Pressespiegel EL País, 16.4.: Jordanien, der treue Diener der USA

„JORDANIEN – DAS EINZIGE ARABISCHE LAND, DAS DEN IRANISCHEN ANGRIFF BEKÄMPFTE, TROTZ SEINES ÄRGERS ÜBER ISRAEL

Seine Abhängigkeit von den USA und sein Misstrauen gegenüber Teheran überwogen die Proteste gegen das Abkommen mit dem jüdischen Staat über die Invasion des Gazastreifens.“

Der Ärger und die Proteste spielen sich in der Bevölkerung Jordaniens ab, nicht in der Führung, die mit den USA gut Freund ist.

„In den frühen Morgenstunden des Sonntags tauchten in den sozialen Medien am Stadtrand von Amman Videos des Metallgerüsts von einer der mehr als 100 Raketen auf, die der Iran gegen Israel abgefeuert hatte.
Diese Rakete war von der jordanischen Armee abgeschossen worden, die als einzige in der arabischen Welt an der Abwehr des iranischen Angriffs beteiligt war, – obwohl sich ihre Beziehungen zum benachbarten Israel aufgrund des Gaza-Krieges auf einem ihrer tiefsten Punkte seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags vor 3 Jahrzehnten befinden.
Eine Nachricht, die 6.000 Retweets und 19.000 Likes gesammelt hat, zeigte das Video mit einem sarkastischen Kommentar auf Arabisch, der die Gefühle eines Teils der Bevölkerung auf den Punkt brachte: »Der jordanische König feuert iranische Raketen gegen seine Bürger ab, um Israel zu schützen.«

Die Beteiligung des Haschemitischen Königreichs an der Eindämmung des iranischen Angriffs hat für viel Gesprächsstoff gesorgt. Er zeigte, daß die jordanische Regierung – in einem entscheidenden Moment – seinem unverbrüchlichen Bündnis mit den USA und seiner geringen Wertschätzung für den Iran gegenüber der Kritik am Krieg in Gaza (die schärfste in demjenigen Teil der arabischen Welt, die den jüdischen Staat anerkennt) den Vorzug gab.“

Auch im Original ist das sehr kompliziert ausgedrückt.
Soll heißen: Obwohl es in Jordanien genug Abneigung gegen Israel gibt, ist das Bündnis mit den USA so wichtig, daß Amman in den sauren Apfel beißen und Israel verteidigen mußte.

„Ebenso stellte sie das Misstrauen gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hintan, das seit den 1990er Jahren besteht; und auch die Unbeliebtheit des Friedensabkommens in vielen Bereichen der jordanischen Gesellschaft.
Millionen seiner Bürger sind tatsächlich palästinensische Flüchtlinge und Hunderte Menschen demonstrieren seit Wochen täglich vor der israelischen Botschaft in Amman.“

Nicht nur 60% der Bewohner, auch die Frau des jordanischen Königs, Rania, ist palästinensischer Abstammung. Ihre Eltern emigrierten aus Tulkarem nach Kuweit.

„Die der Macht am nächsten stehenden Medien führen die Proteste auf das Interesse »ausländischer Agenten« zurück, ein Land zu destabilisieren, das an Israel, das Westjordanland, Syrien, den Irak und Saudi-Arabien grenzt, und projizieren gerne das Bild einer Oase des Friedens in einer turbulenten Region.
Eines der von Jordaniern meistbenutzten Wörter ist Istiqrar (Stabilität). Amman schoss in einer gemeinsamen Operation mit dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den USA Dutzende Drohnen in Richtung Israel ab, die sein Territorium überflogen, und erlaubte diesen Staaten die Nutzung seines Luftraums.
Zwei weitere arabische Länder – die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien – übermittelten die Informationen über den Angriff, die Teheran selbst an sie weitergegeben hatte, an Washington, wie das Wall Street Journal am Montag enthüllte.
Es sind die »anderen« Länder, die der israelische Militärsprecher Daniel Hagari erwähnte, als er ihnen für ihre Hilfe dankte, ohne sie in Schwierigkeiten zu bringen.“

Alles sehr eigenartig.
Der Iran übermittelt an die VAE und Saudi-Arabien seine Absichten bzw. seine Strategie – damit die die dann weitergeben? Oder warum?

Iran, die große schiitische Macht, erweckt bei der sunnitischen Bevölkerung am Golf wenig Sympathie, aber Israel zu helfen, während die palästinensischen »Brüder« seit sechs Monaten in Gaza sterben und verhungern, bringt den Regierungen dieser sunnitischen Staaten wenig Pluspunkte.

