Staat und Revolution, Teil 4

Kapitel III – Die Pariser Kommune
Was Lenin in Marx’ Schrift über die Pariser Kommune sucht und findet, kann aufgrund seines bereits bekannten Beweiszweckes nicht überraschen:
„Die einzige „Korrektur“, die Marx am „Kommunistischen Manifest“ vorzunehmen für notwendig erachtete, machte er auf Grund der revolutionären Erfahrungen der Pariser Kommunarden. …
»Namentlich … hat die Kommune den Beweis geliefert, daß die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann.«“ (S. 46)
Auch hier ersetzt das Zitat ein etwaiges Argument. Im Grunde besteht in diesem von Marx zitierten letzteren Satz der gesamte Inhalt von „Staat und Revolution“. Es ist nur deshalb ein Buch daraus geworden, weil dieser Satz durch möglichst viele Zitate „bewiesen“ werden soll.
Der Beweis wird neben dem Zitieren auch so geführt, daß Lenin gegen verschiedene Sozialdemokraten vom Leder zieht, weil sie diesen Satz anders interpretieren als er selbst.
Die ganze, sich immer wieder wiederholende Beweisführung Lenins sieht nämlich so aus.
1. Marx und Engels haben immer recht.
2. Ich bin ihr bester Schüler, treuester Anhänger usw., deswegen habe ich auch immer recht.
3. Jeder, der anderer Ansicht ist, hat daher unrecht und entstellt Marx’ Lehre.
Dann geht es um die Erweiterung der Arbeiterklasse zwecks Revolution:
„Auf dem europäischen Kontinent bildete 1871 das Proletariat in keinem Lande die Mehrheit des Volkes. Eine „Volks“revolution, die tatsächlich die Mehrheit des Volkes in die Bewegung einbezieht, konnte nur dann eine solche sein, wenn sie sowohl das Proletariat als auch die Bauernschaft erfaßte. Diese beiden Klassen bildeten damals eben das „Volk“.“
Das Bündnis mit der Bauernschaft ist also ein Notprogramm, weil man sonst die nötige Masse zum Sturz des Staatapparates nicht hinkriegt.
Das läßt nichts Gutes für die Bauern erwarten, nach all dem, was wir bisher über die revolutionäre Umgestaltung erfahren haben. Für den Umsturz braucht man sie – leider! leider! – aber nachher?
Zunächst muß man ihnen einmal einen Umsturz schmackhaft machen: Ihr werdet unterdrückt, Leute! Wehrt euch!
„Beide Klassen sind dadurch vereint, daß die „bürokratisch-militärische Staatsmaschinerie“ sie knechtet, bedrückt und ausbeutet. Diese Maschinerie zu zerschlagen, die zu zerbrechen – das verlangt das wirkliche Interesse des „Volkes“, seiner Mehrheit, der Arbeiter und der Mehrzahl der Bauern, das ist die „Vorbedingung“ für ein freies Bündnis der armen Bauern mit den Proletariern, ohne dieses Bündnis aber ist die Demokratie nicht von Dauer und die sozialistische Umgestaltung unmöglich.“ (S. 49)
Erst sollen die Bauern sich mit den Arbeitern verbünden, um den Staat zu zerschlagen, dann sollen sie erst recht wieder ein Bündnis mit ihnen eingehen. Was für ein Bündnis? Mit welchem Ziel? Aha, Demokratie, sozialistische Umgestaltung. (Im vorigen Kapitel gings doch um „Diktatur des Proletariats?)
Man merkt irgendwie: Aus verschiedenen Gründen gehören die Bauern einbezogen: Sie arbeiten, beuten nicht aus und viele sind sie auch noch. Gleichzeitig passen sie Lenin nicht so recht ins Konzept. Wohin mit ihnen? Sie werden irgendwie an den Klassenkampf drangeklebt, aber ohne besondere Überzeugung.
