Pressespiegel El País, 29.10.: Der Libanon

„DAS SCHWÄCHSTE GLIED IM NAHEN OSTEN DROHT ZU ZERBRECHEN, FALLS ES IN DEN KRIEG EINTRITT

Angriffe der Hisbollah lösen eine Welle von Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee aus und erzwingen die Evakuierung Tausender Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze

Der Libanon, der seit mehr als drei Jahren in Armut und Misswirtschaft versunken ist, kann sich einen neuen Krieg mit Israel nicht leisten.“

Eine seltsame Vorstellung, daß es Staaten gibt, die sich Kriege „leisten“ können, und andere, die das nicht können.
Diese Vorstellung geht von einer Hierarchie von Staaten aus, die kraft ihrer militärischen Gewalt anderen ihren Willen aufzwingen können.
Wenn sich ein Staat also einen Krieg „leisten“ kann, so darf es ihn auch führen, die anderen müssen kuschen?
Die Absurdität dieser Auffassung zeigt sich z.B. an Afghanistan, gegen die 2 Großmächte Krieg geführt haben, die ihn sich offensichtlich „leisten“ konnten, mit den entsprechenden Verwüstungen, aber beide verloren haben.

„Doch nach dem Konflikt in Gaza, 200 Kilometer südlich der gemeinsamen Grenze, dem anhaltenden Raketenbeschuss und den Einfällen der pro-iranischen Miliz Hisbollah und den gewaltsamen Vergeltungsangriffen der israelischen Armee handelt es sich um die schwersten seit dem bewaffneten Konflikt von 2006 und es droht eine umfassende Konfrontation.“

Das heißt, daß Israel einen 2-Fronten-Krieg führen muß und daß der Iran seine Verbündeten unterstützen könnte.
Und was ist mit der Türkei?
Kann sie sich ein Eingreifen „leisten“?

„»Die Hisbollah wird den schlimmsten Fehler ihres Lebens begehen und wird noch dem Krieg von 2006 nachweinen«, warnte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vor einer Woche an derselben libanesischen Grenze und bezog sich dabei auf einen Konflikt, der in 33 Kampftagen 1.300 Libanesen und 165 Israelis das Leben kostete.“

In diesem Krieg von 2006 wurden im Libanon sämtliche Brücken und ein großer Teil der sonstigen Infrastruktur zerstört. Von den Schäden von damals hat sich der Libanon bis heute nicht erholt.
Damals griffen Syrien und der Iran nicht ein und deswegen hatte die israelische Armee freie Hand bei ihrem Zerstörungswerk. Heute wird das vermutlich nicht so sein.

„Seit drei Wochen ist der Einsatz von Merkava-IV-Panzern, Artilleriebatterien und Infanteriebataillonen im Grenzgebiet von Ober-Galiläa zu beobachten.

Einige Tage später traf sich der Anführer der schiitischen Parteimiliz, Hassan Nasrallah, in Beirut mit Führern der Hamas und des palästinensischen Islamischen Dschihad, um »die Achse des Widerstands [gegen Israel] zu koordinieren, um einen Sieg in Gaza zu erringen«, laut einer Erklärung der Hisbollah.
Das von ihnen angekündigte Kriegsszenario beinhaltet eine Flut von 150.000 bis 200.000 Raketen, die von der pro-iranischen Guerilla im Südlibanon gelagert wurden, und die Mobilisierung von mehr als 20.000 Milizionären, die in mehr als einem Jahrzehnt der Kämpfe an der Seite der Regierungstruppen in Syrien abgehärtet wurden, und Zehntausenden weiteren Kämpfern in der Reserve.

»Technisch gesehen hat der Krieg im Südlibanon bereits begonnen, mit fast täglichen Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der Hisbollah [die in ihren Reihen fünfzig Todesopfer erlitten hat] und der israelischen Armee [mit sechs Todesopfern] seit Beginn des Krieges in Gaza«, sagt der libanesische Politikanalyst Nadim el Kak. »Aber ich glaube nicht, dass er sich – zumindest im Moment – auf den Rest des Libanon ausbreiten wird. Es liegt im Interesse des israelischen Militärs, keine weitere Front an der libanesischen Grenze zu eröffnen, was zu möglichen Zusammenstößen mit Syrien führen und von seiner Priorität ablenken könnte: der Beseitigung der Hamas«, sagte dieser Soziologieprofessor an der Amerikanischen Universität in Beirut.“

Es ist aber nicht allein Israel, das über die Ausweitung des Krieges entscheidet.

„Nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2019, die das libanesische Pfund um mehr als 90% abgewertet hat, ist es den libanesischen Parteien nicht gelungen, eine stabile Exekutive zu bilden – der derzeitige Premierminister Nayib Mikati regiert seit mehr als einem Jahr interimistisch.
Die Mehrheit der politischen Kräfte fordert nun die Hisbollah (integriert in die provisorische Regierungskoalition) auf, die Eskalation des Krieges zu stoppen.
»Das Schicksal des Libanon steht auf dem Spiel«, warnte laut Reuters Walid Dschumblatt, Anführer der drusischen Minderheit.
Der erfahrene Führer kann sich seit dem Bürgerkrieg, der sein Land zwischen 1975 und 1990 ausgeblutet hatte, und der israelischen Invasion von 1982, die erst im Jahr 2000 vollständig endete, an keine ernsthaftere existenzielle Bedrohung für sein Land erinnern. Nach dem Krieg von 2006 wurde der Libanon von Europa und den Golfstaaten beim Wiederaufbau unterstützt, aber heute vertrauen nur noch wenige Libanesen darauf, dass sie ihr Land wieder aufbauen können, wenn Israel seine Drohung wahr macht, es zu zerstören und in die Steinzeit zurückzuversetzen.

Die libanesische Wirtschaft ist bereits von den Auswirkungen der Spannungen an der Südgrenze betroffen. Laut der Zeitung L’Orient-Le Jour ist die Aktivität in Cafés und Restaurants im Vergleich zur Woche vor dem Konflikt um 50 bis 80 Prozent zurückgegangen. Der Umsatz von Supermärkten hingegen ist vor allem in den schiitischen Bezirken im Süden Beiruts, Hochburgen der Hisbollah, um bis zu 25 % gestiegen, da die Bürger in Erwartung eines Ausbruchs von Feindseligkeiten Lebensmittel horten. Das Gleiche passiert an Tankstellen.

Aus Angst vor den Folgen der israelischen Bombenangriffe hat die Fluggesellschaft MEA die Hälfte ihrer Flotte in die Türkei in Sicherheit gebracht. Während einige reguläre Flüge noch in Betrieb sind, haben die meisten diplomatischen Vertretungen mit der Evakuierung ihres nicht unbedingt notwendigen Personals begonnen und empfehlen ihren Bürgern, das Land zu verlassen, wenn ihre Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich ist.

Nach der verheerenden Explosion im Jahr 2020, die im Hafen von Beirut mehr als 200 Todesopfer und fast 7.000 Verletzte forderte, geht das Unglück im Land der Zedern weiter. »Der Libanon erlebt die schlimmste Wirtschaftskatastrophe seit einem Jahrhundert, in einem Land, das seit 30 Jahren von einem Warlord-Regime regiert wird. Die grassierende Korruption hat es zu einem gescheiterten Staat gemacht, ohne Dienstleistungen für die Menschen«, bemerkt Carmen Gea, ehemalige Professorin für öffentliche Verwaltung an der Amerikanischen Universität in Beirut, die sich daran erinnert, dass jeder vierte Einwohner des Landes (5,5 Millionen, mit einem brutalen oder knappen Rückgang um die 20 % seit 2015) Flüchtlingsstatus besitzt, die überwiegende Mehrheit sind Syrer und Palästinenser.

„Leider ist der Libanon kein souveräner Staat und wird weiterhin von der Geopolitik der Expansionspolitik Irans in der Region betroffen sein.“

Hier wird sehr tendenziös der Iran für die Lage im Libanon verantwortlich gemacht, während die Bedrohung durch und die offenen Grenzfragen mit Israel unter „ferner liefen“ figuriert, oder die Interventionen der USA und diverser EU-Staaten in Syrien, von der Türkei ganz zu schweigen, überhaupt unter den Tisch fallen.
Dabei verdankt der Libanon diesen verschiedenen Staaten seine Flüchtlingsbevölkerung und letztlich auch die Katastrophe vom Hafen von Beirut, die auch diesen Interventionen zu verdanken ist.

