Kompromiss in den USA

SCHULDENGRENZE

„Die USA vermeiden den ersten Staatsschuldenausfall mit einer politischen Einigung »in extremis«. Die Demokraten bringen mit minimaler Mehrheit im Senat eine Verlängerung bis Dezember durch, die es ermöglicht, die Grenze um 480.000 Millionen Dollar anzuheben, um die anstehenden finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen (…) Die an diesem Donnerstag erzielte Einigung impliziert, daß ein tief gespaltener Kongreß in den nächsten acht Wochen vor der doppelten Herausforderung steht, einen Kompromiß für die Ausgaben der Regierung bis September 2022 in so unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Einwanderungskontrolle an den Grenzen oder Flughafensicherheit zu finden, um einen weiteren Zusammenbruch der Schuldengrenze zu vermeiden.“ (El País, 9.10.)

Dieses Theater spielt sich in den USA seit geraumer Zeit ab, unter Obama teilweise mit dramatischen Noten wie einem tatsächlichen Zahlungsstopp für öffentliche Institutionen, bis dann nachträglich doch wieder eine Erhöhung der Schuldengrenze beschlossen werden konnte. Es hat damals schon einmal die Regierung Chinas zu der spöttischen Bemerkung veranlaßt, daß die Demokratie nicht das Gelbe vom Ei sein kann, wenn sie ihr Herrschaftspersonal regelmäßig an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringt.

Es ist wirklich bemerkenswert, daß sich die Eliten der USA regelmäßig unter Krämpfen darauf einigen müssen, in Sachen Staatsfinanzen so weiterzumachen wie bisher, also Schulden auf Schulden häufen. Man könnte ja einmal naiv fragen: Warum denn nicht, wenn es bisher auch gegangen ist?

Mit der Parteienkonkurrenz ist das nur bedingt zu erklären, wenngleich die in den USA eine gewisse Rolle spielt: Die Republikaner nehmen dort die Rolle der schwäbischen Hausfrau ein, die angesichts der Schuldenlast die Hände zusammenschlägt und sagt: Das kann doch nicht gutgehen! – das Ganze noch gepaart mit viel Verantwortlichkeitsgedusel gegenüber dem p.t. Publikum, das ihre Wählerschaft ausmacht und dem man diese Schuldenlast unmöglich aufbürden kann.

Dabei ist zu erinnern, daß es ein Republikaner, nämlich Nixon war, der die Bindung an den Goldstandard aufgegeben hat und dadurch erst die unbegrenzte Verschuldung ermöglicht hat:

„Vor 50 Jahren, am 15. August 1971, kündigte Nixon in einer Rundfunk- und Fernsehansprache einseitig die Verpflichtung der Vereinigten Staaten auf, Dollar in Gold zu tauschen. Der Dollar verlor damit über Nacht seine Funktion als Anker für die anderen Währungen. Den Rest der Welt traf die Rede völlig unvorbereitet, weshalb sie als Nixon-Schock in die Geschichte einging.“ (Süddeutsche, 15.8. 2021)

Damit hatte sich die USA praktisch unbegrenzte Verschuldungsfähigkeit gesichert, weil der Dollar nach wie vor die Anker- und Leitwährung blieb – und bis heute ist, zumindest für die Devisenmärkte und die auf ihnen gehandelten Währungen.

Um hier dennoch eine Kontrolle ausüben zu können, wurde 1974 – auch noch unter Nixon – das „Congressional Budget Office“ geschaffen, eine Parlamentsbehörde, die die Schuldenaufnahme und die Verwendung der solcherart aufgenommenen Gelder überprüfen muß. Lange Zeit führte diese Behörde ein Schattendasein und gab Berichte über Einnahmen und Ausgaben heraus, wie eine Art Staats-Buchhalter, vergleichbar dem Rechnungshof bei uns. Sogar die rasante Verschuldung unter Reagan zur Finanzierung des Raketenabwehrsystems SDI gab keinen Anlaß zur Besorgnis – es handelte sich ja um Verschuldung für einen guten Zweck.

