Das Weltwährungssystem und seine Gefährdung

OBAMA RUFT ZAPATERO AN
Der Euro ist mit der Krise um die griechische Staatsschuld selber als Weltwährung in Frage gestellt. Die Schwierigkeiten Griechenlands, seine in Euro bilanzierte Staatsschuld zu bedienen, haben die Finanzmärkte mißtrauisch werden lassen. Der Euro, der immerhin eine Weltwährung ist, in den Währungsreserven der meisten Staaten Staaten der Welt als Devisenschatz liegt, und in dem viele Geschäfte und Rohstoff-Transaktionen verrechnet werden, ist als Maß der Werte, Ankerwährung, und ähnliches fragwürdig geworden. Damit auch alle Wertpapiere, die auf Euro lauten.
Es ist aber keineswegs so, daß die Schwäche des Euro die Hüter des Dollar freuen würde. Der Dollar bezieht einen Teil seines Wertes und seiner „Stabilität“ aus dem Verhältnis zum Euro, und aus Geschäften, die zwischen Dollar- und Euro-Besitzern getätigt werden.
Die Turbulenzen um den Euro verursachen offensichtlich auch dem amerikanischen Präsidenten Sorgenfalten und so griff er am 11. Mai zum Telefon, um den spanischen Regierungschef anzurufen.
Über den Inhalt dieses Gespräches gibt es verschiedene Versionen. Von spanischer Seite verlautet, sie hätten eigentlich nur Smalltalk gemacht.
Eher unglaubwürdig zwischen zwei Personen ihres politischen Kalibers.
Die Pressemeldung des Weißen Hauses ist etwas ausführlicher:
”They discussed the importance of Spain taking resolute action as part of Europe’s effort to strengthen its economy and build market confidence. The President expressed the support of the United States for those efforts.“ (Erklärung)
Obama hat also Zapatero aufgefordert, schleunigst etwas für die Stabilität des Euro zu tun.
Der Erfolg war durchschlagend: Am nächsten Tag verkündete der spanische Regierungschef im Parlament, unter anderem die Beamtengehälter dieses Jahr um 5% zu kürzen und für 2011 einzufrieren, die Invalidenrenten einzuschränken, die Pensionen nächstes Jahr nicht zu erhöhen, und den Babyscheck (2.500 Euros pro Lebendgeburt) abzuschaffen. Damit sollen 15.000 Millionen Euro eingespart werden.
Der Mann hat sicher die ganze Nacht durchgearbeitet, um mit diesen Erklärungen aufwarten zu können.
Was ist hier alles passiert?
Der amerikanische Präsident macht sich Sorgen um seine Währung und seine Nation und möchte, daß andere, also Staatenlenker der Euro-Zone, sich um ihre Währung kümmern, um dem Dollar zu nützen. Daran erkennt man, daß es sich die USA nicht leisten können, den Euro fallen zu lassen, es sich andererseits aber auch nicht leisten wollen, ihn zu stützen. Also ergeht an den EU-Vorsitz und gleichzeitig Problemkandidaten Spanien ein informeller Anruf: Tuts was, Leute!
So informell, daß man es dabei bewenden lassen würde, ist dieses Gespräch auch nicht gewesen. Immerhin wurde es veröffentlicht und durch den Pressesprecher des Weißen Hauses auch noch kommentiert:
Die Regierungschefs „sprachen davon, wie wichtig es sei, daß Spanien Rettungsmaßnahmen ergreift, als Teil der Anstrengungen Europas, seine Wirtschaft und das Vertrauen der Märkte zu stärken.“ (El País, 12.5.)
Damit auch alle Welt weiß, daß Obama dem spanischen Regierungschef einen kleinen freundschaftlichen Stesser gegeben hat.
Der spanische Premierminister wiederum verkündet bereits am nächsten Tag im Parlament sein Sparprogramm.
Was ist dazu zu sagen?
Zapatero nimmt den Anruf sehr ernst, obwohl er dementiert, direkt zu den Sparmaßnahmen aufgefordert worden zu sein, die er jetzt vorschlägt. Als Vollstrecker amerikanischer Befehle will er nicht dastehen. Er hat es jedoch sichtlich sehr eilig.
Wie kommen Beamtengehälter zustande? Doch wohl so – es handelt sich ja immerhin um Angestellte des Souveräns selbst und nicht um marokkanische Erntehelfer – daß diese Leute bei Antritt ihres Jobs einen Vertrag erhalten haben, in dem ihre Rechte und Pflichten und auch ihre Bezahlung festgehalten sind.
