WAHLEN IN SPANIEN: AUSSER SPESEN NICHTS GEWESEN
Was seinerzeit über die mißglückten Wahlen 2012 in Griechenland geschrieben wurde, gilt auch für Spanien 2016.
Während sich damals mit Neuwahlen die Sache vorübergehend lösen ließ, wenngleich nur mit heftiger medialer Intervention (die kurz darauf eingegangene Financial Times Deutschland und Bild machten heftige Propaganda für die Nea Demokratia von Samaras und gegen Syriza, den Fast-Weltuntergang) schaut es in Spanien nicht so gut aus.
Der erneute Wahlgang ein halbes Jahr später hat wieder mehr oder weniger das gleiche Ergebnis gebracht: 4 Parteien ohne Konzept, die sich dennoch oder gerade deshalb auf keine Koalition einigen können. Während der Wahlkampagnen wurde zwar aller mögliche Schaum geschlagen, Werte hochgehalten und mit sehr substanzlosen Ideen gewedelt, aber herausgekommen ist nichts, was eine stabile Regierung braucht. Weder eine Mehrheit, noch eine Koalition, noch ein Konzept. Man kann sich auf weitere Monate des Dahinwurschtelns einrichten.
Man erinnere sich, daß Belgien einmal mehr als ein Jahr ohne Regierung dagestanden ist und eine Regierungsbildung nur unter weitgehenden Zugeständnissen an die Regionen möglich wurde, was eine sehr aufgeblähte Verwaltung und ein Kompetenzenchaos verursacht hat. Das wurde einem wieder einmal angesichts der Attentate von Brüssel vor Augen geführt. Die belgische Verwaltungsreform ist bis heute nicht abgeschlossen.
In Spanien kommen zu der Unfähigkeit der Mehrheitsbildung noch die Autonomie-Bestrebungen Kataloniens. Die gesamte spanische Staatsräson ist im Zuge der Finanzkrise flöten gegangen. Die „Marca España“ zieht nicht mehr, die Verschuldung der öffentlichen Hand wächst ständig, der Staatshaushalt funktioniert nur aufgrund des Anleihen-Aufkaufprogramms der EZB und es ist – wie schon in Griechenland – ein Zeichen von gröberen Problemen, wenn der Tourismus als Rettungsanker bejubelt und steigende Nächtigungszahlen gemeldet werden, denen jedoch keineswegs steigende Einkünfte entsprechen.
Während es als allgemeines Problem der EU besprochen wird, daß Regionalismen stärker werden und rechte, EU-skeptische Parteien erstarken, zeigt sich an Spanien ein anderes Problem: die Ökonomie hat keine Perspektive, daher wird ihre Verwaltung immer schwieriger. Die industrielle Produktion stagniert, bezüglich Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ist Spanien zweigeteilt: es beliefert zwar die ganze EU mit Obst und Gemüse, Getreide und Milchprodukte hingegen werden praktisch nur mehr importiert.
In Spanien sind zwei der größten Banken Europas domiziliert, aber der Sparkassensektor ist pleite und wird nur mit staatlichen Mitteln über Wasser gehalten. Der Kreislauf funktioniert also so: Santander und BBVA kaufen die spanischen Staatsanleihen en masse und verkaufen sie der EZB, damit der spanische Staat Bankia, diverse andere zahlungsunfähig gewordene Sparkassen und die Bad Bank Sareb finanzieren und deren gekrachte Hypothekar- und Baukredite vor dem völligen Verfall bewahren kann. Die spanische Ökonomie und der Geldumlauf in Spanien beruht also nur auf dem Hin- und Herschieben von Krediten und ohne Aussicht auf einen Durchbruch, der wieder solides Geschäft garantiert. Die wirklich erfolgreichen spanischen Firmen hingegen, wie z.B. Inditex, machen den größten Teil ihres Umsatzes im Ausland und versteuern ihre Gewinne in Steuerparadiesen – im Falle von Inditex in Irland.