Erst mit dem Ende des Kalten Krieges rührte sich ein gewisses Mißbehagen bei dieser Behörde und den US-Parlamentariern über Sinn und Zweck der Verschuldung. Dem begegnete der Präsident Clinton mit einem Budgetüberschuß von 1998 bis 2001. Der Tenor war damals: Der Sieg über die SU hat die Marktwirtschaft gestärkt, wir wirtschaften solide und können unsere Unkosten aus dem Wachstum finanzieren.

Als sein Nachfolger Bush die Verschuldung für den „Krieg gegen den Terror“ in die Höhe trieb, so war das auch noch immer für alle Beteiligten begreiflich und wurde vom Parlament problemlos abgesegnet, es war sozusagen eine patriotische Pflicht. Damals wurden einige Kriege begonnen, die sich für die USA als sehr kostspielig erweisen sollten, was aber erst seinem Nachfolger auf den Kopf fiel.

Obama erbte nämlich nicht nur diese Kriege und ihre Kosten, sondern auch die Finanzkrise, die durch die Überakkumulation an Kapital von den USA aus die ganze Welt überzog. Und seither rückt das Problem der USA, nicht nur ihre Ausgaben, sondern auch ihre Schulden zu finanzieren, in den Vordergrund. Der Schuldendienst ist zwar noch immer ein relativ geringer Posten im Budget, und die USA haben auch kein Problem, ihre Schulden zu plazieren, da sie im Unterschied zu verschiedenen EU-Staaten immerhin Positivzinsen zahlen. Aber inzwischen ist klar, daß die Schulden nur wachsen können. Und damit stellt sich immer mehr die Frage, wodurch sie eigentlich beglaubigt werden?

Die Weltmacht der USA bestand nämlich nicht nur aus ihrer Fähigkeit, einen Teil der Welt mit Krieg überziehen zu können, sondern auch auf ihrer Kontrolle über die Energieträger. Diese Schmiermittel der Weltwirtschaft, Öl und Gas, wurden lange von den USA als eine Art Eigentum betrachtet, das nur in Dollars gehandelt werden durfte. Gaddafi und Saddam Hussein kostete es das Leben, sich dem zu widersetzen.

Inzwischen hat sich hier einiges geändert: Rußland, China und Venezuela entziehen sich dieser Kontrolle, auch die brasilianische Ölindustrie ist derzeit zwar US-hörig, aber das kann sich bei einem etwaigen Machtwechsel in Richtung PT wieder ändern. Das Setzen der EU auf die sogenannten erneuerbaren Energien stellt eine weitere Zurücknahme der Energieabhängigkeit des alten Kontinents, dar, neben Nord Stream II.

Daher die Unschlüssigkeit und die Bedenken der US-Politik über die Zukunft ihrer Verschuldungsfähigkeit, die auch die Stellung ihrer Währung beeinflußt, und umgekehrt.

8 Gedanken zu “Kompromiss in den USA

  1. Internationaler Währungsfonds: IWF-Chefin Georgiewa übersteht Vorwürfe

    Die wegen angeblicher Schönung eines Berichts zugunsten Chinas unter Druck geratene IWF-Chefin Kristalina Georgieva darf ihr Amt behalten. Sie genießt weiter das Vertrauen des Aufsichtsgremiums des Währungsfonds.

    Der Internationale Währungsfonds reagiert immer scharf, wenn klamme Staaten wirtschaftliche Daten manipulieren. Doch genau dies, Datenmanipulation, wurde jetzt auch der Direktorin des IWF, Kristalina Georgiewa, vorgeworfen. "Nach Prüfung aller vorgelegten Beweise" erklärte das Exekutivdirektorium des IWF am Montagabend "sein volles Vertrauen" in die 68-Jährige, die ihre Aufgaben "weiterhin effektiv" erfüllen werde.

    Der Exekutivrat vertraue Georgiewas Verpflichtung, beim IWF "die höchsten Standards der Regierungsführung und Integrität" beizubehalten, erklärte das Gremium nach der achten Sitzung zu der Angelegenheit. Die 68-jährige Georgiewa hat die Vorwürfe gegen sie stets zurückgewiesen.

