Pressespiegel El País, 2.4.: Ukrainische Offensive

DIE UKRAINE SENKT DIE ERWARTUNGEN EINER UNMITTELBAR BEVORSTEHENDEN GROSSEN GEGENOFFENSIVE,

die eine Wende im Krieg bringen soll.

Mitglieder der Selenskij-Regierung, der Streitkräfte und Analysten warnen davor, dass die Bedingungen für einen endgültigen Gegenangriff der Kiewer Truppen noch nicht gegeben sind.

Die ukrainischen Behörden befürchten, dass das Fell des Bären verkauft wird, bevor er erlegt ist. Das Problem sind die Erwartungen, die rund um die Gegenoffensive geweckt werden, die die Streitkräfte der Ukraine vorbereiten. Analysten und Medien gehen davon aus, dass es in diesem Frühjahr zu einem großangelegten Angriff auf russische Truppen kommen wird, der sogar unmittelbar bevorsteht, aber die Außen- und Verteidigungsminister haben bereits begonnen, die Gemüter abzukühlen. „Wir müssen der Wahrnehmung, dass diese Gegenoffensive die entscheidende Schlacht des Krieges sein wird, auf jede erdenkliche Weise entgegenwirken“, sagte der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba am Mittwoch in einem Interview mit der Financial Times.

Oleksij Reznikov, der ukrainischerVerteidigungsminister, betonte am 27. März im estnischen Fernsehen ERR den Druck, den er bei der öffentlichen Meinung und den Sicherheits-Analysezentren hinsichtlich der bevorstehenden Gegenoffensive feststellt.
Reznikov merkte an, dass die Operation eher im Mai beginnen werde, obwohl dies von den Wetterbedingungen und davon abhänge, ob die Truppen über genügend Waffen für die Durchführung verfügen werden. Der Präsident, Volodímir Zelenski, äußerte sich vergangene Woche mit ähnlichen Worten. Der Frühling ist die schlechteste Jahreszeit für die Bewegung von Bataillonen, weil die starken Regenfälle das Land und die unbefestigten Straßen in einen Sumpf verwandeln, in dem die gepanzerten Fahrzeuge stecken bleiben.

Reznikov betonte auch, dass seine Armee noch britische Leopard- und Challenger-Panzereinheiten, neue Artilleriegeschütze und gepanzerte Infanterieträger erhalten muss, die ihren westlichen Verbündeten zur Verfügung gestellt werden sollen.
Zudem wollen die USA die Auslieferung ihrer Abrams-Panzer beschleunigen. Insgesamt werden neun europäische Länder in einer ersten Phase 150 Leopard-Panzer entsenden – Spanien hat sich zu 10 verpflichtet –, wie Mitte März vom US-Verteidigungsminister Lloyd Austin angegeben; Washington hat zugesagt, 31 Abrams und das Vereinigte Königreich 14 Challenger 2 zu liefern. Die ukrainische Armee gibt nicht bekannt, wie viele dieser gepanzerten Fahrzeuge bereits im Land sind, aber es ist immer noch eine geringe Anzahl. Das Training auf dem Challenger 2 sei abgeschlossen, aber es gebe noch Panzereinheiten, die im Umgang mit dem Leopard, dem Hauptstück der ukrainischen Offensive, trainieren.

Die Entsendung von rund 700 gepanzerten Infanteriefahrzeugen wurde zwischen der Ukraine und ihrer Koalition von Verbündeten, angeführt von Deutschland und den USA, vereinbart. Die Zahl kommt dem Bedarf nahe, den der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Valerij Zaluzhnij, Ende 2022 in Bezug auf die Ressourcen erhoben hat, die zur Befreiung aller von Russland bei der aktuellen Invasion besetzten Gebiete erforderlich sind: 700 gepanzerte Infanterie Fahrzeuge und 300 schwere Panzer.
Hinzu kommt eine neue Bedingung, wie der Sprecher der Luftwaffe, Juri Ihnat, am 17. März erklärte: Die Ukraine müsse Nato-Kampfflugzeuge erhalten, »um eine erfolgreiche Gegenoffensive zu starten, die Kontrolle über den Luftraum zu haben«. Sowohl die USA als auch die wichtigsten EU-Mächte haben sich aus Angst vor einer Eskalation der Spannungen mit Russland bisher geweigert, diese Flieger bereitzustellen.

Der Juni wird ein Schlüsselmonat sein

Mikola Bjelieskov, einer der führenden Experten des Nationalen Instituts für Strategische Studien, einer Einrichtung der ukrainischen Präsidentschaft, erklärte am 28. März im Sender »Nastojaschtschije Vremia«,“

– ein von Radio Free Europe aus Prag betrieber russischsprachiger Sender –

warum die Gegenoffensive Ende des Frühjahres stattfinden wird. »Eine Offensive dieser Art erfordert eine sehr ernsthafte Vorbereitung. Es dauerte bis letzten Januar, bis [die Verbündeten] sich verpflichteten, der Ukraine Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Artilleriesysteme zu schicken. Außerdem brauchen wir Munition von ihnen«, sagte Bielieskov und fügte den Zeitrahmen hinzu, den er sich vorstellt: »Realistischerweise wird die Gegenoffensive spät im zweiten Quartal oder früh im dritten [zwischen Juni und Juli] stattfinden.«

Bjelieskov hob ebenfalls die Bedingungen des Geländes im Frühjahr als hindernden Umstand hervor und kam zu dem Schluß, dass sich zwischen Juni und Juli, der Zeit vor der Eingliederung der neuen Soldaten, die von den Invasoren mobilisiert werden, »ein Fenster der Gelegenheit« öffnen werde.
Der russische Präsident Putin hat diese Woche nämlich ein Dekret zur Rekrutierung von 145.000 Männern unterzeichnet, die zwischen April und Juli in die Armee eintreten werden.