Die Staatsverschuldung Spaniens ist in absoluten Zahlen die 4.-höchste der Eurozone, wobei die Einbeziehung der Schulden der autonomen Provinzen nicht ganz klar ist, wo einige mit Kreditgarantien des Staates gerettet werden mußten, weil sie ihre Anleihen nicht mehr bedienen konnten. Spanien durfte seine diesbezüglichen Statistiken vor einigen Jahren etwas verschönern, um in den Genuß eines eurozonenfinanzierten Bankenrettungsprogramms zu kommen und nicht mit „Rettungsschirm“ und Troika beglückt zu werden, weil das das ganze Rettungsfonds-Programm zum Einsturz gebracht hätte. Spanien ist nämlich Mit-Garant und Einzahler der anderen Rettungspakete – würde es selbst zu einem Sanierungsfall, so würde wahrscheinlich das ganze Garantiesystem krachen, und der Euro auch.
So. Auf dieser äußerst prekären Ökonomie baut jetzt die Parteienkonkurrenz auf. Neue, als frische Kraft bejubelte Parteien wie die als links gehandelten „Podemos“ (Wir können) und die als liberal gehandelte Antikorruptionspartei „Ciudadanos“ (Staatsbürger) verraten ihre Konzeptlosigkeit schon im Parteinamen und langweilen die Wählerschaft seit geraumer Zeit mit dem Versprechen, sie seien ganz was anderes als die „etablierten“ Parteien. Mehr als diesen matten PR-Gag haben sie nicht im Programm, während Konservative und Sozialisten nicht mehr anbieten, als den Laden weiterzubetreiben wie bisher, und das als Erfolgsstory verkaufen wollen. Dabei hat Spanien nach offiziellen Zahlen nach Griechenland die höchste Arbeitslosenrate der EU, ein nach wie vor ungelöstes Problem von nicht gezahlten Hypotheken und vor der Delogierung stehenden Bewohnern in Millionenhöhe, praktisch keine Arbeitslosenversorgung, langsam leer werdende Pensionskassen und einen Haufen Kommunen, die ihre Müllabfuhr und Feuerwehr nicht mehr zahlen können.
Es ist zu erwarten, daß die Angelegenheit bezüglich Regierung so weiter geht wie bisher, die einen und die anderen Parteivorsitzenden sich als Retter des Vaterlandes aufspielen, mit der General-Keule „Korruption“ gewachelt wird und weiterhin keine Regierung zustandekommt.
Das ganze Theater wirkt besonders befeuernd auf Euro-Skeptiker und Separatisten im Schatten des Brexit und der Schwierigkeiten, die es in Großbritannien bei einer Regierungsbildung geben wird, wenn mit dem dortigen Schlamassel des EU-Austritts umgegangen werden muß.
Das alles zeigt nämlich, daß Wahlen ein bloßes Prozedere zur Ermächtigung der Herrschaft sind, deren Prinzipien jedoch nicht über Wahlen zustandekommen, sondern ihnen vorausgesetzt sein müssen. Wenn es da hapert, verkommt der Wahlzirkus zu einer bloßen kostspieligen Farce.
Die Kapitalakkumulation kommt nicht mehr wirklich voran und daher verunmöglicht sich ihre Förderung durch die gewählten Vertreter eines Staates.
Es ist allerdings eine undankbare Aufgabe für eine Regierung, sich zum Konkursverwalter einer Nationalökonomie degradieren zu lassen – wie es die Regierungen von Griechenland und Portugal bereits praktizieren (müssen).
Damit kann man im Wahlkampf keinen Blumentopf gewinnen und keine Regierung hinkriegen.