    US-Finanzministerin sieht "ernsthafte Vorwürfe"

    Die Bulgarin, eine frühere EU-Kommissarin und einst bei der Weltbank, steht seit 2019 an der Spitze des IWF. US-Finanzministerin Janet Yellen, die den größten IWF-Anteilseigner vertritt, erklärte, sie habe mit Georgiewa über die ernsthaften Vorwürfe gesprochen. Die USA sähen ohne weitere direkte Beweise zu Georgiewas Rolle aber "keine Basis für einen Wechsel in der Führung des IWF". Das Finanzministerium werde die Aufarbeitung genau verfolgen. (…)

    https://www.dw.com/de/iwf-chefin-georgiewa-%C3%BCbersteht-vorw%C3%BCrfe/a-59475712

    Wie sich herausstellte, hat die IWF-Chefin China bezüglich des Investitionsklimas besser abschneiden lassen als es im Ranking eigentlich vorgesehen war. Der Grund: „Zu der Zeit versuchte die Weltbank Unterstützung von der Regierung in Peking für eine große Kapitalerhöhung zu bekommen.“

    Die Weltbank ist also so pleite, daß sie nach China betteln gehen muß und verwendet ihre Verbindungen zum IWF, um an Kohle zu kommen.

    Eine bemerkenswerte Episode, die zeigt, daß IWF und Weltbank nicht mehr die Institutionen für die westliche Welt sind, als die sie geschaffen wurden und als die sie sich jahrzehntelang bewährt hatten.

    Der IWF-Chefin wiederum wird der Fauxpas verziehen, weil es anscheinend kaum geeignete Anwärter für diesen Feuerstuhl gibt.

  2.  Die Demokraten bringen mit minimaler Mehrheit im Senat eine Verlängerung bis Dezember durch, die es ermöglicht, die Grenze um 480.000 Millionen Dollar anzuheben, um die anstehenden finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen

    Ne halbe Milliarde? Das ist ja nix. Allein die Coronatests in D haben  bisher 5 Milliarden Euro gekostet. Und die USA sollen wegen eines Zehntels dieser Summe in Bredouille geraten. Seltsam.

  3. Nein, die Zahl ist schon korrekt: "480.000 Millionen Dollar" (oder "$480 billion debt limit increase by 219-206" sind 480 Milliarden Dollar. Um diesen Betrag wurde die Schuldengrenze erhöht. Auf "$28.9 trillion" Dollar, was auf deutsch 28,9 Billarden Dollar sind, oder 28,9 x 1 000 000 000 000 000 Dollar. Also doch schon recht viel, wie ich meine.

  4. Ok. Ich habe Millionen gelesen und die 3 Nullen glatt übersehen. 480 Milliarden oder eine halbe Billion ist ne Menge. a billion entspricht einer deutschen Milliarde, aber a trillion entspricht einer deutschen Billion und keiner Billiarde. Da kommt man leicht durcheinander.

  5. Yellen warnt: Zahlungsausfall der US-Regierung droht Mitte Dezember

    Die US-Finanzministerin fordert eine Anhebung oder Aufhebung der Schuldenobergrenze. Darüber hatten zuletzt Republikaner und Demokraten gestritten

    Washington – US-Finanzministerin Janet Yellen hat vor einem möglichen Zahlungsausfall der US-Regierung ab dem 15. Dezember gewarnt – knapp zwei Wochen später als bisher von ihr befürchtet. "Es gibt Szenarien, in denen dem Finanzministerium nicht genügend Mittel verbleiben, um den Betrieb der US-Regierung über diesen Zeitpunkt hinaus zu finanzieren", hieß es in einem am Dienstag vom Ministerium veröffentlichten Schreiben Yellens an die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.

    Um das Vertrauen in die USA und die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft zu gewährleisten, müsse der US-Kongress die Schuldenobergrenze so bald wie möglich anheben oder aussetzen. Der US-Kongress hatte im Oktober einer Erhöhung der Schuldengrenze um 480 Milliarden US-Dollar (knapp 424 Milliarden Euro) zugestimmt, um der Regierung von Präsident Joe Biden zumindest bis Anfang Dezember finanziellen Spielraum zu geben. Ein drohender Zahlungsausfall wurde damit aber nur aufgeschoben.

    https://www.derstandard.at/story/2000131207206/yellen-warnt-zahlungsausfall-der-us-regierung-droht-mitte-dezember

    Der Dauerbrenner um die Verschuldungsfähigkeit geht weiter.

