Pressespiegel EL País, 17.3.: „Ausländischer Agent“ – der Begriff, mit dem der Kreml besonders kritische Russen bekämpft

DER RUSSISCHE INQUISITIONS-UMHANG

„Das Etikett, das seit 2012 zur Kennzeichnung von NGOs mit ausländischer Finanzierung verwendet wird, ist inzwischen zu einer Hürde für Dissidenten geworden. Die Aktivitäten von bedeutenden Akteuren der russischen Presselandschaft sind von dieser Maßnahme betroffen.

Die Pestglocke, die Spitzkappe und der charakteristische Umhang der von der Inquisition Verurteilten: zu diesen und anderen historischen Methoden zur Kennzeichnung unbequemer Gruppen und potenzieller Quellen physischer oder ideologischer Ansteckung hat Russland seinen eigenen Beitrag geleistet, nämlich die Bezeichnung „ausländischer Agent“.

Das 2012 in die russische Gesetzgebung eingeführte Konzept des »ausländischen Agenten« diente dem von Wladimir Putin gelenkten System dazu, die Rechte politischer Aktivisten einzuschränken, die seine Richtung in Frage stellen oder lästige Träger verschiedener Alternativen zu seiner (…) Politik sind.

Die Gesetzgebung zu „ausländischen Agenten“ begann als eine Möglichkeit, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) öffentlich als solche mit politischen Aktivitäten und ausländischer Finanzierung zu identifizieren.“

Hierzu muß bemerkt werden, daß die meisten NGOs – nicht nur in Rußland – aus internationalen Quellen finanziert werden, die oft nicht sehr transparent sind.
Die Bezeichnung des „ausländischen Agenten“ stammt aus der Gesetzgebung der USA, Rußland hat sich von dort inspirieren lassen und diese Kategorie bzw. diesen Rechtsbegriff schöpferisch weiterentwickelt:

„Im Laufe der Zeit und durch aufeinanderfolgende Änderungen wurde der Geltungsbereich der Gesetzgebung erweitert und heute ist der Begriff »ausländischer Agent« ein verbindliches Zeichen für juristische Personen, natürliche Personen und als solche bezeichnete Medienunternehmen, das nicht nur für Empfänger von ausländischer finanzieller oder materieller Unterstützung gilt (wie gering sie auch sein mag), sondern auch auf diejenigen angewendet wird, die angeblich »unter dem Einfluss des Auslandes« stehen.

Natürliche und juristische Personen sind daher genötigt, sich überall dort, wo sie auftreten, als »ausländische Agenten« zu bekennen (bzw. als solche identifiziert zu werden). Ob sie einen kurzen Kommentar abgeben, einen Artikel oder ein Buch veröffentlichen oder auf der Bühne auftreten, ihre Namen dürfen in der Öffentlichkeit nur mit dem demütigenden Etikett erwähnt werden.

»Ausländische Agenten« haben keinen Zugang zu offiziellen Stellen, dürfen keine Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, keine Mittel vom Staat erhalten oder an Schulen unterrichten.“

Das alles erinnert sehr an den „Radikalenerlaß“ in Deutschland aus dem Jahr 1972 und den vorhergegangenen Adenauer-Erlaß von 1950, die sich allerdings ausdrücklich nur auf den öffentlichen Dienst bezogen. Diese Erlässe hatten allerdings Folgen für die Privatwirtschaft, vor allem für Medien, wo die von diesen Erlässen betroffenen Personen auch keine Jobs fanden.

„Darüber hinaus unterliegen sie einer besonderen Finanzkontrolle und müssen vierteljährlich und halbjährlich Berichte über Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten vorlegen sowie über alle ihre öffentlichen Aktivitäten Rechenschaft ablegen.“

Damit wird natürlich auch klargestellt, daß private Spenden oder Finanzierungen innerhalb Rußlands unerwünscht sind, weil ja die etwaigen Finanziers dieser »ausländischen Agenten« offengelegt werden müssen.

