Ukrainische Hoffnungsträger, wo seid ihr geblieben?

GARANTEN DER FREIHEIT

Bei dem medialen Aufwand, der um Volodimir Selenskij getrieben wird, tauchen bei mir Erinnerungen an ukrainische Politiker auf, die seinerzeit auch als „unsere Leute in der Ukraine“ gehandelt wurden, oder doch zumindest im Hintergrund die Fäden zogen, um die, hmmm, Westorientierung der Ukraine voranzubringen.

Bis auf Vitalij Klitschko hört oder liest man von denen gar nichts mehr.

Wer erinnert sich noch an Viktor Juschtschenko?
Er war erst Präsident der Nationalbank und dann Regierungschef unter dem Präsidenten Kutschma. Später gründete er eine Oppositionspartei zusammen mit => Julia Timoschenko. Die Partei hieß „Unsere Ukraine“. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Viktor Janukowitsch. Bei der Wahl 2003 trat er gegen Janukowitsch um das Amt des Präsidenten an. Er erlitt im Wahlkampf 2004 angeblich eine Dioxinvergiftung.
Nach Protesten gegen Wahlfälschungen bei der 1. Stichwahl – die von Polen, von Soros, von Otpor und anderen außerhalb der Ukraine tätigen Freunden derselben angefachte „Orange Revolution“ – gewann er die 2. Stichwahl und regierte die nächsten 5 Jahre. Für diesen Wahlsieg war die Unterstützung durch die inzwischen verbotene Sozialistische Partei von Aleksandr Moros ausschlaggebend.
Bereits damals war der Majdan in Kiew das Zentrum der Proteste.
Die Sparpakete, die Juschtschenko aud Betreiben des IWF der Ukraine verordnete, versuchte er durch einen privatfinanzierten Fond zur Unterstützung von Kindern und durch Appelle an den ukrainischen Nationalismus populär zu machen – wir müssen da durch! Während seiner Präsidentschaft wurde der Holodomor als Berufungsinstanz für die Eigenständigkeit der Ukraine entdeckt und als Genozid qualifiziert, die Dnjeprkosaken hofiert und die OUN-UPA als ehrbare Organisation salonfähig gemacht. Außerdem begann die Ukrainisierung des Bildungswesens. Einiges davon wurde von seinem Nachfolger wieder rückgängig gemacht.
Bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2010 hatte er sich mit seiner Ministerpräsidentin überworfen. Julia Timoschenko trat mit ihrer Partei „Vaterland“ gegen Juschtschenko an. Die Wahlen gewann Janukowitsch. Juschtschenko erhielt lediglich etwas mehr als 5% aller Stimmen, ein sehr schlechtes Ergebnis für einen amtierenden Präsidenten. 2012 wurde er aus der von ihm gegründeten Partei „Unsere Ukraine“ ausgeschlossen, weil er für die Parlamentswahlen dieses Jahres angeblich einen geheimen Pakt mit Janukowitsch geschlossen hatte.
Seither trat er einige Male als Vertreter des Imkerbundes in Erscheinung. Angeblich erhielt er eine Zeitlang sogar Unterstützung aus der ukrainischen Staatskasse, weil seine Einkünfte nicht so toll waren.
Seine Frau ist US-Bürgerin und hat Kontakte zu höchsten Polit- und Finanzkreisen der USA. Es ist möglich, daß Juschtschenko von den USA in der Hinterhand für etwaige Nach-Selenskij-Regierungen gehalten wird.
Das Problem ist seine Unbeliebtheit im Lande …