Antikapitalismus/Die Marktwirtschaft und ihre Unkosten/Geld & Kredit/Ideologie/Nationalismus/öffentliche Schulden (Staaten, Länder, Gemeinden)
Sehr eigenartig. Auf einmal werden die Maastricht-Kriterien aus der Schublade geholt, um der Iberischen Halbinsel Schwierigkeiten zu machen:
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.portugal-defizit-strafen-fuer-spanien-und-portugal-ruecken-naeher.28d1d503-ced1-4cb1-b06a-2d15af6c9782.html
Ob das die Regierungsbildung in Spanien beflügeln wird?
Oder ist es der EU-Kommission bzw. Deutschland recht, wenn Spanien keine gewählte Regierung hat? Kann man ihr dann eher Maßnahmen verpassen als normal durchs Parlament?
Ist eine Zuspitzung der “nationalen” Frage bzgl. Katalonien zu erwarten? Jetzt wo das Maerchen eines foederales Vielvoelkerstaates vorbei ist bzw. Podemos gescheitert ist.
Der Vergleich mit Jugoslawien wurde im dortigen Diskurs schon mal gezogen…
Es wäre schon verwunderlich, wenn ausgerechnet in Spanien jetzt der Drang der katalanischen Nationalisten auf Abtrennung zurück gehen würde. In Schottland hat die Brexit-Wahl die SNP ja auch eine Schippe drauflegen lassen. Wie im Fall Slowenien als Teilrepublik von Jugoslawien versuchen da ökonomisch relativ besser dastehende Gebiete diese Position durch Unabhängigkeit noch auszubauen.
Man muß einmal fragen, was diese katalanischen Deppen eigentlich bewegt? Die EU will sie nicht, und wohin wollen sie eigentlich?
Das ist ein Unterschied zu Slowenien seinerzeit – die hatten Rückendeckung, vor allem von der österreichischen Außenpolitik.
Aber wenn man so zurückdenkt … Im Falle Jugoslawiens dauerte es ja auch einige Zeit, bis die EU sich diesen Standpunkt zu eigen machte.
Die einzige mir diesbezüglich einleuchtende Erklärung läuft auf den juristischen Überbau raus, der sich auf ökonomischer Basis ‘erhebt’, der Staat demnach Instrument der jeweils herrschenden Klasse ist.
Gut möglich, dass an der Theorie vom tendenziellen Profitratenfall doch was dran ist. Irgendwo hab ich letztens gelesen, 2015 standen 60 Billionen Dollar global produzierte Waren etwa 700 Billionen Dollar an Finanztiteln gegenüber.
Wenn der moderne bürgerliche Staat wirklich nur ein “Instrument” der herrschenden Klasse wäre, dann gibt es aber außer über Manipulationstheorien keine vernünftige Erklärung für die freiwillige Zustimmung und Partizipation der überwältigenden Mehrheit der ihm unterworfenen Staatsbürger. Wenn die Prinzipien des Staates nicht anerkannt würden, warum sollten die Menschen dann wählen gehen?
Wer sagt denn, dass sich die Leute ihrer Zugehörigkeit zur jeweiligen Klasse bewusst sind? Dass sie sich selber als Staatsbürger verstanden wissen wollen, heißt doch nicht mehr, als dass sie sich bezüglich ihrer ökonomischen Situation die falschen Gedanken machen.
Und das trifft auf beide Klassen zu. Der Witz ist nur, die Suppe, die von den einen eingebrockt wird, haben stets die anderen auszulöffeln.
Und selbstverständlich wissen Angehörigen der herrschenden Klasse das auch. Mir hat letztens ein Bankmanager erzählt, seine (nach Umsatz) ‘Milliarden-Bank’ würde von der Bankenaufsicht als ‘lsi’ = ‘lower significant institute’ eingestuft, was bedeute, sie wäre nicht systemrelevant, dafür würde ‘der Steuerzahler’ nicht ‘geradestehen’ müssen.