  6. Wie es in der Weltmacht Nr. 1 sonst zugeht:

    Zahlreiche Festnahmen nach koordinierten Plünderungen in Philadelphia

    Philadelphia: In der Stadt an der US-Ostküste ist es zu offenbar koordinierten, großflächigen Plünderungen gekommen. Mehr als 50 Angreifer drangen dabei in Elektronik- und Sportbekleidungsgeschäfte ein und holten Waren heraus. Gegen mindestens 30 von ihnen sind laut Staatsanwaltschaft bereits Anklagen wegen Raub oder Diebstahl erhoben worden. Der Interimspolizeipräsident von Philadelphia, Stanford, sagte, die Angriffe seien das Werk "eines Haufens Krimineller und Opportunisten". Mit zeitgleichen Protesten gegen Polizeigewalt hätten die Plünderungen aber nichts zu tun gehabt, sagte Stanford. Philadelphias Bürgermeister Kenney sagte, zerstörerisches und illegales Verhalten werde in der Stadt nicht toleriert.“

    (Bayern 2, 28.9.)

    Das Phänomen gibt es bereits seit einigen Jahren, die Geschäfte versuchen das Raub-Risiko einzupreisen, aber langsam spielen die Versicherungen nicht mehr mit.

    „Unternehmen haben einen dramatischen Anstieg der finanziellen Verluste durch Diebstähle erlebt. Im Jahr 2022 beliefen sie sich auf 112,1 Milliarden Dollar, verglichen mit 93,9 Milliarden im Jahr 2021, wie aus der diese Woche von den Arbeitgebern des Sektors veröffentlichten National Retail Security Survey 2023 hervorgeht. In der Zahl sind sowohl externe Diebstähle als auch Diebstähle durch Mitarbeiter selbst enthalten.
    Die Studie besagt auch, dass sich angesichts der zunehmenden Gewalt immer mehr Einzelhändler dafür entscheiden, nicht einzugreifen, um die Diebe zu stoppen. 41 % der Befragten geben an, dass kein Mitarbeiter befugt sei, Diebe zu behindern oder festzunehmen.“

    Trump hat eine einfache Lösung gegen diese Art von Verbrechen: Die Diebe einfach beim Verlassen des Geschäftes abknallen!

    (El País, 1.10.)

  7. „Russisches Außenministerium: Trump erhöht die Handelszölle nicht deshalb, weil die USA so gut dastehen

    Der brasilianische Präsident Lula da Silva ist der Ansicht, Donald Trump sollte sich nicht als Herrscher der Welt betrachten – er ist nur der Präsident der USA.
    Warum sagen viele Länder weltweit nun offen Dinge über Washington, über die sie vorher nur nachdenken konnten? Die KP bat Alexej Drobinin, Direktor der Abteilung für Außenpolitische Planung des russischen Außenministeriums, um eine Erklärung.

    KP: Alexej Jurjewitsch, immer mehr Experten behaupten, die amerikanische Wirtschaft sei zu einem Koloss auf tönernen Füßen geworden. Stimmen Sie dieser Ansicht zu?

    AK: Zu behaupten, die USA hätten Probleme, ist eine leere Worthülse. Amerika hat sehr große Probleme, was einer Großmacht auch angemessen ist.
    Im vergangenen Sommer überstieg die Staatsverschuldung der USA 35 Billionen Dollar. In diesem Jahr beträgt das US-Außenhandelsdefizit mehr als 918 Milliarden Dollar (17% mehr als 2024). Davon entfallen etwa 295 Milliarden Dollar auf den Handel mit China. Der negative Saldo im Warenhandel mit der EU beträgt 235 Milliarden Dollar, mit Mexiko 171 Milliarden und mit Vietnam 123 Milliarden.“

    Interessant ist dabei Vietnam
    Wie ist es möglich, daß der einstige Gegner der USA zu einem so wichtigen Handelspartner geworden ist?

    „Amerikanische Historiker und Politikwissenschaftler ziehen Parallelen zu Großbritannien, das damals, Mitte des 20. Jahrhunderts, noch ein großes Imperium war. Nach dem II. Weltkrieg schwankte die Staatsverschuldung des Landes zwischen 200 und 270 % des BIP. Sie war damals eine der höchsten weltweit.“

    In absoluten Zahlen, offenbar.
    Im Verhältnis zum BIP war es sowieso die höchste Verschuldung. 
    Wer hatte wohl höhere Schulden?

