Pressespiegel El País, 10.1.: Statt Import lieber „Made in Russia“

„DER TEURE RUSSISCHE PLAN GEGEN DIE WIRTSCHAFTSSANKTIONEN

Als Reaktion auf die Sanktionen nahm die russische Regierung 2014 einen ehrgeizigen Wirtschaftsplan in Angriff, um die die Importe durch einheimische Produktion zu ersetzen.“

So etwas hat die Freie Welt gar nicht gerne.
Der Rest des Globus hat sich als Markt für ihre Produkte zu bewähren, weil irgendwohin muß sie ihren Krempel ja exportieren. Es war also ein sehr schlechtes Benehmen Rußlands, sich diesem Anspruch entziehen zu wollen. Die Annexion der Krim ist dagegen ein Klacks. Es war ja schon eines der Verbrechen der Sowjetunion, sich nicht in gebührender Weise in den Weltmarkt zu integrieren.
Rußland hat nach der Wende alles brav so gemacht, wie es die Heimatländer der Marktwirtschaft und der Menschenrechte forderten und nach wie vor fordern: Es hat seine Währung konvertibel gemacht und sich fest bei westlichen Banken verschuldet, um die Importe, die in großer Zahl hereinströmten, auch zahlen zu können.
Diese idyllischen Zustände sind als Reaktion auf die Sanktionen jetzt gefährdet. Der ganze folgende Artikel ist von dem Ärger über diese gar nicht marktkonforme Verhalten erfüllt.

„Die Bestrafung derjenigen Personen, die in diesem Jahr (2014) an der Einverleibung der Krim beteiligt waren, durch die EU und die USA“ (Reihenfolge!) „wurde vom Kreml durch ein vollständiges Einfuhrverbot für Lebensmittel aus dem Westen beantwortet.“

Der „Westen“ sind hier eindeutig USA und EU, Rußland war es wichtig, das klarzustellen. Israel oder die Schweiz fielen nicht unter das Einfuhrverbot.

„In den folgenden Jahren verlängerte sich die Liste der Sanktionen, wegen Repression und Einmischung in die Wahlen, in in gleichem Maße verstärkten sich die mehr oder weniger erfolgreichen Bemühungen um Waren »Made in Russia«.
Der Befehl, Importwaren durch russische Erzeugnisse zu ersetzen, trifft alle auch nur vorstellbaren Bereiche. Das Industrieministerium richtete ein Internet-Portal ein, in dem alle geplanten Ersatzproduktionen aufgelistet sind, von der Schwerindustrie über Medikamente bis zum alltäglichen Konsum. So ist zum Beispiel vorgesehen, Kinderkleidung von einer Importquote von 85% 2016 auf 65% 2021 zu verringern, und gleichzeitig die Bremsscheiben für Autos von 60% auf 20%.“

Diese Artikel werden aber gar nicht aus der EU oder den USA geliefert, sondern aus China, der Türkei oder anderen asiatischen Staaten. D.h., das Importsubstitutionsprogramm bezieht sich auf ALLE Waren und hat neben der Verringerung von unerwünschten Abhängigkeiten auch die Verbesserung der Zahlungsbilanz und eine Verringerung der Auslandsverschuldung im Auge.

„Auf manchen Gebieten wurden tatsächlich bemerkenswerte Fortschritte erzielt.“

Bei diesem gönnerhaften Tonfall muß man sich erst einmal zurückerinnern, wie es eigentlich zu dieser Importabhängigkeit gekommen ist. In sowjetischen Zeiten wurde relativ wenig importiert, weil Devisen knapp waren. Kaffee und Bananen waren deshalb Mangelware, weil die auf dem Gebiet der SU und ihrer Satellitenstaaten nicht wuchsen. Bei Technologie waren die Staaten des Warschauer Paktes Verboten unterworfen, die auf den COCOM-Listen angeführt waren – sie KONNTEN sie also nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten kaufen.

