EINE FESTE BURG DER USA?
Vor einiger Zeit ist in Peru die nicht ganz verfassungskonforme Absetzung des gewählten Staatsoberhauptes von sich gegangen. Man könnte auch von einem Putsch reden. Diese Art von Absetzung eines Präsidenten durch das Parlament fand 2012 in Paraguay statt, 2016 in Brasilien, 2019 in Bolivien und eben zuletzt, 2022 in Peru.
Die demokratische Legitimation von Staatsoberhäuptern ist dort nicht viel wert, wenn die Personen, die die wirtschaftliche Macht ausüben, ihre Position durch einen solchen Volksvertreter gefährdet sehen.
Man geht sicher nicht fehl, hinter dieser Art von Machtwechsel die lange Hand der USA zu vermuten. Genauso ist es jedoch notwendig, sich die Eliten dieses Staates anzusehen, die mit dem gewählten Repräsentanten unzufrieden sind und ihre Interessen durch einen solchen Machtwechsel schützen.
Metropole und Dschungel
Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Perus, ca. 33 Millionen, lebt in Lima. Es gibt also einen urbanen Ballungsraum, die sich sehr vom Rest des Landes unterscheidet. Die Eliten sitzen in der Stadt und blicken mit Mißtrauen auf die ländliche Bevölkerung. Sie erscheint ihnen lästig, unnötig und gefährlich. Um so mehr, als die Eingeborenen im Inneren des Landes durch ihre bloße Existenz immer an den durch die Kolonisatoren verübten Raub erinnern, auf dem ihr Reichtum beruht.
Der Rest des Landes teilt sich auf zwischen Großgrundbesitz, wo für den Weltmarkt produziert wird – Peru ist derzeit international Marktführer für Heidelbeeren –, Bergbau und Subsistenz. Ein bedeutender Teil des Landes unterliegt gar keiner Kontrolle, dorthin führen keine Straßen, und Holzräuber, illegale Bergbau-Firmen, Schmuggler und Indianerstämme treiben sich dort herum. Ihre Tätigkeit bleibt unbekannt, sie gehen in kein BIP ein und sie scheinen höchstens einander zu stören, niemanden sonst.
Es gab Versuche von Politikern, diese disparaten Teile des Landes zu einer mehr als nur territorialen Einheit zu formen, sie sind bisher alle gescheitert.
Die Wirtschaft Perus – die Armut des Menschen als Ergebnis des Reichtums der Erde
Die Bergbauindustrie macht 80% des BIP aus. Peru exportiert Kupfer, Gold, Silber, Eisen, Zinn, Zink, Blei, Wismut und Tellur, es verfügt auch über Lithium, das allerdings noch in der Prospektionsphase ist.
Die meisten dieser Minerale verlassen Peru jedoch in Form von Erz, weil es nie gelungen ist, so etwas wie eine Hüttenindustrie zu etablieren. Diese Erze werden also aus Peru in ihrer rudimentärsten Form exportiert und im Ausland verhüttet. Das ist z.B. ein großer Unterschied zu den Verhältnissen in Chile, wo die gesamte Kupferproduktion im Inland und größtenteils staatlich betrieben wird.
Als die Regierung unter dem inzwischen abgesetzten Präsidenten darüber nachdachte, die Verträge mit den Bergbauunternehmen neu zu verhandeln und eventuell zur Verarbeitung im Land zu veranlassen, kam es zu gröberem Grummeln und über dem Haupte von Castillo braute sich Unheil zusammen.
Die Ölindustrie wurde unter General Velasco 1969 verstaatlicht und die Ölfirma Petroperu ist bis heute in staatlicher Hand. Seither wurden jedoch offenbar andere Ölfelder privatisiert oder Konzessionen vergeben. Die Raffinerie bei Lima, bei der es im Jänner 2022 zu einem Unfall beim Befüllen eines Tankers kam, gehört jedenfalls der spanischen Firma Repsol bzw. wird von ihr betrieben.
Beim Erdgas ist die Situation sehr unklar. Peru besitzt angeblich die zweitgrößten Erdgasreserven Südamerikas. Aber um an die heranzukommen, braucht man erst einmal Kapital, das sich in Peru für diese Zwecke nicht findet. Es ist allerdings auch schwierig, ausländisches Kapital anzulocken, weil das will für seine Investitionen Freiheiten, die den Energiebedürfnissen der peruanischen Wirtschaft wiedersprechen, die mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs durch Importe decken muß.
Es ist das gleiche Problem, das auch schon in Bolivien für Aufruhr gesorgt hat. In Peru wäre die Energie obendrein sehr notwendig, um die restliche Industrie voranzubringen.
Eine Energieversorgung ist nämlich eine Vorleistung für jede industrielle Entwicklung bzw. Produktion. Wo die nicht gewährleistet ist, sieht es schlecht aus für andere energieintensive Geschäftszweige, wie eben eine Schwerindustrie mit Hochöfen und Walzstraßen.
Peru besitzt auch eine Textilindustrie, produziert Gewebe und Kleidung aus tierischen, pflanzlichen und Kunststoff-Fasern. Diese angestammte Industrie gerät jedoch seit geraumer Zeit sehr unter Druck durch die Importe aus China. Die Textil-„Front“ zieht sich quer durch diverse Sektoren der peruanischen Gesellschaft: Für oder gegen chinesische Kleidung?
Agrikultur und Fischereiwirtschaft tragen auch noch ihr Scherflein bei zur Wirtschaftsleistung, fransen jedoch bereits in den informellen Sektor aus, wo Mengen nicht wirklichkeitsgetreu deklariert und steuerschonend im Inland versilbert oder ins Ausland verschoben werden.
Der Rest der Bevölkerung ist entweder beim Staat angestellt oder bringt sich im weiten und breiten informellen Sektor weiter: am Bau, als fliegende Händler, Kellner, Gärtner, Fuhrunternehmer und Taxler, Krimineller, usw. usf. Keine Krankenversicherung, keine Pension, keine Steuern.
Das Ausmaß und die Unsicherheit dieser Existenzen wurde durch die Corona-Pandemie deutlich. Peru hat nach den offiziellen Zahlen weltweit sowohl die höchste Sterblichkeit im Verhältnis zur Bevölkerung als auch im Verhältnis zu den gemeldeten Infektionen.
