Ungarns Kredit

PLEITE ODER NICHT PLEITE?
Gerade einmal haben ungarische Regierungspolitiker den Forint, aber auch den Euro auf Talfahrt geschickt.
Kurz danach kam ein Dementi: Nein, es ist gar nicht so arg, wir sind nicht pleite, es ist eh alles in Ordnung.
Irgendwelche Deppen in Budapest haben sich offenbar verkalkuliert, und fertig.
„Die Welt“, als verantwortungsvolles Blatt, hielt es für notwendig, da in einem Artikel noch ein paar Erklärungen nachzuschieben.
Aus Populismus sollen die Politiker von der neuen FIDESZ-Regierung so gehandelt haben. Erst haben sie den Leuten das Blaue vom Himmel versprochen, um die Wahlen zu gewinnen, jetzt müssen sie ihnen reinen Wein einschenken, daß kein Geld dafür da ist, und das ist natürlich bitter.
Die Zeitungen triefen fast vor Verständnis darüber, daß demokratische Einseiferei genauso geht: Erst erzählt man allen: Ich mach alles besser!, und wenn man sich dann in die Kommandohöhen der Macht hat wählen lassen, so heißt es: leider, es gibt Sachzwänge! Uns sind die Hände gebunden!
Und der enttäuschte Wähler kann sich dann damit revanchieren, daß er das nächste Mal eine andere Partei wählt, die es natürlich genauso macht.
Leider, so der Tenor des „Welt“-Artikels, sind die neuen ungarischen Politiker noch ein bißl Tölpel und beherrschen diese demokratische Kunst des unschuldigen Lügens noch nicht ganz.
Diese Einstufung ist natürlich ein arroganter Unsinn.
Man muß einmal wissen, um was es geht: Das vom IWF, der EU und vor allem den „Märkten“ so gut aufgenommene ungarische Sparpaket, das die vorige Regierung 2008 mit dem IWF ausgehandelt und dann rigide umgesetzt hat, bedeutet für Ungarn, daß das Funktionieren wichtiger Teile des Staatsapparates in Frage gestellt ist: Das Unterrichtswesen, die Gesundheitsversorgung und, last but not least, die Polizei, die auch nicht weiß, wie sie sich bis zum Jahresende finanzieren soll. Auch die Verwaltung der heurigen europäischen Kulturhauptstadt Pécs hat ihre liebe Not damit, die nötigsten infrastrukturellen Maßnahmen hinzukriegen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht womöglich einige der Kulturtempel der Stadt unter dem erwarteten Besucheransturm zusammenbrechen, weil sie bausubstanzmäßig auf dem Zahnfleisch gehen.
Also hat die neue ungarische Regierung einen Probeballon gestartet, und der war alles andere als ein populistischer Ausrutscher: Sie haben damit vorgefühlt und gezeigt, daß ihre Einordnung in die EU nicht so reibungslos vonstatten geht, wie sich das die wichtigen Regierungen und Gremien erwarten. Ein falscher Huster in Ungarn bringt nicht nur den Forint in Schwierigkeiten, sondern den Kredit der ganzen Eurozone, und sogar die New Yorker Börse.
Also werden vermutlich rund um das Dementi der ungarischen Regierung irgendwelche Verhandlungen hinter verschlossenen Türen losgegangen sein, wo einige der Maßnahmen, die seinerzeit mit dem IWF verhandelt worden sind, still und leise ad acta gelegt werden. Mit lautem Getöse nach außen: Wir bleiben fest!
Der Artikel in der Welt hingegen sieht lediglich eine Überreaktion der Märkte, mit Ungarns Wirtschaft hat das gar nichts zu tun:
„Dabei ist ein Vergleich Ungarns mit Griechenland an den Haaren herbeigezogen: ganz gleich, ob es um die Höhe der Verschuldung geht, um die Finanzpolitik der Regierung oder den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben gegenüber Investoren, EU und IWF.“
Um das zu untermauern, werden positive Gutachten zitiert. Sogar Eurostat hat Ungarn gute Noten ausgestellt.
(Nebenbemerkung: Nicht auszudenken, was auf den Finanzmärkten los wäre, wenn Eurostat Unregelmäßigkeit in den ungarischen Statistiken finden würde …)
Na dann!
Alles nur Panikmache und Nervösität, liebe Leute! Kauft ungarische Staatsanleihen! Ein Land auf Wachstumskurs!
Der Haken bei dergleichen Stimmungsmache ist nur, daß es nicht nur die Leser der Zeitung ihr nicht abkaufen werden, sondern der künstlich optimistische Tonfall auch anmerken läßt, daß die Schreiber selbst auch nicht so recht an ihre Propaganda glauben.

