Pressespiegel Moskovskij Komsomoljets, 20.11.: Machtübergabe in Washington

„ABSPRACHE ZWISCHEN TRUMP UND BIDEN: EINE VERSION, DIE ALLES ERKLÄRT

Die scheidenden und neuen US-Präsidenten spielen gegenüber Moskau den guten und den bösen Polizisten

Am Ende seiner Präsidentschaft genehmigt Biden Angriffe mit westlichen Langstreckenwaffen auf den russischen Rücken, um die Pläne seines Nachfolgers, einen Deal mit Moskau abzuschließen, zu zerstören – das ist die offiziell anerkannte Version der Entscheidung des scheidenden Chefs der USA.

Aber das ist nicht die einzig mögliche Erklärung für das, was jetzt vor unseren Augen geschieht. Eine geheime Verschwörung zwischen zwei amerikanischen Führern, ihre gemeinsame Entscheidung, mit dem Kreml gute und böse Polizisten zu spielen – auf den ersten Blick sieht diese Version wie etwas völlig Unglaubliches aus. Beschäftigt man sich jedoch nicht mit Oberflächlichkeiten, sondern mit einer tiefgreifenden Systemanalyse, dann muss auf den »ersten Blick« zwangsläufig ein zweiter, ein dritter und ein vierter folgen. Und mit jedem neuen Blick erscheint mir die Version der »ausgehandelten Vereinbarung« immer überzeugender.

Auszug aus der offiziellen Niederschrift des Treffens zwischen den beiden amerikanischen Staats- und Regierungschefs vom 13. November, veröffentlicht vom Weißen Haus.

Präsident Biden: »Nun, Herr gewählter Präsident und ehemaliger Präsident …«
Präsident Trump: »Vielen Dank, Joe!«
Präsident Biden: »Donald, herzlichen Glückwunsch!«
Präsident Trump: »Vielen Dank.«
Präsident Biden: »Ich freue mich, wie wir gesagt haben, auf einen reibungslosen Machtwechsel – ich werde alles tun, was ich kann, um sicherzustellen, dass Sie alles haben, was Sie brauchen. Heute haben wir die Gelegenheit, einiges davon zu besprechen.«

Die bewusste Herzlichkeit der beiden Politiker, die sich erst kürzlich gegenseitig mit Schlamm beworfen haben, mag gespielt wirken. Dies muß aber gar nicht sein – oder spiegelt zumindest nicht das volle Ausmaß des Geschehens wider.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Biden und Trump einfach nicht mehr mitzuteilen. Einige politische Kämpfe sind bereits ausgefochten, andere haben noch nicht begonnen. Was die beiden US-Präsidenten trennt, ist vorübergehend (und, das muss hinzugefügt werden, teilweise) in den Hintergrund gerückt. Aber was sie verbindet, trat in den Vordergrund: ihr gemeinsamer Glaube an den absoluten Vorrang amerikanischer Interessen.
Ja, in Bezug auf die Ausrichtung der US-Politik gegenüber Rußland wollten und wollen Biden und Trump diesen Vorrang mit unterschiedlichen Methoden sicherstellen. Der scheidende US-Präsident ist ein Befürworter harter Drucktaktiken, und sein Nachfolger bekräftigt an jeder Ecke seine Bereitschaft, »einen Deal mit Putin zu machen«.

Aber man sollte Trump nicht für einen »guten Lasch« halten, der im Sinne des Katers Leopold denkt: »Leute, lasst uns miteinander auskommen!« Trump ist ein harter und berechnender Geschäftsmann, der Geschäfte möglichst aus einer Position der Stärke heraus abschließt. Er versteht eine unter russischen Geschäftsleuten so beliebte Geschäftspraxis wie »Detailansicht – Perspektive« voll und ganz.“

Damit ist gemeint, daß man sich einmal mit bestimmten einzelnen Aspekten einer Transaktion befaßt und dann wieder aus der Entfernung das Gesamtszenario analysiert.

„Außerdem ist die Situation für ihn sehr vorteilhaft, wenn der »böse Polizist« Joe Biden, der seine politische Karriere beendet, die »Detailarbeit« macht. Trump hat dadurch die Möglichkeit, als sein Gegenspieler das Bild des »guten Polizisten« zu verkörpern – oder zumindest eines Politikers, für den die ganze »Drecksarbeit«, d.h. der zunehmende Druck auf Russland bereits erledigt ist.

