Imperialismus heute, Fortsetzung Juli 2021

IST SYSTEM CHANGE NOCH AKTUELL

oder womöglich mehr denn je?

Was hat es auf sich mit dem Rückzug aus Afghanistan – ein singuläres Ereignis oder der Auftakt zu einer Umgruppierung der militärischen Ressourcen des Westens?

In welcher Weise agieren die USA in ihrem Hinterhof Lateinamerika?

Wie reagieren die als Feind definierten Staaten auf die Aggressionen des Westens?

Wie vertragen sich wirtschaftliche Verflechtung und militärische Konfrontation?

Kuba und Haití

DIE KARIBIK WIRD AUFGEMISCHT

In Haiti ist gerade einmal der Präsident von einem Killerkommando umgebracht worden.

In Kuba gibt es, zur Freude der ganzen internationalen Presse, Demonstrationen, bei denen unter anderem „Freiheit“ gefordert wird, – ein bekanntermaßen probates Mittel gegen Stromausfälle und Lebensmittelknappheit.

Seltsame Ereignisse in der gleichen Region.

I. Haití und die USA

Haití ist ein Staat, oder vielleicht auch nur eine Gegend, die sich dadurch auszeichnet, daß es dort gar nichts gibt, das irgendeinen Investor oder Touristen interessieren würde. Eine No Go-Area, wo deshalb eine Religion in Form des Voodoo vorherrscht, der den Bewohnern wenigstens in einer Art von Trance die Möglichkeit gibt, ihren trostlosen Alltag zu vergessen.

Wen es interessiert, wie Haití zu diesem unerfreulichen Zustand gekommen ist, findet das hier.

Heute hat Haití zusätzlich zu allen anderen Problemen auch das seiner Nähe zu Kuba. Den USA, die ihren karibischen Vorhof unter Kontrolle haben wollen, ist alles recht, was in Haiti geschieht: Hunger, Bandenkriege, Gewalt in allen Formen, bis hin zu Folter und Verstümmelung der Gegner – kein Problem. Aber nur kein Sozialismus a la Kuba.

I. 1. Der Mord

Über das gewaltsame Ableben des Präsidenten Jovenel Moïse weiß man bisher Folgendes:

Die Killer waren kolumbianische Ex-Militärs, die über eine in Florida ansässige Sicherheitsfirma eines exilierten Venezolaners angeworben wurden.

Sie reisten über die Dominikanische Republik, also auf dem Landweg ein.

Die Sicherheitsbeamten, die den Präsidenten bewachen sollten, rührten keinen Finger und waren vermutlich eingeweiht, wenn nicht sogar mit beteiligt.

Die Killer kamen mit Westen der DEA und bezeichneten ihre Aktion vor dem Mord per Lautsprecher als eine Aktion der DEA im Rahmen von deren Tätigkeit.

Die USA meldeten gleich, die DEA hätte damit nichts zu tun.

Der tote Präsident war mit einer Jean und einem Hemd bekleidet, obwohl er mitten in der Nacht aus dem Bett geholt wurde. Er wurde offenbar gezwungen, sich anzuziehen, bevor er erschossen wurde. Das weist auf unterschiedliche Ziele der Mitglieder des Killerkommandos hin. Einige haben nach ihrer Verhaftung angegeben, sie seien angeworben worden für eine Entführung des Präsidenten, der angeblich wegen Drogenhandel vor Gericht gestellt werden sollte.

(Das ganze erinnert sehr an die „Operation Gideon“, bei der ebenfalls über eine Söldnerfirma in Florida angeworbene Killer den venezolanischen Präsidenten Maduro entführen oder töten sollten.)

Schließlich wurde ein angeblicher Drahtzieher des Mordes verhaftet, ein etwas messianisch angehauchter Exil-Haitianer, der kurz vor dem Mord per Flugzeug aus seinem Wohnort in Florida angereist ist. Er wollte angeblich selbst Präsident werden.

Die Figur ist bestenfalls ein Strohmann, weil woher hätte der das Geld zum Anstellen der Killer gehabt? Solche internationalen Mordkommandos sind ja nicht ganz billig.