Schließlich stellt Lenin die Frage, auf deren Beantwortung sicher schon jeder Leser sehr gespannt ist:
„Wodurch ist die zerschlagene Staatsmaschinerie zu ersetzen?“ (S. 50)
Zunächst einmal ödet Lenin den Leser wieder mit einer Aufzählung an, wie die vorherige, die zu zerschlagende Staatsmacht zustandegekommen ist, und daß sie der Unterdrückung „der Arbeit“ dient.
Dagegen die Kommune! Sie wollte die Klassenherrschaft beseitigen.
„“Das erste Dekret der Kommune war … die Unterdrückung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk.““ (S. 51)
Nun ja. Wenn jedem Mitglied des „Volkes“ eine Waffe ausgefolgt wird – vorausgesetzt, daß davon überhaupt genug da sind –, so ist eine Voraussetzung dafür, daß diese Mitglieder des „Volkes“ – wer ist das eigentlich? – sich über den künftig einzuschlagenden Weg einig sind. Anderenfalls bewaffnet ein Teil des „Volkes“ seine eigenen Gegner.
Ungeachtet dessen, daß die Bezeichnung „Volk“ vieles offen läßt – zur Volksgemeinschaft gehören alle, ob Unternehmer, Bauern, Bankiers, Arbeiter usw. – kann die Bewaffnung nur ein Mittel zur Verteidigung eines Programmes sein, auf das sich die Zu-Bewaffnenden bereits vorher geeinigt haben. Dennoch ersetzt sie hier – und auch in vielen Parolen linker militanter Bewegungen seither – ebendieses Programm und soll für sich bereits Einheit schaffen.
Die restlichen Maßnahmen der Kommune, die Lenin anführt, sind zwar nicht sehr revolutionär, befriedigen aber dafür sicher egalitäre Bedürfnisse: Allgemeines Stimmrecht, Fabrikarbeiterlohn für Gemeindebedienstete, die Polizei den Stadträten unterstellt (sie bestand also als Polizei weiter), ebenso die Justiz, und als Schlagobers auf das Ganze noch etwas Antiklerikalismus.
Daß die Verantwortlichen der Kommune diese Maßnahmen ergriffen haben, soll ihnen hier überhaupt nicht vorgeworfen werden. Sie waren ein durch die Not und einen äußeren Feind bunt zusammengewürfelter Haufen, befanden sich in einer belagerten Stadt, und hatten durchaus bürgerlich-republikanische Vorstellungen.
Es ist auch nicht verkehrt von Marx gewesen, dem Aufstand der Kommune ein Buch zu widmen, in dem er die Kommunarden gegen die Verleumdungen der bürgerlichen Presse verteidigte und nachwies, daß die Forderungen, die sie stellten, durchaus zu anderen Zeiten von den Sprachrohren des Bürgertums selbst erhoben worden waren und im Grunde ein Erbe der französischen Revolution darstellten.
Aber Lenin sieht die Sache ganz anders. Hier waren Proletarier am Werk, Marx hat das anerkannt, also sind ihre Forderungen und Maßnahmen legitim, ungeachtet ihres Inhaltes, und weisen in die Zukunft, in das, was bei ihm im vorigen Kapitel noch die „Diktatur des Proletariats“ geheißen hatte:
„Die mit dieser denkbar größten Vollständigkeit und Folgerichtigkeit durchgeführte Demokratie verwandelt sich aus der bürgerlichen Demokratie in die proletarische, aus dem Staat (= einer besonderen Gewalt zur Unterdrückung einer bestimmten Klasse) in etwas, was eigentlich kein Staat mehr ist.“ (S. 52)