An den Gründen für die klemmende Akkumulations- resp. Profitrate ändert das aber nix. Wenn aber Kapital nur als konkurrierende Einzelkapitale existieren kann, dann impliziert dies, dass die herrschende Klasse sich nur in einem Punkt einig ist …
Bevor wir in die ewigen langweiligen Debatten über das Klassenbewußtsein, das leider durch Abwesenheit glänzt, eintreten, mache ich zu dieser Instrument- und Überbau-Theorie auf Folgendes aufmerksam: Die Sanktionen gegen Rußland wurden gegen den dezidierten Widerstand des deutschen Kapitals, der US-Banken oder der polnischen Unternehmerschaft verhängt. Sie sind ein deutliches Beispiel dafür, daß der Staat Subjekt seiner Ökonomie ist und nicht bloß ausführendes Organ, und sich, wenn es seiner gerade aktuellen Staatsräson entspricht, gegen die Interessen seiner Lieblingsbürger stellt.
Subjekt ist er übrigens auch dadurch, daß er eine Eigentumsordnung einrichtet und aufrechterhält, und seine Gesellschaft auf die Zettel verpflichtet, die er als allgemeines Zahlungsmittel druckt.
Du scheinst irgendwo eine Kramlade mit den ganzen Ladenhütern des Marxismus-Leninismus herumstehen zu haen, aus der du hin und wieder irgendein gutes Stück herausholst, zur gefälligen Betrachtung.
Jetzt aber.
Du machst einen völlig verkehrten Widerspruch auf. Der Staat ist Repräsentant der Gesamtheit der Kapitale, also des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Er ist nicht der Handlanger einzelner Kapitale. Der Staat repräsentiert aber nicht nur das gesellschaftliche Gesamtkapital, in seiner zweckimmanenten Funktion der Kapitalakkumulation (aus Geld mehr Geld machen) sondern gleich alle einzelnen Austauschakte G-W, im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess der kapitalistischen Gesellschaft. Das ist eine Vielzahl von Punkten G-W, die den gesellschaftlichen Prozess der Kapitalakkumulation notwendig ergänzen. Und daher übernimmt der Staat auch seine Funktion, seine Rolle als Gewaltsouverän und Gesetzgeber.
Aus der Sicht betrachtet ergibt Samsons Ausführungen schon Sinn:
Ergänzend dazu, der Staat ist mehr noch als die Summe der einzelnen Kapitalakkumulationen auf seinem Gebiet, er repräsentiert einen gesellschaftlichen Zweck der Emergenz, im Verhältnis zu anderen Gewaltsouveränen kapitalistischer Gesellschaften gesetzt. Wenn z.B. das Verhältnis zwischen Russland und der EU betrachtet wird, muss der Blick notwendigerweise auch auf die USA, China, Indien usw. erweitert werden, weil eben auch die Konkurrenz der Staaten um Geschäftsmöglichkeiten und Einfluss global geführt wird.
Global betrachtet wird die Konkurrenz auf allen gesellschaftlichen Feldern betätigt, kulturell, ökonomisch, diplomatisch und eben auch auf geostrategischer Ebene. Während ein Gewaltsouverän auf globaler Ebene als Geschäftspartner in Erwägung gezogen wird, wird ein anderer als Hindernis betrachtet, eigenen Zwecke und Geschäftsmöglichkeiten global zu realisieren. Geostrategische Interessen der Staaten widersprechen gar nicht den übergreifenden Zweck der Standortkonkurrenz, sondern ergänzen ihn notwendig dafür.
Es fällt also wieder auf, dass dem Gegenstandpunkt eine kohärente, gesamtkapitaltheoretisch fundierte Staats- und Nationentheorie fehlt. Deswegen werden hier ständig Staat und Kapitale in einen Gegensatz zueinander gesetzt, wo keiner zu finden ist.
Ja, irgendwie ist es mit dem Posten und Redigieren heute schwer, ich komme auch erst nach mehrmaligen Versuchen durch.