In den 80-er Jahren entdeckten europäische Staaten den Handel und die Verschuldung als einen Hebel zur Schwächung des dortigen Systems, und begannen gerade zu Zeiten der Perestroika vermehrt in Geschäftsbeziehungen zu den sozialistischen Staaten zu treten.
Nach der Wende kam es zu einem unglaublichen Verfall der Produktion in Rußland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Die gesamten Lieferketten waren unterbrochen, die bisherige Finanzierung fiel weg. Der IWF nahm sich Rußlands an und verordnete weniger Geld-Drucken, um die Inflation klein zu halten. Massenentlassungen und Nicht-Zahlen von Gehältern ließen den inneren Markt zusammenbrechen. Und findige Ökonomen und aufsteigende Oligarchen entdeckten, daß ja die einheimischen Produkte sowieso nichts wert waren, predigten die Marktwirtschaft und erklärten, bevor die nicht Wurzeln geschlagen hätte, müßte man sowieso alles aus dem Goldenen Westen beziehen.
Mit Müh und Not gelang es Betriebsleitern, Lokalpolitikern, Geheimdienstlern und Militärs, wenigstens die Rüstungsindustrie halbwegs aufrechtzuerhalten, teilweise durch Schwarzhandel mit Waffen. Aber gerade die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie machte einen steilen Abstieg durch, der sich in den folgenden 2 Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen sehr unangenehm bemerkbar machte.

„Die Gas- und Ölkonzerne, die von den Sanktionen sehr betroffen waren, haben laut Industrieministerium zwischen 2015 und 2020 ihre Importe an Ausrüstung von 60 auf 43% reduziert. Diesen Sektor hatten die Strafmaßnamen vor allem im Auge, »um einen langfristigen wirtschaftlichen Druck auf das Land auszuüben«, wie in einem Gutachten des US-Kongresses vom Jänner 2020 betont wird.“

Die Idee der westlichen Regierungen war offensichtlich, durch Sanktionen Engpässe bei der Beschaffung von Ausrüstung für die Energie-Industrie zu erzeugen und damit eine wichtige Devisenquelle Rußlands zu beschädigen. Dergleichen ist bei Venezuela eine Zeitlang gelungen, aber Rußland hat doch andere industrielle und technische Ressourcen, die Maßnahme blieb allem Anschein nach völlig wirkungslos.
Die 43% Importe an Gerät für die Öl- und Gas-Industrie kamen also entweder durch Schmuggel oder durch Import aus befreundeten Staaten ins Land.
Man muß bei solchen Importbeschränkungen bedenken, daß die auch die Exporteure von dergleichen Technologie schädigen, die haben selber ein Interesse, ihr Zeug zu verkaufen, und sei es eben durch andere Kanäle.

„In anderen Fällen hat sich am Markt nichts geändert. Laut einer Studie der Wirtschaftshochschule Moskau machen die Importe an Konsumgütern 75% des Verbrauchs aus, nimmt man Kleidung und Spielzeug hinzu, sogar 90%.
»Bestimmte Importwaren zu ersetzen ist noch nicht per se Protektionismus. In den 70-er Jahren kauften Japan und Südkorea Lizenzen und Zusatzstoffe, um selbst die entsprechenden Produktionen anzuleiern, und sie waren damit erfolgreich«, führt der Professor dieser Wirtschaftshochschule Alexej Portanski ins Feld. Er war früher der Leiter der Behörde für den 2012 erfolgten WTO-Beitritt Rußlands. »Dergleichen will allerdings genau geplant werden, also in welchen Bereichen konkret etwas verändert werden soll, und innerhalb welcher Zeitspanne,« betont er.“

Japan und Südkorea waren allerdings damals Verbündete der USA, im Interesse des „Containments“ des sozialistischen Blocks (das war noch vor dem Bruch zwischen China und der SU) sollten diese Staaten gestärkt und zu Industrienationen aufgebaut werden. Heute würden Lizenzen und dergleichen nicht mehr so einfach an andere Staaten hinübergeschoben.

„Eines der Probleme bei der Steigerung der einheimischen Erzeugung ist, daß es dafür bedeutende Investitionen und auch Zeit braucht, um Wettbewerbsfähigkeit auf Exportmärkten zu erreichen, weil der innere Markt nicht groß genug ist, um die Kosten hereinzubringen.
Dazu gesellen sich die gestiegenen Kosten für den Import der Vorprodukte: Die russische Währung hat sich seit 2014 von 45 Rubel pro Euro auf 85 pro Euro entwertet.
»Die Importsubstitution ist ergebnislos geblieben. Es wird behauptet, sie hätte Erfolge verzeichnet, aber das stimmt nicht. Die Zahlen werden manipuliert,« behauptet Portanski,

um diese Behauptung gleich zu widerlegen:

