Rumänien 1989

Das Ende des Vampirs
Dieser Tage sind die Zeitungen voll mit den rumänischen Ereignissen von 1989 und dem Ende des Conducators. Besonders in den ehemaligen sozialistischen Ländern wird um diese Revolution, wie sie genannt wird, im Rückblick viel Aufhebens gemacht: Da es für die meisten Bewohner dieser Länder auch heute nicht viel zu lachen gibt, so ist es um so wichtiger, ihnen klarzumachen, daß das Vorherige so schlimm war, daß sie sich über das Heutige gar nicht mehr beschweren dürfen.
Und da eignet sich natürlich niemand so gut wie Ceausescu.
Klein, von niedriger Herkunft, ungebildet, größenwahnsinnig, hat dem Land eine Hungersnot verursacht, einen besonders grauslichen Geheimdienst kommandiert, und wurde schließlich vom gerechten Volkszorn gestürzt, von einem ad hoc-Gericht verurteilt und hingerichtet. Ein Diktator wie aus dem Bilderbuch.
Angesichts dieser Feinbildpflege ein paar Tatsachen über den rumänischen Sonderweg und sein Ende:
Im 1949 gegründeten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) vertrat Rumänien sehr bald die Position, daß diese Institution für Rumäniens nationale Ambitionen ungeeignet war. Die unter Chrustschow erfolgte Neudefinition der „Arbeitsteilung“ in Agrarländer und Rohstofflieferanten einerseits, und Industrieländer andererseits sah die rumänische Führung als einen Angriff auf die nationale Entwicklung an und verringerte sukzessive die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den RGW-Mitgliedern, während es diejenigen mit kapitalistischen Ländern und solchen in der 3. Welt steigerte. Das geschah alles noch unter Ceausescus Vorgänger, Gheorghe Gheorghiu-Dej. Besonders intensive Beziehungen pflegte Rumänien mit dem Iran, als Öllieferanten.
Diese eigenständige nationale Politik hatte auch Auswirkungen auf die Außen- und Militärpolitik. Seit deren Abzug 1958 waren in Rumänien keine sowjetischen Truppen mehr stationiert. Rumänien beteiligte sich 1968 nicht am Einmarsch in die Tschechoslowakei. Es war das erste sozialistische Land, das dem IWF beitrat, 1972. Seine Führung pflegte demonstrativ gute diplomatische Beziehungen zu den wichtigen imperialistischen Staaten.
All das brachte Rumänien viel Applaus in westlichen Medien ein. Der „größenwahnsinnige Diktator“ der 80-er Jahre war in den 70-er Jahren in der Presse ein mutiger und freiheitsliebender Politiker, der sich von Moskau nicht gängeln ließ und dafür Bewunderung verdiente.
Rumänien war ein Pionier und deshalb auch das erste Opfer des Ost-West-Handels. Die Idee, Maschinen und Know-How aus dem Westen zu importieren und damit ihre Industrie zu entwickeln, war allgemein populär in der rumänischen Führung. Sie scheiterte nur an den Devisen, die man dafür brauchte, aber nicht hatte. Also griffen die rumänischen Politiker gerne zu der ihnen großzügig angebotenen Kredithilfe und begannen sich über den IWF und private Geldinstitute zu verschulden.
Der Wendepunkt kam 1981. Die Polenkrise ließ Kredite an sozialistische Staaten als unsichere Investition erscheinen. Rumänien wurden Kredite verweigert. Bei der Bedienung der Altschulden traten auch Schwierigkeiten auf: Veränderte Weltmarktpreise, der Sturz des Schah und damit das Ende der Öllieferverträge trafen die petrochemische und andere Industrie schwer. Aus Mangel an Devisen mußte jede Menge an Produktion eingestellt werden. Viele Industriegiganten standen still oder liefen auf einem Bruchteil ihrer Kapazitäten.
Und da hatte Ceausescu eine Einsicht: Er begriff, daß Kredit eine ökonomische Waffe ist, mit der Staaten in Abhängigkeiten gezwungen werden. Er stellte fest, daß er auf das falsche Pferd gesetzt hatte, um Rumänien voranzubringen. Und er machte einen Schwenk um 180 Grad: Rumänien habe sich von der Kreditlast zu befreien, um seinen eigenen Weg gehen zu können – das wurde das Leitmotiv der rumänischen Wirtschaftspolitik der 80-er Jahre.
Die gesamte rumänische Volkswirtschaft wurde in die Pflicht genommen, um den Schuldendienst zu bewältigen. Hauptexportschlager waren Lebensmittel. Ausgerechnet die Landwirtschaft, die in der Zuteilung von Mitteln stets sehr stiefmütterlich behandelt worden war – denn Vorrang hatte der Ausbau der Industrie – und entsprechend unproduktiv war, mußte herhalten, um Rumänien aus der Schuldenfalle herauszuführen. Und die Rumänen hungerten. Rumänische Tomaten, die man auf Wiener Märkten kaufen konnte, suchte man auf rumänischen Märkten vergebens.
Noch rasanter als der Absturz der rumänischen Wirtschaft war der des Rufes von Nicolae Ceausescu. Diverse Projekte, vor allem das der Dorfzerstörung, wurden nicht als Ergebnis einer zugegebenermaßen etwas schiefen, aber doch Staatsräson behandelt, sondern als bloßes Vernichtungswerk eines kranken Geistes. Die leeren Geschäfte dienten als Bebilderung von „Mißwirtschaft“, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wo diese Waren eigentlich hingekommen waren, und aus welchen Gründen – daß nämlich damit die Geschäfte westlicher Banken finanziert werden mußten.
Auf einmal wurde die Securitate „entdeckt“. Methoden der Vernichtung mißliebiger Staatsbürger, Folter – alles Dinge, die im vom Westen gleichsam hofierten Argentinien der 70-er Jahre gang und gäbe, und leider in Rumänien auch keine neue Einführung waren, wurden dem p.t. Publikum von der Presse schon fast genüßlich aufbereitet.
Es war klar: Der Typ ist unmöglich und gehört weg. Als es dann soweit war, war großer Jubel angesagt.
Was lernen wir daraus, 20 Jahre später?
1. Jede Alternative zu Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft ist ein Verbrechen und wird früher oder später bestraft.
2. Alles, was in Rumänien heute fehlt und weswegen Leute darben, ist das Erbe der Vergangenheit und nicht das Ergebnis des Kapitalismus.
3. Drittens, wir leben in der besten aller bestmöglichen Welten. Für alles Elend ist die unzulängliche Menschennatur zuständig.

2 Gedanken zu “Rumänien 1989

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