Wenn Zapatero jetzt eine 5-prozentige Reduktion ihres Gehaltes in Aussicht stellt, so begeht er damit einen Vertragsbruch. Während ein solcher im Zivilrecht, sofern er zwischen Privatpersonen geschieht, geahndet wird, so kann sich der Staat anscheinend, als die Grundlage und erste Bedingung des Rechtes, über von ihm selbst unterzeichnete Verträge hinwegsetzen. (Diese Maßnahme betrifft angeblich 2,5 Millionen Beamte.)
Bei den anderen Maßnahmen handelt es sich immerhin um im Parlament beschlossene Gesetze, deren Modifikation oder Abschaffung auch erst einmal durch das Parlament genehmigt werden müssen.
Was werden die Folgen davon sein?
Erstens, hitzige innenpolitische Debatten, die Bemühung des ökonomischen Sachverstandes und der patriotischen Gefühle, um alle maßgeblichen Teile der Nation (Opposition, Gewerkschaften, Medien, Kirche usw.) hinter sich zu versammeln.
Zweitens, ein ziemlicher Rückgang der Kaufkraft, ein Anstieg der Kreditausfälle der Banken im Konsumentensektor, da viele der solchermaßen in ihrem Einkommen verkürzten Personen und Familien in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden. Sie haben sich ja deswegen verschuldet, weil ihr bisheriges Einkommen für bestimmte Anschaffungen nicht gereicht hat.
Drittens, in Folge dessen, Rückgang des Konsums, Probleme im Handel, vielleicht wieder Bankprobleme, und Bedarf an Stützungen seitens der Regierung, um Konkurswellen oder Bankenkrachs zu verhindern.
Alles in allem, schöne Perspektiven für die spanische Bevölkerung.
Es fragt sich nur: sind das wirklich vertrauensbildende und aufmunternde Signale an die „Märkte“, „Investoren“, „Spekulanten“, Rating-Agenturen?

3 Tote in Griechenland

DER GEWALTAPPARAT BRINGT SICH IN STELLUNG
Bei einem Brandanschlag auf eine Bank in Athen gab es drei Tote, die an einer Rauchgasvergiftung erstickt sind.
Die Bank hat am Tag der Demonstration nicht zugesperrt, was bei Demonstationen dieser Größe völlig unüblich ist.
Diese Bankfiliale hat, wie fast alle Firmen in Griechenland, keine Brandschutzeinrichtungen, keinen Evakuierungsplan und wurde nie feuerpolizeilich genehmigt. Diese Vernachlässigung des Feuerschutzes ist völlig üblich in Griechenland.
Die Bankangestellten wurden von der Leitung – vermutlich bei in Aussicht gestellter sofortiger Entlassung für den Fall, daß sie an dem Tag nicht am Arbeitsplatz auftauchen würden – dazu genötigt, dort zu sein.
Zitat: „Die Geschäftsführung der Bank hat den Angestellten strikt verboten, heute zu gehen, obwohl sie selbst seit dem frühen Morgen immer wieder darum gebeten hatte – sondern zwangen die Angestellten auch dazu, die Türen abzuschließen und bestätigten telefonisch immer wieder, dass das Gebäude den ganzen Tag über abgeschlossen zu bleiben habe. Sie kappten sogar die Internetverbindung der Angestellten, um sie an der Kommunikation mit der Außenwelt zu hindern.
Die beiden Zivilbullen, die der besagten Filiale zur Verhinderung von Banküberfällen zur Verfügung gestellt wurden, sind heute nicht gekommen, obwohl die Geschäftsführung der Bank den Angestellten mündlich versprochen hatte, dass sie da sein würden.“
(Quelle: )
Der Besitzer der Marfin Egnatia Bank ist Andreas Vgenopoulos, ein großer Bank-Tycoon mit politischen Verbindungen und Ambitionen, der in letzter Zeit von den Medien gern zu einer Art „Retter der Nation“ aufgebaut wurde.
Als die Brandsätze von Demonstranten in das völlig ungeschützte Bankgebäude geworfen wurden, waren deren Angestellte also dort eingesperrt und hatten keinen Fluchtweg.
Die Medien, deren Mitarbeiter sich über die Journalistengewerkschaft dem Streik angeschlossen hatten, beschlossen um 4 Uhr nachmittag, den Streik abzubrechen. Es folgte eine Hetzkampagne gegen die radikale Linke in Griechenland: Kommunisten und Anarchisten. Sie wurden als Mörder und Anstifter zum Mord dargestellt.
