Rechtsradikale, Antifas und die Ukraine

DIE NEUE RECHTE UND DER DRANG DER EU NACH OSTEN
Wenn die Linken in Europa etwas verdattert sind und sich nicht auskennen, was da eigentlich los ist und wie sie sich positionieren sollen, so ist das eine Sache. Es kann jedoch dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, daß es am anderen Ende des politischen Spektrums ähnlich aussieht.
Wenn man den Teufel, den die Antifas über die Neonazis und rechten Parteien seit Jahren an die Wand malen, auch nur irgendwie ernst nehmen würde, so müßten diese doch anläßlich der Ereignisse in der Ukraine jubeln: Rechte Gruppierungen stürzen eine gewählte Regierung, Angehörige einer sich offen zu den faschistischen Traditionen des Landes bekennenden Partei formen einen Teil der neuen Regierung in wichtigen Positionen, und die Perspektiven, daß sie sich noch weiter ausbreiten können, sind nicht schlecht.
Wäre also an dem ganzen Tamtam über die Gefährlichkeit und die „Vernetzung“ dieser rechtsradikalen Gruppierungen in Mitteleuropa etwas dran, so müßten sich die Gratulationsdelegationen von Jobbik, FPÖ, NDP, Front National usw. in Kiew bei den Mitgliedern der Swoboda doch nur so die Klinke gegenseitig in die Hand drücken.
Aber seltsamerweise ist davon keine Rede, und die Führer und Sprecher dieser Fraktionen beobachten äußerste Zurückhaltung im Kommentieren der Lage in der Ukraine. Geert Wilders in Holland schimpft auf Marokkaner, Mölzer in Österreich bezeichnet die EU als Negerhaufen, aber zur Ukraine schweigen sie. Marine le Pen hingegen äußert sich und gibt der EU die Schuld an der „Krise“ in der Ukraine und begrüßt den Anschluß der Krim an Rußland.
Bei einer Konferenz von Rechtsextremen stellte ein Vertreter der britischen Rechten (BNP) gar fest, daß sich die europäische extreme Rechte hinter Putin zu stellen habe. Und ausgerechnet die NDP, die sich früher dezidiert mit der Swoboda verbündet hatte, verurteilt die „Wühlarbeit des Westens“ und distanziert sich von „prowestlichen und antirussischen Kräften“ in der Ukraine. (Tagesschau, 12.3.)
Das medienwirksame Händeschütteln des Swoboda-Chefs Tjahnibok mit einer strahlenden Catherine Ashton hat also die Swoboda ordentlich Sympathien gekostet. Es hat sie bei ihren vermeintlichen Gesinnungsgenossen im Westen desavouiert. Die Swoboda hat nämlich gemeinsame Sache mit den Regierungsparteien der EU und den USA gemacht und damit neben der regierungskritischen Position der Rechten auch den antiamerikanischen Ressentiments von NDP, Front National usw. Nahrung gegeben.
Den Vogel schießen die ungarischen Jobbik ab, die mit dem Hinweis auf die offen nationalistische und minderheitenfeindliche Position der Swoboda den Anschluß der Karpatoukraine an Ungarn fordern, zum Schutz der ungarischen Minderheit und mit Hinweis auf die Russen der Krim, die das ja auch dürfen. Sie nennen das eine „historische Chance“, die man tunlichst beim Schopf packen müsse.
An Jobbik und Swoboda merkt man sehr gut, daß sich Nationalisten verschiedener Nationen letztlich immer mißtrauisch bis feindselig gegenüberstehen, auch wenn sie gemeinsamen politischen Prinzipien huldigen.
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Politik Rußlands und gerade Putin als Person – ein starker Führer, der weiß, was er will! – erfreuen sich bei den Rechten einer weitaus größeren Beliebtheit als bei den Linken. Diese wiederum sehen sich in eine unangenehme Nähe zu ihren politischen Gegnern gerückt, wenn sie sich kritisch zur EU-Politik in der Ukraine äußern.
Schließlich schätzen die Rechtsradikalen vermutlich – und das ist wirklich bemerkenswert – die Situation weitaus realistischer ein als die Regierungsparteien der EU: Ein wirtschaftlicher Anschluß auch nur der halben Ukraine würde das EU-Budget enorm belasten, wenn man die Gegend auch nur irgendwie brauchbar erhalten oder machen will. (Vor allem deutsche Rechtsextreme erinnern sich vielleicht an den Anschluß der DDR.) Und auf die EU könnten Flüchtlingswellen zukommen, die alles, woran die Xenophoben heute schon laborieren, in den Schatten stellen würden. Immerhin hat die Ukraine auch ohne die Krim immer noch 43 Millionen Einwohner. Die Ukraine-„Krise“ könnte also die „Überfremdung“ in Westeuropa verstärken. Dem mit allen Mitteln betriebenen „Drang nach Osten“ der EU könnte ein ganz anderer „Drang nach Westen“ folgen, sobald die Einreisebeschränkungen gelockert würden.