Die Unabhängigkeit und die Grenzen Perus
Die Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialherrschaft war in Peru größtenteils ein Werk außerhalb dieses Territoriums ansässiger Mächte und Personen.
Die spanischen königstreuen Truppen zogen sich in die Berge zurück und wurden erst 1824 durch die Armee Simón Bolívars geschlagen.
Diese Waffenhilfe war nicht ganz uneigennützig – Bolívar und seine Mannschaft erwarteten den Anschluß Perus an die Föderation Groß-Kolumbiens. Das führte zum ersten Grenzkrieg zwischen Peru und dieser – immer mehr abbröckelnden – Föderation.
Dieser Krieg trat eine lange Reihe von Grenzkriegen los, die Peru allesamt entweder verloren oder nicht wirklich gewonnen hat, was das ursprüngliche Gebiet verkleinert und einen Haufen Ausgaben verursacht hat. Peru verlor in alle Richtungen Territorien, häufte dabei Schulden an und hat bis heute offene Grenzfragen mit seinen Nachbarn.
Neben Grenzkriegen machte Peru auch einige Bürgerkriege durch, bei denen zu kurz gekommene Provinz-Häuptlinge durch Verfügung über Waffen vermeintliche Rechte von den Eliten der Metropole einforderten.
Das Militär als Hüter des Vaterlandes brachte auch den entschlossensten Präsidenten hervor, der Peru zu einer Nation formen wollte: Der General Velasco Alvarado (Präsident von 1968 bis 1975) unternahm den Versuch, die Bodenschätze und sonstigen Reichtümer Perus in einer Weise zu entwickeln, die den durchschnittlichen Wohlstand heben, der Staatskasse Einnahmen und der Armee Schlagkraft verschaffen sollten. Seine Anerkennung des Ketschua als Verkehrssprache und die kulturelle Rückbesinnung auf das Inkareich waren sicher auch von der Hoffnung getragen, die Erfolge der Inkas auf irgendeine Art zu wiederholen und die einheimischen Reichtumsquellen sprudeln zu lassen.
Damit brachte er sowohl einheimische Eliten als auch die USA gegen seine Regierung auf. Er störte besonders in einer Zeit des „Containment“, als aller sowjetischer oder kommunistischer Einfluß durch die USA in Lateinamerika bis aus äußerste bekämpft wurde. Velasco störte sehr und wurde 1975 durch einen Putsch abgesetzt. Er verstarb 2 Jahre später, unter seinem Nachfolger nahm Peru am Plan Cóndor teil.
Die politischen Traditionen Perus
Der Aufstand des Kaziken Condorcanqui – Tupac Amaru II beruhte auf dem „Modell“ der spanischen Kolonialverwaltung, das der indigenen Bevölkerung eine eigene (meist mestizische) Elite beließ, auf die sich dann das restliche, vom Mutterland gesteuerte Kolonialsystem stützte.
Im 18. Jahrhundert kam es jedoch zu umfassenden Verwaltungsreformen, sowohl in Spanien als auch in den Kolonien, und diese Form der Sub-Regierung geriet ins Visier der Kolonialbehörden. Der Versuch, diese beschränkte Selbstverwaltung der Kolonien zu begrenzen bzw. aufzuheben und die Kaziken durch vom Mutterland eingesetzte Beamte zu ersetzen, brachte die Mittelschicht der Kolonien in Aufruhr.
Dieser Aufstand von 1780-1783 enthält alle Widersprüche, die Revolutionäre und Reformer in Peru bis heute beschäftigt: Staatseigentum, Stammes- bzw. Familieneigentum, Privateigentum? Tauschhandel, Geldwirtschaft oder Requirierung? Lohnarbeit oder Zwangsarbeit (Mita)? Für welche Ziele kämpft man? Wer entscheidet und wer verteilt, und nach welchem Schlüssel?
Die 1930 in Peru gegründete Partei APRA (Amerikanische revolutionäre Volksallianz) vereinte alle Unzufriedenen in Stadt und Land mit einem anfänglich ebenso umfassenden als verschwommenem Programm: gegen die USA, für Volkseigentum und Solidarität mit den Unterdrückten der ganzen Welt. Die APRA war in Peru wiederholtermaßen verboten. Während sie sich in ihren Anfängen sehr radikal gab, mäßigte sie ihre Vorstellungen im Lauf der Zeit auf eine Art gemäßigte europäische Sozialdemokratie und nahm Maß an den europäischen Staaten der Nachkriegszeit. Damit gewann sie zwar erstmals Wahlen, verlor aber die meisten ihrer Anhänger und ist heute nicht mehr im Parlament vertreten.
Der Publizist José Mariátegui gründete mit anderen zusammen 1928 die Peruanische Sozialistische Partei, die sich vor allem den Kampf gegen die feudalen Strukturen im ländlichen Peru auf ihre Fahnen schrieb. Nach seinem Tod benannte sich die Partei in Peruanische Kommunistische Partei um.
Auf der anderen Seite trat von Seiten der Eliten der zweifache Präsident Belaúnde Terry auf den Plan, der die indianische Bevölkerung als ein einziges Hindernis für die Entwicklung Perus betrachtete. In seinem Buch „Die Eroberung Perus durch die Peruaner“ stellte er die Forderung auf, daß alle Gegenden des Landes sich als Quelle der Reichtumsproduktion zu bewähren hätten. Eingeborene, die mit dem nicht einverstanden waren, wurden als Kommunisten oder Barbaren denunziert und damit sozusagen zum Abschuß freigegeben. In Anlehnung an seinen Buchtitel waren das eben keine Peruaner und gehörten deshalb weg.
Solche Ideen beruhen auf der Vorstellung, daß die Eroberung durch die Spanier unvollständig ist, solange es noch Eingeborene gibt, die sich den europäischen Vorstellungen von Staat, Eigentum, Grundbesitz usw. widersetzen.)
Während seiner zweiten Regierungszeit – er beerbte nach einer Übergangszeit den gestürzten und indianerfreundlichen General Velasco – bildete sich die Guerillabewegung „Leuchtender Pfad“, dessen Gründer Abimael Guzmán sich auf die Überzeugung Mariáteguis „Der Marxismus−Leninismus ist der leuchtende Pfad in die Zukunft“ bezog und Anfang der 80-er Jahre im Gebirge einen von den Theorien Maos inspirierten bewaffneten Kampf gegen die Regierung begann. Der Leuchtende Pfad stellte um 1990 eine ernsthafte Gefahr für den peruanischen Staat dar, bis er schließlich besiegt, die Anführer verhaftet und zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Ganz verschwunden ist der er aber nicht. Seine Sympathisanten verteilen sich auf andere Parteien und verschiedene Gesellschaftsschichten. Einer davon ist Vladimir Cerrón, der Gründer der Partei „Freies Peru“, der derzeit vorhat, zu den nächsten Präsidentenwahlen anzutreten.