Genau für seine aktive Teilnahme und deren öffentliche Bekanntmachung wurde Amman von Israel und den USA ebenso gelobt, wie es vom Iran und seinen Verbündeten kritisiert wurde.
Die der iranischen Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenagentur Fars zitierte eine »gut informierte Quelle« und wies darauf hin, daß Teheran gedroht habe, Jordanien als nächstes ins »Visier zu nehmen«, wenn es mit Israel »zusammenarbeite«. (…)
Für Hasni Abidi, Direktor des in Genf ansässigen »Zentrums für Studien und Forschung zur arabischen Welt und zum Mittelmeer«, hatte Jordanien »keine andere Wahl«, als die Projektile abzuschießen. »Seine Luftverteidigung ist mit den USA verbunden, von denen es erhebliche militärische und finanzielle Hilfe erhält, und es hat ein Friedensabkommen mit Israel mit Sicherheitsverpflichtungen«, fügt er in einer E-Mail-Nachricht hinzu.
Hinzu kämen seine »schlechten Beziehungen zum Iran« und seine »Angst vor einer Destabilisierung« des Landes, betont Abidi.“

Versicherungen wie die letztere und der gebetsmühlenartig wiederholte Hinweis, daß das Verhältnis mit dem Iran schlecht ist, wirken wir fertige Textbausteine.
Das Verhältnis mit dem Iran ist eben deshalb schlecht, weil Jordanien sich mit Haut und Haar den USA verkauft hat – und sich dadurch im Großen und Ganzen ein eigenes Militär und eine eigene Luftabwehr erspart. Das jordanische Militär ist eher protokollarisch und wird für Katastrophenhilfe und Polizeiaufgaben eingesetzt.

„Vor kurzem, am 3. April, meinte Abu Ali al Askari, ein Oberbefehlshaber der Kataeb Hisbollah, der mächtigen pro-iranischen Miliz im Irak: Sie könnten ihre Verbündeten in Jordanien mit »leichten und mittleren Waffen, taktischen Raketen, Panzerabwehrprojektilen und Tonnen Sprengstoff für 12.000 Kämpfer« zur Verteidigung der „palästinensischen Brüder“ versorgen.

Schwarzer September

Nur wenige Ideen erzeugen mehr Gänsehaut in einem Land, das in Teilen der arabischen Welt seit jeher als eine Art Verräter gilt.
Und zwar für seine Zusammenarbeit – sowohl offiziell als auch heimlich – mit dem jüdischen Staat und für den Schwarzen September 1970, in dem die jordanische Armee Tausende von Milizionären der Palästinensischen Befreiungsorganisation tötete, weil sie einen Aufstand vorbereiteten und versuchten, eine Art Parallelstaat zu errichten.
Tuqa Nusairat, Expertin für US-Politik im Nahen Osten und in Nordafrika beim US-Think Tank Atlantic Council, erinnert telefonisch daran, daß Jordanien – ein Land, das 1921 von den Briten als Transjordanien in einer strategischen Position mit wenig Wasser und viel Wüste gegründet wurde – ohne den Schirm Washingtons »sehr verletzlich« sei.“

Zu dieser Gründungsgeschichte gehört auch, daß dieser unattraktive Flecken Erde herhalten mußte, um die während des I. Weltkriegs mit den Briten verbündeten Haschemiten mit irgendeinem Amtl auszustatten. Der mittlere Sohn des letzten Scherifen von Mekka, Abdallah, wurde mit dem schnell geschaffenen Jordanien abgespeist, sein Bruder Faisal im ebenso geschwind zusammengekleisterten Irak als König implantiert.

„»Es ist kein sehr reiches Land, und es unterhält diplomatische und sicherheitspolitische Beziehungen zu den USA, die es aufrechterhalten möchte.« Die Entscheidung vom Samstag sei Teil dieser »Gegenleistung«, sagt sie. Jordanien erhält Geld, Sicherheitsgarantien und Ausbildung für seine Truppen als Gegenleistung dafür, »die Lage ruhig zu halten und die Interessen der USA in der Region zu schützen«.“

Jordanien hat also eine etwas andere Karriere hinter sich als Israel: Um als Staat überhaupt aufrecht zu bleiben, muß es sich an die USA anlehnen. Sein Bündnis mit den USA beruht also nicht darauf, wie Israel die vorherrschende Macht und der Brückenkopf der USA in der muslimischen Welt zu sein, sondern Jordanien ist eher eine Art Türsteher und Flüchtlings-Abstellplatz als Gegenleistung für Anerkennung und Aufrechterhaltung als Staat durch die USA.
Jordanien wird daher offensichtlich in der arabischen Welt verachtet, als US-Vasall.