„»Was im Süden des Landes passiert, ist sehr gefährlich. Selbst wenn es sich nicht ausbreitet, setzt es Tausende von Bewohnern dem Risiko des Todes aus, wenn sie in den Konflikt hineingezogen werden«, warnt Gea (…) »Wir wissen nicht, ob es Krieg geben wird, wo er sich auswirken wird oder wie lange er dauern wird, aber diese Situation der Unsicherheit und Bedrohung, die zusätzlich zur wirtschaftlichen Katastrophe hinzukommt, hat negative Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Menschen.«“

Nachvollziehbar …

„Die UN-Koordinatorin im Libanon, Joanna Wronecka, stimmt bereits mit der Regierung von Beirut einen Notfallplan für den Konfliktfall ab, berichtet EFE <https://de.wikipedia.org/wiki/EFE>. Die Zusammenstöße und Scharmützel zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee, die seit drei Wochen an der libanesischen Grenze festsitzt, tragen die Merkmale eines Zermürbungskrieges, der die Aufmerksamkeit vom Konflikt in Gaza ablenken soll. Die kleinste Fehleinschätzung kann jedoch einen offenen Flächenbrand auslösen, wie es 2006 beim Einmarsch der schiitischen Miliz geschah, bei dem drei israelische Soldaten starben.“

Damals war Israel der Anlaß willkommen, um einen Feldzug gegen den Libanon zu starten, aber wie das heute aussieht?

„»Ich glaube nicht, dass sich der Krieg ausweiten wird, aber wenn er eine regionale Dimension erreicht, wird er den Libanon und Syrien sowie andere am Konflikt beteiligte Akteure einbeziehen, die alle Waffen an die verschiedenen Parteien schicken«, prognostiziert Nadim el Kak.
Er betont, daß zwar die Mehrheit der Libanesen die Hisbollah nicht unterstützt, aber fast alle den Widerstand gegen Israel unterstützen. »Nach Jahrzehnten der Invasionen, Bombardierungen und Besatzungen in der Vergangenheit ist es wichtig, diese Unterscheidung zu treffen«, betont dieser Experte, »da die Parteimiliz einen faktischen Widerstand darstellt und die libanesische Armee der israelischen Armee nicht direkt gegenübersteht.«“

Eine eigenartige Unterscheidung angesichts der Tatsache, daß der Libanon praktisch keine eigene Armee besitzt, die der Rede wert wäre. Die Armee des Libanon ist die Hisbollah, und ihre Entscheidungen betreffen den Libanon als Ganzes.

„Iranische Operationsbasis

»Die strategische Frage besteht darin, zu wissen, in welchem Ausmaß der Druck aus dem Inneren des Libanon den Iran und die Hisbollah beeinflussen wird«, sagt Zvi Barel, Korrespondent für die arabische Welt der israelischen Zeitung Haaretz.

Welche Akteure gibt es im „Inneren des Libanon“, die „den Iran und die Hisbollah beeinflussen“ könnten?
Die sunnitischen Eliten sind mit Saudi-Arabien verbandelt, die maronitischen mit Israel und der NATO.

Beide sind jedoch gegenüber der Hisbollah inzwischen sehr im Hintertreffen, weil sie wenig Unterstützung ihrer Sponsoren haben, die den Libanon mehr oder weniger in die dritte Reihe ihrer Prioritäten geschoben haben.
„»Obwohl es am wahrscheinlichsten ist, dass beide Verbündete es vorziehen würden, das Land, das Teheran seine Hauptoperationsbasis im Nahen Osten bietet, nicht zu verlieren, wenn es von Israel zerstört wird.«

Die Eskalation des Krieges an der libanesischen Front hat zu einer Flucht von Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze geführt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der UNO (IOM) sind fast 20.000 Menschen in den Nordlibanon geflohen. »Es gibt Menschen, die den Süden auf der Suche nach anderen Alternativen bereits verlassen haben, aber viele andere wissen nicht wohin. Die Auswirkungen eines Krieges im Libanon auf die Zivilbevölkerung können sehr, sehr negativ sein«, betont Professor El Kak.