Derzeit optiert diese oppositionelle Strömung also für den legalen Weg.
Die USA und Peru
Im 19. Jahrhundert hatte Peru keine Bedeutung für die USA. Im 20. Jahrhundert wurden jedoch auch südamerikanische Staaten stärker in die US-Einflußsphäre einbezogen. Als der peruanische Präsident Bustamante die damals noch sehr antiamerikanisch und sozialistisch ausgerichtete APRA 1945 legalisierte und in die Regierung berief, unterstützten die USA 1948 seinen Sturz.
1965 unterstützten US-Berater das peruanische Militär bei der Niederschlagung Guerilla des MIR (Bewegung der revolutionären Linken). Dabei wurde erstmals Napalm eingesetzt, seine Wirkungen getestet.
Als Velasco Alvarado 1968 die Macht übernahm, schrillten bei den USA die Alarmglocken. Er kaufte Waffen von der SU, verstaatlichte US-Firmen und bemühte sich um internationale Allianzen, die Peru aus der regionalen und US-Abhängigkeit lösen sollten.
Bei seinem Sturz durch das Militär 1975 beginnt auch der Aufstieg von Vladimiro Montesinos, der die School of The Americas durchlaufen und dann im peruanischen Militär Karriere gemacht hatte. Später sorgte er für die Einbindung Perus in den kolumbianischen Drogenhandel zur Finanzierung diverser nichtöffentlicher Aktivitäten und wurde zum Königsmacher des Präsidenten Fujimori (Regierung von 1990-2000).
Beide sitzen inzwischen in peruanischen Gefängnissen – mit unklarem Einfluß auf die Politik Perus.
____________________
Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich hier.
Neben ihrem oben verlinkten Artikel "Heimatkunde Peru" https://www.alanier.at/Peru.html. gibt es von Amelie beim 'Blättle' eine weitere gründliche Darstellung. https://www.untergrund-blättle.ch/politik/lateinamerika/peru-eine-feste-burg-der-usa-7921.html
sowie zu Peru: https://www.nachdenkseiten.de/?p=101795
https://amerika21.de/audio/262683/neue-rohstoffe-alte-ausbeutungsmuster
https://amerika21.de/pressespiegel/11
Peru bricht mit der Demokratischen Arabischen Republik Sahara
Die Regierung von Peru hat der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) die Anerkennung entzogen und alle Beziehungen abgebrochen.
Die Entscheidung nimmt Bezug auf Gespräche mit dem Außenminister von Marokko, Nasser Bourita. Das peruanische Außenministerium erklärte in diesem Zusammenhang: "In Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und den UN-Resolutionen zur Sahara-Frage schätzt und respektiert [Peru] die territoriale Integrität des Königreichs Marokko und seine nationale Souveränität sowie den Autonomieplan für diesen regionalen Konflikt."
(…)
(amerika21, 12.9.)
Hier merkt man, wo sich Peru einreihen möchte: Bei den Freunden der USA.
Ob die UNO da viel helfen kann … ?
„Linker Ex-Präsident von Peru bittet UN-Generalsekretär um Unterstützung
Mit einem Brief hat sich der inhaftierte Ex-Präsident von Peru, Pedro Castillo, an UN-Generalsekretär António Guterres gewandt. In dem Schreiben, das Castillo auf X veröffentlichte, prangert er »die systematische Verletzung meiner Menschenrechte in Peru an, einschließlich meiner willkürlichen Verhaftung und illegalen Absetzung als Präsident“.
(…)“
(Amerika21, 15.2.)
Sieh da, sieh da:
„Die Polizei durchsucht das Haus der peruanischen Präsidentin wegen ihrer Sammlung von Luxusuhren
Die Agenten brechen die Tür der Wohnung von Dina Boluarte auf, gegen die wegen angeblicher unrechtmäßiger Bereicherung ermittelt wird“
(El País, 30.3.)
Wenn man den Artikel zusammenfaßt, so hat die Dame nix anderes im Kopf, als sich statt ihrer vorherigen Plastik-Imitate wirkliche teure Original-Uhren zu besorgen.
Aus dergleichen Schmarrn kann man erschließen, daß sie sich als Marionette überlebt hat und bald wer anderer an die Macht kommen wird.
Dina Boluarte ist bereits 500 Tage im Amt – zwar sehr unbeliebt, aber es findet sich offenbar niemand geeigneter, um sie zu ersetzen.
Von Wahlen ist auch keine Rede, und das Parlament bestätigt sie in ihrem Amt, trotz der Korruptions-Geräusche wegen der Rolex-Uhren. (Für peruanische Verhältnisse ohnehin eine Kleinigkeit.)
Theo Wentzke über Lateinamerikas Ökonomie: "Im Dienst des Kapitals"
Perus Wirtschaft ist gänzlich auf Extraktivismus und ausländische Investitionen ausgerichtet. Wer das ändern will, landet im Gefängnis, wie Expräsident Pedro Castillo
Vor gut einem Jahr wird in Peru der erst kurz zuvor gewählte Präsident, ein gewisser Pedro Castillo, ein indigener ehemaliger Dorfschullehrer, ein Linker irgendwie und Hoffnung verarmter Wählermassen, nicht nur abgesetzt, sondern wegen Vorwürfen der Korruption und des illegalen Vorgehens gegen das Parlament gleich ins Gefängnis gesteckt, so wie etliche seiner Vorgänger aller möglichen politischen Couleur. Hierzulande wird man darüber aufgeklärt, dass so etwas seit über 20 Jahren für Staatspräsidenten zu einem Berufsrisiko geworden ist, was seither zum insgesamt beklagenswerten Erscheinungsbild der peruanischen Demokratie beiträgt. Hinzu kommen zuletzt noch Berichte über die blutige Niederschlagung von Protesten der Anhänger des Abgesetzten, überwiegend bitterarme Leute aus dem peruanischen Hochland, unter dem Oberbefehl einer neuen Präsidentin, die das Vertrauen der USA genießt und wieder aus den Kreisen des mächtigen politischen Establishments kommt.