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Es ist auch vom Standpunkt des „Gesamtkapitals“ nicht einzusehen, warum die Sanktionen in Kraft getreten sind. Sie dienen keinen Kapitalinteressen.
Ohne mich da zum ideellen Vertreter des GSP machen zu wollen: Der Gegenstandpunkt hat ja eine Staats- und Nationentheorie, deswegen weist er auf den Gegensatz hin.
Andere Linke hingegen bringen nicht mehr zustande, als immer wieder Bausteine wie Basis – Überbau – erhebt – Instrument usw. in bunter Reihenfolge zu mischen, was vielleicht „kohärent“ ist. Es täte ihm aber zu viel Ehre an, diesen Cocktail als „Theorie“ zu bezeichnen.
Was du schreibst über die Konkurrenz der Nationen, ist schon richtig, aber sie dient in erster Linie eben nicht dem Kapital, sondern wird von der Nation, d.h. dem Staat inszeniert, um sich voranzubringen. Ein neueres Beispiel dafür ist der Brexit.
Und was „Gesamt“ und „einzelne“ Kapitale angeht, so kann man dieses Gegensatzpaar immer darauf zurückkürzen, daß mit irgendeiner staatlichen Maßnahme demjenigen Kapital, das davon profitiert hat, gedient worden ist, es repräsentiert das „Gesamtkapital“. Dasjenige, das untergegangen ist, ist eben ein „einzelnes“ gewesen. Was man daran merkt, daß es sich nicht hat durchsetzen können.
Es ist jedoch nicht einzusehen, was mit diesem leeren Hin und Her gewonnen sein sollte.
@ Nestor
Die technischen Probleme gibt’s ja schon seit einigen Tagen: Server-Schaden
Rußland ist zwar nicht einer der größten ökonomischen, aber dennoch einer der wichtigsten politisch-geostrategischen Ordnungsfaktoren der Welt. Der Widerspruch zwischen Rußlands ökonomischer und geopolitischer Bedeutung, verdankt sich die Schärfe der Auseinandersetzung zwischen den USA und Rußland. Sanktionen werden deswegen als propables Mittel eingesetzt, eine potentielle ökonomische Schwäche Russlands politisch für sich auszunutzen. Konfrontationen des Westens gegen Russland nehmen deswegen oft die Form einer politischen Konfrontation an, bis hin zu potentiell militärischen Auseinandersetzungen.
Der Zweck der Auseinandersetzung gegen Russland besteht darin, ein sich auf dem Weg zu Mulitipolarität befindlichen globalen Welt (Rußland sieht sich in einer Vermittlerrolle zwischen dem Westen und den BRICS-Staaten,China) auf einen Uniletaralismus der USA zu verpflichten.
Die neue linke Staats- und Nationentheorie geht ja von Überzeugungen aus die darauf gründen, dass die (Lohn-) Arbeiter eh den Durchblick hätten, und deswegen nur überzeugt bzw. aufgeklärt werden müssten, die Verhältnisse zu durchschauen. All diese Auffassungen gehen darauf hinaus, daß die Arbeiter die (kapitalistische) Welt mit ihrem Willen im Griff hätten. Und da kann man mit solchen Zitaten darauf hinweisen dass dem eben nicht so ist. Nicht nur methodologisch sondern grundsätzlich. Darauf baut Ideologiekritik auf, zunächst die gesellschaftlichen Institutionen im Kapitalismus durchzuforsten und zu durchschauen, und danach die ihnen entsprechenden Willensmanifestationen bzw. Bewusstseinsformen zu ergründen. Die von dir ins Feld angeführte Linke ist ein immer kleiner werdender Ausschnitt des real existierenden, linken politischen Spektrums.
sinply red, um von hinten anzufangen:
Ja, die revolutionäre/kommunistische Linke “ist ein immer kleiner werdender Ausschnitt des real existierenden, linken politischen Spektrums”, egal, wen man nun dazu rechnet oder schon abgeschrieben hat.
