Rückzug aus Afrika

ÜBER KOLONIALISMUS UND UNABHÄNGIGKEIT

„Europa zieht seine letzten Truppen aus der Sahelzone ab und überlässt Russland das Feld“

– so lautet heute eine Überschrift in El País und so ein Satz sollte zu denken geben.

Warum waren überhaupt europäische Truppen in der Sahelzone?

1. Kolonien

Es ist heutzutage in linken Kreisen üblich, als Kritik das Wort „Kolonialismus“ zu verwenden, wenn das imperialistische Gehabe der Alten und Neuen Welt bezeichnet werden soll, der Interventionismus und die Kriege, die diese Nationen anzetteln, betreuen und sich einmischen.
Weite Teile Afrikas waren ja auch einmal Kolonie. Portugiesen, Engländer, Holländer, Franzosen, Belgier, Deutsche und Italiener keilten sich um die dortigen Rohstoffe, massakrierten die Bewohner Afrikas, beteiligten sich in verschiedenen Formen am Sklavenhandel und taten auch andere unschöne Dinge, die hierzulande unbekannt oder vergessen sind, an die sich aber die Nachfahren der damaligen Betroffenen in Afrika sehr gut erinnern.

Der Kolonialismus war jedoch erstens für die Mutterländer ein kostspieliges Geschäft. Sie mußten ständig mit militärischer Präsenz vor Ort tätig sein, eine Verwaltung unterhalten, um den Abtransport von Rohstoffen, Agrarprodukten und Menschen zu überwachen. Das war – zumindest seit dem 18. Jahrhundert – eine staatliche Vorleistung für die aufstrebende Industrie in den Mutterländern, die diese Stoffe brauchten, um ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt Paroli bieten zu können und gleichzeitig Absatzmärkte für ihre Waren zu haben.
Es sind übrigens beide Seiten wichtig, die Rohstoffe genauso wie die Märkte. Großbritannien war deswegen so lange führend, weil es sich mit seinen Kolonien und Kanonenbooten auch Märkte erschlossen hatte, über die es seinen Warenreichtum ausgießen konnte.

Man soll aber auch die Kosten nicht unterschätzen. Großbritannien finanzierte seine Herrschaft über Indien größtenteils aus dem Opiumhandel mit China. Die letzte europäische Kolonialmacht, Portugal, mußte ihre Kolonien aufgeben, weil sie sich einfach nicht mehr leisten konnte.

Die besondere Nützlichkeit der Kolonien war die ausschließliche Verfügung des Mutterlandes über dieselben. Es gab ihm die Möglichkeit, die anderen rivalisierenden imperialistischen Mächte von seinen Territorien auszuschließen.

2. Hinterhöfe

Rund um den II. Weltkrieg störte sich die aufstrebende Weltmacht USA an dieser Form der exklusiven Nutzung. Nicht, daß den USA der Kolonialismus fremd gewesen wäre. Puerto Rico, Hawaï, die Philippinen, die Panamakanalzone und viele Inseln im Atlantik und Pazifik waren oder sind nach wie vor US-„Territorien“, wie sie verschämt benannt werden. Heute haben sie aber vor allem strategische Bedeutung.
Die USA setzten gegenüber ihren Verbündeten durch, ihre exklusiven Zonen aufzugeben. Die treibende Macht hinter der „Entkolonialisierung“ waren die USA – die Befreiungsbewegungen der III: Welt konnten sich meist nur dank diesem Rückhalt schließlich durchsetzen – sofern sie den USA genehm waren.
Das neue System sah die Entlassung in die Unabhängigkeit vor. Mit etwas Unterstützung aus den Mutterländern sollten sich diese Staaten selbst regieren und selber dafür sorgen, daß sie weiterhin als Rohstofflieferanten und Märkte zur Verfügung stehen – allerdings nach freier Wahl ihrer Patrone.