„Eine Liste, die jeden Freitag erweitert wird

Auf einer Liste, die jeden Freitag um neue Namen erweitert wird, erscheinen unter anderem Künstler, Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und deren Mitglieder, Schriftsteller, Sänger, Politikwissenschaftler.
Mit Stand vom 15. März umfasste das Register, für das das Justizministerium zuständig ist, 781 Namen, von denen 199 als ausgenommen“ (d.h., nicht mehr unter diese Kategorie fallend) „aufgeführt waren, was bedeutet, daß in 582 Fällen die Bezeichnung »ausländischer Agent« in Kraft ist. Bei den aus dem Register entfernten Namen handelt es sich überwiegend (134) um aufgelöste Körperschaften, etwa Schwulen- und Lesbenvereine. Nur in fünf Fällen erkennt das Ministerium seinen Fehler bei der Einstufung als »ausländische Agenten« an.

Ursprünglich verfügten die russischen Behörden über vier verschiedene Register (entsprechend den verschiedenen Kategorien ausländischer Agenten).
Die erste registrierte Organisation (im Jahr 2013) war die Eurasische Antimonopol-Vereinigung (aus Juristen mit Wurzeln in Kasachstan).“

Dieser Verein wurde offenbar verdächtigt, irgendwelche mafiösen Praktiken aus mittelasiatischen Staaten zu decken, bestand aber trotz des Etiketts des „ausländischen Agenten“ bis 2023.
Daraus kann man erkennen, daß diese rechtliche Kategorie ursprünglich keineswegs bloß aus Gründen der Gesinnungskontrolle eingeführt wurde, sondern um jegliche Aktivitäten zu kontrollieren, die der russischen Gesetzgebung verdächtig erschienen.
Man kann daraus auch ersehen, daß der Status des „a.A“ nicht mit einem Verbot dieser Aktivitäten gleichzusetzen ist.

„Im Jahr 2014 folgten die NGO Golos (Stimme) zum Schutz des Wahlrechts und weitere, insgesamt waren es damals 29.
Im Jahr 2015 gab es 80 Neuzugänge, darunter die internationale Organisation Memorial und das Komitee gegen Folter.

Bei den letzten sieben Namen, die am vergangenen Freitag zur Liste hinzugefügt wurden, handelt es sich um einen Wirtschaftswissenschaftler, einen Gemeindevertreter, einen Schauspieler, einen Theaterregisseur, zwei Journalisten und einen ehemaligen Polizisten. In fünf Fällen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten sich der »militärischen Sonderoperation« (Krieg) des Kremls in der Ukraine widersetzt, und in mindestens drei Fällen würden sie »unzuverlässige Informationen« über die offizielle Politik verbreiten. Von den sieben neuen Agenten befinden sich sechs außerhalb Russlands.“

Das heißt, diese Leute haben sich ins Ausland abgesetzt und verbreiten ihre Ansichten über das Internet.

„Eine der jüngsten Maßnahmen, die diesen Monat in Kraft getreten ist, verbietet russischen Bürgern die Plazierung von Anzeigen in Medien, die als ausländische Agenten gelten. Dadurch werden große Persönlichkeiten des russischen Journalismus wie Jekaterina Gordejeva (1,64 Millionen Abonnenten auf YouTube) oder Alexej Pivovarov (4 Millionen Abonnenten auf YouTube und mehr als eine Million auf Telegram) ihrer Ressourcen beraubt. Beide Journalisten haben angekündigt, daß sie ihre Aktivitäten einschränken müssen.“

Pivovarov hat eigentlich andere Probleme, er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

„Neben dem öffentlichen Register ausländischer Agenten gibt es ein weiteres Register von Personen, die »mit ausländischen Agenten verbunden« sind, das den Verantwortlichen des russischen Wahlsystems über Wahlteilnehmer dient, die mit ausländischen Agenten in Verbindung stehen. Die Kategorie der „Verbundenen« unterliegt nicht den Einschränkungen ausländischer Agenten und wurde bereits bei den Parlaments- und Regionalwahlen 2021 verwendet. Im Jahr 2023 erschienen mehr als 800 Namen in diesem Register.“

Diese Personen unterliegen also der Beobachtung, sind aber nicht mit den Einschränkungen der „a.A“ konfrontiert.