Staat und Revolution, Teil 1

LENINS „MARXISTISCHE LEHRE VOM STAAT“

Vorausschicken muß man zunächst, daß Lenins gesamtes theoretisches Werk höchst zweifelhaft ist, und zwar wegen seiner Art, Kritik zu üben.

Er kritisierte die Sozialdemokraten, also diejenigen Leute, die sich wie er auf Marx beriefen, vom Standpunkt der Verfehlung. Ihre Überzeugungen und Taten waren für ihn Abweichungen von der reinen Lehre von Marx und Engels, zu deren befugtem Hüter er sich selbst erklärte. Sie waren daher „Opportunisten“, „Nationalchauvinisten“, „Renegaten“ und dergleichen. Verräter. Seine Kritik lief daher stets auf eine moralische Verurteilung hinaus. Das ist ein Unterschied zur Kritik Marx’ an den Sozialdemokraten, der sich in der „Kritik des Gothaer Programms“ darum bemühte, ihnen inhaltliche Fehler nachzuweisen.

„Staat und Revolution“ wurde zwischen der Februar- und der Oktoberrevolution geschrieben, in Petrograd, als Lenin sich vor den Behörden verstecken mußte. Er sah eine Revolution vor sich und suchte nach Handlungsanweisungen. Er wollte eine theoretische Grundlage schaffen für das, was er vorhatte.
Die Fehler, die ich ihm ankreide, sind sicherlich Ergebnisse von Vorstellungen, die er schon vorher gehabt, und in dieser Schrift nur mehr niedergeschrieben hat. Hätte er jedoch Zeit und Muße gehabt, seine Überzeugung in Ruhe zu entwickeln, so wären ihm vielleicht die einen oder anderen Widersprüche aufgefallen.
Die Kritik an seiner Schrift ist jedenfalls angebracht, weil sich auf „Staat und Revolution“ jede Menge von Marxisten berufen, die Lenin als Revolutionär und Praktiker schätzen, und ihn deshalb als Theoretiker hochhalten.

Im Vorwort gibt Lenin das Ziel an, das er mit diesem Buch verfolgt:
„Wir betrachten zunächst die Lehre von Marx und Engels vom Staat und wollen besonders eingehend bei den in Vergessenheit geratenen oder opportunistisch entstellten Seiten dieser Lehre verweilen.“
Er behauptet also zunächst, es gebe eine solche Lehre.

Marx hat das „Buch vom Staat“, das er geplant hatte, nie geschrieben. Auch Engels behauptet von sich nicht, eine „Lehre vom Staat“, eine Analyse „des Staates“ in die Welt gesetzt zu haben, auch wenn eines seiner Bücher unter anderem beansprucht, seinen „Ursprung“ zu erläutern. Den Ursprung, die Entstehung einer Sache zu erklären, ist jedoch etwas anderes, als ihr Wesen und ihre Notwendigkeit zu analysieren.

Wenn jetzt Lenin gesagt hätte: Die zwei von mir geschätzten Theoretiker hatten dieses Vorhaben, sind aber nicht dazu gekommen, und deswegen muß ich jetzt eine Lehre vom Staat entwickeln, das nicht geschriebene Buch vom Staat selber schreiben – dagegen wäre nichts einzuwenden. Damit hätte er sich selber zur Autorenschaft bekannt, und sich der Kritik an seinen Ausführungen gestellt.
Voraussetzung für ein solches Unterfangen wäre allerdings, die Äußerungen von Marx und Engels auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und etwaige Mängel und Widersprüche aufzuzeigen. Es wäre auch notwendig gewesen, dort, wo die beiden spätere Entwicklungen (z.B. in Sachen Bismarck’sche Sozialreformen und die Stellung der deutschen Sozialdemokraten zu ihnen) nicht kennen konnten, diese theoretische Lücke zu schließen und selber eine Analyse vorzunehmen.
Er definiert sein Vorgehen aber von Anfang an ganz anders. Er sagt: Diese Lehre gibt es, sie ist aber verschütt gegangen, ich muß sie jetzt wieder ausgraben und darstellen. Was er hier macht, ist eine Kindesunterschiebung: Er entwickelt seine eigene Lehre vom Staat, beruft sich aber auf Marx und Engels und behauptet, das sei alles eigentlich von ihnen. Damit erklärt er sie für ein Kriterium der Wahrheit und sich nur zu ihrem Sprachrohr: Wer gegen mich antritt, ist ein Abweichler, ein Opportunist usw.! Denn bei Marx und Engels steht geschrieben …
In diesem Zusammenhang ist es auch angebracht, darauf hinzuweisen, daß er für sein Buch eine Auswahl des vorliegenden Schrifttums trifft, die dadurch in der marxistischen Tradition als eine Art Kanonisierung angesehen wurde und wird: Die von ihm herangezogenen Schriften gelten als das Um und Auf des Marxismus, das „Kapital“ und die mit ihm verwandten Schriften hingegen sind schon irgendwie den Ökonomen und spezialisierten Marxologen vorbehalten.