Solange der Inhalt des informellen Teils des Gesprächs zwischen Biden und Trump am 13. November nicht bekannt ist, ist eine solche Interpretation der Situation natürlich nicht beweisbar.
Sicher ist nur, dass die beiden US-Präsidenten im Rahmen der Gewährleistung einer »reibungslosen Machtübergabe« auch über die Ukraine-Krise diskutierten. Aber gerade das sollte meines Erachtens als Bestätigung der Richtigkeit meiner Theorie angesehen werden. Biden ist ein Mann des Systems, ein Mann der Tradition. Und eine der informellen amerikanischen politischen Traditionen lautet wie folgt: Der scheidende US-Präsident sollte unter keinen Umständen den gewählten US-Präsidenten untergraben oder bloßstellen – auch wenn dieser »Gewählte« im Wahlkampf sehr schmutzig und völlig »gegen die Regeln« gespielt hat.

Betrachten wir zum Beispiel die politische Intrige hinter den Kulissen des Wahlkampfs von 1968. Der scheidende US-Präsident Lyndon B. Johnson erkannte, dass es nicht möglich sein würde, den Krieg, den er in Vietnam begonnen hatte, mit einem militärischen Sieg zu beenden.
Johnson forderte das proamerikanische Regime in Saigon und das gegnerische Regime in Hanoi dazu auf, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Inwieweit dies getan wurde, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, oder inwiefern bloß Johnsons Parteifreund, dem damaligen Vizepräsidenten und Kandidaten für die neue amerikanische Führung, Hubert Humphrey, dabei geholfen werden sollte, die Wahl zu gewinnen, ist immer noch eine umstrittene Frage. Historiker betrachten jedenfalls diesen Schritt Johnsons als erwiesenes Faktum.

Um zu verhindern, dass die Demokraten als Friedensstifter auftreten, schickte der republikanische Präsidentschaftskandidat Richard Nixon seine geheime Abgesandte nach Saigon, die einflussreiche Gesellschaftsdame Anna Chennault.

Ihre Aufgabe bestand darin, die südvietnamesische Regierung davon zu überzeugen, Johnsons Vorschlag nicht zuzustimmen. Helfen Sie Nixon, die Wahl zu gewinnen – und er wird Ihnen im Gegenzug helfen! Die Behörden von Saigon stimmten natürlich gerne zu. Nixon gewann die Wahl.
Johnson wusste alles über die Intrige des republikanischen Kandidaten, hielt sie für einen Akt des Verrats und beklagte sich gegenüber seinen Vertrauten, dass Nixon »Blut an seinen Händen« habe. Doch um einen stabilen Machtwechsel zu gewährleisten, ballte der scheidende Präsident seine Gefühle zur Faust und hielt die Geschichte geheim. Dies nennt man den überparteilichen Charakter der amerikanischen Außenpolitik, der bereits 1968 vorhanden war und auch im Jahr 2024 nicht verschwunden ist.

Ein weiteres Argument für meine Theorie. Trump ist nicht der Typ Mensch, der schweigt, wenn er denkt, dass er bei irgend etwas etwas hereingelegt worden wäre. Wenn der gewählte Präsident der USA empört und wütend ist, führt dies schnell zu einem saftigen Post auf seinem Twitter-Account. Aber er hat dort nichts verlautbart. Es scheint, dass »Freund Donald« meint, dass sich alles genau nach Plan entwickelt.“

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 14.11.: Mit Napalm verbrennen …

DER ZUKÜNFTIGE US-VERTEIDIGUNGSMINISTER PETE HEGSETH PRÄSENTIERT SEINEN KILLERPLAN FÜR EINE REFORM DES PENTAGON
Der von Trump ernannte US-Verteidigungsminister Hegseth fordert die Aufhebung der Genfer Konvention (…)


„Der Major im Ruhestand Pete Hegseth moderiert seit 10 Jahren Fernsehsendungen und Nachrichten auf (…) Fox News Channel. Er hat keine Erfahrung in der Leitung großer Unternehmen (…) oder großer Militäreinheiten. Wie wird er den Pentagon-Koloss mit einem Budget von fast einer Billion Dollar steuern? Es ist eigentlich nicht schwer zu berechnen. (…)“

Der designierte Verteidigungsminister zieht eine ernüchternde Bilanz zum Zustand der Armee:

„Häferlschnitt“
(so nennt man es in Österreich, wenn jemand einem Kind einen Topf oder eine Schüssel auf den Kopf setzt und rundherum die Haare schneidet)