„Nusairat weist auf zwei Elemente hin. Jordanien wollte sich »nicht vorwerfen lassen, einen Angriff auf ein anderes Land in irgendeiner Weise zu unterstützen oder wegzuschauen« … und befindet sich in einer sehr heiklen Lage, mit Spannungen an allen seinen Grenzen«.“

Man sollte sich vielleicht auch das problematische Verhältnis zum Irak vor Augen halten, das bereits unter Saddam Hussein bestand (die Baath-Partei betrachtete bereits Jordanien als un-arabischen Verräterstaat) und sich nach dem US-Einmarsch verschärfte. Im Sommer 2003 wurde die jordanische Botschaft in Bagdad gesprengt, 2005 verübten irakische Islamisten eine Reihe von Anschlägen im Amman.

„Tatsächlich hat Washington letztes Jahr beeilt, Patriot-Raketen an Jordaniens Grenzen zu stationieren, als Amman befürchtete, daß sich die Spannungen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg letztendlich auch auf das Land auswirken würden.“

Ah, hier sind diese teuren und raren Patriot-Systeme also stationiert, weswegen die Ukraine leer ausgeht.

„Im Januar tötete eine pro-iranische Miliz drei amerikanische Soldaten in Jordanien nahe der syrischen Grenze.
Im Bewusstsein dieser Gleichgewichte und der Tatsache, daß viele Jordanier jeden Tag Bilder von Gaza sehen, begründete der Außenminister die Entscheidung zum Abschuß der iranischen Flugkörper mit der »realen Gefahr, daß iranische Drohnen oder Raketen im eigenen Land einschlagen könnten« – derselbe Ayman Safadi, der seit Monaten gegen Israel wettert. »Die Streitkräfte sind mit dieser Bedrohung umgegangen«, genau wie sie mit einem Angriff »von Israel umgegangen wären«, verteidigte er den Einsatz.

Die Behörden versuchen, ein heikles Gleichgewicht zu finden, von der Befürchtung getrieben, daß die am stärksten islamistischen oder israelkritischen Kreise Jordaniens die Monarchie und die Macht der Familienclans beduinischer Herkunft offen in Frage stellen könnten.
Einerseits hat das Parlament dafür gestimmt, die Abkommen mit Israel zu »überarbeiten«, und die Exekutive hat ein laufendes Abkommen über Wasser- und Solarenergie gestoppt. Andererseits hat er Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas unterdrückt und die Entfernung des Schildes mit dem von ihm gewählten Namen von einem Restaurant in Amman angeordnet: »7. Oktober«. Es ist das Datum des Hamas-Angriffs, bei dem fast 1.200 Israelis getötet wurden, der die Invasion in Gaza auslöste und den viele in der arabischen Welt als verdiente blutige Rache an Israel für seine Behandlung der Palästinenser betrachten.

Auf jeden Fall ist es schwer, die historische Symbolik zu ignorieren, wenn man sieht, wie ein Angriff auf Israel von demselben Land unterbunden wird, das zwischen 1948 und 1973 vier Kriege mit ihm geführt hat.
»Besonders bemerkenswert ist das für eine Generation von Israelis, die sich daran erinnern, wie sie selbst einst vor den Angriffen Jordaniens Zuflucht gesucht haben«, erinnerte sich Mairav Sonszein, leitender Israel-Analyst der Denkfabrik International Crisis Group, am Sonntag.

Die Schlussfolgerung für ein Israel, in dem der militaristische und isolationistische Diskurs zunehmend triumphiert, ist, daß »diplomatische Vereinbarungen für die Stabilität von entscheidender Bedeutung sind«.
Eine religiöse Stiftung unter der Schirmherrschaft der jordanischen Monarchie verwaltet die Esplanade der Moscheen in Jerusalem, aber die ultranationalistischen Sektoren haben immer mehr Gewicht in der israelischen Regierung und fordern bei immer häufigeren Besuchen, das Abkommen zu annullieren und sogar den Komplex abreißen lassen wollen, um einen dritten Tempel zu bauen.

Noa Landau, stellvertretende Herausgeberin der israelischen Zeitung Haaretz, schrieb an diesem Montag, daß »Netanyahu und seine Anhänger sich am Sonntag bei Biden, aber auch bei Jordanien hätten entschuldigen sollen.« Nach dem iranischen Angriff veröffentlichten einige Gegner des Premierministers eines der ikonischsten Fotos in der modernen Geschichte des Nahen Ostens, auf dem König Hussein lächelnd eine Zigarette für Isaac Rabin anzündet, nachdem er 1994 das Friedensabkommen unterzeichnet hatte.