Kapitel I

Lenin betitelt dieses Kapitel mit der Überschrift: „Der Staat – ein Produkt der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze“.
Damit stellt er erstens fest: Die Klassengesellschaft braucht eine übergeordnete Gewalt, um bestehen zu können – eine Gewalt, die über den Klassen steht und sie beide auf ihre Rolle im Prozeß der Akkumulation verpflichtet.
Gleichzeitig relativiert er aber bereits in dieser Überschrift die Bestimmung des Staates, indem er sagt, sie sei ein „Produkt“. Damit bestimmt er die Staatsgewalt sozusagen als einen Nachschößling der Klassengesellschaft, als etwas von ihr Abhängiges, das keine eigene Bestimmung hat.

„Nach Marx ist der Staat ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere, ist die Errichtung derjenigen „Ordnung“, die diese Unterdrückung sanktioniert und festigt, indem sie den Konflikt der Klassen dämpft.“ (S 14)

Die Vorstellung des „Produktes“ wird weiterentwickelt: Jetzt ist der Staat ein „Organ“, das von der einen Klasse zur Unterdrückung der anderen geschaffen wird.
Diese Behauptung wird von da an zur erkenntnisleitenden Idee, von der anderes gefolgert wird:
„Wenn der Staat das Produkt der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze ist, wenn er eine über der Gesellschaft stehende und „sich ihr mehr und mehr entfremdende“ Macht ist, so ist es klar, daß die Befreiung der unterdrückten Klasse unmöglich ist nicht nur ohne gewaltsame Revolution, sondern auch ohne Vernichtung des von der herrschenden Klasse geschaffenen Apparates der Staatsgewalt, in dem sich diese „Entfremdung“ verkörpert.“ (S 15)

Wenn sich der Staat „mehr und mehr der Gesellschaft entfremdet“, so wird dabei unterstellt, daß er einmal mit ihr identisch war. Woher diese Vorstellung? „Gesellschaft“ und „Staat“ werden hier als ursprünglich gleiche bestimmt, die sich immer mehr voneinander entfernt haben.
Der Umstand, daß der Staat nicht mehr der Gesellschaft dient, stellt den Proletariern die Aufgabe, ihn zu stürzen. Soweit, so gut. Dennoch bleibt hier der schale Nachgeschmack, daß es einmal eine graue Vorzeit gab, in der Harmonie herrschte. Also der Staat vornehme Aufgaben hatte, die er aufgrund der Klassengesellschaft und Klassenherrschaft nicht mehr wahrnimmt.

Es folgen langweilige Ausführungen über den bürgerlichen Staat, mit Berufung auf Engels, die sich darin erschöpfen, daß die moderne Staatsgewalt etwas anderes ist als Stammesgesellschaften oder Affenherden.
Der Beweiszweck ist unklar: Muß man beweisen, daß die Staatsgewalt existiert, und etwas anderes ist als frühere, urzeitliche Gesellschaftsformationen?
_____________________________________________

„Staat und Revolution“ wird zitiert nach der Taschenbuchausgabe des Dietz-Verlages von 1989.
Ich hab mir vorgenommen, im Sommerloch dieses bahnbrechende Werk des Marxismus-Leninismus in Fortsetzungen zu verreißen und hoffe auf reges Interesse und Streit, um das ganze dann einmal in ausgereifter Form zu veröffentlichen.