„Hegseth ist überzeugt: Die US-Armee befindet sich im völligen Niedergang.
»Eines Tages wird es einen echten Konflikt geben und amerikanische Männer werden ihre süßen Elite-Ärsche retten müssen.« Aber die Männer der USA sind dafür nicht bereit.
Der künftige Minister zitiert das renommierte Forschungsinstitut »Heritage Foundation«. In seinem Bericht von 2024 hat das Institut alle militärischen Zweige Amerikas unter die Lupe genommen. Und es kam zu dem Schluss: Das Risiko der »Unfähigkeit, die lebenswichtigen Interessen des Landes zu schützen« schwebt über der Armee. Es gibt nicht genügend Menschen, die bereit sind, ihrem Heimatland zu dienen.
Das Pentagon hat einige Soldaten hinausgeworfen, weil sie sich nicht gegen Covid impfen lassen wollten. Der Rest ist mit was auch immer beschäftigt.
Die Demokraten starteten eine Jagd nach »Extremisten und Rassisten«. Dadurch ist die Zahl der weißen Rekruten seit 2018 um 43% gesunken.“

Sie war aber auch vorher schon niedrig, weil die Soldaten gezielt unter den Ärmsten der Armen angeworben werden und darunter befinden sich eben auch viele Afroamerikaner, Latinos und andere Migranten. Viele der letzteren beiden Gruppen werden womöglich um der besseren Optik wegen oft als „Weiße“ gezählt.

„Darüber hinaus werden Männer von Frauen und Personen neutralen Geschlechts verdrängt.“

Wobei ja nicht gesagt ist, daß Frauen und Zwitter schlechtere Soldaten wären … 😊

„Die Laser-Haarentfernung zahlt ihnen der Staat.“

Unklar, warum das essentiell ist für den Wehrdienst, gleich welchen Geschlechts die Benutzer sind. 😆

„Das Verteidigungsministerium gab 39 Millionen US-Dollar für die Umbenennung von Stützpunkten aus, die nach sklavenhaltenden Militärs der Südstaaten benannt wurden. Soldaten durften Bärte tragen und sich bei der Frisur Freiheiten nehmen.“

Den einen Laser-Haar-Entfernung, den anderen Bart. Das ist eben das Reich der Freiheit.
Der Bart kostete wenigstens die Staatskasse nix. 😊

„Statt zu trainieren, hört sich das Militär Vorträge über Inklusivität, Toleranz und rosa Ponys an.“

Um zu verstehen, was die rosa Ponys mit diesen hohen Werten zu tun haben, muß man wissen, daß sie – dem weltweiten Trend entsprechend – inzwischen die Rolle der Barbie-Puppe eingenommen haben.
Die EU ist da wirklich hinten und versucht mit einer Live-Barbie an den Erfolg der Puppe anzuknüpfen, während der wirkliche ideologische Schlager wieder einmal in den USA zu Hause ist. 😆

„Die US-Luftwaffe, erinnert sich Hegseth, habe im vergangenen Jahr ihre Größen- und Gewichtsstandards gesenkt. Zuvor wurde dort jeder auf Fettleibigkeit gefiltert.“

Es ist nicht ganz klar, was hier „Filterung“ heißt: Wurden sie nicht aufgenommen oder in spezielle Einheiten für Dicke gesteckt? 🤔

„Jetzt werden die Übergewichtigen nicht gefiltert, sondern in das Programm »Körperverbesserung« aufgenommen – unter der Aufsicht von Ärzten verlieren sie über 12 Monate hinweg allmählich an Gewicht.

Aus diesen seelischen Aufschrei von Pete ist klar, was er zuerst mit der Armee machen wird. Die rosa Ponys werden durch den Wald gehen müssen und unter einen Topf geschoren werden. Wir müssen mit Protesten der zu Schaukämpfen vergatterten Seite rechnen.

Ein Ende der Generäle

Als nächstes stehen die Generäle an der Säuberungsliste. Hegseth hält sie für karriereorientierte und geldgierige Feiglinge: »Im Verteidigungsministerium gibt es 44 Vier-Sterne-Generäle für 1,2 Millionen Soldaten. Während des II. Weltkriegs gab es sieben solcher Generäle auf 21 Millionen Armeeangehörige.«“

Also back to the roots des letzten wirklichen Sieges.