„Das Konzept des »ausländischen Agenten« ist eine der Säulen des gegenwärtigen russischen Regimes und ist mit kulturellen Stereotypen verbunden, die seit der Zeit Ivans des Schrecklichen (16. Jahrhundert) im Land verankert sind, sowie mit der stalinistischen Repression, deren Opfer oftmals der Spionage für ausländische Mächte beschuldigt wurden.“

Nur ein Schritt noch bis zum GULAG.

surprise

„Diese historischen Assoziationen haben in Russland großes Gewicht und ein Beispiel dafür war Michail Gorbatschows kategorische Weigerung, als ausländischer Agent bezeichnet zu werden, als die entsprechende Gesetzgebung in Kraft trat.
Um nicht mit dem demütigenden Etikett des »ausländischen Agenten« belastet zu werden, mußte die Stiftung des ehemaligen Präsidenten der UdSSR ihre Pläne zur internationalen Zusammenarbeit aufgeben und ihre Öffentlichkeitsarbeit (…) drastisch einschränken.“

Die rechtliche Kategorie des „a. A.“ wirkt also sowohl im Vorfeld als auch im Nachhinein.

„Im Jahr 2012“ (als dieser Begriff eingeführt wurde) „stellten russische Behörden die verpflichtende Identifizierung von »Agenten« als Maßnahme zur Aufdeckung von Lobbyismus vor und behaupteten, daß es in den USA seit den 1930er Jahren ähnliche Gesetze gebe.“

Das ist keine leere „Behauptung“, sondern stimmt.

„Aber das russische Konzept hatte seine eigene Entwicklung. Zunächst mit sich überschneidenden und verwirrenden Regelungen und ab 2022, nach dem Einmarsch in die Ukraine, systematisch. Das Gesetz, das die Politik gegenüber a.A. klar regelte, trat im Dezember 2022 in Kraft.“

Eine etwas eigenartige Beschreibung. Offenbar war es 10 Jahre lang eine Art Gummiparagraph, lax angewendet und leicht zu umgehen. Erst jetzt ist es eine wirklich einschränkende Maßnahme.

„Bis zu 6 Jahre Gefängnis

Derzeit kann ein »ausländischer Agent«, der seinen Pflichten nicht nachkommt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren (falls innerhalb eines Jahres 2x gegen Vorschriften verstoßen wurde) oder bis zu 5 Jahren (wegen des Sammelns militärischer Daten, auch wenn diese öffentlich zugänglich sind) bestraft werden. Mit Haft bis zu 6 Jahren wird bestraft, wenn der a.A. die Durchführung von Aktivitäten organisiert, die von der Verwaltung verboten sind.“

Etwas unklar formuliert. Entweder die Aktivitäten sind verboten oder nicht. Was heißt hier „Verwaltung“?

„Im zweiten Fall“ (d.h., Bekanntgabe militärischer Daten, das bezieht sich wahrscheinlich auf Hochrechnungen von Verlusten an Menschen und Material im Zuge des Ukraine-Kriegs, aus Todesanzeigen und Daten von Bestattungsunternehmen) „kann es Journalisten und Analysten betreffen und im dritten Fall Leute, die Organisationen gründen, um sich der offiziellen Politik zu widersetzen (z. B. um sich der Einberufung zum Militär zu entziehen, oder um Menschen zur Teilnahme an Kundgebungen aufzufordern).

Die Gesetzgebung zu ausländischen Agenten kann als Teil einer Politik der „Archaisierung“ (Entwicklung zum Archaischen) betrachtet werden, die darin besteht, einflussreiche und aktive Personen zu neutralisieren, die Verbindungen zu einer unabhängigen Zivilgesellschaft sein könnten.“

Das Fehlen einer demokratisch agitierten „Zivilgesellschaft“ wird von der Autorin offenbar als „archaisch“, also der fernen Vergangenheit, vielleicht sogar der Zeit der Höhlenmenschen angehörig, betrachtet.