Die Kommunistische Partei Griechenlands hat über ihr Generalsekretariat im griechischen Parlament darauf hingewiesen, daß die Brandsätze vielleicht von neofaschistischen Gruppen geworfen worden seien, die mit der Polizei zusammenarbeiten. Es gibt Beweise aus der Vergangenheit für dergleichen Zusammenarbeit. Diese Aussage wurde von den Medien totgeschwiegen.
Inzwischen wurde eine Jagd auf polizeilich bekannte Linke angezettelt und Hunderte von Personen aus dem anarchistischen und kommunistischen Umfeld verhaftet.
(Quelle: Dimitris Pantulas, in „Rebelión“)
Das Exarchia-Viertel von Athen, das als Brutstätte linker Bewegungen gilt, wurde von der Polizei umstellt und wird systematisch durchkämmt.
In „Heute“, einem Nebenprodukt der Kronenzeitung wurde heute erwähnt, daß 1. das griechische Parlament das von der EU verordnete Sparprogramm angenommen hat, und daß 2. „Beobachter“ „Notfallmaßnahmen“ nicht für ausgeschlossen halten.
Wenn ein gutinformiertes Blatt wie die „Krone“ solche „Beobachter“ zitiert, so hat das Gewicht. Die griechische Regierung und das griechische Militär erwägen also außergewöhnliche Maßnahmen, und sie haben offensichtlich auch bei den maßgeblichen EU-Gremien nachgefragt und dafür grünes Licht gekriegt.
Was sind also die Perspektiven? Im Heimatland der Demokratie wird selbige vermutlich bald ein Stück weit ausgesetzt. Jede Menge Kritiker werden – oder sind bereits – verhaftet, Demonstrationen verboten, eine Art Ausnahmezustand verhängt, und das alles mit Zustimmung der EU. Auch im Interesse eines abschreckenden Beispiels für andere von der derzeitigen Krise gebeutelten Länder.
Alles im Interesse der Rettung „unserer Wirtschaft“, des Euro, des Kredits und des Geschäftemachens weltweit.

Über Sparprogramme, „Maßnahmen“, Staatshaushalte usw.

DIE BETRIEBSKOSTEN DES KAPITALISMUS
Angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands kursieren alle möglichen Erklärungen durch die Medien, die größtenteils Unsinn sind, aber dennoch einiges darüber aussagen, wie Staat gemacht wird.
„Kein Wunder, daß die Griechen pleite sind! Kein Mensch zahlt dort Steuern!“
Sprüche dieser Art offenbaren 1. eine Unkenntnis über Staatshaushalte, und 2. eine Unkenntnis über
1. Steuern.
Wenn der österreichische Finanzminister sich darüber beklagt, daß viele Steuerpflichtige in Österreich keine Steuer zahlen, so trägt er auch zu diesem Mißverständnis bei.
Es gibt nämlich einerseits Steuern, die Löhne und Gehälter betreffen, Einkünfte aus Vermögen und Unternehmensgewinnen, also solche, die auf irgendeine Art von Einkommen berechnet sind; und andererseits Konsumsteuern. In Österreich halten sich diese beiden Steueraufkommen so ziemlich die Waage. Die Steuereinnahmen des Staates bestehen also zur Hälfte aus Einkommenssteuern, zur Hälfte aus Konsumsteuern. Diese letzteren aber zahlt jeder dauernd, auch die Griechen: Ob man eine Wurstsemmel kauft, ein T-Shirt oder tankt, überall führt man einen Teil des Kaufpreises an die Staatskassa ab.
Beide Arten von Steuern lassen sich nicht unbegrenzt erhöhen: Zieht man dem Normalverbraucher zuviel von seinem Lohn ab, so kann er sich nicht mehr reproduzieren und wird unbrauchbar, was vom Standpunkt des Staates heißt: Er fällt als Einnahmequelle aus.
Zieht man dem Unternehmer zuviel von seinem Gewinn ab, so kann er sein Kapital nicht mehr reproduzieren und erweitern, gerät gegenüber der ausländischen Konkurrenz, die unternehmerfreundlichere Steuersätze hat, ins Hintertreffen und geht schließlich als Unternehmer baden – auch hier Ausfall der Einkommensquelle.
Die Erhöhung der Konsumsteuern hingegen treibt die Preise in die Höhe und lähmt den Konsum und das Geschäftsleben. Die Zahl der Käufe und Verkäufe reduziert sich und der Effekt der Steuererhöhung läuft Gefahr, durch eine Verringerung der besteuerbaren Ereignisse zunichte gemacht zu werden.
Also noch bevor irgendein Lobbyismus oder Überlegungen über Wirtschaftsförderung oder soziale Not ins Spiel kommen, merkt der Staat bei seinem Bedürfnis nach Einnahmen, daß er sich beim Abzocken seiner Bevölkerung zurückhalten muß.