Während dieses volatile politische Geschehen professionelle Beobachter anhaltend irritiert, zeigen sich die maßgeblichen Kommentatoren und Analysten der ökonomischen Verfassung des Landes durchaus zufrieden, imponiert Peru auf diesem Gebiet doch mit im lateinamerikanischen Vergleich überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Kennziffern bei Wachstum oder Inflation. Auf diejenigen, deren ökonomische Tätigkeiten damit erfasst werden und für die solche Analysen erstellt werden, kommt es auch an, schließlich haben sie die wichtigsten Geschäfte des Landes in der Hand. Und sie bleiben tatsächlich vom »politischen Tagesgeschehen« weitgehend unbehelligt, so dass einschlägige Berichte immer wieder von einer erfreulichen »Entkopplung der Politik« vom ökonomischen Erfolg des Landes verkünden… (Forts.):
https://www.jungewelt.de/artikel/477484.lateinamerikas-ökonomie-im-dienst-des-kapitals.html
[Vorabdruck aus dem demnächst erscheinenden GSP 2/2024, der auch einen Artikel über dien Gehalt der Verfassungsprozeduren in Chile enthält: https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/vom-linken-fehler-politischen-leistungen-eines-verfassungsprozesses ]
„Peru: Will Ex-Präsident Pedro Castillo erneut an die Spitze?
Der Versuch von Perus gestürztem Präsidenten Pedro Castillo, auf juristischem Wege aus dem Gefängnis zu kommen und wieder als Präsident eingesetzt zu werden, ist gescheitert. Nun möchte er offenbar über Wahlen zurück in die Politik. Dies haben seine Anwälte bekannt gegeben. (…)
(amerika21, 21.7.)
„Führer der lateinamerikanischen Linken markieren angesichts eines unsicheren Wahlszenarios rote Linien für Maduro
Lula da Silva, Fernández und andere Führer in der Region fordern den Präsidenten Venezuelas auf, den Wahlprozeß zu respektieren und das Ergebnis zu akzeptieren; Brasilien wird den ehemaligen Außenminister Celso Amorim entsenden
Die Situation höchster Spannung in Venezuela aufgrund der Wahlen am Sonntag, bei denen die Opposition Nicolás Maduro nach 25 Jahren Chavismus ablösen könnte, hält die großen Führer der lateinamerikanischen Linken in Atem.
An diejenigen, die Maduro irgendwann unterstützt haben, und an diejenigen, die dies nicht getan haben. Von Lula Da Silva bis Gabriel Boric, über Gustavo Petro bis Alberto Fernández.
Der brasilianische Präsident hat in diesen Tagen am deutlichsten zugegeben, dass er »Angst« verspürte, als Maduro in einem Video, das angeblich ohne seine Zustimmung in den Netzwerken verbreitet wurde, sagen hörte, dass ein Sieg des Oppositionskandidaten Edmundo González zu einem Sieg führen könnte zu »einem Blutbad« oder »einem brudermörderischen Bürgerkrieg«. Auch wenn es schwer zu sagen ist, ob es sich hierbei um einen rhetorischen Exzess des Präsidenten handelt, – nichts Ungewöhnliches im Chavismus –, oder um eine substanzielle Drohung, so hat das jedenfalls Besorgnis erregt. (…)
(El País, 24.7.)
Perus neuer Megahafen Chancay. „Eine Machtdemonstration von Peking“
Ein Megahafen in Peru eröffnet China neue Möglichkeiten in Südamerika. Die Anlage in Chancay verkürzt die Fahrtzeit von Riesencontainern und könnte zu mehr Handel mit begehrten Rohstoffen führen. Und auch zu politischer Abhängigkeit?
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/peru-china-hafen-chancay-100.html
Kupferproduktion in Peru: Großes Potenzial, viel Widerstand
Die peruanische Kupfer-Pipeline enthält Potenzial für 2,6 Mio. Tonnen pro Jahr. Doch der Bergbau im Land kämpft gegen Widerstände, in diesem Jahr droht eine Stagnation. Der neue Minister will eine Besserung der Situation erkennen….
https://www.miningscout.de/blog/2024/08/30/kupferproduktion-in-peru-grosses-potenzial-viel-widerstand/
(‚Der neue Minister’…? Über das politische Personal in Peru gibt es ansonsten in hiesiger Presse meist nur eher ‚merkwürdige‘ Meldungen, Ex-Präsidenten werden in Gefängnisse verfrachtet bzw. versterben dort etcpp…)
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/lateinamerika/peru-eine-feste-burg-der-usa-7921.html (Amelie Lanier. 2023)
https://nestormachno.alanier.at/serie-lateinamerika-heute-teil-20-peru/#comment-79915
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/demokratische-korruption-kapitalistischer-reichtum-peru
Fujimori war aus dem Gefängnis entlassen, als er verstarb.
Während sich Peru lange nach Japan orientiert hat, zumindest bis zum II. Weltkrieg – deswegen auch der japanischstämmige Präsident –, ist offensichtlich auch dort inzwischen China auf dem Vormarsch, wie die obige Meldung zeigt …
„TREFFEN IN PERU
Biden und Xi bereiten sich auf Trump vor
Am Samstag kommen Noch-US-Präsident Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi zum letzten Amtstreffen in Peru zusammen. Die Beziehungen zwischen den USA und China stehen auf wackligen Beinen – wird sich das unter Trump verschärfen?
Lateinamerika gilt allgemein als Hinterhof der USA – zumindest war das einmal so. Denn schon lange hat auch China den Fuß in der Tür. Beim diesjährigen Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) am Wochenende sollen eben dort, nämlich in Peru, die Präsidenten der zwei mächtigsten Länder zusammentreffen: Joe Biden und Xi Jinping.
In Lima wird es das letzte Mal sein, dass die beiden zusammenkommen, bevor Biden im Jänner das Zepter an Donald Trump übergibt. Die US-China-Beziehungen hinterlässt er in wackeligem Zustand, wiewohl es zuletzt Entspannungen gegeben hat. Ziemlich genau vor einem Jahr haben sich Biden und Xi zuletzt getroffen, ebenfalls am Rande eines Apec-Gipfels in San Francisco. Das damalige Treffen markierte ein lang ersehntes Auftauen der Beziehungen. Nicht einmal zwischen den beiden Militärs hatte es mehr Gespräche gegeben, was angesichts der Spannungen um Taiwan oder im Südchinesischen Meer große Sorgen ausgelöst hatte. Seit dem Treffen in San Francisco gibt es sie wieder – und auch regelmäßige Telefonate zwischen Xi und Biden. Vor wenigen Wochen landeten sogar wieder Pandabären aus Chengdu im Washingtoner Zoo.