„80% der Generäle im Ruhestand werden zu Lobbyisten des militärisch-industriellen Komplexes, das heißt, sie helfen, das Militärbudget für private Zwecke zuzuschneiden: »Vielleicht haben wir deshalb in Afghanistan Ausrüstung im Wert von Hunderten von Milliarden zurückgelassen? Vielleicht kaufen wir deshalb F-35-Jäger von Lockheed Martin, die innerhalb von drei Jahren neue Motoren brauchen? Oder verkaufen wir Artillerie an die Ukraine, obwohl wir wissen, daß unsere eigenen Reserven erschöpft sind?«“

Hegseth hat ja, wenn man sich das so ansieht, vielleicht nicht ganz unrecht.
Der militärisch-industrielle Komplex der USA scheint zu einer großen privaten Bereicherungsmaschine geworden zu sein.
Dort zittern vermutlich jetzt vielen pensionierten Militärs die morschen Knochen, falls alle Verträge mit Rüstungs-Konzernen unter die Lupe genommen werden – erstmals seit Jahrzehnten.

„Mit Entlassungen von Generälen wird Pete natürlich ein Problem haben. Während seiner ersten Amtszeit versuchte es Trump, was 6 (!) Verteidigungsminister verbrauchte. Die Generäle verspeisten sie auf einen Sitz.
Und außerdem, von wo sollen neue kommen? Aus dem »Körperverbesserungs«-Programm?
Am Ende werden die Generäle auch Hegseth »verspeisen«.“

Damit wird angedeutet, daß der militärische Komplex und der Pentagon in den USA stärker sind als Präsidenten und Minister, die kommen und gehen.

„Aber er wird eindeutig Zeit haben, die Überreste des Pentagons zu zerstören.“

Die KP hält es also für keine gute Idee, Generäle zu entlassen.
Warum eigentlich?
Auch in Rußland werden ja hin und wieder Generäle entlassen, und dort ist das Verhältnis von Generälen zum restlichen Heer weitaus ausgeglichener als in den USA.

Aber so eine Säuberungsaktion und einen Kahlschlag halten sie in den USA vermutlich für die falsche Methode, weil das ganze Lobby-System der US-Armee dadurch durcheinanderkommen könnte.

„Allerdings sind die Generäle nichts im Vergleich zu Petes Idee, die Regeln für Kriege zu ändern. Amerika hat zwar in dieser Hinsicht bereits alle Grenzen überschritten, aber Hegseth vergreift sich hier noch dazu sehr im Ton.“

Hier merkt man eine gewisse Unbehaglichkeit Rußlands, das ja eine regelbasierte multipolare Welt anstrebt, in der die UNO und verschiedene Konventionen ihren Platz haben.
Wenn der neue Verteidigungsminister die aus dem Fenster werfen will, wie soll sich dann Rußland positionieren? fragen sich offenbar viele.
Man merkt hier auch, warum zwar manche Regierungschefs, wie Milei oder Orbán, Trumps Wahlsieg sehr begrüßt haben, die russische Führung jedoch nicht. Sie hält den Mann – und auch seine Regierungsmannschaft – für sehr unberechenbar.

„Mir sind alle wurscht!

Im neuesten Buch »Krieg mit“ (lies: wirklichen) „Kriegern« schreibt der wackere Peter: Die Genfer Konventionen (sie regeln den Schutz von Zivilisten, Verwundeten und Gefangenen) sind hoffnungslos veraltet. Gehen Sie jetzt einmal hin und sagen Sie, wo sich die militärischen Ziele und wo die zivilen befinden. Hat Ihr Gegner die Hand gehoben? Wer weiß, ob er mit dem Fuß schießt?“

Aha, Hegseth hat sich anscheinend schon theoretisch mit der Frage einer Reform der US-Armee beschäftigt. Ganz so aus dem Nichts kommt seine Ernennung also nicht.
Und zweitens, daß die Unterscheidung von militärischen und zivilen Zielen nicht so einfach ist, kann man ja an dem Ukraine-Krieg betrachten. Die Vorstellung, man könnte Krieg nach Regeln betreiben, wird zwar immer aufrechterhalten, um der anderen Seite „Kriegsverbrechen“ vorwerfen zu können und die eigene Seite in ein besseres Licht zu rücken, praktisch hat diese „Regel“ jedoch keine Bedeutung.
Außerdem besteht Krieg immer darin, das gesamte Volk des Gegners zu schädigen, weshalb die Schädigung der zivilen Einrichtungen und Personen natürlich zur Kriegsführung dazugehört.
Der Titel mit dem Napalm weist auch darauf hin: Es wurde ja eingesetzt, Genfer Konvention hin oder her …
Um die russische Position zu verstehen, sei daran erinnert, daß es das zaristische Rußland war, das seinerzeit die Haager Landkriegsordnung veranlaßt hat – die damalige russische Führung wollte eben Krieg, und den wollte sie führbar machen.