Auf israelischer Seite haben eine ganze Stadt und Dutzende Kleinstädte einen militärischen Evakuierungsbefehl erhalten. Mehr als die Hälfte der 23.000 Einwohner von Kyriat Schmona, die zwischen der libanesischen Grenze und den Golanhöhen festsitzen, sind bereits abgereist, um bei Verwandten oder von der Regierung finanzierten Hotels unterzukommen.
»Ein Viertel der Bevölkerung weigert sich immer noch, ihre Häuser zu verlassen, trotz der Gefahr, die von der Nähe zum Kampfort ausgeht«, erklärte in dieser Woche die Stadträtin für soziale Dienste von Kyriat Schmona, Aviva Rihan-Whitman.
Am selben Samstag bombardierten israelische Flugzeuge Hisbollah-Stellungen im Südlibanon, von wo aus Stunden zuvor Raketen und Panzerabwehrraketen in Richtung Israel abgefeuert worden waren.“

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„»Blauhelme« im Fokus

Als im Krieg 2006 die Waffen schwiegen, waren an der Blauen Linie, die die trennende Grenze markiert, 10.800 Soldaten aus 40 Ländern im Einsatz, darunter mehr als 600 Spanier. Seitdem sind sie Teil einer internationalen Puffer-Truppe, der Interim Force of Nations for Lebanon (UNIFIL).
Auch der aktuelle Konflikt trifft diese Mission. An diesem Samstag traf ein Projektil das Hauptquartier in Naqura. »Glücklicherweise explodierte es nicht und niemand wurde verletzt, aber unsere Basis wurde beschädigt«, sagte UNIFIL in einer Erklärung.
Es war nicht das erste Mal. Am 15. Oktober fiel eine Rakete in der Nähe des Kommandopostens des Missionskommandanten, des spanischen Generals Aroldo Lázaro, der die gegnerischen Parteien zu größter Zurückhaltung und Koordination mit dem UN-Militärkontingent aufrief, um eine militärische Eskalation zu verhindern. Der Großteil des spanischen Einsatzes konzentriert sich in der Nähe der Stadt Mardsch Uyun, im östlichen Teil der Grenze, im israelischen Gebiet Metula und Kyriat Schmona sowie auf den Golanhöhen, einem syrischen Plateau, das seit 1967 von der Armee besetzt ist.
Dort starb im Jahr 2015 der spanische Unteroffizier Francisco Javier Soria Toledo, der der UNIFIL zugeteilt wurde, aufgrund des Einschlags eines israelischen Projektils, das angeblich gegen eine Hisbollah-Hochburg gerichtet war.

Pressespiegel El País, 7.9.: Rumänien und der Ukraine-Krieg

„RUMÄNIEN, DER STILLE VERBÜNDETE, DER NICHT IN DEN KRIEG IN DER UKRAINE HINEINGEZOGEN WERDEN WILL

Bukarest untersucht Überreste einer mutmaßlichen russischen Drohne, die auf seinem Territorium abgestürzt ist, versucht jedoch, nach den Angriffen nahe seiner Grenze einen vorsichtigen Ton gegenüber Moskau beizubehalten

Der Lärm von Flugabwehrsirenen, ein Nachthimmel voller Explosionen und riesige Feuerbälle, die plötzlich auf der ukrainischen Seite der Donau auftauchen, tun kund, daß nur wenige Meter von Rumänien entfernt eine tödliche Schlacht tobt.

Seit dem Scheitern des Abkommens im Juli, das der Ukraine erlaubte, ihr Getreide über das Schwarze Meer zu exportieren, hat die russische Armee die Bombardierung von Getreidesilos in den ukrainischen Häfen Ismail und Reni, die zur letzten Möglichkeit für den Transport übers Meer von Millionen Tonnen Getreide geworden sind, verstärkt. Diese Orte sind auch zu einem potenziell gefährlichen Szenario geworden, da sie direkt an der Grenze zu Rumänien, einem NATO-Mitgliedsland, liegen und daher unter dem Schutz des Bündnisses für die kollektive Sicherheit stehen.

Der jüngste Vorfall ereignete sich am frühen Montagmorgen. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums berichtete, dass ihnen ein Bild vorliegt, das die Explosion einer im Iran hergestellten Shahed-Drohne auf rumänischem Boden zeigt.“

Beachtlich, welche genaue Überwachung rumänischen Bodens der Ukraine zugänglich ist. Die Ukraine ist nicht in der NATO, und sie hat vermutlich keine eigenen Satelliten, die solche detaillierten Aufnahmen ermöglichen.
Die andere Möglichkeit ist, daß die Drohne von der Ukraine selbst dorthin geschossen und dabei aufgenommen wurde.

„Das rumänische Verteidigungsministerium gab schnell eine eigene Erklärung ab, in der es die Informationen kategorisch dementierte. Es war das zweite Mal in diesem Jahr, dass Bukarest eine Aussage dieses Kalibers gegenüber Kiew dementierte.