Frau Julia Timoschenko ist sicherlich noch vielen im Gedächtnis, vor allem wegen ihrer medienwirksamen Auftritte mit und ohne Rollstuhl.
Von Forbes wurde sie immerhin 2005 zu einer der weltweit 100 einflußreichsten Frauen gekürt, im selben Jahr sogar als eine der 3 mächtigsten Frauen der Welt.
Sie gehört zu der Wirtschaftselite von Dnjepropetrowsk, dem Industriezentrum der Ukraine. Ein wichtiger Schritt ihrer Karriere war die Leitung des ukrainischen Energiekonzerns „Vereinigte Energiesysteme der Ukraine“. Sie machte viele Geschäfte mit Gazprom, die sich positiv auf ihre Vermögensverhältnisse auswirkten.
Sie war Mitgründerin der Partei „Vaterland“, trat aber gerne auch unter dem Namen „Block Julia Timoschenko“ bei Wahlen an. Sie war offenbar das Zugpferd dieser Vaterlandspartei, die für sich wenig zu bieten hatte. Als sie wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis saß, war „Vaterland“ die Sammelpartei aller Oppositionsparteien.
Unvergeßlich ist ihr geleaktes Gespräch mit einem ukrainischen Politiker, derzufolge man alle Russen abknallen und auf die Ostukraine eine Atombombe abwerfen sollte. Das Gespräch wurde auf Russisch geführt. Das ist nämlich die Muttersprache von Frau Timoschenko. Vielleicht ist sie deshalb in letzter Zeit wenig an die Öffentlichkeit getreten, weil sie noch an ihrem Ukrainisch arbeitet.
Um sich als wahre Vertreterin des Vaterlandes glaubwürdig zu machen, legte sie sich eine neckische Zopffrisur zu und schlüpfte für mediale Anlässe auch hin und wieder in Volkstracht.
Die Orange Revolution brachte auch sie an die Macht. Neben dem Präsidenten Juschtschenko machte sie sich als Ministerpräsidentin stark für die Erweiterung der Wirtschaftstätigkeit Richtung Westen und der Einschränkung derselben Richtung Rußland.
Wegen diverser Privatisierungsprojekte und Streit um das Gas-Importmonopol währte ihre erste Regierungszeit, in die das überwältigende Lob von Forbes fiel, jedoch nur kurz. Sie wurde im Herbst 2005 mitsamt ihrer ganzen Regierung vom Präsidenten entlassen.
Mit dem Streit zwischen den beiden Hoffnungsträgern änderte sich rasch die Parlamentsmehrheit, die Partei von Juschtschenko zerfiel. Auf einmal wurde der ehemalige Gegner und Buhmann Janukowitsch zum Ministerpräsidenten ernannt, nachdem seine Partei der Regionen Zulauf erhalten hatte. Daraufhin rauften sich Timoschenko und Juschtschenko noch einmal zusammen, erhielten die Mehrheit und Timoschenko wurde erneut Ministerpräsidentin.
Sie wurde gerne herumgereicht und als „unsere“ demokratische Hoffnung in der Ukraine gehandhabt. In den Jahren 2007-2010 flossen auch Kredite in die Ukraine reichlich. In Zeiten von Niedrigzinsen im Westen waren sie verhältnismäßig hoch verzinst und die Ukraine galt als verläßlicher Schuldner, weil ja „unsere“ westorientierten Politiker die Geschicke des Landes lenkten.
Ihre Popularität im In- und Ausland nahm ab, als sie Europa aufgrund der Streitigkeiten um die Gas-Liefer- und -Transitpreise Europa den „Gaskrieg“ bescherte.
Ihre Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen entfernte sie von der Macht und brachte sie wegen der Rivalitäten im Gassektor ins Gefängnis, von wo aus sie sehr medienwirksame Auftritte organisierte.
Nach dem Majdan 2014 konnte sie das Gefängnis verlassen. Irgendwie verschwand sie seither aus den westlichen Medien. Sie benützt inzwischen weder einen Rollstuhl noch einen Zopf: Die Frisur von ihr ist inzwischen wieder ein dezenter Pferdeschwanz.
Sie trat zu den Präsidentschaftswahlen 2019 an, unterlag jedoch Selenskij deutlich. Seither fristet sie ein relatives Mauerblümchendasein als Parlamentsabgeordnete der inzwischen recht geschrumpften Vaterlandspartei.
Nach dem Einmarsch Rußlands in die Ukraine machte sie ein paar medial begleitete Auftritte zwischen Ruinen, wo sie mit Stöckelschuhen zwischen Schutt herumspazierte, Kinder in die Arme nahm und alte Leute tröstete, oder Soldaten an der Front Mut zusprach.
Sie hat es noch nicht aufgegeben, wieder an die Spitze zu kommen, aber im Augenblick scheint keine besondere Nachfrage nach ihr zu herrschen.