Pressespiegel 2: RT na russkom, 12. März

DIE HECKENSCHÜTZEN DES MAIDAN
Der Ex-Leiter des SBU (des ukrainischen Geheimdienstes), Alexander Jakimenko: Die Schüsse kamen aus einem Gebäude, das von Aktivisten des Maidan kontrolliert wurde
Die Scharfschützen, die auf die Teilnehmer an den Protesten in Kiew schossen, befanden sich im Gebäude der Philharmonie. Zum Zeitpunkt der Ereignisse kontrollierte dieses Gebäude der „Kommandant des Maidan“ Andrej Parubij. … Nach Meinung Jakimenkos war Parubij in Verbindung mit den Leuten, die für US-Sicherheitsdienste arbeiteten. …

Aus diesem Gebäude fielen die Schüsse am 20. Feber, auch aus automatischen Waffen. Sie unterstützten den gewalttätigen Angriff auf die Sicherheitskräfte des Innenministeriums, die bereits demoralisiert waren und eigentlich in Panik flüchteten, sie wurden gejagt wie Kaninchen … Sie wurden von Bewaffneten verfolgt. Deren Bewaffnung war unterschiedlich. In diesem Augenblick wurde das Feuer auf diejenigen eröffnet, die die Polizisten angriffen, und es kam bei ihnen zu Verlusten. All das geschah aus dem Gebäude der Philharmonie. Als die erste Welle der Schüsse verebbte, bemerkten viele, daß 20 Personen dieses Gebäude verließen. Sie waren gut gekleidet, trugen spezielle Kleidung, hatten Umhängetaschen für die Spezialflinten für Scharfschützen und auch Kalaschnikows mit speziellem optischem Zubehör. Alle sahen sie. Das Interessante ist, daß nicht nur unsere Mitarbeiter sie sahen, sondern auch die Vertreter des Maidan – Mitglieder von „Swoboda“, dem „Rechten Sektor“, „Vaterland“ und „UDAR“.

Jakimenko erzählt, daß er sogar von ukrainischen Oppositionellen gebeten wurde, die Gruppe „Alpha“ einzusetzen, um die Gebäude im Zentrum von Kiew von Heckenschützen zu säubern: „Als der Kugelhagel sich verlangsamte, aber weiterhin anhielt, wandten sich sowohl der „Rechte Sektor“ als auch die „Swoboda“ an mich mit der Bitte, diese Gebäude zu stürmen und von Heckenschützen zu säubern.“
Seine Leute wären auch dazu bereit gewesen, erzählt Jakimenko weiter, aber um den Maidan zu betreten, bedurfte es der Erlaubnis Parubijs. Sonst wären die Selbstverteidigungskräfte des Maidan uns in den Rücken gefallen. Parubij gestatte dies jedoch nicht. Keine einzige Waffe oder Ausrüstung konnte ohne die Erlaubnis Parubijs auf den Maidan gebracht werden. Keine Pistole, keine Jagdflinte, schon gar nicht mit optischen Zielfernrohren.

Nach Jakimenkos Angaben könnten die Heckenschützen Ausländer gewesen sein. „Wir besaßen Informationen, wonach ehemalige – zu dem Zeitpunkt bereits entlassene – Mitglieder des Militärgeheimdienstes der Ukraine in die Ereignisse verwickelt waren. Dabei soll es sich um Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien gehandelt haben. Außerdem hatten wir Informationen über Söldner aus anderen Ländern.“

Der „Kommandant des Maidan“ (Parubij) befand sich im Einflußbereich von Personen der US-Sicherheitsdienste. „Diese gewannen auch Poroschenko, Gwozd und Malamusch für sich. Auch Gritsenko gehört dieser Gruppe an. Diese Leute führten alles aus, was ihnen die USA-Führer befahlen. Sie besuchten mindestens einmal täglich die US-Botschaft.“ …
Während der Zuspitzung des Konfliktes, der Konfrontationen in Kiew wurde einige Male darüber gesprochen, daß Heckenschützen sowohl auf die Protestierenden als auch auf die Sicherheitskräfte geschossen hätten. Unter ihren Kugeln starben mehrere Dutzend Personen.