Die Euro-Krise, fürs einfache Gemüt aufbereitet

GRIECHEN, FRANZOSEN UND ANDERE GAUNER
Die „Presse“, Österreichs konservatives Blatt, will ihre Leserschaft über den Wertpapiermarkt und die Banken ein bißl aufklären:
„In Deutschland und Österreich haben sich die Banken verpflichtet, ihr Griechenland-Engagement vorerst nicht zurückzufahren. Bei einem Treffen mit Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) Anfang Mai sagten die Chefs der heimischen Großbanken zu, ihre Forderungen gegenüber Athen nicht fällig zu stellen und griechische Anleihen über die gesamte Laufzeit zu halten.“
Das wollen die deutschen Banken jetzt nicht einhalten, weil sie das ihren Kunden gegenüber nicht verantworten können. Während oben erwähnte Zusagen nicht bindend seien, könnten sie von ihren Kunden für unverantwortliche Veranlagung geklagt werden, so deutsche Finanzer. Also wollen sie die griechischen Staatspapiere loswerden. Die Frage ist nur: Wohin damit?
Andere machen es sich angeblich leicht:
„Anders gehen die französischen Banken vor. Diese säubern ihre Bilanzen, indem sie die Schrottpapiere an die Europäische Zentralbank (EZB) veräußern. Die EZB unter ihrem Präsidenten Jean-Claude Trichet, ein Franzose, kaufte dem Vernehmen nach bislang griechische Schuldtitel von mindestens 25 Mrd. Euro auf. Dieses EZB-Programm soll der französische Präsident Nicolas Sarkozy durchgesetzt haben.“ (Die Presse, 2.6.)
Was will uns das österreichische Blatt damit mitteilen?
Erstens, die braven Deutschen und Österreicher haben sich von den Franzosen über den Tisch ziehen lassen. Während sie treu-bieder den Kopf hingehalten haben, um den Euro zu retten oder Griechenland zu helfen – den Grund für diesen Beschluß erfährt man in dem Artikel nicht – hat Frankreich längst seine Schäfchen aufs trockene gebracht und saniert seine Bilanzen – auf unsere Kosten, selbstverständlich.
Zweitens, die griechischen Staatsanleihen sind „Schrottpapiere“, ähnlichen den Finanzprodukten diverser Banken, wie Hypothekarkredit-Verbriefungen, usw., deren Entwertung immerhin mit gigantischen Stützungspaketen der diversen Regierungen verhindert wurde. Die Staatsschuldverschreibungen eines europäischen Staates, eines Mitglieds der Eurozone erklärt die „Presse“ für völlig wertlos.
Lustig wird es dann, wenn österreichische Staatsschulden auch einmal ins Gerede kommen – aufgrund der Situation von Österreichs Banken durchaus möglich – und ausländische Zeitungen beginnen von österreichischen „Schrottpapieren“ zu schreiben.
Drittens, was haben die Franzosen als Müllschlucker für diese Makulatur gefunden? Die EZB! Und warum kauft die EZB diesen Mist? Weil der französische Präsident das „durchgesetzt“ hat (lies: Den österreichischen und deutschen Politikern fehlt es einfach an „Durchsetzungskraft!) und weil der Chef der EZB ja auch ein Franzose ist. Freunderlwirtschaft, ganz einfach.
Über Gründe für Garantien, Stützungskäufe und den Kurs der EZB erfährt man bei diesem Kasblattl, das sich immerhin für die seriöseste Zeitung Österreichs hält, nichts. Dafür wird man mit Rassismen und Schuldzuweisungen beglückt, die die Mitarbeiter der „Kronenzeitung“ vor Neid erblassen lassen müssen: Griechenland gibt „Schrottpapiere“ heraus, unsere Deppen kaufen und behalten die auch noch, während die Franzosen sie schon längst wieder der EZB untergejubelt haben und sich saniert haben.
Eigentlich ist die ganze Staatenwelt ein Sammelsurium von Betrügern und Betrogenen, Die einen geben wertlose Papiere heraus, die anderen handeln damit, der kleine Mann schaut selbstverständlich durch die Finger, und die „Presse“ schlägt die Hände zusammen: Oh Zeit, oh Sitten!