„Der andere Teil dieser gerade skizzierten Politik besteht in der Förderung einer neuen Art von Elite im Einklang mit dem militaristischen Modell, das Putin in der Gesellschaft zu etablieren versucht.
Am 29. Februar kündigte der Präsident in seiner Rede vor dem Parlament den Start eines von ihm erfundenen Programms an, das er »Heldenzeit« nennt, um die Leistungen von Kriegsveteranen im Ukraine-Krieg zu glorifizieren. Die Konzepte für dieses Projekt, das an die chinesische Kulturrevolution erinnert, werden »in den kommenden Monaten« gebildet, wie der russische Führer ankündigte.“

Man muß da nicht nach China gehen. Solche Programme von Helden der Arbeit, der Kollektivierung oder des Großen Vaterländischen Krieges gab es in der Sowjetunion mehrere.
Generell ist der Artikel zwar eine Beschreibung der fortschreitenden Gesinnungskontrolle in Rußland, wirkt aber für ein Land, das sich immerhin im Krieg befindet, relativ gemäßigt.

Zur Debatte um die Taurus-Marschflugkörper

VORWÄRTSVERTEIDIGUNG

Angesichts des politischen Aufruhrs um die Taurus-Marschflugkörper ist es einmal angemessen, sich anzusehen, worum es bei diesen Apparaten geht, was sie leisten, wofür sie angeschafft wurden usw.

1. Die Taurus selber

„Während des Kalten Krieges wollte die Bundesrepublik ursprünglich die französischen Apache-Marschflugkörper beschaffen, um im Verteidigungsfall Start- und Landebahnen des Warschauer Paktes zerstören zu können.“ (Wikipedia, Taurus)

Man merkt, was „Verteidigung“ hier und heute – oder auch gestern – heißt: Dem Gegner seine Lufthoheit zu nehmen. Alle Kriege sind in diesem Sinne „Angriffskriege“, als die Zerstörung der gegnerischen Kampffähigkeit erstes Ziel ist.
Die BRD orientierte sich hierbei an ihrem Vorgängerstaat, von dem im Zuge des „Unternehmens Barbarossa“ 1941 als erstes die Zerstörung von sowjetischen Flughäfen und den dort herumstehenden Flugzeugen in Angriff genommen wurde:

„Die den Heeresgruppen zugeteilten Kampfflugzeuge führten einen massiven Luftschlag gegen die sowjetischen Flugplätze, der durch die Aufklärungsergebnisse des Kommandos Rowehl ermöglicht wurde, und zerstörten allein am ersten Kriegstag etwa 1200 Flugzeuge am Boden.“ (Wikipedia, Deutsch-Sowjetischer Krieg)

Da wollten die deutschen Politiker einmal Maß nehmen und nicht hinter ihren historischen Vorbildern zurückbleiben.

„Mit dem Fall der Mauer änderten sich die Prioritäten, die nun auf der Bekämpfung von gepanzerten Punktzielen lagen.“ (Wikipedia, Taurus)

Was soll man sich darunter vorstellen? Ein ganzer Marschflugkörper gegen einen Panzer?
Oder einfach alle Unterstände, Bunker und sonstigen Gebäude militärischer Nutzung bis weit ins Hinterland des Feindes?

„2005 bestellte die Bundeswehr 600 Flugkörper zum Gesamtpreis von 570 Millionen Euro. Die Lieferung an die Luftwaffe begann offiziell mit der Übergabe des ersten Flugkörpers an das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel im Dezember 2005 und wurde im November 2010 abgeschlossen.“ (Wikipedia, Taurus)

Die Reichweite der Taurus-Raketen ist mehr als 500 km.
Wenn man jetzt an Deutschlands Grenzen Zirkel einsetzt und rundherum 500 km abdeckt, so kommt man von dort nach Weißrußland, in die Ukraine und nach Serbien und Bosnien. Außerdem in die russische Kaliningrad–Enklave. Der Rest der potentiellen Ziele liegt in anderen NATO- bzw. EU-Staaten und der Schweiz.