Fortsetzung: Staat und Revolution, Teil 2

Ungarns Kredit

PLEITE ODER NICHT PLEITE?
Gerade einmal haben ungarische Regierungspolitiker den Forint, aber auch den Euro auf Talfahrt geschickt.
Kurz danach kam ein Dementi: Nein, es ist gar nicht so arg, wir sind nicht pleite, es ist eh alles in Ordnung.
Irgendwelche Deppen in Budapest haben sich offenbar verkalkuliert, und fertig.
„Die Welt“, als verantwortungsvolles Blatt, hielt es für notwendig, da in einem Artikel noch ein paar Erklärungen nachzuschieben.
Aus Populismus sollen die Politiker von der neuen FIDESZ-Regierung so gehandelt haben. Erst haben sie den Leuten das Blaue vom Himmel versprochen, um die Wahlen zu gewinnen, jetzt müssen sie ihnen reinen Wein einschenken, daß kein Geld dafür da ist, und das ist natürlich bitter.
Die Zeitungen triefen fast vor Verständnis darüber, daß demokratische Einseiferei genauso geht: Erst erzählt man allen: Ich mach alles besser!, und wenn man sich dann in die Kommandohöhen der Macht hat wählen lassen, so heißt es: leider, es gibt Sachzwänge! Uns sind die Hände gebunden!
Und der enttäuschte Wähler kann sich dann damit revanchieren, daß er das nächste Mal eine andere Partei wählt, die es natürlich genauso macht.
Leider, so der Tenor des „Welt“-Artikels, sind die neuen ungarischen Politiker noch ein bißl Tölpel und beherrschen diese demokratische Kunst des unschuldigen Lügens noch nicht ganz.
Diese Einstufung ist natürlich ein arroganter Unsinn.
Man muß einmal wissen, um was es geht: Das vom IWF, der EU und vor allem den „Märkten“ so gut aufgenommene ungarische Sparpaket, das die vorige Regierung 2008 mit dem IWF ausgehandelt und dann rigide umgesetzt hat, bedeutet für Ungarn, daß das Funktionieren wichtiger Teile des Staatsapparates in Frage gestellt ist: Das Unterrichtswesen, die Gesundheitsversorgung und, last but not least, die Polizei, die auch nicht weiß, wie sie sich bis zum Jahresende finanzieren soll. Auch die Verwaltung der heurigen europäischen Kulturhauptstadt Pécs hat ihre liebe Not damit, die nötigsten infrastrukturellen Maßnahmen hinzukriegen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht womöglich einige der Kulturtempel der Stadt unter dem erwarteten Besucheransturm zusammenbrechen, weil sie bausubstanzmäßig auf dem Zahnfleisch gehen.
Also hat die neue ungarische Regierung einen Probeballon gestartet, und der war alles andere als ein populistischer Ausrutscher: Sie haben damit vorgefühlt und gezeigt, daß ihre Einordnung in die EU nicht so reibungslos vonstatten geht, wie sich das die wichtigen Regierungen und Gremien erwarten. Ein falscher Huster in Ungarn bringt nicht nur den Forint in Schwierigkeiten, sondern den Kredit der ganzen Eurozone, und sogar die New Yorker Börse.
Also werden vermutlich rund um das Dementi der ungarischen Regierung irgendwelche Verhandlungen hinter verschlossenen Türen losgegangen sein, wo einige der Maßnahmen, die seinerzeit mit dem IWF verhandelt worden sind, still und leise ad acta gelegt werden. Mit lautem Getöse nach außen: Wir bleiben fest!
Der Artikel in der Welt hingegen sieht lediglich eine Überreaktion der Märkte, mit Ungarns Wirtschaft hat das gar nichts zu tun:
„Dabei ist ein Vergleich Ungarns mit Griechenland an den Haaren herbeigezogen: ganz gleich, ob es um die Höhe der Verschuldung geht, um die Finanzpolitik der Regierung oder den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben gegenüber Investoren, EU und IWF.“
Um das zu untermauern, werden positive Gutachten zitiert. Sogar Eurostat hat Ungarn gute Noten ausgestellt.
(Nebenbemerkung: Nicht auszudenken, was auf den Finanzmärkten los wäre, wenn Eurostat Unregelmäßigkeit in den ungarischen Statistiken finden würde …)
Na dann!
Alles nur Panikmache und Nervösität, liebe Leute! Kauft ungarische Staatsanleihen! Ein Land auf Wachstumskurs!
Der Haken bei dergleichen Stimmungsmache ist nur, daß es nicht nur die Leser der Zeitung ihr nicht abkaufen werden, sondern der künstlich optimistische Tonfall auch anmerken läßt, daß die Schreiber selbst auch nicht so recht an ihre Propaganda glauben.