Drohen die Beziehungen nun – angesichts der vielen "China-Falken", die der designierte US-Präsident Trump nun in seine Regierung geholt hat – wieder in den Keller zu rasseln? Um das zu beantworten, lohnt sich ein Blick ins letzte Jahrzehnt: Ganz grundsätzlich konkurrieren die beiden Supermächte um Einfluss in der Welt – egal wer im Weißen Haus sitzt. Schon Barack Obama wollte sich mit seiner "Pivot to Asia"-Politik entschlossen positionieren – Einsätze wie etwa der in Afghanistan lenkten die US-Administration aber nachhaltig davon ab. Trump ging dann ab 2017 aggressiver vor: Er brach einen Handelskrieg vom Zaun; kurz nach seiner Wahl telefonierte er mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen – ein Affront gegenüber Peking, das die Insel ja als abtrünniges Territorium betrachtet.
Wien als Eisbrecher
Biden verzichtete auf derartige Aktionen, ging aber in der Sache ähnlich hart vor. Der Ballonvorfall im Februar 2023 verschärfte das Misstrauen, es brach eine Eiszeit an. Nur sehr geduldige Diplomatie sorgte schließlich für Tauwetter. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan – und Wien, wo ein erstes Anbahnungstreffen von Unterhändlern beider Seiten im Mai 2023 stattgefunden hatte. Wenn Xi und Biden sich nun am Wochenende treffen, dann wolle man, so die US-Seite, Bilanz über die "Bemühungen um einen verantwortungsvollen Umgang" hinsichtlich des Wettbewerbs ziehen. Inwiefern die Staffelübergabe an Trump thematisiert wird, ist offen. (…)
(Standard, 15.11.)
„Berater von Donald Trump nimmt chinesischen Hafen in Peru ins Visier
Mauricio Claver-Carone, Berater im Übergangsteam des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, will die Einfuhr von Waren in die USA über den chinesischen Hafen Chancay in Peru erschweren. Ziel sei es, den Einfluss Chinas in Lateinamerika zu verringern.
Gemeint ist der neue Hafen von Chancay, den die peruanische Präsidentin Dina Boluarte Mitte November im Beisein des chinesischen Präsidenten Xi Jinping eröffnete. Die Einweihung der ersten vier von insgesamt 15 geplanten Hafenbecken fand zeitgleich mit dem Wirtschaftsforum der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Lima statt.
Der Hafen in der Küstenstadt 70 Kilometer nördlich von Lima gilt mit einem Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden US-Dollar als eines der größten Infrastrukturprojekte Lateinamerikas. Größter Investor ist der chinesische Staatskonzern Cosco Shipping Ports Limited.
Claver-Carone, der während der ersten Trump-Regierung Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank und später Direktor für die westliche Hemisphäre im Nationalen Sicherheitsrat der USA war, kündigte eine konkrete Maßnahme gegen den Hafen von Chancay an: die Erhebung eines Zolls von 60 Prozent auf Waren, die den Hafen passieren.
Dies würde auch Waren aus lateinamerikanischen Ländern betreffen, die über den Hafen verschifft werden. Trumps Berater will nach eigenen Angaben verhindern, dass die in den letzten Monaten von der US-Regierung eingeführten hohen Importzölle auf chinesische Produkte durch den Umschlag in Chancay umgangen werden.
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen für China befürchten US-Militärs, dass der Hafen zu einem strategischen Ort für das chinesische Militär werden könnte. Laura J. Richardson, ehemalige Leiterin des Southern Command des US-Verteidigungsministeriums, beklagte, dass der Hafen in Zukunft chinesische Marinekriegsschiffe beherbergen könnte. (…)
Cosco Shipping Ports erwartet, dass Chancay im ersten Betriebsjahr eine Million Container umschlagen wird. Präsident Xi sagte voraus, dass der Hafen die Logistikkosten für den Seetransport um 20 Prozent senken werde. Nach Angaben der chinesischen Hafengesellschaft soll Chancay Ländern wie Peru, Chile, Kolumbien, Ecuador und Brasilien den Handel mit Asien ermöglichen, ohne auf Häfen in Mexiko und den USA zurückgreifen zu müssen.“
(amerika21, 25.11.)
Interessant, daß die peruanische Regierung sich trotz der unverbrüchlichen Freundschaft, um nicht zu sagen Vasallenschaft gegenüber den USA nicht den Investitionen aus China und dem chinesischen Einfluß verschließt.
Außerdem ergreift Peru damit die Gelegenheit, zu einem Transitland für chinesische und andere Waren zu werden und darüber mitzuschneiden.
China wiederum hat die Hoheit über den Hafen und hat sich offenbar Peru für diesen Hub ausgesucht, weil die chinesische Regierung zu dem Schluß gekommen ist, daß Peru ein stabiler Partner ist, auch wenn sich Regierungswechsel hin und wieder etwas holprig gestalten.
„Peru: Regierung Boluarte ruft Ausnahmezustand in Lima aus
Die Regierung reagiert auf die Verschlechterung der Sicherheitslage mit kurz- und langfristigen Maßnahmen. Verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt. Aus Parlament und Zivilgesellschaft kommt Kritik
Nach dem Mord an dem Musiker Paul Flores hat die peruanische Regierung in Lima und der Nachbarstadt Callao am vergangenen Montag den Ausnahmezustand ausgerufen. Er soll 30 Tage gelten. Während dieser Zeit sind verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt. Dazu zählen die Versammlungsfreiheit, die Reisefreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Personen können ohne Haftbefehl festgenommen werden.
Flores wurde nach einem Konzert am vorigen Sonntag erschossen. Seine Band Armonía 10 soll, wie auch andere Gruppen, von kriminellen Banden erpresst worden seien. Der Band zufolge hatten die Erpresser:innen umgerechnet etwa 5.500 US-Dollar Schutzgeld verlangt. (…)“
(amerika21, 21.3.)