Die meisten westlichen militärischen Analysezentren sind sich einig, dass die russische Offensive, die im Winter begann, ihren Höhepunkt erreicht hat und die Angriffe an den Fronten von Lugansk und Donezk aufgrund des Mangels an materiellen Ressourcen und der erlittenen Tausenden von Opfern im Kampf um die Kontrolle der Stadt Bachmut an Intensität verlieren.
Das American Institute for the Study of War, eines der am häufigsten zitierten Forschungszentren zur Überwachung des Konflikts in der Ukraine, berichtete am 20. März, dass die russische Offensive bereits ihre maximale Intensität erreicht habe, mit geringen Fortschritten, und dass sich die Invasoren nun auf die Verstärkung ihrer Verteidigungspositionen konzentrieren würden.

Diese Meinung wird von Luke Coffey, Experte am Hudson Institute und pensionierter US-Militär, geteilt. »Ich denke, die russische Offensive hat begonnen und wird bald enden. In diesem Moment werden wir eine russische Verlagerung hin zu Verteidigungsoperationen sehen«, erklärt Coffey gegenüber EL PAÍS.
Dara Massicot, eine Forscherin bei RAND, einer kalifornischen Organisation für Sicherheits- und soziologische Studien, erklärte im vergangenen Februar in einem Dokument, was das Schlachtfeld bestätigt hat: »Russland scheint sich auf begrenzte Offensiven zu konzentrieren.«

Coffey ist wie Bjelieskov davon überzeugt, dass die ukrainische Gegenoffensive noch in weiter Ferne liegt: »Ich glaube nicht, dass die ukrainische Gegenoffensive starten wird, solange die Situation in Bachmut nicht stabil ist, der Schlamm nicht trocknet und westliche Panzer und gepanzerte Fahrzeuge mit ihren ausgebildeten Besatzungen nicht einsatzbereit sind.

Das Ziel ist Melitopol

Da Russland im Frühjahr nicht in der Lage ist, große Fortschritte zu erzielen,“

– ist das so sicher? Man wird sehen.

„welche wesentlichen Änderungen können am kriegerischen Schachbrett vorgenommen werden? Coffey zweifelt nicht daran, dass der eigentliche Schachzug, die Zurückdrängung der Invasoren, darin bestehen würde, von der Südfront, von Saporischschja, in die von den Russen seit einem Jahr besetzte Stadt Melitopol und an die Küste des Asowschen Meeres vorzudringen.
Die US-amerikanischen und britischen Geheimdienste beharren seit letztem Januar darauf, dass sich die ukrainische Gegenoffensive auf einen Angriff auf Melitopol konzentrieren sollte, um feindliche militärische Nachschubrouten abzuschneiden, die von der russischen Provinz Rostow entlang der Küste des Asowschen Meeres bis zur Krim verlaufen.

Während eines Besuchs dieser Zeitung im Februar an der Zaporoschje-Front versicherten mehrere ukrainische Militäreinheiten, dass die Einnahme von Melitopol ein Vorher und Nachher im Krieg bedeuten würde.
Männer der 65. motorisierten Brigade räumten ein, dass die Belagerung dieser Stadt – mit 160.000 Einwohnern vor dem Krieg – und die Rückeroberung der 80 Kilometer bis Melitopol eine gewaltige Herausforderung wären.
Es wäre schon ein Erfolg, weit genug vorzurücken, um das gesamte von Russland besetzte Gebiet an der Küste des Asowschen Meeres und in der Provinz Cherson in Reichweite von Artillerie und Himars-Präzisionsraketen mit einer Reichweite von 80 Kilometern zu bringen.

Bjelieskov betonte, dass die ukrainische Gegenoffensive Ablenkungsoperationen des Feindes erfordern werde, sodass jeder Plan mehr Vorbereitungszeit erfordere, da er seine Rückseite haben müsse. Dies geschah im September 2022, als die ukrainische Armee den Feind täuschte, indem sie eine Großoffensive in der Provinz Cherson im Süden des Landes ankündigte, während sie eine geheime Operation zur Befreiung der Provinz Charkow im Osten abschloss.“

Die Offensive bei Cherson gab es damals ja tatsächlich, sie wurde nicht vorgetäuscht, und da ist auch ein Haufen ukrainische Soldaten draufgegangen.
Es ist fraglich, ob die Ukraine für so eine Ablenkungsoffensive genug Leute zusammenkriegen würde, da das Militär schon für die Haupt-Offensive Personalprobleme hat.
Außerdem werden sich die Russen ein zweites Mal nicht so einfach überrumpeln lassen.

Die Konfrontation zwischen China und dem Westen

AUF DEM WEG ZUR NR. 1?

Die Konflikte um die Mikrochips, Taiwan, die BRICS, die Allianz mit Rußland, die neue Seidenstraße, Spionageballons, Chinas Einfluß in Lateinamerika und weitere Fronten, die sich aus dem Aufstieg Chinas ergeben.

Bei der Gegenüberstellung fällt auf, daß das, was bei den USA „Marines“ heißt, bei der chinesischen Armee keine Entsprechung besitzt.

Man könnte es mit „schnelle Eingreiftruppe“ übersetzen. Dergleichen Truppen besitzen auch die europäischen NATO-Partner und die Ukraine.

China hält so etwas offenbar nicht für nötig.