Umso wichtiger ist es aber, daß wenigstens das stimmt, was die paar Linken den anderen nicht so linken Menschen erzählen, was sie ihnen an wirklichen Erkenntnissen offerieren können, was diese Menschen dann vielleicht dazu bringen könnte, was anders zu wollen, als das diese Mistwelt nur endlich wieder problemlos läuft (wie sie es angeblich schon mal getan haben soll, wobei das regelmäßig in den letzten hundert Jahren in fetten Katastrophen geendet hat).
Also nun zu deinem Aufhänger/Einstieg:
Gegen Nestors Auffassung,
“Was du schreibst über die Konkurrenz der Nationen, ist schon richtig, aber sie dient in erster Linie eben nicht dem Kapital, sondern wird von der Nation, d.h. dem Staat inszeniert, um sich voranzubringen. Ein neueres Beispiel dafür ist der Brexit.” kam von dir nur:
“Sanktionen werden deswegen als probates Mittel eingesetzt, eine potentielle ökonomische Schwäche Russlands politisch für sich auszunutzen.”
Das ist schon mal keine Widerlegung, sondern eine Bestätigung des Primats der Politik der Staaten über die ökonomischen Interessen ihrer Firmen in dieser Frage. Bei dir ist ein erbitterter Streit über Ölkonditionen das gleiche wie der NATO-Kurs gegen die Militärmacht Rußland.
Erst recht kann ich deiner These,
“Der Zweck der Auseinandersetzung gegen Russland besteht darin, ein sich auf dem Weg zu Mulitipolarität befindlichen globalen Welt … auf einen Uniletaralismus der USA zu verpflichten.”
nicht entnehmen, wie das sich aus den Interessen der unterschiedlichen “Gesamtkapitale” und vor allem des deutschen Kapitals ableiten lassen soll.
Was dann kommt, ist dummes Gerede über die blöden Linken:
Nenne mir auch nur eine einzige linke Strömung, die in der letzten Zeit geschrieben oder gesagt haben soll, “dass die (Lohn-) Arbeiter eh den Durchblick hätten”.
Fällt dir eigentlich auf, daß Leute überzeugen was anderes ist, als sie aufzuklären? Und wieso tust du die so gering geschätzte Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit so geringschätzig mit einem “nur” ab?
Besonders krass daneben erscheint mir deine nächste Volte:
“All diese Auffassungen gehen darauf hinaus, daß die Arbeiter die (kapitalistische) Welt mit ihrem Willen im Griff hätten.”
Daß die Arbeiter hierzulande nichts “im Griff” haben, ist ja wohl der Ausgangspunkt. Weil sie eben nichts anderes wollen. Wenn sie als überzeugte Kommunisten was anderes wollten, dann könnten sie die kapitalistische Welt abschaffen und hätten dann die Welt tatsächlich im Griff. Das scheint mir auch grundsätzlich genug.
Was für eine “Ideologiekritik” auf deinen mir nicht ganz nachvollziehbaren Erkenntnissen aufzubauen ist, oder vielleicht erst in der Zukunft nach deiner/eurer “Durchforstung” aufzubauen wäre, erschließt sich mir übrigens auch noch nicht.
@Tibulski
Danke. Alles klar. Ich war zu faul, der Sache nachzugehen.
@simply red
Ich weiß überhaupt nicht, wie die Arbeiter und ihr vorhandener oder fehlender Durchblick hier hereinkommen. Ich habe mich doch nur auf den Beitrag von Samson bezogen, wo dieser Ladenhüter des ML aufgeboten werden, um das Primat der Kapitalinteressen zu „beweisen“. Der Beweis ist zirkulär, – wenn der Staat „Überbau“ ist und die Ökonomie „Basis“, so ist der Staat natürlich nachrangig – und erinnert an das Herbeten von Galubensinhalten, in der Form eines Katechismus.