Das Beharren der Ukraine auf ihrer Aussage sorgte bei den rumänischen Politikern für Verärgerung: Sie wollen verhindern, daß ihr Land in den Propagandakrieg hineingezogen wird.“

Nicht nur in den Propaganda-, sondern vor allem in den tatsächlichen Krieg.

„»Es wurden Angriffe registriert, die nachweislich 800 Meter von unserer Grenze entfernt stattgefunden haben; mit anderen Worten: sehr nahe«, erklärte der rumänische Präsident Klaus Iohannis am Dienstag bei einem Besuch auf dem Militärstützpunkt Cincu im Zentrum des Landes. »Es gab keine Teile, keine Drohnen oder Komponenten eines anderen Geräts, die in Rumänien heruntergefallen sind. Wir haben die vollständige Kontrolle über unseren Luftraum«, sagte Iohannis, der besorgt war, dass die Bombenanschläge »so nah an der rumänischen Grenze« stattfanden.

Am Mittwoch schlug der rumänische Präsident jedoch andere Töne an. Er tat dies, nachdem Verteidigungsminister Angel Tilva dem rumänischen Sender Antena 3 bestätigt hatte, dass nach dem russischen Angriff »Stücke gefunden wurden, die Elemente einer Drohne sein könnten«.“

Vorher wurde die Verteidigungsministerin vorgeschickt, um alle Behauptungen der ukrainischen Seite kategorisch zu dementieren.

„Ein großes Gebiet wurde abgesperrt, die wenigen dort lebenden Bewohner jedoch nicht evakuiert, da man davon ausging, dass die gefundenen Überreste keine Bedrohung darstellten.

Tilva bemerkte außerdem, dass die gefundenen Stücke analysiert werden, um ihre Herkunft zu bestätigen.

Angesichts der Enthüllungen des Ministers forderte Iohannis noch am selben Nachmittag »eine dringende Untersuchung … Wenn bestätigt wird, dass diese Elemente von einer russischen Drohne stammen, wäre das völlig unzulässig, eine schwere Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Rumäniens, eines NATO-Verbündeten«, fügte der Präsident hinzu, der bekräftigte, dass das Land in höchster Alarmbereitschaft sei und die Überwachung seit Wochen verstärkt wird.“

Man merkt, in der rumänischen Führung gibt es unterschiedliche Sichtweisen, wie dieser Vorfall handzuhaben sei.

„Der Experte für den postsovjetischen Raum Armand Gosu hält es für möglich, dass eine Drohne den rumänischen Luftraum überquert hat oder in Zukunft durchqueren wird. Ein möglicher Einmarsch birgt das Risiko einer Aktivierung des Atlantischen Bündnisses. »Die Gefahr«, sagt dieser ehemalige BBC-Korrespondent in Moskau, »besteht darin, dass Russland die Grenzen des Erlaubten austesten kann.«“

Aus all den Dementis und sonstigen Aussagen geht nicht hervor, wie die Drohne nach Plauru gekommen ist: Wurde sie direkt dorthin geschossen? Wurde sie von einem ukrainischen oder rumänischen Abwehrsystem zu Fall gebracht und schlug deshalb in Rumänien ein?
Es gibt in Rumänien auch keine Einigkeit darüber, ob diese Drohne Sprengstoff transportiert habe oder lediglich eine Aufklärungsdrohne gewesen sei.

„Der NATO-Artikel 4

Sollte ein Angriff auf rumänischem Boden stattfinden, so wisse die Armee des Landes, was zu tun ist, sagen Quellen aus dem Verteidigungsministerium. Bukarest ist imstande, mit der Situation umzugehen, falls eine russische Drohne oder Rakete versehentlich abstürzt. Wäre dies der Fall und gäbe es keine verheerenden Auswirkungen, hätte Rumänien kein Interesse an einer Eskalation der Spannungen.

Bukarest kann jedoch die Anwendung von Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragen, wonach die Mitgliedstaaten des Bündnisses »gemeinsame Konsultationen abhalten, wann immer einer von ihnen der Ansicht ist, dass seine territoriale Integrität, Unabhängigkeit, Politik oder Sicherheit beeinträchtigt sind«.“

Die rumänische Führung behält sich sehr nachdrücklich die Entscheidung über weiteres Vorgehen vor, das haben verschiedene Politiker klargestellt. Daß die NATO entscheidet, wann in Rumänien Krieg ist, das will wirklich niemand in Rumänien.