Folgende Momente dieser bizarren Kriminalgeschichte sind einer näheren Untersuchung würdig:

1. Präsident Haitís – was ist das?

2. Die DEA

3. Drogen

4. kolumbianisches Militär

5. Florida und seine Wach- und Schließgesellschaften

I. 2. Präsident sein in Haití

ist eine der wenigen Möglichkeiten, sich eine halbwegs lukrative Erwerbsquelle zu beschaffen. Man hat als solcher die Möglichkeit, an internationale Hilfsgelder zu kommen, die von UNO-Organisationen, US-Behörden und -Fonds, und NGOs ins Land gebracht werden.

Im Land selber gibt es solche Einkommensquellen nicht. Steuern werden dort keine eingehoben. Kredite erhält Haití keine, außer vom IWF – darauf ist noch zurückzukommen. Die politische Klasse Haitís ist ein von auswärts alimentiertes und installiertes Implantat.

Je weiter oben man in der politischen Hierarchie ist, um so mehr kann man auch diese vom Ausland eintröpfelnden Gelder per Gießkanne an seine Klientel verteilen. Das Problem ist nur, wenn das Amt ausläuft – dann geht die Einkommensquelle verloren und kann durch nichts ersetzt werden.

„Moïse kam nach umstrittenen Wahlen von zwei Runden in den Jahren 2015 und 2016 mit sehr geringer Wahlbeteiligung an die Macht. In einem Land mit elf Millionen Einwohnern erhielt er nur rund sechshunderttausend Stimmen.“ (New Yorker, 14.7. The Assassination of Haiti’s President)

5,5 Prozent zum Erlangen eines Präsidentenamtes, nicht übel. Afghanistan und der Irak können damit vermutlich konkurrieren. Und selbst diese 600.000 Stimmen waren vermutlich teuer erkauft. D.h., um zu Wahlen überhaupt antreten zu können, muß der Kandidat einmal kräftig investieren. Das ist zwar woanders auch üblich, Wahlkampagnen sind nicht billig. Aber in Haití gibt es keine Parteien, daher auch keine Parteienspenden und meistens kommt daher dieses Geld auch aus dem Ausland – von Quellen, die an diesem Kandidaten ein Interesse haben.

Das Geld wird auch nicht für den Wahlkampf verwendet, sondern für Stimmenkauf. Leute werden mit Geschenken oder Drohungen dazu gebracht, zu den Wahllokalen zu gehen, die in Haití sicher nicht internationalen Standards genügen.

Unter dem Vorwand, daß sich nicht wieder eine Diktatur wie unter den Duvaliers etablieren dürfte, wurde nach deren Abgang das Präsidentenamt in der neuen und seither gültigen Verfassung auf eine Amtszeit begrenzt. Natürlich soll der Platz am Geldhahn auch anderen zur Verfügung stehen, daher die Beschränkung.

Der jetzige Präsident dachte gar nicht daran, Wahlen zu veranstalten, wo er seinen Sessel hätte räumen müssen. Er hatte vor, die Verfassung zu ändern und länger dran zu bleiben. Nach der gültigen Verfassung war er also gar nicht mehr Präsident. Parlament gibt es auch keines, weil das löste sich fristgerecht auf. Weil es keine Wahlen gab, kam kein neues zustande.

Irgendwelche Leute in und außerhalb Haitís störte diese Machtvollkommenheit und das kostete ihn das Leben.

I. 3. Die DEA

„Die Drug Enforcement Administration (DEA; deutsch „Drogenvollzugsbehörde“) ist eine dem Justizministerium der Vereinigten Staaten unterstellte Strafverfolgungsbehörde mit Hauptsitz in Arlington, Virginia.“ (Wikipedia, DEA)

Die DEA entstand 1973 aufgrund eines Gesetzes von 1970 (CSA) über die Kontrolle aller möglicher als Drogen eingestufter Substanzen. Ihr erster Wirkungsbereich war das Inland und die Kriminalisierung aller möglichen politischen und gesellschaftlichen Organisationen und Akteure, denen Drogenmißbrauch vorgeworfen wurde. Damals wurde Marihuana als Droge eingestuft und die Behörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, um den „Cannabis-Mißbrauch“ zu verfolgen und zu ahnden.

Zu den Kompetenzen der DEA gehörte auch der Zoll, und darüber erweiterte sich ihre Tätigkeit über die Grenzen der USA hinaus.