Die Konkurrenz um die neue Beherrschung Afrikas (und auch anderer Teile der Welt) ging los. Genehme Politiker wurden installiert, nicht genehme beseitigt. Die alten Kolonialmächte versuchten die Hand auf ihren ehemaligen Kolonien zu halten und in die vormals exklusiven Territorien ihrer Rivalen einzudringen.

3. Afrika im Kalten Krieg

Als vermeintlicher Rettungsanker dieser vom Regen in die Traufe geratenen afrikanischen Gebiete erwies sich die Sowjetunion, die Guerillabewegungen unterstützte, Staudämme und Kraftwerke baute und sich als antikoloniale Macht präsentierte. Der Pferdefuß dieser sowjetischen Unterstützung war erstens, daß sie die Feindschaft der europäischen Mächte und der USA als Weltpolizist zur Folge hatte und diesen Staaten deshalb erhöhte Verteidigungskosten aufbürdete.

Das zweite, weitaus Entscheidendere war jedoch, daß die Unterstützung der SU nur insofern interessant war, als sie diesen Staaten, die in der westlichen Ideologie „Entwicklungsländer“ genannt wurden, eine bessere Startposition für den Weltmarkt verschaffen sollte. Die dortigen Regierungen bedienten sich der sowjetischen Hilfe, um dann neue Produkte anbieten zu können, zu besseren Bedingungen für die einheimische Staatskasse, aber doch, um sich am internationalen Warenaustausch beteiligen zu können und sich in Richtung ihrer Vorbilder – der europäischen Staaten, ihrer ehemaligen Unterdrücker – zu entwickeln.
Die Kolonisierten wollten zu den Kolonisatoren aufschließen – unter diesem Ideal wurden Brunnen gebohrt und Kredite vergeben, Kriege geführt und Militär- und Entwicklungshilfe über die afrikanischen Staaten ausgeschüttet.

4. Afrika nach dem Kalten Krieg

Mit dem Abdanken der Sowjetunion und dem Ende des ganzen RGW-Austausches hörten sich jede Menge Hilfen und Unterstützungen auf.
Als erstes der prosowjetischen Regimes kollabierte im Mai 1991 dasjenige Mengistus in Äthiopien, das neben der SU vor allem von der DDR unterstützt worden war.
Aber noch einige Monate vorher mußte der Herrscher Somalias, Siad Barre, seinen Hut nehmen und das Land verlassen. Er hatte sich aufgrund von Territorialstreitigkeiten mit Äthiopien von der SU ab- und den USA zugewendet. Nach dem Ende der SU und dem absehbaren Sturz Mengistus strichen jedoch die USA die Zuwendungen an Somalia, weil sie Barre nicht mehr brauchten.

Ähnlich ging es in anderen Teilen Afrikas zu. Die einst prosowjetischen Regierungen wurden entweder gestürzt oder zusehends repressiver, um sich an der Macht zu halten. Manche Staaten, wie Somalia oder Ruanda, kollabierten überhaupt, manche zerfielen, wie der Sudan, und die Verteilungskämpfe wurden härter, sodaß vielerorts Bürgerkriege ausbrachen. Die werden in den hiesigen Medien mit Traditionen und Stammesbindungen erklärt, und das alles schreit nach einem: Betreuung! „Wir“ müssen dort hin, um für Ordnung zu sorgen!

So kam es zu verschiedensten Interventionen kürzerer oder längerer Dauer, durch die USA und im letzten Jahrzehnt verstärkt durch EU-Staaten, die sich Afrika als Hinterhof zugerichtet haben und mit den Folgen dieser Zurichtung in Form von islamischem Terrorismus und Flüchtlingswellen unzufrieden sind:
„Frankreich führt seit 50 Jahren permanent Krieg“

Aus Deutschland tönt hochoffiziell: „Dort, wo Menschenrechte bedroht sind und die Rechtsstaatlichkeit keineswegs gesichert ist, fehlt das Fundament für Investitionen, Arbeitsplätze und Ausbildung.“ Da müssen daher unbedingt deutsche Soldaten hin.