„Rumänien ist zu einem wichtigen Verbündeten der Ukraine an der Ostflanke geworden.“

Es handelt sich um die Südflanke.

„Diese ist zu einem echten Flaschenhals für den Export unter anderem von ukrainischem Mais, Raps und Hirse geworden. Aber auch für den Transport von Waffen und Kriegsmaterial.“

Und nicht nur für den Transport, sondern auch den Einsatz derselben.
Vor allem deshalb hat Rußland das Getreideabkommen aufgekündigt. Die Wasserdrohnen gegen die Krim-Brücke wurden von Schiffen aus dem Getreidekorridor abgeschickt. Vom Festland her wäre die Strecke zu weit gewesen.

„Der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu erklärte im August nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Denis Shmyhal, dass er wolle, daß 60 % des Getreidetransports des Nachbarlandes über Rumänien laufen würden. Ciolacu kündigte an, daß dafür die Kapazität des Hafens von Constanța am Schwarzen Meer und anderen Routen verdoppelt werde, um vier Millionen Tonnen pro Monat verschiffen zu können. »Wir investieren in den Sulina-Kanal«, sagte der rumänische Premierminister und bezog sich dabei auf Rumäniens wichtigste Wasserstraße, die durch das Donaudelta verläuft.“

Das ist nicht richtig. Die „Wasserstraße“, auf die sich der Autor des Artikels bezieht, ist der Sulina-Arm, der mittlere der drei Arme des Donaudeltas.
Ciolacu bezog sich aber vermutlich auf den Kanal Meile 35, der den Kilia- und den Sulina-Arm (genaugenommen über den 3., den St. Georgs-Arm) verbindet und kurz hinter Ismail flußabwärts in den Kilia-Arm mündet. Dieser Kanal wird derzeit vermutlich erweitert und vertieft, um größere Schiffe aufnehmen zu können, da er bisher nicht so intensiv genutzt wurde.
Bis dahin und nach Constanța muß das Getreide jedoch zuerst einmal kommen, und deswegen staut es sich in den ukrainischen Donauhäfen, die von Rußland bombardiert werden.
Es mag sein, daß der Getreideexport dabei behindert werden soll.
Aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß diese Häfen eben in der umgekehrten Richtung für Waffenimporte genutzt werden.
Die Getreidelaster kommen mit Getreide in Reni und Ismail an – fahren sie leer zurück?

„»Bukarest hat enorme Anstrengungen unternommen, um den Export von Getreide aus der Ukraine zu erleichtern«, erklärt Mihai Isac, Experte für internationale Beziehungen, »einschließlich der Modernisierung einiger Eisenbahnlinien in ursprünglich sowjetischer Breitspur, wie der Strecke zwischen Reni (Ukraine), Giurgiulesti (Moldawien) und Galați (Rumänien)«.“

Vor dem Krieg war dort nämlich tote Hose, die Strecke wurde kaum genutzt.

„»Auch die Umsetzung von Sanierungsprojekten des Sulina-Kanals wird beschleunigt, wodurch ab Oktober auch die Nachtschifffahrt möglich ist. Und Kiew kann den Bystre-Kanal ausbaggern, der im Schutzgebiet des Donaudeltas liegt«, fügte der Experte hinzu.“

Dagegen hatte sich Rumänien lange gesträubt und ökologische Gründe vorgeschoben, um sich das Monopol des Zugangs der Donau zum Schwarzen Meer zu erhalten.
Die Ukraine hat jedoch angeblich bereits gehandelt und den Kanal ausgebaggert, nach eigenen Angaben von 3,90 m auf 6,50 m Tiefe. (Wikipedia, Bystre Kanal)

„Wenn größere Schiffe die Donau befahren könnte, so würde das bedeuten, daß die Ukraine die Getreidespeicher weniger in Anspruch nehmen müßte, was die Wahrscheinlichkeit verringern würde, dass sie das Ziel russischer Angriffe wären.“

Das natürlich nur unter der Voraussetzung, daß sich sonst nichts dort befindet, wie z.B. Waffen und Munition

„Der Getreidetransit aus der Ukraine hat jedoch das Misstrauen der rumänischen Landwirte geweckt,“

– eine komische Art, auszudrücken, daß die ukrainische Importkonkurrenz die rumänischen Landwirte zu Widerstand angeregt hat.
Es war eben teilweise kein Transit, sondern das Getreide blieb dort liegen, in rumänischen Getreidespeichern –