Also schreib entweder dazu etwas, oder laß es bleiben.
Deine Wortwahl ist schon scharf:
„ein sich auf dem Weg zu Mulitipolarität befindlichen globalen Welt“ – das tut ja politologisch-naiv so, als wäre da ein Multi-Kulti-Zug abgefahren, den nur böse dunkle Mächte aufhalten können. Die derzeitigen imperialistischen Konfrontationen kann ich in diesem idyllischen Bild nicht entdecken.
Es wird schon so sein, daß du damit meinst, die USA versuchen sich als Weltmacht Nr. 1 zu behaupten, gegen ihre Konkurrenten, aber ist ist doch eine reichlich komische Art, diesen Sachverhalt auszudrücken.
Woher willst du denn wissen, das es ein Primat der Politik oder ein Primat der Ökonomie gibt. Das wäre doch erst mal zu prüfen, ob eine Perspektive der Nachrangigkeit bzw. der Priorisierung zwischen den Sphären von Staat und Ökonomie die richtige Herangehensweise darstellt. Das Zitat gibt doch überhaupt keine Priorisierung zwischen Staat und Ökonomie her. Du bist es doch, der eine Hierarchie zwischen politischer und ökonomischer Sphäre hergestellt hat.
Was hat denn das mit Multi-Kulti-Zeug zu tun, wenn ich darauf hinweise, das verschiedene Machtzentren auf der Welt im Entstehen begriffen sind. Sinnvoll wird diese Sichtweise nur, wenn man von einer Unterordnung der ökonomischen gegenüber der politischen Sphäre, also von einer Dualität der Präferenzen zwischen politischer und ökonomischer Sphären ausgeht.
Das die Entwicklung neuer globaler Machtzentren (China, Russland usw.) widerspruchslos vonstatten gegangen ist, habe ich nicht behauptet.
Nein, das ist keineswegs so. Du mußt die Zitate auch aufmerksam lesen. Der Satz, auf den ich mich bezogen habe, lautet:
Da ist das schon behauptet, daß der Staat eben bloß Instrument ist, usw.
Dagegen habe ich gehalten, daß man an verschiedenen Ereignissen der jüngeren Zeit erkennen kann, daß das keineswegs so ist.
Das ist ja derartig unwissenschaftlich, daß es einem den Magen umdreht.
Da wird nicht gesagt: „Eine Sache ist, so und so, weil … “ oder „Sie ist dennoch so, obwohl … “ oder Ähnliches, wo Aussagen über einen Gegenstand gemacht werden. Das wären Bestimmungen, über die man sich streiten kann, wenn man verschiedener Meinung ist.
Aber dein Gerede ist: Es gibt erstens eine „Perspektive“ – was ist denn das? Man nimmt eine Art Fernrohr, und schaut da durch, oder wie? Oder man setzt sich in ein Flugzeug und schaut sich die Welt von oben an?!
Dann gibt es bei dir eine „Nachrangigkeit“.
Das Verhältnis von Staatsgewalt und privatem Unternehmertum ist nicht von der Art, als daß die mit verschiedenen Startnummern ins Rennen gehen und der eine hat einen Vorsprung auf den anderen.
Das nächste ist eine „Priorisierung“ – das klingt ja so, wie wenn ein Schuldirektor irgendwelche Schüler bevorzugt. Mit Staat und Kapital hat das gar nichts mehr zu tun.
Schließlich gibt es eine „Herangehensweise“ – nach der „Perspektive“ jetzt auch das noch! Das ist, wie wenn man Ostereier sucht, oder eine Wasserader mit einer Wünschelrute.
Bei dieser Art von Geschwafel hat man den Eindruck, als wären Staat und Kapital Modellbausteine in einer Matador- oder Lego-Welt und nicht unsere tägliche Realität, mit der wir tagtäglich konfrontiert sind.