Gleichzeitig hat er aber jede Menge
2. Ausgaben,
die irgendwie finanziert werden müssen.
Dazu gehören einmal die Regierungskosten selbst: Gehälter für Politiker und Parlamentarier, jede Menge Gebäude, in denen sich diese herumtreiben, und auch an der Repräsentation darf nicht gespart werden, weil wie würde das aussehen!
Dann leistet sich fast jeder Staat ein Bundesheer mitsamt dem dazugehörigen Gerät, auch das ist nicht billig.
Als weiteres kommen hinzu: Polizei und Justiz, Unterricht und Bildung, Kunst und Kultur, ein flächendeckendes Gesundheitswesen, Infrastruktur, usw.
Alles das verteuert sich noch zusätzlich dadurch, daß der Staat nicht nur als normaler Käufer auftritt und den Marktpreis bezahlt, sondern auch noch im Versuche, seine Wirtschaft zu fördern, besonders gut zahlt, also über Marktpreis, bzw. durch seinen gesteigerten Bedarf und seine solide Zahlungsfähigkeit den Marktpreis in die Höhe treibt, z.B. im Falle der Medikamente.
Ein moderner Staat hat also einen großen Geldbedarf und beschränkte Einkünfte aus der Besteuerung seiner Bevölkerung.
Und so hat es sich eingebürgert, auch nicht gerade in neuerer Zeit, sondern seit ein paar Jahrhunderten, den fehlenden Geldbetrag durch Ausgabe von Anleihen zu ergänzen, also durch
3. Schulden
Diese Anleihen der verschiedenen Staaten haben inzwischen in den Bankschätzen der Nationalbanken die Edelmetalle ersetzt. Das gesamte Weltwährungssystem beruht also auf dem Vertrauen, das die Anleihen der wichtigen kapitalistischen Länder in der Finanzwelt genießen.
Ein Anleger, der Staatsanleihen kauft, worauf vertraut der eigentlich? Er vertraut darauf, daß der Staat 1. weiterbesteht und 2. zahlungsfähig bleibt. Die Zahlungsfähigkeit dieses Staates beruht jedoch auf seiner Verschuldungsfähigkeit. Ein Staat ist also nur so lange zahlungsfähig, als er vertrauenswürdig ist und seine Anleihen gekauft werden. Jeder Staat finanziert seine Verschuldung durch Neuverschuldung, und die Staatsschuld als ganze wächst. Kredit schafft weiteren Kredit.
Auch das ist alles kein Geheimnis, und galt solange als unbedenklich, als auch die nationale Wirtschaft, die ein solcher Staat verwaltet, prosperiert und sich das „Wirtschaftswachstum“ – eine volkswirtschaftliche Größe, von der eigentlich niemand so genau weiß, was in ihr eigentlich ausgedrückt ist – irgendwie proportional zur Verschuldung verhält. Während also niemand in Staatsanleihen von Zimbabwe investieren würde, galten diejenigen anderer Staaten bis vor nicht allzulanger Zeit als die solidesten Wertpapiere, die sich in diversen Portfolios finden können.
Es gab da zwar einen kleinen Betriebsunfall, Argentinien, der wurde aber seltsam cool als kleiner Kollateralschaden des Kreditsektors verbucht und man ging wieder zur Tagesordnung über.
Wenn es jetzt heißt, Griechenland (und auch andere Länder) müßten „Sparmaßnahmen ergreifen“, „ihren Haushalt in Ordnung bringen“ und „ihren Schuldenberg abbauen“, so ist das seltsam widersprüchlich angesichts der Ausgangslage: daß Schulden immer deshalb gemacht werden, um den Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben zu überbrücken, und durch weitere Verschuldung finanziert werden.
Jetzt sollen auf einmal alle Staaten ihre Schuldenberge durch Sparen und Steuererhöhungen abtragen?
Wie soll das gehen?
Schulen zusperren, Ärzte entlassen, bestellte Panzer und Abfangjäger wieder abbestellen, Autobahnen nicht fertigbauen?
Und dabei Steuern erhöhen oder dort eintreiben, wo schon bisher nichts zu holen war?
Da bin ich aber neugierig, ob diese Maßnahmen „vertrauensbildend“ auf die „Märkte“ wirken werden, ganz unabhängig davon, wie die Bevölkerung vor Ort dagegen aufbegehrt.
Die Kosten des Kapitalismus, die der Staat bestreitet, sind nämlich zu dessen Aufrechterhaltung notwendig: Unterbleibt diese Hilfeleistung, so bricht das kapitalistische Geschäft zusammen.