„»Wenn Sie 2024 gewinnen wollen, wie können Sie dann universelle Regeln aufstellen? Besonders gegen Feinde, die wie Wilde kämpfen. Aber wir kämpfen mit halber Stärke, und der Feind weiß es«, argumentiert Hegseth. »Wenn unsere Soldaten gezwungen werden, sich an die Regeln zu halten, und von ihnen verlangt werden, mehr Leben zu opfern, damit es den internationalen Tribunalen besser geht, ist es dann nicht besser für uns, Kriege nach unseren eigenen Regeln zu gewinnen?! Wen kümmert es, was andere Länder denken?
Wenn Sie Amerikaner in den Krieg schicken, sollte ihr Ziel darin bestehen, das Schlachtfeld zu dominieren. Wenn Sie das stört, lassen Sie unsere Soldaten zu Hause.« Aus diesem Grund sollte das Verteidigungsministerium Kriegsministerium heißen. Und entsprechend handeln …“

Es ist fast schon erfrischend, wie Hegseth hier Klartext redet und damit ausspricht, was Krieg heißt: Möglichst viele Feinde töten und dadurch siegen.

„Als Hegseth einmal versuchte, schwarze »Black Lives Matter“-Aktivisten zur Ordnung zu rufen, wurde eine Flasche Urin nach ihm geworfen (ein Gruß aus aus Guantanamo Bay …). Sie trafen ihn, die Flasche platzte. (…)

Er nahm also eine Urindusche …

„Im Allgemeinen ist es unwahrscheinlich, daß dieser Krieger der amerikanischen Macht von großem Nutzen sein wird. Das ist gut.“

Wenn sich die KP hier nicht täuscht.
Eine Sache ist, ob es ihm gelingt, seine Reformen gegen ein anders aufgebautes Establishment durchzusetzen.
Aber wenn, so hört sich auf jeden Fall die pax americana auf und der darauf aufbauende Führungsanspruch der Weltmacht Nr. 1 auf. Nur mehr die militärische Stärke zählt in den kommenden Kriegen. Ohne das ganze moralische Getue der Guten und Bösen.

Rußland ist dafür gerüstet, China auch, aber die EU nicht.

Pressespiegel El País, 29.9.: Nachruf

„HASSAN NASRALLAH, DER GEISTLICHE, DER DIE HISBOLLAH AUF DIE POLITISCHE BÜHNE GEBRACHT HAT

Der Anführer der libanesischen Parteimiliz verhalf der Organisation zu einem wichtigen Machtanteil in den Institutionen und scheute sich nicht, mit Waffen zu drohen, um mögliche Entscheidungen, die ihren Interessen zuwiderlaufen, zu blockieren.

Der schwarze Turban, der für die Schiiten auf die Abstammung eines Geistlichen von Mohammend hinweist, schmückte das Haupt von Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der libanesischen schiitischen Milizpartei Hisbollah, der diesen Freitag von der israelischen Armee mit einem Bombardement auf einen Außenbezirk von Beirut ermordet wurde.“

Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Hauptströmungen des Islam, Sunniten und Schiiten, ist das Problem der religiösen Legitimation als Sprachrohr Allahs, die die Sunniten über Lehre und Inspiration ableiten, die Schiiten über die Abstammung.
Die Schiiten verfügen daher über einen (erblichen) Klerus, die Sunniten nicht.

„Unter seinen Anhängern galt er als Sayyid (= Nachfahre Mohammeds), der Ehrentitel, mit der viele Schiiten ihn bezeichneten.“

Es bleibt offen, ob er sich diese Abstammung nur zuschrieb oder ob da wirklich etwas dran war. Es klang jedenfalls gut.
Wahrscheinlich ist eher ersteres, weil sein Vater war kein Geistlicher. Er selbst hatte deshalb also eigentlich keine Berechtigung, die geistliche Laufbahn zu beschreiten.
Man sieht, hier wurde auch von den gestrengen Mullahs im Iran ein Auge zugedrückt, um diesen wichtigen Verbündeten mit der nötigen Aura auszustatten.