Wie gewonnen, so zerronnen. Die Usurpatorin wird entthront:
„Kongress in Peru stimmt für Absetzung von Präsidentin Boluarte
Die Unzufriedenheit mit Dina Boluarte endete nun in einem erfolgreichen Amtsenthebungsverfahren. Parlamentspräsident José Jerí wurde als Nachfolger angelobt
Das peruanische Parlament hat Präsidentin Dina Boluarte vor dem Hintergrund einer tiefen politischen Krise im Land ihres Amtes enthoben. 118 von 130 Abgeordneten des peruanischen Kongresses stimmten in der Nacht auf Freitag (Ortszeit) für die Absetzung der seit Dezember 2022 amtierenden Staatschefin. Kurz darauf übernahm erwartungsgemäß Parlamentspräsident José Jeri übergangsweise das Amt.
Nachfolger angelobt
Boluarte sei »dauerhaft moralisch ungeeignet«, die Regierung des Landes zu führen, hieß es in einem der Anträge auf Amtsenthebung gegen sie. Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete, versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Lima rund 100 Menschen. Als das Ergebnis der Abstimmung bekannt wurde, brachen sie in Jubel aus.
Die Mehrheit in dem Einkammerparlament des südamerikanischen Lands hatte insgesamt vier Anträge auf Amtsenthebung gegen Boluarte eingereicht und sie in der Nacht auf Donnerstag ins Parlament einberufen, um dort zu den Vorwürfen gegen sie Stellung zu beziehen. Die 63-Jährige weigerte sich jedoch, sich ins Parlament zu begeben.
Als ihr Nachfolger wurde kurz nach Boluartes Absetzung der bisherige Kongressvorsitzende Jeri vereidigt. Nach seinem Amtseid kündigte der 38-Jährige an, eine Übergangsregierung zu bilden und zu leiten. In Peru stehen im April 2026 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an.
Massive Proteste“
Die Überschrift ist irreführend – nicht ihre Absetzung, sondern ihr Amtsantritt und ihre gesamte Präsidentschaft lösten Proteste aus.
Über ihre Absetzung weint niemand.
„Die nun abgesetzte Boluarte hatte am 7. Dezember 2022 – als Nachfolgerin des ebenfalls abgesetzten und inhaftierten linksgerichteten Staatschefs Pedro Castillo – das Amt übernommen. Boluartes Präsidentschaft wurde von massiven Protesten begleitet, die die Polizei mit Gewalt niederschlug. Menschenrechtsorganisationen zufolge kamen hunderte Menschen dabei ums Leben, die Staatsanwaltschaft ermittelt deswegen sowie wegen zwei weiterer mutmaßlicher Straftaten gegen sie.
Peru durchlebt derzeit eine tiefgreifende politische Krise. Boluarte war bereits das siebente peruanische Staatsoberhaupt seit 2016 und das zweite, die vom Kongress abgesetzt wurde.“
Krise?
Das scheint inzwischen die politische Kultur Perus zu sein.
„In den vergangenen Monaten hatten in Peru Gewaltverbrechen wie Erpressungen und Morde durch die organisierte Kriminalität im Land massiv zugenommen, zahlreiche Bürger drückten bei Protesten ihren Unmut aus. Am Montag hatten Transportunternehmer die Hauptstadt Lima fast völlig lahmgelegt, am Donnerstag verletzten Auftragsmörder vier Musiker und einen Verkäufer während eines Konzerts im Süden der Stadt.“
(Standard, 10.10.)
—————-
„Der Misstrauensantrag war am Donnerstagmorgen auf Initiative der Partei »Volks-Erneuerung“ – der Partei des Bürgermeisters von Lima, des Ultrakonservativen Rafael López Aliaga alias Porky – eingebracht worden.
Grund dafür war die sich verschärfende Gewalt, von der Peru heimgesucht wird.
Stunden zuvor, am Mittwochabend, war die beliebte Cumbia-Band Agua Marina während eines Auftritts auf einem Militärgelände in Lima, einem der sichersten Orte des Landes, angegriffen worden. Vier Mitglieder der Gruppe erlitten Schußverletzungen. (…)
Ausschlaggebend für ihren Sturz waren die Stimmen von Fuerza Popular (»Volkskraft«), der … Partei unter der Führung von Keiko Fujimori.“
(El País, 10.10.)
„Tatsächlich geht es in der Auseinandersetzung im karibischen Meer um die Frage: Wer hat in Lateinamerika das Sagen?
Diese Frage hatte seit Verkündung der sogenannten Monroe-Doktrin vor mehr als 200 Jahren nur eine Antwort: die USA. Mit der Doktrin beanspruchte Washington den amerikanischen Kontinent als eigene Einflusssphäre. Jede Einmischung – damals vor allem aus Europa – galt als feindseliger Akt gegenüber den USA. Heute ist nicht mehr der »alte Kontinent« der wichtigste Konkurrent für Washington in der Region; es sind Russland und China. Diesen beiden Staaten hält Trump nun das Stoppschild hin, Motto: »Ihr könnt hier nicht machen, was ihr wollt.«
Vor allem China hat sich in den vergangenen Jahren auf dem Subkontinent festgebissen. Für Peking dienen die Länder erstens als Lebensmittel- und Rohstofflieferant. Und zweitens sind sie ein wichtiger Absatzmarkt für chinesische Produkte; nicht nur für billiges Spielzeug, sondern ebenso für die Automobilindustrie der Volksrepublik. (…)
Ein Projekt macht die Ambitionen Chinas in Lateinamerika besonders deutlich: der Hafen Chancay in der Nähe der peruanischen Hauptstadt Lima, der vergangenen November eröffnet wurde. Die Anlage ist 100 Fußballfelder groß; fast vollautomatisch können hier die größten Containerschiffe der Welt mit einer Kapazität von bis zu 24 000 Containern abgefertigt werden. Die Überfahrt nach China dauert nur noch 25 Tage – zehn Tage schneller als früher. Insgesamt hat Peking von 2005 bis 2024 mehr als 162 Milliarden US-Dollar Direktinvestitionen in Südamerika getätigt.
Die USA haben schon jetzt die Vormachtstellung in Lateinamerika eingebüßt. Doch ob Peking oder Washington dort den Ton angeben, ist egal. Denn für beide ist die Region nur ein Mittel zum Zweck, um die eigenen Ambitionen als Weltmacht Wirklichkeit werden zu lassen. Lateinamerika ist nach wie vor ein Spielball der imperialistischen Machtzentren…."