Spekulation und Regulation

DEN KRISENGEWINNLERN DAS HANDWERK LEGEN!
würden sehr viele heute gerne, in seltsamer Eintracht von Politikern über Medienvertreter bis hin zu ATTAC und anderen Leuten, die sich für links halten.
Während teilweise von den gleichen Personen vor einigen Jahren das Credo lautete, der „unsichtbaren Hand“ des Marktes alles zu überlassen und ja nicht durch irgendwelche gesetzlichen Beschränkungen das ökonomische Gleichgewicht zu stören, so spucken sie heute höchst kritische Töne gegen ebendiejenigen Subjekte, die sich der Freiheit des Marktes zu ihrem eigenen Vorteil bedienen – den Lieblingsbürgern von vorgestern.
Das ist sehr gerecht und folgerichtig.
Die kapitalistische Konkurrenz, den freien Wettbewerb, den Markt gibt es nämlich nur, weil Staatsgewalten diese schönen Dinge einrichten, aufrechterhalten und fördern. Die ständige Bereicherung der einen an den anderen, der fortgesetzte Schaden des einen zum Nutzen des anderen ist nur möglich, wenn ein Gesetzgeber seine Rolle als Schutzmacht und Puffer ausfüllt, das entsprechende Menschenmaterial – durchs Bildungssystem sorgfältig gesiebt – zur Verfügung stellt, die gewaltsame Liquidation der Konkurrenten unter Strafe stellt; und auch jenseits seiner Hoheitsgrenzen seinen Wirtschaftstreibenden Tür und Tor öffnet und dadurch dafür sorgt, daß ihnen die ganze Welt als Geschäftsfeld zur Verfügung steht.
Der Schrei nach Regulierung der Konkurrenz ist einerseits ein Idealismus, oder nährt zumindest einen solchen: Er tut nämlich so, als ließe sie sich durch entsprechende Kochrezepte eine Art Wohlstand für alle herstellen, eine prästabilisierte Harmonie.
Zweitens ist er aber eine Notwendigkeit und ständige Begleiterscheinung desselben Wettbewerbs, der eben nur möglich ist, indem eine durchaus sichtbare Hand dafür sorgt, daß die „unsichtbare“ ihr Geschäft verrichten kann.
Die Liberalisierung der Finanzmärkte, die von Kritikern aller Art inzwischen so sehr beklagt wird, war ja bitte sehr auch eine Form der Regulierung der Finanztransfers. Komplizierte Gesetzes- und Regelwerke über Besteuerung, Bilanzführung, Steuerprüfung wurden verfaßt und Behörden zur Beaufsichtigung der diversen Finanzinstitutionen wurden entweder überhaupt erst ins Leben gerufen oder mit ganz neuen Vollmachten ausgestattet, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bürgerliche Gesetzbücher wurden umgeschrieben und verschiedene Arten von Wirtschaftsvergehen neu definiert.
Den Privatsubjekten neue Freiheiten einzuräumen ist ebensosehr eine Frage der Regelung wie das Beschränken solcher Freiheiten.
Wenn jetzt alle von Regulierungen reden und Beschränkungen herbeisehnen, so ist das nur der Wunsch nach anderen, neuen Spielregeln und verweist in das weite und ungemütliche Land der Konkurrenz der Nationen.
Dem unbefangenen Beobachter stellt sich im Weiteren die Frage: Wer sind die eigentlich, diese gierigen Spekulanten, die das Maul nicht voll kriegen können und die Menschheit ins Unglück stürzen, um sich ihre vielen Yachten und Villen leisten zu können?
Man sieht sie nicht, sie haben keine Gesichter, sondern bevölkern als finstere Gestalten und Drahtzieher die Räume hinter der Weltbühne.
Falls sie zu Fall kommen, wie die Herren Madoff oder Elsner, so sind sie keine Spekulanten mehr, sondern einfache Betrüger und Verbrecher.
Strauss-Kahn, Trichet und Ackermann, oder kleiner kalibrierte österreichische Bankiers gelten jedenfalls nicht als Spekulanten, obwohl sie das gleiche Gewerbe gelernt haben und ausüben: erfolgreichen Handel mit Geld und Kredit.
Was machen die deutschen und österreichischen (und französischen usw.) Banken eigentlich? Geben sie keine Wertpapiere aus, handeln sie nicht mit Währungen, verwalten sie keine Pensionsfonds, deren Gelder sie ja auch wieder irgendwo investieren müssen? Kaufen sie keine Staatsanleihen, begeben sie keine Wertpapieremissionen großer Firmen? Rühren sie Aktien, Derivate, Optionen nicht an?
Sitzen ihre Chefs nur da und schlagen die Zeit mit Schifferl-versenken tot?
Wohl kaum.
Also muß man zwischen den diversen Geldfürsten, die da ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, sehr differenzieren, wie es so schön heißt: Unsere Bankiers sind in Ordnung, (solange sie nicht im Gefängnis sitzen), die müssen deshalb natürlich auch unterstützt werden, wenn sie ins Trudeln geraten – aber irgendwo weiter weg, da sind dann diese Raubritter, die sich den einheimischen oder EU-Gesetzen entziehen, in New York und Singapur die Fäden ziehen, aus dem Hinterhalt zuschlagen und „gegen den Euro spekulieren“.
Natürlich, in früheren Zeiten, seit der Euro-Einführung, als der Euro gegenüber dem $ gestiegen ist, da „stärkten“ diese gleichen Leute den Euro, verliehen ihm Volumen und Flügel, und niemand wäre auf die Idee gekommen, zu sagen: da gibt es doch glatt Leute, die spekulieren gegen den $!