„Bei den Bestattungen der Märtyrer war sein Gesicht ebenso präsent wie die gelben Fahnen der Hisbollah. Der berühmte Spruch »Wir werden deinem Ruf folgen, O Hussein!« (der im schiitischen Islam verehrte Enkel Mohammeds) wurde zu „Wir werden deinem Ruf folgen, oh Nasrallah!“
Sein Gesicht war im Westen ein Synonym für Terrorismus und für die Libanesen ein Ausdruck der Schande, weil sie ihn beschuldigten, den Staat übernommen zu haben.“

Das war auch so, lag aber nicht nur an der Hisbollah, sondern auch an der Verfaßtheit des libanesischen Staates. Siehe dazu den Beitrag zum Libanon.

„Nasrallahs Person repräsentierte allerdings auch die Würde jener Sunniten in der arabischen Welt, die den Iran verabscheuen, aber der Miliz Beifall spenden, die Israel während des Bombardements von Gaza die Stirn bot.
Seine frühen Jahre verbrachte er an zwei vergessenen Orten. Der erste ist der »Elendsgürtel« im Osten Beiruts: das Elendsviertel Scharschabuk in der Nähe des Vororts Karantine, wo er vor 64 Jahren geboren wurde und »alle« arm waren, wie er sich im Mai erinnerte.“

Karantina grenzt unmittelbar östlich an den vor einigen Jahren explodierten Hafen von Beirut an und war das Viertel, wo in der Spätzeit des Osmanischen Reiches eine Quarantänestation für die ankommenden Schiffe eingerichtet wurde.
Auch heute sind dort alle ziemlich arm.
Das seinerzeitige Baracken- und Zeltviertel Scharschabuk ist heute anscheinend ein Depot für Altmetall und Schrottautos.

„Er war das älteste von neun Kindern, sein Vater betrieb einen Obstladen und dieses „jeder“ bezog sich auch auf sie. Arme und Schiiten, die marginalisierte Minderheit des Islam.
1975, als der Bürgerkrieg ausbrach, der 15 Jahre andauern sollte, kehrte die Familie des libanesischen Geistlichen in ihren Heimatort Bazouriye im Süden des Landes zurück. Es ist eine dieser Städte mit schiitischer Mehrheit nahe der Grenze zu Israel, die als Hochburg der Hisbollah gelten und aus der in den letzten Tagen Tausende von Menschen (auf Befehl oder aus Angst) an geflohen sind, – aus dieser Grenzregion, die regelmäßig zur Kriegsfront wird.“

Bazouriye liegt östlich von Tyros, zur israelischen Grenze sind es ca. 20 km.

„Das Elend, die Ausgrenzung der Schiiten und der palästinensischen Flüchtlinge, die in seinem Geburtsviertel leben – allesamt »unterdrückt«, ein zentrales Konzept in seiner Rede und in der Staatsideologie seines Hauptverbündeten Iran – prägten die Biografie Nasrallahs.
Der gläubige Teenager hielt schon sehr früh an seiner schiitischen Identität fest – und an einer anderen Idee, die schließlich einer der Gründe für die Existenz seiner Organisation wurde: dem Widerstand gegen die israelische Besetzung des Libanon.
Im Alter von 15 Jahren schloss er sich der libanesischen Widerstandsbewegung (Amal) an, die vom iranischen Geistlichen Musa as-Sadr gegründet wurde und deren Anhänger sich selbst »die Enteigneten« nennen. Als Al Sadr 1978 verschwand,“

– er kehrte von einen Libyen-Reise nicht zurück. Bis heute wird Gaddafi für seine Ermordung verantwortlich gemacht –

„strebte er nach einer Modernisierung des Schiitentums und war eine Schlüsselfigur in dessen Entwicklung hin zu einer politischen Partei.“

Das Verschwinden as-Sadrs ereignete sich, man rufe es sich in Erinnerung, im Jahr vor der iranischen Revolution, mit der die Schia sich erstmals als Staatsmacht etablierte. Seither sieht sich der Iran als Schutzmacht aller unterdrückten Schiiten der Welt, so wie Israel als Schutzmacht der verfolgten Juden.
Aber im Jahr 1978 waren die Schiiten tatsächlich überall Underdogs der islamischen Welt.