… das meint Christian Klemm im ND:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194560.trumps-war-on-drugs-lateinamerika-als-spielball-der-imperialistischen-machtzentren.html
(Neben solchen „Instabilität“ beim Regieren wie in Peru, erscheint Trumps Wohltätigkeit in der Region als Kampf gegen Drogen… (Zufällig habe ich übrigens in alten PHOENIX-Dokus. entdeckt, dass der Drogenvorwurf knapp nach der Jahrtausendwende von Seiten der USA damals auch gegen die Castro-Brüder aufgebrüht wurde, die angeblich Cubas Wirtschaft in der ‚periode especial‘ – auch – mit Drogengeld hätten retten wollen….). Vermutlich taugt der Drogenvorwurf gegen linke lateinamerikanische Regierungen deswegen, weil darin mit Drogen und Kommunismus gleich zwei Erzschurken dem eigenen ‚anständigen‘ US-Wählervolk präsentiert werden können. So weit zu Venezuela, nun auch noch mit Nobelpreis-Gepränge. )
Peru – dass China dort einen mächtigen Hafen hiinbaut u.ä. – das reicht schon, um dem Staat einen inneren Zwist innerhalb der herrschenden Eliten zu bescheren?
aus dem Dezember 2024: https://amerika21.de/analyse/261540/peru-pedro-castillo-unregierbares-land
GSP 2/2024: https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/demokratische-korruption-kapitalistischer-reichtum-peru
Ein komischer Satz des ND:
Ein eigenartiges Dementi, bei dem so getan wird, als sei die Erfolgsstory Chinas auf den Export von Plastikspielzeug zurückzuführen – an was für eine Art von Leser wendet sich diese Zeitung, bitte?
Dem Autor vielleicht, aber den USA und China nicht.
Ein Beispiel von völliger Ignoranz der Weltpolitik.
Soweit einmal zum ND-Artikel.
Was den „Zwist zwischen den herrschenden Eliten“ angeht, so ist der in Peru oder auch in anderen Regionen Lateinamerikas ein Dauerprogramm – der Kuchen will ja irgendwie innerhalb einer relativ schmalen Schicht verteilt werden und die sehr zahlreichen Underdogs sollen draußen bleiben. Es ist eine Illusion, daß man dergleichen stabil und ohne Machtkämpfe haben kann.
Da ist der Hafen nur eine Draufgabe.
Der „Drogenvorwurf“ war sicher bei den Castros eine Erfindung, ist aber bei den anderen Staaten Lateinamerikas oftmals angebracht. Und zwar deshalb, weil die kolumbianischen Drogengeschäfte ja nie aufgehört haben. Nach dem Sturz und Tod von Escobar & Co. sind die Hersteller des Kokains in die legale Wirtschaft eingestiegen und machen ihre Geschäfte jetzt mit Duldung der jeweiligen kolumbianischen Regierungen.
Sie haben aber erstens die Anbaugebiete diversifiziert und bauen auch in den Nachbarländern an.
Zweitens aber haben sie die Vertriebswege geändert und sehr viel wird eben quer durch Lateinamerika und über Argentinien sowie Venezuela und dessen Nachbarstaaten ausgeführt.
Argentinien wurde auch zu einem Parkplatz für Drogen-Gewinne, was dort vor allem die Bauindustrie beflügelt hat – ähnlich wie übrigens in Europa.
D.h., Drogenbekämpfung ist wirklich ein probater Titel, um die Gegen aufzumischen. Man erinnere sich bis vor kurzem war „Korruption“ der Haupt-Kriegsschrei der USA, jetzt kommt eben wieder der Drogen-Knüppel aus dem Sack.
Hab noch ein bißl herumgesucht zu diesem Hafen:
„The strategic importance of the Chancay Mega Port in international trade and trademark protection
The Chancay Mega Port is emerging as a key player in international trade, with significant impact on commercial relations between Latin America and Asia. Below, we explore its strategic importance and the need for trademark protection in this new logistics hub.
Location and potential
The Chancay Mega Port, located 80 kilometers north of Lima, is poised to become a critical logistics hub in the realm of international trade, particularly in the relationship between Latin America and Asia. This port is designed to handle a significant volume of cargo, positioning itself as a strategic point for product distribution in the region.
Bioceanic corridor
The project includes the construction of a bioceanic corridor that will connect Peru and Brazil, further enhancing Chancay’s logistical significance. This corridor will facilitate trade between the Atlantic and Pacific Oceans, establishing South America as a crucial logistics axis.“
Über Peru soll also China mit Brasilien verbunden werden, eine Integrations-Maßnahme der BRICS.
D.h., Straßen- und Eisenbahnbau in Peru, mit chinesischen und auch lateinamerikanischen Firmen. (Odebrecht?)
„Inauguration and international presence
The port is expected to be inaugurated in November 2024, coinciding with the APEC Summit, with the anticipated presence of international dignitaries, including the President of China. This highlights the project’s significance in the context of global trade and its appeal to foreign investment.
Investment and local development
The development of the Chancay Mega Port will attract investments from both national and international companies, which will establish operations in the region, contributing to local economic growth and creating a logistics hub in Latin America. This will foster a favorable environment for the development of related industries and services.
Trademark protection
With the increase in trade through Chancay, there is a pressing need to implement mechanisms to protect the trademarks entering and exiting the port. This will require adapting legal services to effectively address trademark piracy issues, ensuring that companies can operate smoothly.“
Oder aber, dieser Hafen setzt verschiedene Copyrights und Marken außer Kraft …
„The Chancay Mega Port represents a significant opportunity for international trade and economic development in Peru, positioning the country as a key player in the global logistics scene. This project not only redefines commercial dynamics but also sets the stage for protecting brand interests in an ever-evolving commercial environment.“
https://unionandina.com/en/the-strategic-importance-of-the-chancay-mega-port-in-international-trade-and-trademark-protection/
—————
„Brasilien und China vereinbaren die Prüfung eines Eisenbahnkorridors, der die Atlantikküste mit dem Hafen von Chancay an der Pazifikküste verbindet.
Die China State Railway Group wird an dem Prozess teilnehmen und bei Machbarkeitsstudien mitarbeiten.