„die die Bukarester Behörden gezwungen haben, finanzielle Unterstützung von der EU zu beantragen, um sie zu entschädigen.
Trotz der Spannungen zwischen den beiden Ländern und der Lage der rumänischen ethnischen Minderheit in der Ukraine“

– die – wie alle anderen Minderheiten auch – ebenfalls im Visier der ukrainischen Nations-Schöpfer bzw. Banderisten sind, weil sie eben keine Ukrainer sind –

„trug Bukarest seit Beginn der russischen Invasion massiv zur Unterstützung Kiews bei. Mehr als eine Million ukrainische Flüchtlinge sind durch Rumänien gereist. Hunderttausende sind geblieben. »Neben der ständigen politischen Unterstützung hat Rumänien die Ukraine auch mit Waffen und Artillerie sowjetischer Produktion und Munition für leichte Waffen beliefert«, erklärt Isac.

Die rumänische Regierung hat nicht öffentlich über die Militärhilfe für Kiew gesprochen. Ciolacu brachte jedoch zum Ausdruck, dass seine Partner wüssten, daß Bukarest weit mehr als humanitäre Hilfe und logistische Unterstützung biete.

Das Land wird sich auch an der Ausbildung ukrainischer Piloten für das Kampfflugzeug F-16 beteiligen und wartet auf die erforderlichen Dokumente, um den Beginn der Ausbildung zu genehmigen. »Ich hoffe, in den kommenden Tagen die erforderlichen Dokumente (für die Pilotenausbildung) unterzeichnen zu können. Es ist das letzte Hindernis, das noch zu überwinden ist«, erklärte der Premierminister.

Weiters gelangte ein Teil des von Bulgarien, der Türkei und anderen Staaten an die Ukraine gelieferten Militärmaterials über rumänisches Territorium.“

Es ist also eher Rumänien, das ausreizt, an welche Grenzen es gehen kann, ohne von Rußland als direkter Kriegsgegner wahrgenommen zu werden.

„»Nächstes Jahr sind in Rumänien eine Reihe von Wahlen (Präsidentschaftswahlen, Europawahlen, Kommunalwahlen und Parlamentswahlen) angesagt, die die Beziehungen zwischen Rumänien und der Ukraine prägen werden«, betont der Experte für internationale Beziehungen. »Die ultranationalistische Kraft Alianza para la Unión de los Rumanos (AUR, was auf Rumänisch Gold bedeutet) nutzt die schwierige Wirtschaftslage bei Wahlen aus und fordert die Einschränkung der Unterstützung für die Ukraine, während die sozialen Netzwerke von extremistischen Medien genutzt werden, um ihr eigenes Image zu stärken und mit Fake News und anderen konspirativen Theorien überschwemmt werden. “, fügte er hinzu. »Rumänien«, so Isac abschließend, »steht an der Front des hybriden Krieges, den die Russische Föderation gegen die EU und die NATO begonnen hat.«“

Das alles weist darauf hin, daß die Unterstützung der Ukraine und die Gegnerschaft zu Rußland in Rumänien gar nicht populär sind, sodaß dieses rumänische Pedant der AfD gute Chancen hat.

„Nebenbei sind verschiedene Konflikte zwischen Bukarest und Kiew zu lösen, einschließlich der Anerkennung der Existenz der moldauischen Sprache durch die Ukraine (…), obwohl Moldawien ohne Vorbehalte die territorialen Integrität und Souveränität des Nachbarlandes unterstützt.“

Mit der Anerkennung von Moldawisch als eigener Sprache würde nämlich noch eine neue offizielle Minderheit in der Ukraine geschaffen. Bisher wurden die ukrainischen Bürger mit moldawischer Muttersprache entweder der rumänischen Minderheit zugeschlagen oder als Ukrainer definiert.

„(Rumänien) hilft auch indirekt der Ukraine durch die wirtschaftliche und politische Unterstützung, die Moldawien gewährt wird“, sagte Isac, »mit dem Ziel, zu verhindern, daß pro-russische Politiker an die Macht kommen.«“

Rumänien stützt also die Regierung von Maia Sandu, obwohl auch in Moldawien die Bevölkerung eher gegen die NATO und deren Politik eingestellt ist und viele zur rußlandfreundlichen Partei Schor oder dem Vorgänger Sandus, Dodon, neigen.