Sogar das neutrale Österreich hat sich in Afrika schon wichtig gemacht:
„Bundesheer in Mali“

Großbritannien hat noch über das Commonwealth einen allerdings sehr schwindenden Einfluß in Afrika. Das mag einer der Gründe sein, warum es sich mit solchem Eifer am Sturz Ghaddafis beteiligt hat – um zu zeigen, daß es doch noch eine Hand auf dem Kontinent hat.

Manchmal gelingt es, die nationalen Ambitionen der Nachbarstaaten zu benützen, um unangenehme Regierungen zu stürzen, wie in Gambia 2017, sodaß die Friedensmacht EU nicht direkt intervenieren muß.

Das alles wäre schon noch zu bewältigen, wenn den Hütern von Menschenrechten und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nicht Störenfriede in die Quere kommen würden, die von dem ganzen Schmarrn nix halten und ähnliche, aber auch unterschiedliche Interessen in Afrika haben – und auch die Mittel, sie zu verfolgen: Rußland und China.

Terror in Moskau

ERSTE ERKENNTNISSE DEUTEN AUF LANGE VORBEREITUNG UND WISSEN DER USA HIN

Die USA erließen am 7. und 8. März Warnungen, wegen Gefahr von Attentaten große Menschenansammlungen, vor allem Konzerte, zu vermeiden.
Vermutlich wurden von den Attentätern jedoch die Präsidentschaftswahlen abgewartet, weil die mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen einhergingen.

Die angegebene Zahl der Attentäter schwankt zwischen 4 und 20.
In dem Einkaufszentrum gab es 2016 einmal Bombenalarm. Bereits damals stellte sich heraus, daß die Sicherheitsvorkehrungen unzureichend waren – daraus folgte aber keine Verbesserung derselben.

Zwei der Attentäter, die sich als Bürger Taschikistans ausgaben, lebten seit Februar in einem Hotel nördlich von Moskau.

In Rußland rief besonderen Verdacht hervor, daß die USA durch Kirby als allererstes betonten, die Ukraine und ihre Dienste hätten nichts mit dem Attentat zu tun.
Woher wissen die das so genau? fragt man sich.

4 Verdächtige seien inzwischen südlich von Moskau in der Nähe der Stadt Brjansk nach einer Verfolgungsjagd gefaßt worden sein, die Autobahn in der Region wurde gesperrt.

Hinweise auf ein islamistisches Attentat (Bärte der Attentäter, Bekennerschreiben des IS) erscheinen als Versuch, falsche Spuren zu legen.

Pressespiegel EL País, 17.3.: „Ausländischer Agent“ – der Begriff, mit dem der Kreml besonders kritische Russen bekämpft

DER RUSSISCHE INQUISITIONS-UMHANG

„Das Etikett, das seit 2012 zur Kennzeichnung von NGOs mit ausländischer Finanzierung verwendet wird, ist inzwischen zu einer Hürde für Dissidenten geworden. Die Aktivitäten von bedeutenden Akteuren der russischen Presselandschaft sind von dieser Maßnahme betroffen.

Die Pestglocke, die Spitzkappe und der charakteristische Umhang der von der Inquisition Verurteilten: zu diesen und anderen historischen Methoden zur Kennzeichnung unbequemer Gruppen und potenzieller Quellen physischer oder ideologischer Ansteckung hat Russland seinen eigenen Beitrag geleistet, nämlich die Bezeichnung „ausländischer Agent“.

Das 2012 in die russische Gesetzgebung eingeführte Konzept des »ausländischen Agenten« diente dem von Wladimir Putin gelenkten System dazu, die Rechte politischer Aktivisten einzuschränken, die seine Richtung in Frage stellen oder lästige Träger verschiedener Alternativen zu seiner (…) Politik sind.