In die gleiche Zeit der DEA und des CSA fällt auch der von Nixon geprägte und seither schöpferisch angewandte Begriff des „Krieges gegen die Drogen“. Drogen aller Art werden als eine Art Feind für den universalistischen Weltherrschaftsanspruch der USA betrachtet und alle Händler und Konsumenten dieses Stoffes als die Soldaten dieses Feindes. Die Droge wird sozusagen zum abstrakten Subjekt erhoben, das den „american way of life“ gefährdet und gegen die jedes Mittel eingesetzt werden muß.

Das verschafft den USA die höchste Gefängnisbevölkerung per capita auf der ganzen Welt und gibt ihr freie Hand zur Einmischung in alle Länder der Welt, sofern sie das auf die Tagesordnung setzen. (Opiumhandel im Goldenen Dreieck und Afghanistan wurde und wird jedoch toleriert, wenn es die „Richtigen“ tun.)

Mit fadenscheinigen Drogen-Anklagen überfiel die US-Army 1989 Panama, und verhaftete deren Staatschef, der vorher auf der Gehaltsliste des CIA gestanden war, u.a. mit Drogen-Operationen zur Finanzierung der Contras-Gruppen gegen die Sandinisten.

Das Budget, mit dem die DEA operiert, bestimmt den Radius ihrer Aktivitäten. Dieses erfuhr eine beachtliche Steigerung unter George Bush Vater, der aus dem „Krieg gegen die Drogen“ eine politische Priorität machte und seine Lateinamerikapolitik damit begründete.

Die DEA unterhält Büros in fast allen Hauptstädten Lateinamerikas. In Staaten wie Mexiko oder Kolumbien ist sie eine Art Staat im Staat. Sie agiert wie eine eigene Miliz, entführt Personen und schleppt sie außer Landes und spielt eine undurchsichtige Rolle in der Grauzone zwischen staatlichen Beamten, Paramilitärs und bewaffneten Banden – mit allen arbeitet die DEA immer wieder zusammen.

Wenn also die Mörder des haitianischen Präsidenten sich als Beamten der DEA ausgeben, hat das zumindest im ersten Augenblick einen Schein von Plausibilität.

Um so mehr, als Haití eine wichtige Station im Drogenhandel zwischen Südamerika und den USA geworden ist. Auf dem Landweg gibt es Hindernisse wie Nicaragua, das sich nicht auf Drogenhandel einläßt.

Aber Haití, mit seiner praktisch nicht existenten Zentralgewalt, ein völlig unkontrolliertes Territorium, dessen Bevölkerung kaum über Einkommensquellen verfügt, bietet sich förmlich als Drehkreuz Nord-Süd an und wurde auch reichlich genützt. Darauf beruht ein guter Teil der Banden, die inzwischen den Alltag Haitís beherrschen.

Fortsetzung: Drogen, Kolumbien und Florida

Serie Daten und Statistiken, Teil 4

DIE INFLATION

Über das, was die Inflation ist – oder auch nicht ist –, wurde schon einiges geschrieben.

Hier soll es darum gehen, wie sie berechnet wird.

Immerhin werden wir regelmäßig mit Meldungen über steigende – oder zu niedrige – Inflationsraten gefüttert, und die bereiten Ökonomen und Politikern Kopfzerbrechen.

„Was bedeutet Inflation? Laut Definition handelt es sich dabei um eine anhaltende, allgemeine Erhöhung von Preisen für Güter, die dafür verantwortlich ist, dass die Kaufkraft von Geld schwindet. Eine Teuerung von Waren und Dienstleistung (= inflationärer Anstieg) führt dazu, dass für denselben Preis weniger Dinge erworben werden können. Im Zuge der Frage, was Inflation ist, wird meist auch die Inflationsrate erwähnt. … Die Definition der Inflationsrate ist schnell gegeben: Es handelt sich um eine Angabe darüber, wie sehr sich ein Preis für ein und dasselbe Gut in einem bestimmten Zeitraum verändert hat.“ (Ofina, Ratgeber)

Wenn wir uns an diese Definition halten – die, wohlgemerkt, keine Erklärung ist – so fragt sich, wie diese ganzen sich verändernden Preise festgestellt werden?

Der Warenkorb

Zu diesem Zweck werden verschiedene Ausgabeposten, die man dem durchschnittlichen Bürger zurechnet, auf ihre Preissteigerungen untersucht.