Die Regierungen Brasiliens und Chinas haben eine Kooperationsvereinbarung zur Durchführung technischer Studien unterzeichnet, um die Machbarkeit des Baus einer Eisenbahnlinie zu prüfen, die den brasilianischen Hafen Ilhéus im Bundesstaat Bahia mit dem Hafen von Chancay an der peruanischen Pazifikküste verbindet. Dies gab das brasilianische Verkehrsministerium in einer offiziellen Erklärung bekannt, berichtete El Peruano.
Das staatliche Unternehmen China State Railway Group wird an dem Prozess teilnehmen und an den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Machbarkeitsstudien des Projekts mitarbeiten. Ziel der Initiative ist die Errichtung eines Eisenbahnkorridors, der die brasilianische Atlantikküste mit dem Hafen von Chancay an der peruanischen Zentralküste verbindet, der im Juni offiziell seinen Betrieb aufgenommen hat.
Die vorläufige Eisenbahnstrecke würde 5 brasilianische Bundesstaaten durchqueren: Bahia, Goiás, Mato Grosso, Rondônia und Acre, bevor sie nach Peru führt und den Hafen von Chancay erreicht.“
Bolivien würde also umgangen.
Ein ambitiöses Projekt …
„Letzterer wurde mit mehrheitlicher Beteiligung chinesischer Unternehmen entwickelt und ist Teil der von Chinas Belt and Road Initiative geförderten Projekte, obwohl Brasilien offiziell nicht an diesem Programm teilnimmt.
Laut dem brasilianischen Verkehrsministerium könnte die untersuchte Strecke als neue bioozeanische Route etabliert werden, die die südamerikanischen Märkte direkter mit Asien verbindet. Die Bewertung umfasst technische und logistische Aspekte sowie die möglichen Auswirkungen der Infrastruktur auf den brasilianischen Außenhandel, insbesondere im Hinblick auf Exporte aus dem Landesinneren in asiatische Märkte.
Das Projekt befindet sich in einer ersten Analysephase, ohne dass ein Zeitplan oder Entscheidungen bezüglich seiner Umsetzung vorliegen. Beide Parteien haben jedoch Interesse an einer verstärkten technischen Zusammenarbeit bekundet, um die Machbarkeit und den strategischen Umfang des Projekts zu ermitteln.
Nach vorläufigen Aussagen von Gonzalo Ríos, stellvertretender Geschäftsführer von Cosco Shipping Ports Chancay Peru, zeigen sowohl der öffentliche als auch der private Sektor in Brasilien wachsendes Interesse daran, den Hafen als Ausgangspunkt für ihre Produkte nach China zu nutzen. »Brasilien muss Produkte verschiffen, China muss sie empfangen, und Peru hat eine geografische Lage, die diese Beziehung erleichtern kann«, erklärte er.“
(Mundo Marítimo, 8.7.)
Bevor es allerdings diesen Landweg gibt, ist der Hafen auch für den Seeweg interessant, da er die Infrastruktur für schnelle Verschiffung über große Distanzen bereitstellt.
Zu den aktuellen Beziehungen zwischen USA und Lateinamerika auch Stephan Kaufmann in der FR
„(…) Viele Menschen aus armen Ländern suchen ihr Glück in den Zentren der Weltwirtschaft, wo sie auf dem Bau, im Handel, in der Gastronomie oder der Landwirtschaft arbeiten. Mit einem Teil ihres meist schmalen Lohns unterstützen sie ihre Familien in der Heimat. Diese Überweisungen, so genannte „Remittances“, machen einen Großteil der Finanzflüsse in den Globalen Süden aus. 2024 erreichten sie laut Weltbank weltweit 905 Milliarden Dollar. Damit sind Remittances für die ärmsten Länder wichtiger als die offizielle Entwicklungshilfe oder Direktinvestitionen aus dem Ausland. Gerade die armen Regionen Zentralamerikas leben von den Remittances. Denn von hier stammt ein Großteil der Migranten in den USA. (…). Die in Mittelamerika geborenen Ausländer machten 2023 neun Prozent aller 47,8 Millionen Einwanderer in den USA aus. Da ein erheblicher Teil von ihnen keinen legalen Status hat, sind sie als billige Arbeitskräfte gut auszubeuten. (…). Nicht nur hat Washington seine Gelder für Entwicklungshilfe zusammengestrichen, da diese „nicht im Einklang mit den Interessen der Vereinigten Staaten stehen“, so Trump. Zugleich sinken die Heimatüberweisungen der in den USA arbeitenden Guatemalteken und Hondurianer. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Beschluss der US-Regierung, für Auslandsüberweisungen von Nicht-US-Staatsbürger:innen eine Verbrauchssteuer von einem Prozent zu kassieren – zur Finanzierung des Staatshaushaltes bedient sich Washington bei den Ärmsten, nicht nur in den USA selbst, wo Millionen Menschen ihre Sozialversicherung verlieren werden.“ (…)
https://www.fr.de/wirtschaft/donald-trump-nimmt-es-von-den-aermsten-usa-zentralamerika-migration-93970802.html
_____.
PERU aktuell: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/peru-boluarte-100.html:
(Die jetzt abgesetzte, vgl. Nestors div. Kommentare vorher….) Boluarte ist das sechste Staatsoberhaupt Perus seit 2018. Sie war im Dezember 2022 selbst durch die Amtsenthebung ihres Vorgängers Pedro Castillo Präsidentin geworden. Vorher war sie Vizepräsidentin. Die parteilose Boluarte wurde während ihrer Amtszeit von der konservativen Mehrheit im Parlament gestützt, schreibt das Auswärtige Amt.
Ich weiß nicht so recht, was man mit diesem anklagend auf Trump zeigenden Jammer-Artikel über die Migranten in Lateinamerika machen soll.
In der EU funktioniert das System doch auch gut. Moldawien, Rumänien (das seit der Wende ca. 8 Millionen Einwohner verloren hat), die Slowakei, Bulgarien, Bosnien, Kroatien, Serbien, Albanien, Mazedonien, Kosovo – diese Staaten, ob EU-Mitglieder oder nicht, wären ohne die Überweisungen der Migranten längst zusammengekracht.
Hier heißt das aber anders: Da sind das Wohltaten gegenüber diesen armen Leuten, die vom Sozialismus heruntergewirtschaftet wurden und jetzt in der Super-EU zu ebenfalls Hungerlöhnen ihr Brot verdienen dürfen.