Die Frage, wer diese Heckenschützen angeworben hat und zu welchem Zweck, ist noch offen. Der Außenminister Estlands, Urmas Paet, äußerte im Gespräch mit Catherine Ashton die Vermutung, daß diese Schützen von Führern des Maidan gemietet worden sind.
In diesem Gespräch berichtet Paet, daß alle Hiтweise darauf deuten, daß sowohl die toten Maidan-Demonstranten als auch die toten Polizisten von den gleichen Schützen erschossen wurden. „Es gibt Anlaß zur Besorgnis, daß die neue Koalition diese Ereignisse nicht untersuchen lassen will, obwohl sich immer klarer abzeichnet, daß nicht Janukowitsch, sondern jemand aus der neuen Koalition hinter diesen Heckenschützen steht“, sagte er.

Rußland besteht auf der Untersuchung der Verbrechen der Heckenschützen. Das gab der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Valerij Sorkin, heute bekannt.

Die Besprechung der Weltpolitik

DEMOKRATISCHER PERSONENKULT 2014
„Wählen, was Putin will“ (Die Zeit, 16.3.) – „Putin, der auf Währungsreserven sitzt, die zu den größten der Welt gehören“ (Tiroler Tageszeitung, 17.3.) – „Wie hart muss der Westen Putin bestrafen?“ (Bild, 17.3.)
„Verzocken Janukowitsch und Asarow die Ukraine?“ (Berliner Tageszeitung, 29.11. 2013) – „Janukowitsch möchte das Handelsabkommen unterzeichnen“ (Huffington Post, 12.12. 2013)
„Präsident Obama schlug die Russen mit Sanktionen“ (New York Daily News, 6.3.) – „Obama stärkt Jazenjuk den Rücken“(ORF, 12.3.) – „Obama muss sich als Krisenmanager bewähren“ (Standard, 3.3.)
„Merkel ringt Putin in Krim-Krise Zugeständnis ab“ (n-tv 16.6.) – „Merkel bekräftigt Drohung mit EU-Wirtschaftssanktionen“ (FAZ, 13.3) – usw.
Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ drängen sich auf:
„Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“
Wenn man dergleichen Meldungen ernst nehmen würde, so entsteht der Schein, es wären wirklich nur ein paar Supermänner und -frauen, die die Welt regieren, der Rest sind Statisten, oder bloße Befehlsempfänger.
Damit wird ein demokratisches Ideal verbreitet und gepflegt: daß sich die werte Bevölkerung brav in regelmäßigen Abständen die Personen aussucht, die dann Land und Leute beherrschen und benützen, und sich nach der Bestellung ihrer Herren widerstandslos für alle Ziele der Politik einspannen läßt.
Mit dieser Art der Berichterstattung soll dem Leser/Hörer auch nahegelegt werden, sich vorzustellen, man müßte nur eine böse oder unnötige Figur wegräumen, entweder durch Krieg und Enthauptung, wie Saddam Hussein, oder durch einfaches Einsetzen eines geeigneten Technokraten, wie Monti oder Papadimos, oder durch eine sogenannte Revolution von der Straße, wie Mubarak oder eben jetzt Janukowitsch – und alles würde gut. Trotz der gegenteiligen Beispiele aus Irak, Ägypten usw. wird zäh an diesem Personenkult festgehalten: Die Welt wird so dargestellt, als gäbe es auf der einen Seite einen allmächtigen Alleinherrscher, und auf der anderen Seite das passive, gehorsame Volk.
Erstens haben ja sowohl Putin als auch Merkel eine Regierungsmannschaft hinter sich, die ihre Entscheidungen mitträgt und unterstützt. Zweitens haben auch beide große Teile der Bevölkerung ihres Landes auf ihrer Seite. (Das wird von der Presse im Falle Deutschlands wohlwollend quittiert und als Charisma der Kanzlerin positiv verbucht, während es in Rußland verärgert und als „Gefahr für die Demokratie in Rußland“ zur Kenntnis genommen wird.) Es sind also keineswegs einsame Entscheidungen, die diese Machthaber treffen, sondern sie beruhen auf Konsens und werden daher von einer Mehrheit mitgetragen. Die Regierungen Rußlands und Deutschlands sind also handlungsfähig.