Der Warenkorb für Österreich setzt sich 2021 zusammen wie folgt:

„Zusammensetzung des durchschnittlichen Warenkorbs privater Haushalte in Österreich im Jahr 2021“

„Der Warenkorb dient der Berechnung der Verbraucherpreisindizes und der daraus abgeleiteten Inflationsrate in Österreich. Er enthält eine wirklichkeitsnahe Auswahl der von den privaten Haushalten konsumierten Waren und Dienstleistungen und ist in zwölf Ausgabenbereiche (Hauptgruppen) unterteilt. Jede Hauptgruppe ist entsprechend ihrem Anteil an den Haushaltsausgaben gewichtet.“ (Statista)

Bei der Auswahl der 12 Ausgaben-Gruppen (die in der ganzen EU üblich sind, das Verfahren wurde vereinheitlicht) fällt als erstes auf, daß manche von minderbemittelten Mitbürgern kaum in Anspruch genommen werden, wie Hotels. Auch unter „verschiedene Waren und Dienstleistungen“ wird viel Unterschiedliches einen Topf geworfen.

Es ist also schon einmal eine Entscheidung der Statistiker, was sie alles in den Warenkorb aufnehmen. Irgendwie soll der gesamte Konsum der Gesellschaft abgedeckt sein, auch wenn die Mitglieder in verschiedener Art daran teilnehmen.

Zweitens wird auch von den Warenkorb-Erstellern entschieden, welcher Stellenwert einem bestimmten Ausgabeposten zukommt.

Der Grund für die zwei unterschiedlichen Farben lassen sich der Website nicht entnehmen, also nicht, ob sich die eine auf den Vormonat oder das Vorjahr bezieht. Das ist aber zum Begreifen dessen, was mit dieser Gewichtung geschieht, unwesentlich.

Wohnung, Wasser & Energie sowie Haushalt überhaupt machen in der Graphik insgesamt ein Viertel der Ausgaben eines Haushaltes aus, obwohl inzwischen diejenigen, die über ein geringes Einkommen verfügen, zwischen einem Drittel und der Hälfte für die Wohnung aufwenden. D.h., Steigerungen auf diesem Gebiet gehen nicht in dem Maße in den gesamtgesellschaftlichen Kaufkraftverlust ein, wie es den Geldbörsen der Mehrheit entspräche.

Ebenso wie bei „Verkehr“ der Kauf des SUV genauso erfaßt ist wie die Monatskarte für den öffentlichen Verkehr, fällt unter „Nachrichtenübermittlung“ alles mögliche an Elektronik vom neuesten Smartphone bis zum überalterten Computer, der mit updates noch am Laufen gehalten wird, und der Briefmarke auf einer Urlaubspostkarte.

Nicht, daß sich hier zuwenig Mühe gemacht würde. Die Warengruppen werden alle 5 Jahre neu gewichtet und modifiziert. Die Waren selber werden monatlich neu erfaßt, um am Puls der Zeit zu bleiben. In Deutschland werden monatlich die Preise von rund 300.000 Waren durchforstet. In Österreich gibt es zusätzlich einen Mikrowarenkorb, der die täglichen Einkäufe abbilden soll, Tausende von Artikeln erfaßt und ebenfalls monatlich upgedated wird.

Dennoch gibt, wegen des Durchschnitts durch alle privaten Haushalte, der Warenkorb und die Inflationsrate nicht viel her, was das Ausmaß der Teuerung für die Einzelnen betrifft – sowohl bei den Armen als auch bei den Reichen.

Die viele Mühe und die Berechnung überhaupt werden deshalb gemacht, weil die Inflationszahlen sowohl für politische und ökonomische Entscheidungen wichtig sind, als auch der geistigen Betreuung des p.t. Publikums dienen.

Die Besprechung der ermittelten Inflationsrate

Das genaue Nachschauen auf Tausenden von Preiszetteln und deren Aufrechnen in die Inflationsrate wird als eine Art Dienst am Kunden dargestellt. Regelmäßig wird die Menschheit mit den betreffenden Zahlen beglückt – was teurer geworden ist, was viiiiel teurer geworden ist und was sich – oh Glück, oh Wunder – verbilligt hat.

Die Preise und ihre Bewegung werden dem Hörer bzw. Leser der Medien als eine Art Natur vorgestellt, so wie Jahreszeiten oder das Wettergeschehen. Die Berichte über die Inflation haben also etwas vom Wetterbericht an sich.

Das ist die erste ideologische Leistung dieser Art von Datenerhebung und -vermittlung: Waren und Preise sind etwas Natürliches und Selbstverständliches.