Die Gesetzgebung zu „ausländischen Agenten“ begann als eine Möglichkeit, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) öffentlich als solche mit politischen Aktivitäten und ausländischer Finanzierung zu identifizieren.“

Hierzu muß bemerkt werden, daß die meisten NGOs – nicht nur in Rußland – aus internationalen Quellen finanziert werden, die oft nicht sehr transparent sind.
Die Bezeichnung des „ausländischen Agenten“ stammt aus der Gesetzgebung der USA, Rußland hat sich von dort inspirieren lassen und diese Kategorie bzw. diesen Rechtsbegriff schöpferisch weiterentwickelt:

„Im Laufe der Zeit und durch aufeinanderfolgende Änderungen wurde der Geltungsbereich der Gesetzgebung erweitert und heute ist der Begriff »ausländischer Agent« ein verbindliches Zeichen für juristische Personen, natürliche Personen und als solche bezeichnete Medienunternehmen, das nicht nur für Empfänger von ausländischer finanzieller oder materieller Unterstützung gilt (wie gering sie auch sein mag), sondern auch auf diejenigen angewendet wird, die angeblich »unter dem Einfluss des Auslandes« stehen.

Natürliche und juristische Personen sind daher genötigt, sich überall dort, wo sie auftreten, als »ausländische Agenten« zu bekennen (bzw. als solche identifiziert zu werden). Ob sie einen kurzen Kommentar abgeben, einen Artikel oder ein Buch veröffentlichen oder auf der Bühne auftreten, ihre Namen dürfen in der Öffentlichkeit nur mit dem demütigenden Etikett erwähnt werden.

»Ausländische Agenten« haben keinen Zugang zu offiziellen Stellen, dürfen keine Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, keine Mittel vom Staat erhalten oder an Schulen unterrichten.“

Das alles erinnert sehr an den „Radikalenerlaß“ in Deutschland aus dem Jahr 1972 und den vorhergegangenen Adenauer-Erlaß von 1950, die sich allerdings ausdrücklich nur auf den öffentlichen Dienst bezogen. Diese Erlässe hatten allerdings Folgen für die Privatwirtschaft, vor allem für Medien, wo die von diesen Erlässen betroffenen Personen auch keine Jobs fanden.

„Darüber hinaus unterliegen sie einer besonderen Finanzkontrolle und müssen vierteljährlich und halbjährlich Berichte über Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten vorlegen sowie über alle ihre öffentlichen Aktivitäten Rechenschaft ablegen.“

Damit wird natürlich auch klargestellt, daß private Spenden oder Finanzierungen innerhalb Rußlands unerwünscht sind, weil ja die etwaigen Finanziers dieser »ausländischen Agenten« offengelegt werden müssen.

„Eine Liste, die jeden Freitag erweitert wird

Auf einer Liste, die jeden Freitag um neue Namen erweitert wird, erscheinen unter anderem Künstler, Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und deren Mitglieder, Schriftsteller, Sänger, Politikwissenschaftler.
Mit Stand vom 15. März umfasste das Register, für das das Justizministerium zuständig ist, 781 Namen, von denen 199 als ausgenommen“ (d.h., nicht mehr unter diese Kategorie fallend) „aufgeführt waren, was bedeutet, daß in 582 Fällen die Bezeichnung »ausländischer Agent« in Kraft ist. Bei den aus dem Register entfernten Namen handelt es sich überwiegend (134) um aufgelöste Körperschaften, etwa Schwulen- und Lesbenvereine. Nur in fünf Fällen erkennt das Ministerium seinen Fehler bei der Einstufung als »ausländische Agenten« an.

Ursprünglich verfügten die russischen Behörden über vier verschiedene Register (entsprechend den verschiedenen Kategorien ausländischer Agenten).
Die erste registrierte Organisation (im Jahr 2013) war die Eurasische Antimonopol-Vereinigung (aus Juristen mit Wurzeln in Kasachstan).“

Dieser Verein wurde offenbar verdächtigt, irgendwelche mafiösen Praktiken aus mittelasiatischen Staaten zu decken, bestand aber trotz des Etiketts des „ausländischen Agenten“ bis 2023.
Daraus kann man erkennen, daß diese rechtliche Kategorie ursprünglich keineswegs bloß aus Gründen der Gesinnungskontrolle eingeführt wurde, sondern um jegliche Aktivitäten zu kontrollieren, die der russischen Gesetzgebung verdächtig erschienen.
Man kann daraus auch ersehen, daß der Status des „a.A“ nicht mit einem Verbot dieser Aktivitäten gleichzusetzen ist.