Die Beziehung hatte seither einige Höhen und Tiefen. In 30 Jahren hat Jordanien sechs Mal seinen Botschafter in Tel Aviv abberufen. Der bekannteste Grund dafür ist ein großes Fiasko beim Mossad, Israels ausländischem Spionagedienst. Eine weitere Verstimmung folgte im Jahr 2017, als ein israelischer Sicherheitsbeamter zwei Jordanier auf dem Botschaftsgelände tötete und von Netanjahu wie ein Held empfangen wurde.

Die letzte Abberufung eines Botschafters ist auf den Krieg in Gaza zurückzuführen, der Königin Rania dazu veranlasste, zwei Interviews zu geben, ohne sich dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Amman gleicht die Unruhen unter seiner Bevölkerung aus, indem es zwar die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhält, aber gleichzeitig mit öffentlich bekannt gemachten Abwürfen humanitärer Hilfe über Gaza – bei denen König Abdullah selbst porträtiert wurde – und Lastwagen mit Lebensmittel-Lieferungen für sich Stimmung macht.“

Pressespiegel Izvestija, 8.4.: Von der Geopolitik auf die Probe gestellt

„DIE FINANZMÄRKTE WERDEN DURCH DIE GLOBALEN EREIGNISSE ERSCHÜTTERT

Die Gold- und Ölpreise steigen, während die amerikanischen Aktien fallen.

Die globalen Finanzmärkte wurden diese Woche hart getroffen.
Der Ölpreis stieg auf 91 Dollar pro Barrel (Maximum seit 6 Monaten), Gold auf 2.300 Dollar pro Unze (historisches Maximum), die Börsennotierungen auf der ganzen Welt fielen stark, die Renditen amerikanischer Staatsanleihen stiegen und der sogenannte »Angstindex« stieg, der die Volatilität von Aktien und anderen Vermögenswerten auf dem Markt anzeigt.
All das kommt sehr selten gleichzeitig vor. Während jeder dieser Anstiege und Abstürze seine eigenen Gründe hat, ist ihnen gemeinsam, daß sie vor dem Hintergrund erneuter geopolitischer Spannungen stattfinden. Damit ignorierten die Märkte zum ersten Mal seit langem die schwierige internationale Lage nicht mehr. …

Öl: Kampfeinsätze in der Förderregion

Die Ölpreise stiegen zwei Wochen in Folge. Am Freitag, dem 5. April, stieg der Nordsee-Rohölpreis der Sorte Brent auf 91 USD pro Barrel.
Seit dem 27. März stiegen die Preise um 5 US-Dollar. Beachten Sie, daß die Preise nicht einmal durch die Weigerung der amerikanischen Regierung, ihre strategischen Reserven wieder aufzufüllen, beeinflußt wurden. Aus denen wurden in den vergangenen Jahren etwa 40% ihres Volumens entnommen, wodurch sie auf den niedrigsten Stand seit 1983 sanken. Das geschah in der Erwartung, daß der Leitzins in Amerika noch längere Zeit auf dem bisherigen Niveau bleiben würde, was sich normalerweise negativ auf die Rohstoffe auswirken würde. Aber Öl überwindet selbst solche hemmenden Wirkungen.“

Es wird also angenommen, daß bei hohen Leitzinsen die Rohstoffpreise sinken, weil die Spekulation sich auf die sicheren Einkünfte der Anleihen schmeißt.
Vergessen wird dabei, daß die Nachfrage nach Energie nicht nur aus spekulativen Gründen erfolgt.

„Einer der Faktoren, die sich positiv auf die Preise auswirken, ist eine stabile Nachfrage. In den USA beispielsweise sinken die industriellen Reserven sowohl an Rohöl als auch an Erdölprodukten stetig.“

Die „stabile“ Nachfrage schuldet sich also einer geringen Speichermenge, sodaß die Käufe zunächst aus Absicherungsgründen geschehen, und nicht aus Produktionsbedürfnissen.