Dann kommen als nächstes die braven Leute ins Spiel, die diese Preise erheben, die Statistiken errechnen und die dann mitteilen und sogar analysieren.

Das ist die nächste ideologische Leistung: Die Behörden werden als Freund und Helfer vorgestellt, die dieses Ungetüm „Inflation“ beobachten, zügeln und handhabbar machen und der Menschheit mitteilen,wie es darum steht, sodaß diese sich drauf einstellen kann.

Es kann sich zwar niemand drauf einstellen, aber das macht nichts.

Die praktische Bedeutung der Inflationsrate

Die Inflationsrate ist nämlich über diese beiden Momente hinaus ein fester Bestandteil des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit.

Die Inflationsrate ist nämlich ein Moment für Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden.

Ist die Inflationsrate hoch, so wird daraus geschlossen, daß höhere Lohnforderungen anstehen.

Sofort werden warnende Stimmen laut, daß man die Löhne nicht zu sehr erhöhen dürfe, weil sonst eine „Inflationsspirale“ losgetreten würde. Man darf also keineswegs der arbeitenden Menschheit ihren durch die Inflationsrate errechneten Kaufkraftverlust durch höhere Löhne ausgleichen, weil das würde wieder höhere Preise bedingen, und damit höhere Löhne, usw.

Ist die Inflationsrate niedrig, so sind Gehaltsforderungen sowieso vom Tisch. Warum auch, es geht doch ohnehin allen so gut wie nie zuvor.

Man erkennt hier auch ein Interesse der Inflationsraten-Berechner, selbige niedrig zu halten, und sei es durch gelegentliche Warenkorb-Kosmetik: Manche Artikel werden höher, andere niedriger gewichtet. Also das Verhältnis, in dem diese Ausgaben zueinander gestellt werden, kann große Preissteigerungen einzelner Güter für die Inflationsratenberechnung verringern.

Die Umsatzsteuer

Während so getan wird, als spiegle die Inflationsrate mehr oder weniger die Marktverhältnisse und die Preise, die auf dem Markt erzielt werden, gibt es dennoch einen äußeren Faktor, der dieselbe beeinflußt. Und der ist die Umsatzsteuer. Ob Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Genußmittelsteuer usw. – diese Steuern erhöhen die Preise, ohne daß Angebot, Nachfrage, Produktionskosten, Rohstoffkosten oder irgendetwas anderes teurer geworden wäre. Diese Art von Preiserhöhung setzt sich sozusagen von außen auf den ganzen Markt oder die Ökonomie drauf und entspringt nicht den Handlungen der Produzenten oder Konsumenten.

Von Seiten des Gesetzgebers bzw. des Finanzministers sind die Umsatzsteuern die nächstliegende Art der Einnahmensteigerung. Gegenüber Schuldenmachen haben sie den Vorteil, daß sie mit keinen Verbindlichkeiten einhergehen. Gegenüber anderen, direkten Steuern haben sie den Vorteil, daß sie keine gesellschaftlichen Schichten gegen sich aufbringen, die ihre Einkünfte gefährdet sehen. Die Umsatzsteuern betreffen doch „alle“, nicht wahr?

In Zeiten der zunehmenden Verarmung der Gesellschaft können allerdings auch solche durch Umsatzsteuern verursachten Preissteigerungen zu Aufruhr führen, wie in jüngerer Vergangenheit der Aufstand der „Gelbwesten“ gezeigt hat. Ein weiter zurückliegendes Beispiel dafür war das „Caracazo“, wo die politische Karriere von Hugo Chavez ihren Anfang nahm.

Für größtmögliche Freiheit der Finanzminister und -ämter ist es jedoch wichtig, daß die Inflationsrate niedrig ist. Fortlaufende Entwertung der nationalen Währung würden nämlich die erhöhten Einnahmen aus der Umsatzsteuer zunichte machen.

Bei der Einführung der Maastricht-Kriterien 1991 wurden deshalb 3% Inflation jährlich als anzustrebende Höchstmarke angegeben.

Diese Kriterien gelten erstens praktisch nicht mehr.

Aber die ganze Inflationsrate ist inzwischen mehr denn je geschönt, weil eine zu hohe Inflationsrate gar nicht ins Bild der krisengeschüttelten EU mit ihren Null- und Negativzinsen passen würde.