„1976 reiste Nasrallah zu einem der spirituellen Zentren des Schiismus: dem Seminar in Nadschaf im Irak. Ihr Direktor war Mohammed Baqir as-Sadr, ein enger Vertrauter des späteren iranischen Führers Ayatollah Khomeini, den der Student damals kennenlernte.
Zwei Jahre später wurde er vom Regime Saddam Husseins aus dem Irak vertrieben,“

– nicht nur Nasrallah, sondern die ganze schiitische Partie von Khomeini bis zu anderen Exilanten, wurde 1978 aus dem Irak ausgewiesen.
Erstens, weil sie gegen den säkulären Gedanken der Baath-Partei wetterten und damit das auf der sunnitischen Minderheit beruhende System Saddam Husseins gefährdeten, und zweitens, weil der Irak damals eine Annäherung an den Schah suchte, um die ewigen Grenzstreitigkeiten mit dem Iran auf friedlichem Wege zu lösen und deshalb die Anti-Schah-Opposition nicht mehr brauchen konnte –

„aber zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits die Aufmerksamkeit seines späteren Mentors und Vorgängers als Anführer der Hisbollah, Abbas Al-Musawi, auf sich gezogen, der 1992 von Israel ermordet wurde.

Diese Begegnungen prägten sein Denken. Ein Ereignis war entscheidend für seine Hingabe an Ayatollah Khomeini: die Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahr 1979.
Das Regime, dessen erster oberster Führer Khomeini war, begründete die Doktrin des Welāyat-e Faqih, der Theokratie, die dem islamischen Recht verpflichtet ist und den Klerus an die Spitze der politischen und staatlichen Macht stellen.
Zwischen dem in Nadschaf gelehrten schiitischen Quietismus, der die Trennung von Politik und Religion verteidigte, und dem Welāyat-e Faqih von Khomeini und dem iranischen Seminar von Ghom – wo Nasrallah in den 1980er Jahren auch studierte – entschied sich der Libanese für Letzteres.“

Das ist nachvollziehbar, denn der Stillhalte-Modus der irakisch-schiitischen Kleriker von Nadschaf – der ihnen im Irak der Baath-Partei-Regierungen überhaupt die Aufrechterhaltung ihres Lehrbetriebs in Nadschaf ermöglicht hatte – hätte eben weiter den Status der Schiiten als Underdogs des Libanon festgeschrieben.

„1982 verließ er Amal und schloss sich der Hisbollah, der Partei Gottes, an, einer Miliz, die mit iranischer Unterstützung und Ausbildung gegründet worden war.
Zehn Jahre später, als Nasrallah zum Generalsekretär ernannt wurde, registrierte sich die Organisation als politische Partei, eine Entscheidung, die ihrem neuen, damals 32-jährigen Führer zugeschrieben wurde.
Bei den Kommunalwahlen 1992 kandidierte diese Partei in zwölf Bezirken und gewann alle. Seit 2005 ist die Hisbollah an den Regierungen des Landes beteiligt und hat 2006 ein Minderheits-Veto als Preis für die Koalition mit der Regierung der Nationalen Einheit eingeführt, die nach dem Krieg mit Israel in diesem Sommer gebildet wurde. Zum ersten Mal erhielt die Hisbollah zwei Ministerämter.

Israel

Nasrallahs Führung in der Hisbollah war schon lange vorher etabliert.

Der Rückzug Israels aus dem Südlibanon im Jahr 2000, der teilweise auf die militärischen Aktionen der Organisation zurückgeführt wurde, und der Rückzug nach dem kurzen Krieg von 2006 umgaben den Anführer der Parteimiliz mit der Aura eines Befreiers.
Viele seiner Glaubensbrüder sahen in ihm »den einzigen Muslim, der Israel auf dem Schlachtfeld besiegt hat«, wie ihn die arabische Website Al Bawaba vor Jahren beschrieb.

Sein Porträt ziert Häuser und Geschäfte in den schiitischen Vierteln von Beirut, der Bekaa-Ebene und im Süden des Landes, wo ihn viele als Helden verehren.
Sein erstgeborener Sohn Hadi wurde 1997 im Alter von 18 Jahren von Israel ermordet und israelische Medien gehen davon aus, daß seine Tochter am Freitag bei dem Bombenanschlag ums Leben kam. Die USA und Israel betrachteten ihn aufgrund der von der Hisbollah begangenen Selbstmordattentate und Entführungen als Anführer einer Terroristengruppe.“

Lies: Der israelische Terrorismus ist gerechtfertigt und daher keiner, sondern legitime Selbstverteidigung.