„Aber die Konjunktur, vor allem die politische, spielt eine viel größere Rolle. Der Einsatz gegen die Ansarollah (Huthis) hatte zur Überraschung vieler Analysten praktisch keine Auswirkungen auf den Ölmarkt, obwohl sich der Handel im Roten Meer spürbar verschlechterte.“

Dieser letzte Satz gibt viele Rätsel auf.
Was hatte keine Auswirkungen auf den Ölmarkt? Die Kampfhandlungen der Ansarollah, die Bedrohung der Schiffahrt im Roten Meer –  oder der Einsatz gegen sie?
Wenn ersteres, so würde das heißen, daß die Verteuerung der Lieferwege für die meisten Waren keine Auswirkungen auf die Ölpreise hatte – was verwunderlich wäre. Weil immerhin ging 1. viel Öl durch den Suezkanal, und 2. wird für die Umfahrung Afrikas mehr Öl verbraucht.
Also bleibt eher 2. – und das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß die westlichen Mächte es nicht schaffen, einen der wichtigsten Seefahrtswege der Welt zu sichern, ist also ein Ausweis ihrer schwindenden Macht.

„Aber die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Iran und Israel, die nach dem Angriff der israelischen Armee auf die iranische Botschaft in Damaskus eintraten, beeindruckten die Märkte viel mehr. Händler rechnen mit einer Ausweitung der Kämpfe in der wichtigsten Ölregion der Erde. Damit zusammenhängende Entwicklungen wie das Ende der diplomatischen Koordinierung zwischen den VAE und Israel gossen ebenfalls Öl ins Feuer.“

Die VAE kündigten ein Ende der Kooperation mit Israel nach dem Tod von den Mitgliedern der Hilfsorganisation an, was nicht wirklich den Weg in die hiesigen Medien geschafft hat.
Das könnte Folgen für die Ölversorgung Israels haben.

„Auch die Reaktion der Ölhändler auf ukrainische Drohnenangriffe auf russische Raffinerien wurde als einer der Gründe für einen möglichen Preisanstieg genannt, diese Schäden werden sich jedoch in keiner Weise auf die russischen Exporte auswirken.“

Damit ist gemeint, daß für Rußlands Budget der Export von Rohöl genauso einträglich ist wie der von raffinierten Produkten, da die Steuern auf die Rohölförderung erhoben werden. Die Gewinne aus der Raffinierung streifen die Ölunternehmen ein.
Wenn die jetzt weniger raffinieren können, werden sie gezwungenermaßen mehr Rohöl exportieren müssen, weil die Pumpe läuft ja weiter.
Das hat vielleicht Preisanstiege bei Diesel und Benzin zur Folge, bei Rohöl aber eher umgekehrt.

„Wichtiger ist, daß Rußland selbst im Einklang mit der OPEC+-Politik die Produktionsmengen reduziert – hier handelt es sich um einen »geplanten« Prozeß.“

Damit will der Autor sagen: Da fährt die Eisenbahn drüber, das ist politisch beschlossene Sache, unabhängig von Konjunkturen.

„Gold: die Investition der letzten Hoffnung

Das Edelmetall verzeichnet seit Jahresbeginn ein sehr solides Wachstum. Aber diese Woche beschleunigte sich der Preis noch einmal und erreichte während der Sitzung am 5. April 2.329 $ pro Feinunze. Das sind 5 % mehr als vor einer Woche.
Seit Ende letzten Jahres ist der Goldpreis um fast 15 % gestiegen. Dieser Anstieg war zum Teil auf die gestiegene Nachfrage der Zentralbanken zurückzuführen, die allein in den ersten beiden Monaten 64 Tonnen vom Markt kauften.“

Man würde gerne wissen, um welche Zentralbanken es hierbei gehandelt hat …

„Gleichzeitig läßt sich der rasante Preisanstieg der letzten Woche nur schwer mit etwas anderem als der Besorgnis der Anleger über die Lage in der Welt erklären.
Gold war schon immer ein Versicherungswert, und sein aktueller Kauf könnte ein weiteres Beispiel für die Verwendung des Edelmetalls als »Investition der letzten Hoffnung« sein.“

Vermutlich soll damit ausgedrückt werden, daß sich der „Investor“ hier nicht mehr Gewinne, sondern nur mehr das Geringhalten von Verlusten erwartet, weil er den restlichen Anlagemöglichkeiten überhaupt nicht mehr traut.

„Es ist auch erwähnenswert, daß der Anstieg des Goldpreises angesichts der Inflation und des Kaufkraftrückgangs des Dollars in den letzten drei Jahren gar nicht verwunderlich ist und eher wie eine Schadens-Minimierung aussieht.