Als nächstes ist an Petro Poroschenko, den „Schokoladebaron“, zu erinnern.
Im Ausbau seines wirtschaftlichen Imperiums, das außer Schokolade und anderen Süßigkeiten auch Medien oder Rüstungsgüter umfaßte – eben alles, womit sich in turbulenten Zeiten Geschäfte machen lassen, – war er Mitglied vieler Parteien, die Interessensvertretungen der aufkommenden Unternehmersschicht waren und sind. Er war Gründungsmitglied der Partei der Regionen, saß in Parteien und „Blöcken“ mit Juschtschenko und Timoschenko. Ebenso verbündete er sich für kurze Allianzen mit anderen Großunternehmern, unschön „Oligarchen“ genannt, gegen andere und pflegte auch gute Beziehungen zur Unterwelt.
Bei soviel Pragmatismus blieb weder der ökonomische noch der politische Erfolg aus. Er war zweiweilig Nationalbankdirektor, hatte mehrere Ministerämter inne und verkehrte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, schüttelte Hände mit Putin, Merkel und US-Politikern – kurz, ein Mann von Welt.
Nachdem die vereinten EU- und USA-Kräfte mit den Helden des Majdan den gewählten Präsidenten zum Teufel gejagt hatten, war Poroschenko der ideale Kompromißkandidat, auf den sich die USA, Polen und Deutschland einigen könnten, auch wenn die US-Politikerin, die die EU gerne f…n wollte, einen anderen Kandidaten bevorzugt hätte.
Wer in der Ukraine selbst bei den Wahlen 2014 Poroschenko wollte und deshalb wählte, ist ebenso rätselhaft wie gegenstandslos. Die Wahlen wurden unter internationaler Beteiligung abgehalten, zumindest in Kiew und zumindest in einigen Bezirken, also waren sie gültig.
Poroschenko ließ auch nichts anbrennen, ließ alle Lenin-Denkmäler in der Restukraine (ohne Krim) abmontieren und öffnete Investoren und vor allem ausländischen Diensten Tür und Tor. Gegen die Separatisten im Donbass ließ er Patrioten und Neonazis antreten, auch mit dem angenehmen Nebeneffekt, sie sich selbst vom Hals zu halten. Einzig und allein bei der Veräußerbarkeit des ukrainischen Ackerlandes scheiterte er am ukrainischen Parlament.
Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2019 scheiterte er an einem jungen Schauspieler, der von einem rivalisierenden Großunternehmer zum neuen ukrainischen Hoffnungsträger aufgebaut worden war.
Der Wahlsieger ließ ihn auch strafrechtlich wegen irgendwelcher Deals bei der Energieversorgung verfolgen. Inzwischen hat sich Selenskij aber mit Kolomojskij, seinem ursprünglichen Förderer, überworfen und Poroschenko – vielleicht auch unter dem Eindruck von Krieg und und ausländischen Beratern – ist wieder wohlgelitten in der Ukraine.
Poroschenko geht weiterhin auf internationale Treffen hohen Ranges und kauft im Ausland Waffen für die Ukraine ein.
Er wartet auf eine gute Gelegenheit, wenn der Schauspieler seine Rolle zu Ende gespielt hat. Vielleicht lernt er inzwischen fleißig Ukrainisch – seine Muttersprache ist nämlich auch Russisch.