    „In den USA liegt dieser Wert mittlerweile bei 124% des BIP. Das fängt schon gut an!
    Donald Trumps »Big Beautiful Bill« wird die Schulden um mindestens 5 Billionen Dollar erhöhen. Und das, obwohl Trump mit dem Slogan der Reduzierung der US-Schulden kandidierte. Die rasante Anhäufung der Staatsverschuldung und das Hyperdefizit im Außenhandel sind sichtbare Anzeichen eines Richtungswechsels.

    Mitte des letzten Jahrhunderts, nach zwei Weltkriegen, ging die Rolle des Anführers der kapitalistischen Welt von Großbritannien auf die USA über. Nun ändert sich das Bild erneut.
    Eine ernsthafte Herausforderung für jeden Präsidenten der USA (und ein erhöhtes Risiko für die Welt außerhalb Amerikas) ist folgender Trend: Die Amerikaner greifen zunehmend auf nicht-wirtschaftliche Methoden zurück, um ihre wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden.

    Und dieses Problem ist kein amerikanisches mehr, sondern ein allgemeines. Ein Problem, das jeden betrifft oder betreffen wird.

    Zoll-Knüppel (?)

    KP: Dennoch bauen die USA ihre Außenpolitik weiterhin aus einer Position der Stärke auf. Bedeutet das, dass Trump mit einem Sanktions- und Zoll-Knüppel blöfft?

    AK: Zölle sind, wie Sanktionen, eines der letzten Mittel, die Hegemonie vor dem Einsatz militärischer Gewalt zu sichern. Der US-Präsident erhöht die Handelszölle nicht, weil er aus dem Vollen schöpfen kann.
    Andernfalls müsste er sich mit seinen Gegnern versöhnen oder Gewalt anwenden. Eine unbequeme Entscheidung.
    Der Sinn von Zöllen und Sanktionen besteht darin, ein von den USA kontrolliertes globales System aufrechtzuerhalten und alle zu zwingen, nach amerikanischen Regeln zu spielen. Mit der Erhöhung der Handelszölle wollen die Amerikaner den Zugang zu ihren Märkten für Waren aus anderen Ländern verteuern, um die Wiederbelebung ihrer eigenen Produktion anzukurbeln.

    Eine solche Politik dürfte unter normalen (nichtmilitärischen) Bedingungen kaum funktionieren, da amerikanisches (und jedes andere) Kapital daran gewöhnt ist, Kosten durch die Verlagerung der Produktion in Länder mit billigen und motivierten Arbeitskräften zu minimieren.
    Im Grunde gerät die politische Macht der USA in Konflikt mit dem nationalen Kapital, das längst transnational geworden ist.

    Gäbe es eine Alternative?

    KP: Glauben Sie, dass sich die amerikanische politische Macht anders verhalten könnte?

    AK: Es gibt eine alternative Vorgehensweise. Dazu könnten die Akzeptanz der Prinzipien der souveränen Gleichheit und der Unteilbarkeit der Sicherheit, die Abkehr von der Sanktions- und Zollpolitik, die Beendigung der Blockade des WTO-Streitbeilegungsgremiums und die Zustimmung zur Neuverteilung der Stimmrechte im IWF gehören.
    Dazu müßten die die USA allerdings die multipolare Realität anerkennen, sich auf die Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten und eine konstruktive Zusammenarbeit mit ihnen konzentrieren und einen Dialog mit ihrer eigenen Bevölkerung und ihren Eliten über die Unmöglichkeit weiteren Wohlstands Amerikas durch externe Expansion beginnen.“

    Das ist eine scharfe Aussage.
    Sie heißt nämlich, daß die USA auf ihre Stellung als Weltmacht Nr. 1 verzichten, und andere Großmächte als ihnen gleich anerkennen müßte. 

    KP: Trump bietet jedoch denjenigen, die die Einführung von Zöllen vermeiden wollen, Verhandlungen an – hält er sich also die Tür für ein Abkommen offen?