Die Börse ist vorübergehend zu verlassen

Die Anleger begannen, vor allem über den Aktienmarkt, von Anlagen in Wertpapiere aller Art auf Gold umzusteigen. So fiel der amerikanische S&P 500 am 4. April um mehr als 1,2% – der stärkste Rückgang seit zwei Monaten.
Alle Faktoren kamen zusammen: Erstens warnte Neel Kashkari, Vorsitzender der Federal Bank of Minneapolis (eine der Banken, aus denen die Fed besteht), daß der Leitzins die nächsten 6 Monate nicht gesenkt werden würde.“

D.h., jemand aus dem Inneren der Fed widerspricht den ganzen Kaffeesudlesern aus der Wirtschaftswelt, die ein baldiges Sinken der Leitzinsen prophezeien.

„Darüber hinaus entschieden die Anleger, daß der Markt bereits »überkauft« sei (die Rallye der letzten Monate war ziemlich schwerwiegend).“

Bei all dem handelt es sich offenbar vor allem um die New Yorker Börse.
Mit einem Wort, die ganzen Spekulanten meinen, bald geht es bergab, weil die Preise von Wertpapieren überhöht seien.
Sie bewerten also ihre eigene Tätigkeit der letzten Monate als eine Art Schwindel …

„Aktienverkäufe wurden auch durch die allgemeine Nervosität in der Welt beeinflußt. Ähnliche Verkäufe fanden in anderen Märkten auf der ganzen Welt statt.
Das Ungewöhnliche an dieser Situation war, daß auch die Renditen von US-Anleihen stiegen. Typischerweise sinken die Renditen, wenn die Aktienindizes fallen, und umgekehrt.“

Die Renditen steigen, wenn der Wert der Anleihen auf den Anleihenmärkten sinkt. Da sie fix verzinslich sind, wird somit eine 3%-ige Anleihe zu 100 $ auf einmal nur zu 80$ gehandelt. Wenn jemand diese Anleihe um 80$ kauft, aber 4% von 100$, also 4$ pro Jahr erhält, so verzinst sich für ihn dieses Wertpapier für ihn um 5%.
D.h., das Steigen der Renditen ist ein Zeichen des Mißtrauens in den Anleihenmarkt.
Der behauptete Zusammenhang zwischen sinkenden Aktienkursen und steigenden Rendite erschließt sich nicht ganz. Die Idee scheint zu sein, daß Anleger aus Aktien hinaus und in Anleihen hineingehen, was die Anleihenkurse steigen und in Folge dessen die Renditen sinken läßt.
Wenn das nicht geschieht, so heißt das eben, daß die Aktienflüchtigen in andere Vermögenswerte investieren, nicht in Anleihen.

„Nun weigern sich Anleger, in amerikanische Staatsanleihen zu investieren, was die Nachfrage entsprechend verringert hat. Am 5. April rentierten 10-jährige US-Wertpapiere bei 4,39 %, verglichen mit 4,2 % eine Woche zuvor und 3,9 % Anfang Februar. Das ist zwar weit entfernt von den jahrzehntelangen Rekordwerten vom Oktober 2023 (fast 5 %), dennoch beunruhigt ein solcher Ausbruch die Anleger.

Reaktion in der Welt und Deglobalisierung in der Russischen Föderation

In den vergangenen Monaten und Jahren waren die Auswirkungen geopolitischer Faktoren auf die Märkte moderat. Im Februar-März 2022, im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts, waren die Erschütterungen recht erheblich, aber die Lage beruhigte sich schnell.
Daraus entstand die Idee, daß die Finanzmärkte vor solchen Einflüssen seitens der großen internationalen Politik geschützt seien, zum Unterschied zu früher.
Die Ereignisse der letzten Woche, als sich eine Vielzahl von Indikatoren schnell synchron änderten und nicht in die Richtung, in die sie sich im Falle rein finanzieller und wirtschaftlicher Turbulenzen bewegen, zwingen jedoch zu der Annahme, daß eine solche Einschätzung verfrüht war.
Wenn sich die Lage auf der Welt weiter verschlechtert, wird das Ausmaß der Umwälzungen unweigerlich zunehmen: Investoren werden sich dem Einfluß geopolitischer Kämpfe und der militärischen Bedrohung nicht mehr entziehen können. Das ist der aktuelle Trend.

Unabhängig davon ist festzustellen, daß der russische Markt in der vergangenen Woche kaum auf ausländische Ereignisse reagierte: Russische Anleger waren hauptsächlich an der Inflation und den Erwartungen an die künftigen Maßnahmen der Bank von Russland in Bezug auf den Zinssatz interessiert.
Dies stellt einen deutlichen Kontrast zum Bild vor zehn Jahren dar, als das globale Marktumfeld den heimischen Markt viel stärker beeinflußte als fast alle inländischen Ereignisse. So sieht der Prozeß der Deglobalisierung und Entkopplung der Finanzsysteme voneinander aus.“

Die Entglobalisierung gefällt den russischen Analysten offensichtlich und entspricht den Erwartungen der politischen Führung.
Rußland möchte auch im wirtschaftlichen Bereich agieren, und nicht reagieren müssen.