„Der Geistliche lebte jahrelang im Verborgenen und wandte sich von einem unbekannten Ort aus, meist live, an seine Anhänger.
Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Hamas-Angriff und als israelische Flugzeuge als Vergeltung die ersten Bomben auf Gaza abwarfen, setzte er einen Schritt, der ihn laut Israel am Ende das Leben kostete: Die Hisbollah feuerte Raketen auf die Schebaa-Farmen ab, ein Gebiet, das sie beansprucht und über dessen Status die USA in derselben Resolution verhandeln, mit der der Krieg von 2006 endete.“

Mit „Schebaa-Farmen“ wird ein unbewohntes Gebiet im Grenzgebiet zwischen Syrien, dem Libanon und Israel bezeichnet, das seit 1967 von Israel besetzt wird, das dort Militärstützpunkte errichtet hat.
Die Frage der Schebaa-Farmen ist deshalb heikel, weil sie nicht nur Israels Besetzung libanesischer Gebiete berührt, sondern auch die israelische Besetzung – und Beanspruchung! – der Golan-Höhen.

„Das Kreuzfeuer (fünfmal heftiger von Israel als von der Hisbollah) verursachte Hunderte von Toten, bis die Regierung von Benjamin Netanjahu mit einem massiven Bombenangriff (550 Tote, der tödlichste Tag in der Geschichte des Libanon und so viele wie in den letzten 11 Monaten davor) antwortete. Seither nutzt Israel seine strategische Überlegenheit, um Hisbollah-Führer bis hin zum obersten zu ermorden.

Als charismatischer und guter Redner war Nasralá vor allem ein Pragmatiker, ein Spezialist darin, gegensätzliche Positionen zu beziehen und die Interessen der Hisbollah über ihre Ideale zu stellen.
Im Libanon zögerte er nicht, die … Macht zu nutzen, die ihm Waffen und sein Status als Staat im Staat verleihen, um zu verhindern, daß Institutionen Entscheidungen trafen, die der Hisbollah geschadet hätten.
Sei es, indem sie wie 2008 ihre Milizionäre auf die Straße bringen; oder durch Blockierung der Untersuchung der Hafenexplosion in Beirut, da der Richter politisch motiviert war; oder indem der nächste Präsident per Veto zum Fall gebracht wurde.

Seine Rede zur Verteidigung der Unterdrückten hinderte ihn beispielsweise nicht daran, seinen syrischen Verbündeten Baschar al-Assad offen und militärisch zu unterstützen, (…)“

Zuvor hatte die Hisbollah die Aufstände des Arabischen Frühlings gegen Diktatoren in anderen Ländern der Region gelobt. Bis sie ihren Verbündeten Assad berührten, den Führer, der Wochen zuvor damit prahlte, daß diese Aufstände Syrien niemals erreichen würden.
Die palästinensische HAMAS-Bewegung war tatsächlich mit der Vertreibung ihrer Führung aus Damaskus konfrontiert, gerade weil sich die HAMAS nicht dem Schulterschluss mit Assad anschloß.“

Anfang 2012 verließ Chalid Maschal im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges, in dem sich die Hamas gegen Präsident Baschar al-Assad stellte, sein Exil in Damaskus und übersiedelte nach Katar. (Wikipedia, Chalid Maschal)
Ismail Haniyya hingegen hielt sich damals in der Türkei auf.

Eine interessante Rückerinnerung der Autoren des Artikels über die damalige Spaltung in der Anti-Israel-Koalition. Immerhin ist die HAMAS eine sunnitische, die Hisbollah eine schiitische Organisation und beide begreifen sich als religiöse Organisationen, halten also damit an dieser Unterscheidung fest.

„Diese Widersprüchlichkeit Nasrallahs trübte sein Image.
11 Monate Raketenbeschuss gegen Israel und die Weigerung, seine Offensive zu stoppen, während weiterhin Bomben auf Gaza fallen – obwohl seine Kommandeure einer nach dem anderen fielen und der Mossad es mit der tödlichen Ferndetonation von Tausenden von Pagern und Funkgeräten demütigte und schwächte – stellten es wieder her.

Für den Westen ist ein Terrorist gestorben, der zu lange mit dem Schicksal gespielt hatte. Für viele im Nahen Osten hat Nasrallah den Preis dafür bezahlt, daß sie sich für die Palästinenser eingesetzt haben, während es sonst fast niemand tat.“