Fortsetzung folgt: Weitere Kandidaten für das Präsidentenamt, sowie kleinere Kaliber

Klima-Imperialismus

„KLIMA“ ALS RECHTSTITEL

Hier wird wieder einmal eine neue Pinnwand fällig, weil es schon beachtlich sind: Jede Menge klimaschädlicher Aktivitäten wird in der EU gesetzt und unterstützt, wie die ganzen Kriegsaktionen, die Aufrüstung; der Handel mit Waren aller Art, die vom anderen Ende der Welt oder zumindest Europas irgendwo hingekarrt werden, usw. – gleichzeitig wird gleichsam aggressiv vor allem von Deutschland darauf beharrt, daß die dort erzeugten klimafreundlichen Technologien doch von der ganzen Welt kopiert und in der ganzen Welt nachgefragt werden müssen!

Der Versuch, doch auf Teufel-komm-raus jetzt doch noch einmal eine gewinnträchtige Industrie zu generieren und allen auch nur möglichen Staaten aufs Aug zu drücken, hat etwas Lächerliches an sich, von der Absicht und auch von der Ausführung her.
Die BRD-Diplomaten blitzen nämlich fast überall ab und kommen mit leeren Händen heim, trompeten aber nichtsdestotrotz um so mehr ihren Entschluß in die Welt, es doch allen zu zeigen und sich nicht von ihren Absichten abbringen zu lassen.

Im Inneren und EU-weit läuft ein beispielloses Propagandaprogramm, wo dem p.t. Publikum weisgemacht werden soll, daß die „Energiewende“ die Rettung aus der Not ist und daß man sich weniger waschen soll und dann kommt man sicher durch alle Krisen.

Als sozusagen Garnierung auf der Torte gibt es dann noch die Klimaaktivisten, die sich in absurden Aktionen überbieten, um an ihrem Idealismus über die Politik festhalten zu können und den in die ganze Welt verbreiten zu wollen: Die Politiker sind für uns da und man muß sie nur immer wieder an diesen Umstand erinnern, sonst vergessen sie glatt drauf!

Pressespiegel Izvestija, 2.5.: Verschuldung in der EU

„FÜR EINE HANDVOLL ZŁOTY: WARUM SICH OSTEUROPA VERSCHULDET

Polen, Ungarn und Rumänien stellten einen Weltrekord bei der Kreditaufnahme auf

Die osteuropäischen Länder stellten seit Jahresbeginn einen Rekord bei der Kreditaufnahme auf und verdreifachten ihre Ausgabe von Anleihen gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Länder, die ihre Staatsverschuldung bisher in vertretbaren Grenzen hielten, erhöhen diese nun rapide – aufgrund des Konflikts in der Ukraine, steigender Energiepreise und steigender Militärausgaben.
Laut IWF wird es in naher Zukunft keine finanzielle Katastrophe durch die Erhöhung der eingegangenen Verpflichtungen geben, aber es ist möglich, dass die von den osteuropäischen Ländern angehäuften Schulden von der ganzen Welt bezahlt werden müssen.“

Die „ganze Welt“ wird wohl nicht zur Kasse gebeten werden können, aber die EU-Staaten möglicherweise schon.

„Kuriose Geschäfte

In den ersten dreieinhalb Monaten des Jahres 2023 wurden die osteuropäischen Staaten unter allen Schwellenländern weltweit führend bei der Staatsverschuldung.“

Auch bemerkenswert, daß manche Mitgliedsstaaten der EU finanztechnisch unter „Schwellenländer“ geführt werden. Damit ist schon ein negatives Urteil über ihren Weg nach Westen, in die fertige Marktwirtschaft ausgesprochen, in dem sie nach mehr als 30 Jahren noch immer nicht angekommen sind.