Nein, bei mir gibt es kein Denken in solchen Kategorien. Bei dir gibt es ein Denken in diesen Kategorien. Der Staat ist eine Gewalt, die vom Himmel abgefallen ist, und hat nichts anderes zum wesentlichen Zweck als seine Macht abzusichern und weiter zu erweitern. Ein schöner Zirkel, aber das führt nicht dazu, dich von dieser politlogische Vorstellung irgendwann auch mal zu verabschieden. Wenn diese Vorstellung origineller sein soll, als das Basis-Überbau-Theorem des Marxismus-Leninismus, dann gute Nacht, Nachtigall.
S. 152 – 154 im neuen Buch “Finanzkapital” wird dargestellt, wie Kapital und Staat für ihre jeweiligen Anliegen sich zusammenraufen (wollen). Der Abschnitt gipfelt in der Auskunft “Der Kapitalismus unter der Regie des global aktiven Finanzgewerbes iat und funktioniert nur als die politische Ökonomie des Imperialismus”. (S. 154)
D a r i n will der Staat dann sich absichern: indem er das Imperialistische seiner Grundlage absichert. Anders ginge diese Grundlage heutzutage nämlich gar nicht, in einer Welt voller antagonistischer Gewaltmonopolisten.
Auch die Akteure von AFD und BREXIT bezweifeln nicht, dass die Pflege ihres geliebten Kapitalismus nichts Isolationistisches ist. Sie pflegen nur die Vorstellung, dass das sich weltweite Durchsetzen leichter ginge, wenn man es mit dem Etikett “Nationale Souveränität First” labelt.
Das ist aber nicht ein Gedanke von ökonomischer “Autarkie”.
(Oder gar eine Absage an die ‘Globalisierung’.)
Sondern nur die Vorstellung von besserer Durchsetung gegen die andren Gewaltmonopolisten – innerhalb des Imperialismus.
Das ist so, wird aber simply red fürchte ich nicht sehr beeindrucken …
Aus den polemischen Antworten aufeinander (hier von Neoprene, Samson, Simply Red, Nestor) werde ich nicht recht schlau.
Mal die Polemik und die historischen Remineszenzen an andere Positionen weggelassen: worüber genau streitet ihr euch?
(Nestor versteht ja immerhin so viel von eurem Streit, dass sie schon weiß, dass meine Anmerkungen Simply Red nicht überzeugen würden. Worin genau nicht?)
Na ja, es ging ursprünglich darum, daß der Politik von Samson die Subjektrolle abgesprochen wurde, zumindest habe ich das so verstanden, und alle Handlungen der Politiker auf Kapitalinteressen zurückgeführt wurden. Das ist natürlich in seinem Statement nicht ausgeführt worden, sondern dort wurde nur an diese Versatzstücke des Marxismus-Leninismus verwiesen, wo das als marxistische und deshalb richtige und klassenkämpferische Position gilt. Dabei können sie sich an ein paar Stellen aus den Heiligen Schriften berufen, so auf das Manifest und den Anti-Dühring, und sehr viel mehr haben die Vertreter dieser Position meistens auch nicht gelesen.
Dagegen haben Neoprene und ich einiges eingewendet, was so polemisch, wie du tust, auch nicht ist. Man ist etwas genervt, weil dieser alte Mist immer wieder aus irgendwelchen ideologischen Kramläden auftaucht, aber wir haben uns doch redlich bemüht, darzulegen, warum das verkehrt ist.
Von Samson kam dann nichts mehr, und simply red bleibt ja auch bei keinem Thema oder Argument hängen, sondern spinnt sich flott weiter zum nächsten, sodaß die Verwirrung für einen Außenstehenden begreiflich ist. Man muß vermutlich schon gewisse Reizwörter kennen, um zu wissen, was da alles mitgedacht ist.
Danke sehr.
Wenn jetzt Simply Red noch darstellt,
was sein Anliegen ist und war,
dann steige ich wohl halbwegs durch.