Rückzug aus Afrika

ÜBER KOLONIALISMUS UND UNABHÄNGIGKEIT

„Europa zieht seine letzten Truppen aus der Sahelzone ab und überlässt Russland das Feld“

– so lautet heute eine Überschrift in El País und so ein Satz sollte zu denken geben.

Warum waren überhaupt europäische Truppen in der Sahelzone?

1. Kolonien

Es ist heutzutage in linken Kreisen üblich, als Kritik das Wort „Kolonialismus“ zu verwenden, wenn das imperialistische Gehabe der Alten und Neuen Welt bezeichnet werden soll, der Interventionismus und die Kriege, die diese Nationen anzetteln, betreuen und sich einmischen.
Weite Teile Afrikas waren ja auch einmal Kolonie. Portugiesen, Engländer, Holländer, Franzosen, Belgier, Deutsche und Italiener keilten sich um die dortigen Rohstoffe, massakrierten die Bewohner Afrikas, beteiligten sich in verschiedenen Formen am Sklavenhandel und taten auch andere unschöne Dinge, die hierzulande unbekannt oder vergessen sind, an die sich aber die Nachfahren der damaligen Betroffenen in Afrika sehr gut erinnern.

Der Kolonialismus war jedoch erstens für die Mutterländer ein kostspieliges Geschäft. Sie mußten ständig mit militärischer Präsenz vor Ort tätig sein, eine Verwaltung unterhalten, um den Abtransport von Rohstoffen, Agrarprodukten und Menschen zu überwachen. Das war – zumindest seit dem 18. Jahrhundert – eine staatliche Vorleistung für die aufstrebende Industrie in den Mutterländern, die diese Stoffe brauchten, um ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt Paroli bieten zu können und gleichzeitig Absatzmärkte für ihre Waren zu haben.
Es sind übrigens beide Seiten wichtig, die Rohstoffe genauso wie die Märkte. Großbritannien war deswegen so lange führend, weil es sich mit seinen Kolonien und Kanonenbooten auch Märkte erschlossen hatte, über die es seinen Warenreichtum ausgießen konnte.

Man soll aber auch die Kosten nicht unterschätzen. Großbritannien finanzierte seine Herrschaft über Indien größtenteils aus dem Opiumhandel mit China. Die letzte europäische Kolonialmacht, Portugal, mußte ihre Kolonien aufgeben, weil sie sich einfach nicht mehr leisten konnte.

Die besondere Nützlichkeit der Kolonien war die ausschließliche Verfügung des Mutterlandes über dieselben. Es gab ihm die Möglichkeit, die anderen rivalisierenden imperialistischen Mächte von seinen Territorien auszuschließen.

2. Hinterhöfe

Rund um den II. Weltkrieg störte sich die aufstrebende Weltmacht USA an dieser Form der exklusiven Nutzung. Nicht, daß den USA der Kolonialismus fremd gewesen wäre. Puerto Rico, Hawaï, die Philippinen, die Panamakanalzone und viele Inseln im Atlantik und Pazifik waren oder sind nach wie vor US-„Territorien“, wie sie verschämt benannt werden. Heute haben sie aber vor allem strategische Bedeutung.
Die USA setzten gegenüber ihren Verbündeten durch, ihre exklusiven Zonen aufzugeben. Die treibende Macht hinter der „Entkolonialisierung“ waren die USA – die Befreiungsbewegungen der III: Welt konnten sich meist nur dank diesem Rückhalt schließlich durchsetzen – sofern sie den USA genehm waren.
Das neue System sah die Entlassung in die Unabhängigkeit vor. Mit etwas Unterstützung aus den Mutterländern sollten sich diese Staaten selbst regieren und selber dafür sorgen, daß sie weiterhin als Rohstofflieferanten und Märkte zur Verfügung stehen – allerdings nach freier Wahl ihrer Patrone.

Die Konkurrenz um die neue Beherrschung Afrikas (und auch anderer Teile der Welt) ging los. Genehme Politiker wurden installiert, nicht genehme beseitigt. Die alten Kolonialmächte versuchten die Hand auf ihren ehemaligen Kolonien zu halten und in die vormals exklusiven Territorien ihrer Rivalen einzudringen.