„Insgesamt liehen sie sich auf dem Schuldenmarkt 32 Milliarden Dollar (Käufer von Anleihen konnten sowohl Bürger dieser Länder als auch Ausländer sein). Polen (9 Mrd. $), Rumänien (6 Mrd. $), Ungarn (5 Mrd. $) und die Slowakei (4 Mrd. $) verkauften die meisten Anleihen. Im Vergleich dazu hat der Spitzenreiter dieser Schuldnerliste, Saudi-Arabien, rund 10 Milliarden Dollar aufgenommen – mit einer viel größeren Volkswirtschaft als jedes der genannten Länder.
Die Kreditaufnahme in Fremdwährung ist aufgrund deutlich niedrigerer Zinsen rentabler. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Wenn der Wechselkurs der nationalen Währungen stark fällt, dann werden die Kosten für die Refinanzierung der eingegangenen Verpflichtungen stark steigen.
Übrigens verschulden sich Polen und Ungarn aktiv in Fremdwährungen, auch weil es aufgrund der begrenzten Größe ihrer Volkswirtschaften nicht genügend Nachfrage nach Inlandsschulden in nationalen Währungseinheiten gibt.“

Man weiß nicht so recht, was mit „sich aktiv verschulden“ gemeint ist. Jeder Staat und auch jedes Individuum nimmt Schulden „aktiv“ auf. Niemand nötigt ihn dazu.
Gemeint ist offenbar, daß die Kreditaufnahme in Fremdwährung die in Eigenwährung übersteigt.

„Die Situation eines starken Anstiegs der Fremdwährungsverschuldung löst bei den Investoren“ (d.h. den Käufern dieser Anleihen) „Besorgnis aus. Inzwischen notieren die Dollaranleihen Polens auf dem Niveau von Wertpapieren der Philippinen, Indonesiens und Uruguays – Ländern mit viel schwächerer Kreditwürdigkeit.“

„Notieren“ heißt hier: Sie müssen höhere Zinsen zahlen, um ihre Anleihen anzubringen, und die Kreditausfallsversicherungen schnellen ebenfalls in die Höhe.
Es ist übrigens auch bemerkenswert, daß Polen Anleihen in Dollar auflegt. Erstens zeigt es damit seine politischen Präferenzen. Zweitens verstößt es damit eigentlich gegen die EU-Vorgaben, seinen Wechselkurs und seine Währungspflege in Euro zu vollziehen. Drittens ist es genau dadurch eine Schwächung des Euro. Oder aber, falls die Anleihe platzt, ein Problem für den Dollar.
Viertens kann es natürlich auch eine Art Subvention eines Verbündeten sein, weil wer kauft diese Anleihen? Vermutlich US-Geldinstitute, die den Rückhalt der Fed haben.

„Ein Anstieg der Anleiheverkäufe führt zu einem proportionalen Anstieg des Budgetdefizits. Im Jahr 2023 könnte es im Durchschnitt der Region 4,1 % erreichen, wobei die EU-Grenze auf 3 % festgelegt ist.“

Darum kümmert sich schon seit geraumer Zeit niemand mehr. Das weiß die Izvestija andererseits auch:

„Natürlich kann das Defizit überschritten werden, was Brüssel gleichgültig ist, wenn es um Frankreich geht, aber wenn es um die Länder Süd- oder Osteuropas geht, so sieht das anders aus.“

Andererseits kann die EU-Kommission oder die EZB wenig dagegen machen, um so mehr, als Polen sich in Dollar verschuldet. Je weniger Geld Polen aus Brüssel über diverse Töpfe erhält, um so mehr wird es sich auf den internationalen Kreditmärkten Zahlungsfähigkeit verschaffen.

„Dabei kann man nicht sagen, daß die Verschuldung dieser Länder übermäßig wäre. Die osteuropäischen Staaten zeichnen sich nämlich spätestens seit 2000 (ebenso wie Russland) durch eine starke Fiskaldisziplin aus. In Ungarn zum Beispiel beträgt die Staatsverschuldung 73 % des BIP, was viel niedriger ist als in fast jedem westeuropäischen Staat. Und das ist das schlechteste Verhältnis in dieser Region. In Polen sind es 49 %, in der Slowakei 58 %, in Rumänien 47 %. Es gibt also noch genug Spielraum.“

Allerdings läßt sich die Verschuldungsfähigkeit eines Staates nicht quantitativ bestimmen, so sehr die Wirtschaftswissenschaft auf dieser These beharrt.
Der Kredit bemißt sich eben an verschiedenen Faktoren und hat keine objektiven Grundlagen.