Man könnte also diese Marschflugkörper als eine Art Rückversicherung betrachten, falls einmal ein Staat aus einem der beiden Bündnisse ausscheren möchte, was Deutschland nicht genehm wäre – z.B. Ungarn oder die Slowakei. Oder als ein Mittel für die Wiedereroberung Ostpreußens.
Sie könnten aber auch als ein Mittel zur Disziplinierung oder Unterwerfung widerspenstiger Balkan-Staaten eingesetzt werden. Man denke hier z.B. nicht nur an Serbien, sondern auch an Griechenland, das seine Teilnahme am NATO-Krieg 1999 verweigert hat.
Deutschland könnte sie auch einsetzen, um Österreich zu bedrohen, falls es opportun ist, – weil hier die Neutralität zu ernst genommen wird, wenn Deutschland Parteilichkeit fordert.

An all das muß gedacht worden sein, als sich Deutschland diese 600 Stück der nicht gerade billigen Geschoße angeschafft hat.
Man kann sich also an diesen 600 in militärischen Depots schlummernden Taurus-Raketen einiges über die Berechnungen deutscher Militärs und Politiker erschließen.

Wer hat diese Entwicklung mitgetragen und diesen Kauf beschlossen, mit dem ja ein Stück nationales Vermögen in dieser aggressiven Form gebunden ist? Und einiges über die politische Ausrichtung, die außenpolitischen Ambitionen Deutschlands ausgesagt ist?

Ganz anders allerdings präsentiert sich die Lage mit der Reichweite, wenn man diese Dinger bis in die Ukraine bringen könnte. Es ist natürlich möglich, daß seit Anfang dieses Milleniums die Eingliederung der Ukraine von deutschen Strategen nur als eine Frage der Zeit betrachtet wurde.
Von der nordöstlichen Ecke der Ukraine – die nach wie vor in ukrainischem Besitz ist – könnte man einen guten Teil des europäischen Rußlands, inklusive Moskaus, mit den Taurus bombardieren. Wenn man jetzt noch das Baltikum dazunähme, so hat man mit diesen Taurus viel von Rußland im Visier.

Man merkt, wie hier Waffenbeschaffung und die Erweiterung der imperialistischen Ansprüche Hand in Hand miteinander gehen und die EU-Erweiterung auch den strategischen Zielen Deutschlands dient.

„Der Taurus (…) ist ein deutsch-schwedischer Luft-Boden-Marschflugkörper.“ (Wikipedia, Taurus)

Er wurde also zusammen mit Schweden entwickelt und kann nur mit der Zustimmung dieses Landes eingesetzt werden.
Man merkt daran, daß die Integration Schwedens in die NATO schon von langer Hand geplant und der russische Einmarsch in die Ukraine nur der Anlaß bzw. Vorwand war, um der schwedischen Bevölkerung die Aufgabe der Neutralität – mit der Schweden in 2 Weltkriegen ja sehr gut gefahren ist – leichter verkaufen zu können.

Rußland verfolgt die Diskussion um diese Marschflugkörper schon länger und seine Militärs meinen, sie würden darauf schon eine Antwort finden.

Das wäre natürlich ein Risiko – festzustellen, daß diese Geschosse, ähnlich wie die Leopard-Panzer – gegen ein auf allen Ebenen hochgerüstetes Rußland gar nicht so besonders viel taugen und ihr erster Einsatz dann womöglich auch ihr letzter wäre.

2. Die Bemannung

Um diese High-Tech-Geschosse richtig zu programmieren, damit sie nicht womöglich in einem russischen Rübenacker oder in befreundetem Gebiet (Ukraine selbst, Moldawien, Georgien) in einem Wohnhaus landen, müßte Deutschland seine eigenen Fachleute mitschicken.
(Sogar dann könnte es zu den obigen Fehl-Landungen kommen – die Tücken der Technik! – aber die Chance dazu ist deutlich geringer.)

