundlichen General Velasco – bildete sich die Guerillabewegung „Leuchtender Pfad“, dessen Gründer Abimael Guzmán sich auf die Überzeugung Mariáteguis „Der Marxismus−Leninismus ist der leuchtende Pfad in die Zukunft“ bezog und Anfang der 80-er Jahre im Gebirge einen von den Theorien Maos inspirierten bewaffneten Kampf gegen die Regierung begann. Der Leuchtende Pfad stellte um 1990 eine ernsthafte Gefahr für den peruanischen Staat dar, bis er schließlich besiegt, die Anführer verhaftet und zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Ganz verschwunden ist der er aber nicht. Seine Sympathisanten verteilen sich auf andere Parteien und verschiedene Gesellschaftsschichten. Einer davon ist Vladimir Cerrón, der Gründer der Partei „Freies Peru“, der derzeit vorhat, zu den nächsten Präsidentenwahlen anzutreten.

Derzeit optiert diese oppositionelle Strömung also für den legalen Weg.

Die USA und Peru

Im 19. Jahrhundert hatte Peru keine Bedeutung für die USA. Im 20. Jahrhundert wurden jedoch auch südamerikanische Staaten stärker in die US-Einflußsphäre einbezogen. Als der peruanische Präsident Bustamante die damals noch sehr antiamerikanisch und sozialistisch ausgerichtete APRA 1945 legalisierte und in die Regierung berief, unterstützten die USA 1948 seinen Sturz.

1965 unterstützten US-Berater das peruanische Militär bei der Niederschlagung Guerilla des MIR (Bewegung der revolutionären Linken). Dabei wurde erstmals Napalm eingesetzt, seine Wirkungen getestet.
Als Velasco Alvarado 1968 die Macht übernahm, schrillten bei den USA die Alarmglocken. Er kaufte Waffen von der SU, verstaatlichte US-Firmen und bemühte sich um internationale Allianzen, die Peru aus der regionalen und US-Abhängigkeit lösen sollten.
Bei seinem Sturz durch das Militär 1975 beginnt auch der Aufstieg von Vladimiro Montesinos, der die School of The Americas durchlaufen und dann im peruanischen Militär Karriere gemacht hatte. Später sorgte er für die Einbindung Perus in den kolumbianischen Drogenhandel zur Finanzierung diverser nichtöffentlicher Aktivitäten und wurde zum Königsmacher des Präsidenten Fujimori (Regierung von 1990-2000).

Beide sitzen inzwischen in peruanischen Gefängnissen – mit unklarem Einfluß auf die Politik Perus.

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Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich hier.