„Für die Zukunft liegt die Gefahr jedoch genau darin, dass die derzeitige Verschuldung weit von einer kritischen Grenze entfernt ist und die Kreditaufnahme zunehmen wird. Von allen Ländern der Region will nur Ungarn in diesem Jahr keine Kredite mehr aufnehmen.“

Ist das nur eine Frage des Willens oder hat Ungarn andere Finanzierungsquellen?

„Rumänien, Polen und andere werden weiter in den Schuldenmarkt einsteigen müssen.“

Warum eigentlich? Bei Polen ist die Sache klar, hier wird gerüstet, was das Zeug hält. Aber Rumänien? Die Slowakei? Warum gibt es dort erhöhten Finanzbedarf?
Liegt das vielleicht daran, daß ihre Wirtschaft durch Pandemie und Ukraine-Krieg besonders in Mitleidenschaft gezogen wurde/wird?

„Darüber hinaus ist es vielen von ihnen nicht gelungen, die Probleme zu lösen, bei denen es zu Konflikten mit Brüssel kommt (die laut EU mit der unzureichenden Qualität der demokratischen Institutionen zusammenhängen), sodass eine zusätzliche Finanzierung durch EU-Töpfe unwahrscheinlich ist.“

Die anwachsende Verschuldung diverser osteuropäischer Staaten ist teilweise eine direkte Folge der Strafmaßnahmen gegen sie, betroffen sind vor allem Ungarn und Polen.
Die Kürzung von EU-Subventionen führt also zu einer stärkeren Hinwendung zu den internationalen Finanzmärkten, bzw. im Falle Ungarns auch zu China.

„Warschau gibt sich einem Ausgabenrausch hin

Besonders hervorzuheben ist Polen, die größte und eine der dynamischsten Volkswirtschaften der Region. Obwohl die Staatsverschuldung relativ niedrig ist, muss das Land seine externe Finanzierung weiter erhöhen. Dies liegt zum einen an der beschleunigten Aufrüstung der Armee – militaristische Stimmungen sind sehr teuer, zumal es aufgrund der gestiegenen Nachfrage zu einer Waffenknappheit auf dem Weltmarkt kommen kann.“

Polen kauft daher z.B. in Israel und Südkorea ein, was erstens sicher nicht billig ist und zweitens Abzug von der EU-Ökonomie bedeutet.

„Zweitens ist dieses Jahr ein Wahljahr, was üblicherweise bedeutet, dass die Regierungspartei »Recht und Gerechtigkeit« sich verstärkt um die Umsetzung staatlicher Programme bemühen wird.“

Damit ist offenbar gemeint, daß sich die Regierung als Hüter der nationalen Anliegen präsentieren möchte – die sie natürlich selber erst einmal auf die Tagesordnung gesetzt, also als solche definiert hat.

„Drittens dürften die Haushaltseinnahmen geringer ausfallen als erwartet – aufgrund des Konflikts in der Ukraine und seiner verschiedenen Folgen. Dazu gehören völlig unerwartete Probleme, wie die Überfüllung des nationalen Marktes mit ukrainischem Getreide und anderen Nahrungsmitteln, die die lokalen Landwirte schwer treffen.
Hinzu kommt, dass die Inflation, die derzeit 15 % übersteigt, den Lebensstandard im Land ziemlich beutelt: Die Gehälter halten damit nicht Schritt. Es erfordert auch mehr Ausgaben, da Sparmaßnahmen im aktuellen politischen Klima keine Option sind.“

Alle Achtung, 15% Inflation. Polen ist damit einer der Spitzenreiter in der EU. Diese massive Geldentwertung macht vermutlich auch eine erhöhte Verschuldung zur Währungspflege notwendig, um den Kurs des Złoty halbwegs stabil zu halten.