Deutschland müßte also hochspezialisierte Berufssoldaten mitschicken – die dann in der Ukraine natürlich ein Ziel russischer, wie man weiß, relativ treffsicherer Artillerie und Marschflugkörper werden würden.
Das sähe nicht gut aus, wenn man nach einiger Zeit Einsatz – ohne besondere Durchbrüche – auf einmal deutsche Soldaten in Holzschachteln aus der Ukraine ankommen würden.
(Schon die Heimkehr der lebenden Soldaten aus Afghanistan 2021 war kein besonderes Highlight der deutschen Militärgeschichte.)

Daß das Risiko hoch ist, sieht man schon daran, daß im Verlauf der letzten 2 Jahre schon öfter westliche Militärs durch russischen Beschuß ins Jenseits befördert wurden und es zwar gelungen ist, das vor der breiten Öffentlichkeit zu verbergen – dieser Umstand aber beim Militär sicher bekannt ist.

Es ist aus diesen Gründen auch möglich, daß sich in der Heeresführung Gegner dieses Einsatzes finden und die Abhöraktion gar nicht so besonders zufällig zustande gekommen ist, – weil damit signalisiert werden sollte, daß die Profis selbst kalte Füße kriegen bei dem Gedanken, den nächsten Ostfeldzug anzugehen.

Solches ist ja schon öfters schiefgegangen.

Pressespiegel Izvestija, 8.3.: Die Energiekanäle schließen:

„INDIEN REDUZIERT SEINE ÖLKÄUFE AUS RUSSLAND

Die US-Sanktionen haben eine Rückwirkung auf ganz Europa

Aufgrund der US-Sanktionen könnte Indien, der zweitgrößte Abnehmer von russischem Öl, seine Käufe reduzieren.“

„Könnte“. Es ist also noch nicht sicher, ob Indien das tun wird. Aber die Izvestija macht darauf aufmerksam, was die Folgen wären.

„Dies wird Rußland voraussichtlich keine Probleme bereiten, da der asiatische Markt bereits fast alle Mengen aufnimmt und außerdem der Wettbewerb zwischen Indien und China um russisches Öl zugenommen hat. Für Europa verheißt dieser Zustand allerdings nichts Gutes: Indien ist längst zum größten Lieferanten von Erdölprodukten für die EU geworden.
Die Lieferungen von Indien nach Europa sind aufgrund der Krise im Roten Meer bereits zurückgegangen, jetzt drohen sie aufgrund amerikanischer Sanktionen zusammenzubrechen. Die Izvestija hat herausgefunden, was eine mögliche Treibstoffknappheit für Europa bedeuten würde.

Ein zuverlässiger Kanal

Europa kauft weiterhin bereitwillig russisches Öl, das es sich selbst verboten hat. Moskau steigerte die Lieferungen nach Indien stark, und Europa erhöhte sofort die Importe von dort um ein Vielfaches. Zu den Käufern zählen alle großen europäischen Volkswirtschaften. Sie beziehen hauptsächlich Gasöl, das für die Herstellung von Dieselkraftstoff benötigt wird.“

Die Dieselpreise sind also deshalb so hoch, weil das Vorprodukt inzwischen aus Indien kommt – per Tanker. Und inzwischen vermutlich rund um Afrika herum.
Nur zur Rückerinnerung: Früher kam es per Pipeline direkt vor die Haustür. Aber man darf doch Rußland kein Öl abkaufen!

„Insgesamt steigerte die EU im Jahr 2023 die Einfuhren von russischem Öl aus Indien um 115%. Indien erhielt durchschnittlich 1,75 Millionen Barrel Rohöl pro Tag aus Rußland. Spitzenreiter sind die Niederlande (24% der »indischen Importe«), Frankreich (23%), Rumänien (12%), Italien und Spanien (jeweils 11%). Ein solch starker Anstieg erfolgte, als Indien, das erhebliche Preisnachlässe erhalten hatte, die Käufe von russischem Öl stark erhöhte – bis zu 40% aller Importe (zuvor waren es 2 %).
Laut Eurostat ist Indien zum zweitgrößten Exporteur von Erdölprodukten in die EU geworden, nur noch vor Saudi-Arabien. So importierte die EU 7,9 Millionen Tonnen Erdölprodukte in den ersten 9 Monaten des Jahres 2023 aus Indien, das ist 2,5-mal mehr als im Vorjahr und 3,3-mal mehr als im Jahr 2021. In Geld ausgedrückt stiegen die Lieferungen auf 6,1 Milliarden Euro gegenüber 3,3 Milliarden im Vorjahr und 1,2 Milliarden im Jahr 2021.“

Da merkt man, wer wirklich von den Sanktionen profitiert, als Weiterverkäufer von russischem Öl. Sollte Indien tatsächlich seine Käufe verringern, so würde Saudi-Arabien sie erhöhen.