Schon ein wenig anders ist die Lage bei Barack Obama. Der Präsident der Weltmacht Nr. 1 kann zwar Pakistan mit einem Drohnenkrieg überziehen und dort regelmäßig Dörfer in Schutt und Asche legen. Aber im eigenen Land schafft er es nicht, eine landesweite Krankenversicherung durchzusetzen, und inzwischen hat sich das Theater etabliert, das jedes Jahr einmal um das Budget und die Verschuldung aufgeführt wird. Die US-Regierung ist mit einem System von Institutionen und einer Opposition konfrontiert, die den Staat zeitweise an den Rand der Handlungsunfähigkeit bringen.
Noch anders ist die Lage in der Ukraine. Die ukrainische Führung hatte gar nicht die Autorität und die Mittel, ein Gewaltmonopol zu errichten. Das Land funktioniert nach einer Art Konkursverwaltung, wo sich die Verwalter aus der Masse bedienen. Es gibt keine Trennung zwischen Staat und Privatsektor, es fand keine Privatisierung statt, der Staat kann seine Rechnungen nicht zahlen, er hat keinen Kredit, und kann sich daher kaum über Verschuldung finanzieren. Nirgends war also das Bild des allmächtigen Herrschers falscher als in der Ukraine. Der „Statthalter“ Rußlands, die Marionette der ukrainischen Oligarchen, die im Parlament nur mittels Duldung der Kommunistischen Partei Mehrheiten zustande und Gesetze durchbringen konnte, wurde von den westlichen Medien zu einem Willkürherrscher aufgebaut, der in der Ukraine nach Belieben schalten und walten kann.
Zunächst wurde Janukowitsch von den Medien als Bösewicht dargestellt, dessen Laune es zu verdanken sei, daß das Assoziationsabkommen nicht zustandekam. Sozusagen aus Jux und Tollerei, oder weil er sich von Putin „unter Druck“ habe setzen lassen, habe er und nur er die Unterschrift „verweigert“. Damit wurde einerseits das Bild vermittelt, es läge nur an ihm und hätte nichts mit irgendeiner Staatsraison zu tun, wie die Entscheidungen der ukrainischen Regierung ausfallen. Zweitens wurde damit so getan, als wäre dieser Vertrag eine wahre Wohltat für die ukrainische Bevölkerung, die ihr durch die Engstirnigkeit oder Selbstsucht eines einzigen Mannes verwehrt wurde.
Als dann Janukowitsch – für die EU-Politiker überraschend – gestürzt wurde, waren kurzzeitig lange Gesichter angesagt. Der mühsam aufgebaute Drehpunkt der eigenen Interessen war weg. Und damit war auch die Vorstellung blamiert, man müsse nur auf den – rechtmäßig gewählten – „Diktator“ genug Druck machen, damit sich dieser den eigenen Ansprüchen beugt.
Die jetzigen beiden Hampelmänner aus der Timoschenko-Truppe unterschreiben zwar bereitwillig alles, was man ihnen vorlegt, inwiefern sie das aber durchsetzen können, ist unklar. Es werden jedenfalls von EU und IWF Fakten gesetzt, um dann später Rechtstitel gegen etwaige andere Politiker in der Hand zu haben.
Es ist durchaus möglich, daß diese harten Bedingungen, die jetzt dieser sogenannten Übergangsregierung („Übergang“ wohin?) diktiert werden, dann auch der Grund werden, warum gar keine Regierung mehr zustandekommt: Sich eine Regierung wählen, die die Preise erhöht und die Gehälter und Pensionen kürzt, – ja natürlich, aber dafür gehören wir jetzt zu Europa?!
In diesem Falle wären die triumphierend vorgelegten und von den Statthaltern der EU unterzeichneten Vertragswerke allerdings Makulatur, und etwaige Kredite des Westens (IWF, EU, private Banken) stünden auf dem Spiel.