„Ein ebenso wichtiger Umstand ist das große Volumen der polnischen Staatsverschuldung außerhalb der offiziellen Bilanz. Wir sprechen von mehreren staatlichen Fonds, die große Schulden angehäuft haben. So haben allein zwei Institutionen für die Entwicklung des Landes in den Jahren der Pandemie Schulden in Höhe von 214 Milliarden Złoty oder etwas weniger als 50 Milliarden US-Dollar gemacht.
Ein Teil der Verteidigungsausgaben wird auch durch außerbudgetäre Fonds ausgegeben, deren Schulden sollten bald etwas weniger als 200 Milliarden Złoty erreichen.
Es gibt auch einen Fonds, der für Straßenbau und -instandsetzung zuständig ist, der ebenfalls Geld braucht. Das Gesamtvolumen der außerbudgetären Kreditaufnahme bis 2026 könnte 638 Mrd. Złoty oder etwa 150 Mrd. Dollar erreichen.
Zusammen mit der offiziellen Verschuldung könnte das Verhältnis der Schulden zum BIP 75% erreichen, was bereits ziemlich hoch ist. Dies kann besonders gefährlich in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen sein, falls Anleger beginnen, aus Schwellenmärkten zu fliehen. Die Polen“ (d.h., die Mitglieder der polnischen Regierung) „glauben, dass ein solches Problem angesichts ihrer starken und gut entwickelten Wirtschaft nicht auftreten sollte, aber eine solche Hypothese wird sich erst mit der Zeit weisen.“

Polen betreibt also Budgetkosmetik durch Auslagerung von Schulden in separate Institutionen. Es ist sicher nicht das einzige Land, wo dergleichen praktiziert wird.

„Der IWF ermahnte Warschau bereits im Januar, seine Ausgaben zu zügeln. Im Falle unvorhergesehener Folgen hat das globale Finanzinstitut jedoch interessante Vorschläge. Im März veröffentlichte der Fonds ein Papier, in dem er für Europa die Möglichkeit erwog, ein einheitliches Schuldensystem zu schaffen, in dem die Anleihen der einzelnen Länder von allen Mitgliedern der Union garantiert würden.
Darin geht es zwar nur um die Eurozone. Polen und andere osteuropäische Staaten haben allerdings keine Eile, sich dieser anzuschließen, angesichts der Lage, in die Griechenland geraten ist.“

Hier ist anzumerken, daß bei der Einführung des Euro eigentlich alle Mitgliedsstaaten der Eurozone beitreten sollten. Dänemark, Schweden und Großbritannien mußten sich Ausnahmen genehmigen lassen, um draußen bleiben zu dürfen. Tschechien wurde bei seinem Beitritt 2005 übelgenommen, daß es sich nicht anschließen wollte, obwohl die EU es aufgrund seiner guten Wirtschaftsdaten aufnehmen wollte.
Es war daher gerade in der Zeit der Eurokrise wichtig, daß ökonomisch schwache Staaten wie diejenigen des Baltikums, und in jüngerer Zeit Kroatien, der Eurozone beitraten.

„In Zukunft kann jedoch ein solches System“ (der Schuldenumwälzung auch auf Staaten außerhalb der Eurozone) „ausgeweitet werden, was bedeutet, dass die angehäuften Schulden der gesamten EU umgehängt werden können, wo die Staaten mit dem stabilsten Finanzsystem schließlich zahlen werden (zuallererst natürlich Deutschland).“

Ob Deutschland immer der Staat mit dem stabilsten Finanzsystem sein wird, ist auch nicht in Stein gemeißelt. Allerdings – wenn dort die Finanzen ins Trudeln geraten, ist wirklich Feuer am Dach.