3. Afrika im Kalten Krieg

Als vermeintlicher Rettungsanker dieser vom Regen in die Traufe geratenen afrikanischen Gebiete erwies sich die Sowjetunion, die Guerillabewegungen unterstützte, Staudämme und Kraftwerke baute und sich als antikoloniale Macht präsentierte. Der Pferdefuß dieser sowjetischen Unterstützung war erstens, daß sie die Feindschaft der europäischen Mächte und der USA als Weltpolizist zur Folge hatte und diesen Staaten deshalb erhöhte Verteidigungskosten aufbürdete.

Das zweite, weitaus Entscheidendere war jedoch, daß die Unterstützung der SU nur insofern interessant war, als sie diesen Staaten, die in der westlichen Ideologie „Entwicklungsländer“ genannt wurden, eine bessere Startposition für den Weltmarkt verschaffen sollte. Die dortigen Regierungen bedienten sich der sowjetischen Hilfe, um dann neue Produkte anbieten zu können, zu besseren Bedingungen für die einheimische Staatskasse, aber doch, um sich am internationalen Warenaustausch beteiligen zu können und sich in Richtung ihrer Vorbilder – der europäischen Staaten, ihrer ehemaligen Unterdrücker – zu entwickeln.
Die Kolonisierten wollten zu den Kolonisatoren aufschließen – unter diesem Ideal wurden Brunnen gebohrt und Kredite vergeben, Kriege geführt und Militär- und Entwicklungshilfe über die afrikanischen Staaten ausgeschüttet.

4. Afrika nach dem Kalten Krieg

Mit dem Abdanken der Sowjetunion und dem Ende des ganzen RGW-Austausches hörten sich jede Menge Hilfen und Unterstützungen auf.
Als erstes der prosowjetischen Regimes kollabierte im Mai 1991 dasjenige Mengistus in Äthiopien, das neben der SU vor allem von der DDR unterstützt worden war.
Aber noch einige Monate vorher mußte der Herrscher Somalias, Siad Barre, seinen Hut nehmen und das Land verlassen. Er hatte sich aufgrund von Territorialstreitigkeiten mit Äthiopien von der SU ab- und den USA zugewendet. Nach dem Ende der SU und dem absehbaren Sturz Mengistus strichen jedoch die USA die Zuwendungen an Somalia, weil sie Barre nicht mehr brauchten.

Ähnlich ging es in anderen Teilen Afrikas zu. Die einst prosowjetischen Regierungen wurden entweder gestürzt oder zusehends repressiver, um sich an der Macht zu halten. Manche Staaten, wie Somalia oder Ruanda, kollabierten überhaupt, manche zerfielen, wie der Sudan, und die Verteilungskämpfe wurden härter, sodaß vielerorts Bürgerkriege ausbrachen. Die werden in den hiesigen Medien mit Traditionen und Stammesbindungen erklärt, und das alles schreit nach einem: Betreuung! „Wir“ müssen dort hin, um für Ordnung zu sorgen!

So kam es zu verschiedensten Interventionen kürzerer oder längerer Dauer, durch die USA und im letzten Jahrzehnt verstärkt durch EU-Staaten, die sich Afrika als Hinterhof zugerichtet haben und mit den Folgen dieser Zurichtung in Form von islamischem Terrorismus und Flüchtlingswellen unzufrieden sind:
„Frankreich führt seit 50 Jahren permanent Krieg“

Aus Deutschland tönt hochoffiziell: „Dort, wo Menschenrechte bedroht sind und die Rechtsstaatlichkeit keineswegs gesichert ist, fehlt das Fundament für Investitionen, Arbeitsplätze und Ausbildung.“ Da müssen daher unbedingt deutsche Soldaten hin.

Sogar das neutrale Österreich hat sich in Afrika schon wichtig gemacht:
„Bundesheer in Mali“

Großbritannien hat noch über das Commonwealth einen allerdings sehr schwindenden Einfluß in Afrika. Das mag einer der Gründe sein, warum es sich mit solchem Eifer am Sturz Ghaddafis beteiligt hat – um zu zeigen, daß es doch noch eine Hand auf dem Kontinent hat.

Manchmal gelingt es, die nationalen Ambitionen der Nachbarstaaten zu benützen, um unangenehme Regierungen zu stürzen, wie in Gambia 2017, sodaß die Friedensmacht EU nicht direkt intervenieren muß.

Das alles wäre schon noch zu bewältigen, wenn den Hütern von Menschenrechten und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nicht Störenfriede in die Quere kommen würden, die von dem ganzen Schmarrn nix halten und ähnliche, aber auch unterschiedliche Interessen in Afrika haben – und auch die Mittel, sie zu verfolgen: Rußland und China.