    AK: Im Juli dieses Jahres kündigte der US-Präsident seine neuen Vorschläge für Zollsätze auf Importwaren aus einer Reihe von Ländern an, die am 1. August in Kraft treten (EU: 30%, Südafrika: 30%, Republik Korea: 25%, Kasachstan: 25%, Philippinen: 20%, Kambodscha: 36%, Kanada: 35%, Mexiko: 30%, Brasilien: 50% usw.).“

    Bemerkenswert sind hier Südkorea, ein Verbündeter der USA, der dennoch mit Zöllen belegt wird, und Kambodscha, ein ehemaliger Paria-Staat für die USA, der noch schlechter wegkommt.
    Alle diese Staaten haben offenbar einen bedeutenden Handel mit den USA, mit einem Handelsbilanz-Defizit auf Seiten der USA, weshalb Trump zum „Zoll-Knüppel“ greift. 

    „Dies ist eine Einladung zu einem Abkommen zu amerikanischen Bedingungen. Die Zielländer müssen sich vor dem 1. August mit Washington einigen. Andernfalls treten die von Trump festgelegten Sätze in Kraft.

    Zukünftige Möglichkeiten

    KP: Welche Wahl haben potenzielle Opferländer? Wenn ja, haben sie überhaupt eine?“

    Die Wortwahl „Opfer-Länder“ ist bezeichnend. Natürlich sind die betroffenen Staaten keine „Opfer“ im klassischen Sinne.
    Sie sind allerdings Betroffene der veränderten Bedingungen in der kapitalistischen Staatenkonkurrenz auf dem Weltmarkt, und das ist für diese Staaten, die sich bisher auf die pax americana verlassen und in ihr eingerichtet haben, ein herber Schlag. 

    „AK: Opferländer verfügen über mehrere Reaktionsstrategien. Oberflächlich betrachtet gibt es 2. Die erste eignet sich für große Handelsmächte – China, die EU oder beispielsweise Brasilien. Sie besteht in der Einführung von Vergeltungszöllen – nicht unbedingt analog zu den bestehenden.“

    Damit ist offenbar gemeint, daß sie weder quantitativ noch bei der Auswahl der Waren reziprok sind, sondern sich eben an den von den USA importierten Waren orientieren. 

    „In diesem Rahmen werden harte Verhandlungen mit den USA geführt. Das mögliche Ergebnis ist ein Handelsabkommen, das mehr oder weniger das aktuelle Kräfteverhältnis und die Interessen widerspiegelt.
    Doch für alle Beteiligten wird ein unangenehmer Nachgeschmack zurückbleiben.

    Kleinere Länder werden gezwungen sein, die zweite Strategie zu wählen – Anpassung oder geringster Widerstand. Sie sind im Wesentlichen gezwungen, den neuen Spielregeln zuzustimmen. Die USA werden sich die Hände reiben und ihre Partner werden die klaren Verlierer sein.

    Beiden Strategien ist gemeinsam, dass sie weiterhin nach den Regeln des Hegemons spielen. Das heißt, sich im westlichen Handels- und Finanzwirtschaftssystem zu weniger günstigen Bedingungen zu behaupten.

    KP: Ich bin sicher, es gibt eine dritte Option … 

    AK: In der Tat. Ich spreche von einer evolutionären Strategie. Sie basiert auf der Einsicht, dass die aktuelle Zwangsrunde nicht die letzte ist. Weitere werden folgen.

    Es ist ganz logisch: Da das amerikanische System in seiner gegenwärtigen Form nicht autark ist, wird es auch weiterhin Opfer von anderen verlangen. Gleichzeitig gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Amerikaner bereit sind, auf Augenhöhe zu verhandeln.

    Unter solchen Bedingungen besteht die richtige langfristige Strategie darin, parallele makroökonomische Konturen außerhalb amerikanischer Kontrolle und Zwang zu schaffen. Dazu gehört die Verlagerung des Handels auf nationale Währungen, die Erweiterung des Teilnehmerkreises an unabhängigen Abwicklungs- und Verwahrmechanismen sowie an Systemen zur Bankinformationsübermittlung, die Schaffung neuer Investitionsplattformen sowie staatlicher Versicherungs- und Rückversicherungsmechanismen.
    BRICS und viele andere Staaten tun dies bereits. Dies ist ein schwieriger, aber sicherer Weg in die Zukunft.“

    (KP, 18.7.)

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