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 1.9.: Währung und Weltmarkt

„LAWROW: RUSSLAND VERSUCHT NICHT, DEN DOLLAR ZU RUINIEREN, DAS TUN DIE USA SELBST

Der Chef des russischen Außenministeriums sagte, dass die USA die Rolle ihrer Währung als Landeswährung nicht mehr unterstützen“

Damit ist gesagt, daß die USA mit dem Dollar sozusagen Grenzen überschritten hätten, der ihre Währung auch für den inländischen Gebrauch fragwürdig macht.
Nicht nur im Ausland verursacht der Dollar Probleme aller Art, sondern als Maß der Werte für die eigenen Bürger entfernt er sich immer mehr von seinen Grundlagen – das ist die Diagnose Rußlands.

„Russland wolle den Dollar nicht »begraben«, die USA sorgen völlig selbstständig dafür, daß der Dollar nicht mehr die bisher für alle anerkannte Rolle einnimmt.
Diese Erklärung gab der Leiter des Außenministeriums der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, während eines Treffens mit Studenten und Lehrern der MGIMO (Staatliches Moskauer Institut für Internationale Beziehungen) ab.“

Lawrow sieht also die Rolle der Währungspolitik darin, daß die nationale Währung als erstes der eigenen Nationalökonomie zu dienen habe, um den Warenaustausch im Inland zu vermitteln.
Für den Außenhandel gäbe es andere Mechanismen, so seine Sichtweise. Rußland hatte in der Tat nie die Absicht, seine Währung zu einer Leitwährung für andere Staaten zu machen.
Nach der Logik Lawrows – die inzwischen common sense zwischen den russischen Wirtschaftswissenschaftlern zu sein scheint, er gibt sie nur wieder – war es schon ein Fehler, den Rubel konvertibel zu machen.

„»Wir entwickeln unsere Geldpolitik nicht nach dem Gesichtspunkt: Gegen die USA! oder Gegen den Westen! Wir wollen den Dollar nicht ruinieren. Die USA hören auf, den Dollar in derjenigen Rolle aufrechtzuerhalten, die für alle akzeptabel war. Das ist das Problem«, betonte Lawrow.“

Erstens ist das keine Propaganda. Rußland trägt seinen Gegensatz mit dem Westen nicht auf der Ebene des Währungsvergleiches aus. Alle Maßnahmen, die Rußland seit dem Beginn des Ukrainekrieges gesetzt hat, dientem dem Schutz der Funktionsfähigkeit der eigenen Währung.
Man fragt sich hier weiters, akzeptabel für wen? Welche ökonomischen Subjekte werden hier angesprochen?
Die Finanzwelt, die Unternehmer, der Mann von der Straße?
Man merkt, daß in Rußland die Währung etwas anderes darstellt als in der heutigen westlichen Welt: Es wird als eine Dienstleistung des Souveräns gegenüber seinen Untertanen besprochen, mit der jedem gedient sein soll: Den Arbeitnehmern ein stabiles Zahlungsmittel, den Unternehmen eine sichere Kalkulationsgrundlage und dem Staat ein verläßliches Steuerungsmittel.
Dergleichen findet sich möglicherweise auch in westlichen Ökonomielehrbüchern, aber es scheint schon etwas länger her zu sein.

Sowohl der Dollar als auch der Euro sollen heute in erster Linie ihren Staatsgewalten die Verschuldungsfähigkeit garantieren, alles andere ist nachgeordnet. Dafür ist es wichtig, daß dieses Geld weltweit nachgefragt wird.
Und damit, so die Ansicht der russischen Elite, untergraben sie die Grundfunktionen ihrer Währungen für den Gebrauch durch ihre Bürger.

„Der Außenminister wies auch darauf hin, dass Russland beabsichtige, auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Suche nach einem ehrlichen Interessenausgleich Beziehungen zu denjenigen aufzubauen, die zur Zusammenarbeit bereit seien. Nach diesen Grundsätzen arbeiten die OVKS, die GUS, die SOZ, die BRICS und die Eurasische Wirtschaftsunion.
Zuvor hatte Sergej Lawrow erklärt, dass die russische Sonderoperation in der Ukraine der Verwirklichung der Grundsätze der Multipolarität und der Gerechtigkeit auf der ganzen Welt Impulse gegeben habe.“

Im Grunde wird damit die ganze Konfrontation Rußlands mit dem Westen als eine Art Befreiung von schlechtem Geldmanagement und schlechter Wirtschaftspolitik besprochen.