„Im Jahr 2014 folgten die NGO Golos (Stimme) zum Schutz des Wahlrechts und weitere, insgesamt waren es damals 29.
Im Jahr 2015 gab es 80 Neuzugänge, darunter die internationale Organisation Memorial und das Komitee gegen Folter.

Bei den letzten sieben Namen, die am vergangenen Freitag zur Liste hinzugefügt wurden, handelt es sich um einen Wirtschaftswissenschaftler, einen Gemeindevertreter, einen Schauspieler, einen Theaterregisseur, zwei Journalisten und einen ehemaligen Polizisten. In fünf Fällen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten sich der »militärischen Sonderoperation« (Krieg) des Kremls in der Ukraine widersetzt, und in mindestens drei Fällen würden sie »unzuverlässige Informationen« über die offizielle Politik verbreiten. Von den sieben neuen Agenten befinden sich sechs außerhalb Russlands.“

Das heißt, diese Leute haben sich ins Ausland abgesetzt und verbreiten ihre Ansichten über das Internet.

„Eine der jüngsten Maßnahmen, die diesen Monat in Kraft getreten ist, verbietet russischen Bürgern die Plazierung von Anzeigen in Medien, die als ausländische Agenten gelten. Dadurch werden große Persönlichkeiten des russischen Journalismus wie Jekaterina Gordejeva (1,64 Millionen Abonnenten auf YouTube) oder Alexej Pivovarov (4 Millionen Abonnenten auf YouTube und mehr als eine Million auf Telegram) ihrer Ressourcen beraubt. Beide Journalisten haben angekündigt, daß sie ihre Aktivitäten einschränken müssen.“

Pivovarov hat eigentlich andere Probleme, er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

„Neben dem öffentlichen Register ausländischer Agenten gibt es ein weiteres Register von Personen, die »mit ausländischen Agenten verbunden« sind, das den Verantwortlichen des russischen Wahlsystems über Wahlteilnehmer dient, die mit ausländischen Agenten in Verbindung stehen. Die Kategorie der „Verbundenen« unterliegt nicht den Einschränkungen ausländischer Agenten und wurde bereits bei den Parlaments- und Regionalwahlen 2021 verwendet. Im Jahr 2023 erschienen mehr als 800 Namen in diesem Register.“

Diese Personen unterliegen also der Beobachtung, sind aber nicht mit den Einschränkungen der „a.A“ konfrontiert.

„Das Konzept des »ausländischen Agenten« ist eine der Säulen des gegenwärtigen russischen Regimes und ist mit kulturellen Stereotypen verbunden, die seit der Zeit Ivans des Schrecklichen (16. Jahrhundert) im Land verankert sind, sowie mit der stalinistischen Repression, deren Opfer oftmals der Spionage für ausländische Mächte beschuldigt wurden.“

Nur ein Schritt noch bis zum GULAG.

surprise

„Diese historischen Assoziationen haben in Russland großes Gewicht und ein Beispiel dafür war Michail Gorbatschows kategorische Weigerung, als ausländischer Agent bezeichnet zu werden, als die entsprechende Gesetzgebung in Kraft trat.
Um nicht mit dem demütigenden Etikett des »ausländischen Agenten« belastet zu werden, mußte die Stiftung des ehemaligen Präsidenten der UdSSR ihre Pläne zur internationalen Zusammenarbeit aufgeben und ihre Öffentlichkeitsarbeit (…) drastisch einschränken.“

Die rechtliche Kategorie des „a. A.“ wirkt also sowohl im Vorfeld als auch im Nachhinein.