„Verknappungs-Risiken

Der stabile Zufluss von Erdölprodukten aus Indien auf den europäischen Markt ist jedoch gefährdet. Laut Bloomberg sind Indiens staatliche Ölraffinerien bei langfristigen Verträgen zur Lieferung von russischem Öl vorsichtiger und der Handel wird aufgrund der strengeren Einhaltung der US-Sanktionen deutlich schwieriger.“

Hier merkt man auch, worauf die US-Sanktionen wirklich zielen: Auf die Schwächung Europas durch die Drosselung der Energiezufuhr aus Rußland.

„Die größte staatliche Raffinerie, Indian Oil, wird wahrscheinlich die Ölmengen reduzieren, die sie im Rahmen sogenannter langfristiger Verträge erhält, sagten Agenturquellen. Gleichzeitig haben Bharat Petroleum und Hindustan Petroleum beschlossen, keine festen Zusagen zur Lieferung von Vertragsöl im nächsten Geschäftsjahr zu machen.
Während Rußland Indiens größter Öllieferant bleibt, gibt es Anzeichen dafür, daß Raffinerien beginnen, mehr Rohöl von anderen Produzenten, darunter Saudi-Arabien, zu kaufen, sagten Bloomberg-Quellen. Auch Staatsunternehmen streben den Abschluss von Lieferverträgen aus dem Nahen Osten und Westafrika an.

Engpässe und steigende Preise

Es ist offensichtlich, daß solche Transaktionen Indien mehr kosten werden; die Kosten für Öl aus dem Nahen Osten und Westafrika sind höher als die aus Rußland. Es sind keine Preisnachlässe zu erwarten, was sich unmittelbar auf die europäischen Importeure auswirken wird: Auch deren Einkaufspreise werden steigen.

Das Angebotsvolumen auf dem Markt ist begrenzt, unter anderem aufgrund von Produktionskürzungen der OPEC+-Länder.
Die Umstellung von russischen auf andere Lieferungen wird den indischen Erdölproduktproduzenten wahrscheinlich zusätzliche Kosten verursachen, was sich wiederum auf ihre Rentabilität auswirken und zu höheren Kosten führen kann, die auf den Preis des Endprodukts übertragen werden“, betont Mikhail Bespalov, Analyst bei KPS Capital.

Andere Experten weisen außerdem darauf hin, daß Indien zwar auf einen Teil langfristiger vertraglicher Öllieferungen aus der Russischen Föderation verzichten, dieses Öl aber durchaus weiterhin auf dem Spotmarkt kaufen könnte.
»Auf dem europäischen Markt kann es tatsächlich zu einer Treibstoffknappheit kommen, aber auch ohne Treibstoffknappheit werden die Preise steigen, da sie auf dem Spotmarkt höher sind als bei langfristigen Vertragslieferungen und von anderen Exporteuren«, betont der Analyst Wladimir Tschernov bei Freedom Finance Global.

Letztendlich wird also russisches Rohöl wahrscheinlich weiterhin an indische Raffinerien geliefert, aber die Preise werden volatiler sein, wenn die Lieferungen nicht an langfristige Verträge gebunden sind, fügt Mikhail Bespalov hinzu.“

Der Ausstieg aus längerfristigen Lieferverträgen und die Einkäufe auf dem Spotmarkt waren ja genau die Preistreiber für Energieträger noch vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

„Laut der Ökonomin Olga Borisova könnte die Verknappung von Erdölprodukten besonders starke Auswirkungen auf die Hauptabnehmerländer haben: Frankreich, die Niederlande und Italien. Kurzfristig werden die Abnehmer in europäischen Ländern unter Druck geraten, was die Preise in die Höhe treiben könnte, bis neue Lieferungen etabliert sind.

Beschleunigung der Inflation
Es ist also unwahrscheinlich, daß indische Raffinerien ohne Rohöl dastehen werden. Für Europa können jedoch nicht die gleichen Mengen wie bisher garantiert werden. Erstens ist in Indien selbst die Nachfrage nach Erdölprodukten auf dem heimischen Markt in den letzten Jahren stark gestiegen. Und seit Anfang 2024 sind die Treibstoffexporte aus Indien nach Europa aufgrund von Problemen im Roten Meer bereits stark zurückgegangen. Laut Kpler betrug der Anteil Europas an den indischen Erdölproduktexporten im Februar etwa 22 %. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr, als 32 % der indischen Exporte nach Europa gingen.

Im negativsten Szenario werden die Europäer mit den bereits bekannten Konsequenzen konfrontiert sein, mit denen sie bereits auf dem Höhepunkt der Energiekrise konfrontiert waren: Die Inflation wird für die Europäer zu einem Albtraum und zwingt europäische Hersteller dazu, ihre Produktion in andere Länder zu verlagern, was ihnen ermöglicht, die Kosten zu minimieren und Waren zu wettbewerbsfähigeren Preisen anzubieten. Infolgedessen sind nicht nur in den Ländern Osteuropas, sondern auch in den führenden Ländern der EU gravierende Probleme zu beobachten“, bemerkt Jurij Ljandau, Professor an der Russischen Wirtschaftsuniversität G.V. Plechanow.

Letztlich hat die EU die Verknappung von Erdölprodukten selbst verursacht. Mit der Entscheidung, ein Embargo gegen russisches Öl und Erdölprodukte zu verhängen, seien die EU-Länder in eine Sackgasse geraten, bemerkt Dmitrij Semjonov, Vorstandsvorsitzender von Transinvest.

Rußland wird damit umgehen können

Rußland, das seit langem daran gewöhnt ist, mit den harten Sanktionen des Westens umzugehen, wird einen Ausweg finden: Es muß seine »überschüssigen« Mengen in andere Ländern verkaufen und es gibt dafür auch Käufer.
Im Jahr 2023 belegte Rußland den ersten Platz unter den Ölexporteuren nach China und steigerte die Lieferungen in das Land um 24,1 % auf 107 Millionen Tonnen. Das sind 24,4 % mehr als die Importmengen des zweitplatzierten Saudi-Arabiens und mehr als 80 % mehr als die des Irak, der den dritten Platz belegt.“

Sieh da, sieh da: Der Irak hat in China seinen vermutlich wichtigsten Abnehmer.

„Rußland kann seine Lieferungen nach China sowie in die Länder des Nahen Ostens steigern. Saudi-Arabien beispielsweise kauft gerne russisches Öl für den Inlandsverbrauch und verkauft sein eigenes für den Export. Dieses System ist für sie von Vorteil, da russisches Öl viel billiger ist als saudi-arabisches Öl und dadurch den Inlandsverbrauch des teureren eigenen Öls reduziert und die Exporte steigert“, betont Nadjezhda Kapustina, Professorin der Abteilung für wirtschaftliche Sicherheit und Risikomanagement an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation.

Der Meistbegünstigte der Sanktionen gegen Rußland ist also das Reich der Wüste, deren autokratischer Herrscher mißliebige Oppositionelle im Ausland umbringen und gegebenenfalls zersägen läßt …

„Nach Angaben des russischen Finanzministeriums beliefen sich die Öl- und Gaseinnahmen des russischen Bundeshaushalts im Februar 2024 auf 945,6 Milliarden Rubel, einen Monat zuvor, im Januar, lag der Wert bei 675,5 Milliarden.
Das Volumen der zusätzlichen Einnahmen aus dem Öl- und Gashaushalt wird sich im März auf 125,2 Milliarden Rubel belaufen.“