„Im Jahr 2012“ (als dieser Begriff eingeführt wurde) „stellten russische Behörden die verpflichtende Identifizierung von »Agenten« als Maßnahme zur Aufdeckung von Lobbyismus vor und behaupteten, daß es in den USA seit den 1930er Jahren ähnliche Gesetze gebe.“

Das ist keine leere „Behauptung“, sondern stimmt.

„Aber das russische Konzept hatte seine eigene Entwicklung. Zunächst mit sich überschneidenden und verwirrenden Regelungen und ab 2022, nach dem Einmarsch in die Ukraine, systematisch. Das Gesetz, das die Politik gegenüber a.A. klar regelte, trat im Dezember 2022 in Kraft.“

Eine etwas eigenartige Beschreibung. Offenbar war es 10 Jahre lang eine Art Gummiparagraph, lax angewendet und leicht zu umgehen. Erst jetzt ist es eine wirklich einschränkende Maßnahme.

„Bis zu 6 Jahre Gefängnis

Derzeit kann ein »ausländischer Agent«, der seinen Pflichten nicht nachkommt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren (falls innerhalb eines Jahres 2x gegen Vorschriften verstoßen wurde) oder bis zu 5 Jahren (wegen des Sammelns militärischer Daten, auch wenn diese öffentlich zugänglich sind) bestraft werden. Mit Haft bis zu 6 Jahren wird bestraft, wenn der a.A. die Durchführung von Aktivitäten organisiert, die von der Verwaltung verboten sind.“

Etwas unklar formuliert. Entweder die Aktivitäten sind verboten oder nicht. Was heißt hier „Verwaltung“?

„Im zweiten Fall“ (d.h., Bekanntgabe militärischer Daten, das bezieht sich wahrscheinlich auf Hochrechnungen von Verlusten an Menschen und Material im Zuge des Ukraine-Kriegs, aus Todesanzeigen und Daten von Bestattungsunternehmen) „kann es Journalisten und Analysten betreffen und im dritten Fall Leute, die Organisationen gründen, um sich der offiziellen Politik zu widersetzen (z. B. um sich der Einberufung zum Militär zu entziehen, oder um Menschen zur Teilnahme an Kundgebungen aufzufordern).

Die Gesetzgebung zu ausländischen Agenten kann als Teil einer Politik der „Archaisierung“ (Entwicklung zum Archaischen) betrachtet werden, die darin besteht, einflussreiche und aktive Personen zu neutralisieren, die Verbindungen zu einer unabhängigen Zivilgesellschaft sein könnten.“

Das Fehlen einer demokratisch agitierten „Zivilgesellschaft“ wird von der Autorin offenbar als „archaisch“, also der fernen Vergangenheit, vielleicht sogar der Zeit der Höhlenmenschen angehörig, betrachtet.

„Der andere Teil dieser gerade skizzierten Politik besteht in der Förderung einer neuen Art von Elite im Einklang mit dem militaristischen Modell, das Putin in der Gesellschaft zu etablieren versucht.
Am 29. Februar kündigte der Präsident in seiner Rede vor dem Parlament den Start eines von ihm erfundenen Programms an, das er »Heldenzeit« nennt, um die Leistungen von Kriegsveteranen im Ukraine-Krieg zu glorifizieren. Die Konzepte für dieses Projekt, das an die chinesische Kulturrevolution erinnert, werden »in den kommenden Monaten« gebildet, wie der russische Führer ankündigte.“

Man muß da nicht nach China gehen. Solche Programme von Helden der Arbeit, der Kollektivierung oder des Großen Vaterländischen Krieges gab es in der Sowjetunion mehrere.
Generell ist der Artikel zwar eine Beschreibung der fortschreitenden Gesinnungskontrolle in Rußland, wirkt aber für ein Land, das sich immerhin im Krieg befindet, relativ gemäßigt.