„»Die russischen Lebensmittel haben ihren Anteil am Markt erhöht, das stimmt, aber betrachten wir sie vom Standpunkt des Konsumenten und der interessiert uns: Russische Produkte tauchten auf, aber sie sind teurer und die Qualität ist nicht sehr gut. Warum? Vorher hatten die Supermärkte ein größeres Angebot, jetzt sind unsere Produzenten die Monopolisten«, meint der Experte.“

Der Experte hat also doch nicht so sehr den Standpunkt der Konsumenten, sondern ein Lehrbuch der Marktwirtschaft vor Augen, wo der Wettbewerb die Qualität garantieren soll – wovon man hierzulande ein Lied singen kann: Hier bestimmt das Geldbörsel über die Qualität der Lebensmittel, wobei es verschiedene Marken von Bio- und verschiedene Marken von Junkfood gibt.

„Portanski bezieht sich auf eine Studie der Wirtschaftshochschule von 2019, die untersuchte, wie sich die Importsubstitution im Bereich der Lebensmittel in den ersten 5 Jahren ausgewirkt hatte. Außer den Kategorien Geflügel, Schweinefleisch und Tomaten, wo sich die Verbraucherpreise verringert hatten, waren sie in den restlichen Kategorien gestiegen.“

Das muß aber nicht an einer Verteuerung der einheimischen Lebensmittel liegen, sondern kann auch dadurch verursacht, daß von weiter weg importiert wurde, z.B. aus Brasilien. Die hier gelieferte Information beschränkt sich auf die Preise, die Herkunft und die Qualität bleiben im Dunkeln.

„Nach diesen Berechnungen haben sich die Kosten für Lebensmittel für die russischen Staatsbürger um 5,1 Milliarden Euros pro Jahr gegenüber 2013 verteuert.
Und das vor dem Coronavirus.
Mit der Pandemie und der globalen Unterbrechung von Lieferungen ist die Situation noch schlechter, weil laut (der Statistikbehörde) Rosstat haben sich die Lebensmittel im Vorjahr um 10,6% verteuert.“

Man fragt sich, woher dieses plötzliche Mitgefühl mit dem kleinen Mann von der Straße? – aus dem Munde von „Experten“, die sonst immer dafür sind, daß alle den Gürtel enger schnallen müssen, wenn die wirtschaftliche Vernunft das verlangt, wie z.B. in Griechenland, weil es überschuldet ist.
Außerdem mutet die ganze Argumentation seltsam an, weil aufgrund der Unterbrechung globaler Lieferketten hätte der Schaden noch größer ausfallen können, wenn die Auslandsabhängigkeit größer gewesen wäre.
Aber kommt schnell heraus, worum es dem Artikelschreiber und seinem Experten geht:

„»Die EU ist unser Haupt-Handelspartner und wir wollen diese Zusammenarbeit fortsetzen, weil mit den Investitionen von dort das Know-How ins Land kommt, das uns fehlt«, unterstreicht Potanski.“

Sanktionen und Hetze hin und her, wir wollen gut Freund bleiben mit dem Westen, damit er uns entwickelt! – dieses Credo der russischen westorientierten Ökonomen ist offenbar wasserdicht gegenüber den Feindschaftserklärungen, die seit Jahren aus westlichen Medien und von westlichen Politikern verlautbart werden.
Mit dieser Bewunderung der westlichen Expertise werden gleichzeitig die eigenen Schulen, Universitäten, Fabriken heruntergestuft und für mangelhaft erklärt, und die eigene Bevölkerung für zurückgeblieben. Es ist nicht notwendig, das ausdrücklich zu erwähnen – im Lob des westlichen Know-How ist diese Zurückstufung enthalten.

„Im offenen, mit Sanktionen ausgetragenen Konflikt beschuldigt Brüssel den Kreml, bei Ausschreibungen die eigenen Firmen gegenüber ausländischen zu bevorzugen“ –

unerhört! –

„und kündigte im November an, bei der WTO eine Beschwerde einzubringen, weil deren Grundprinzip heißt, daß ihre Mitglieder nicht aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden dürfen. Die Europäische Kommission betont, daß die wirtschaftlichen Folgen für ihre Unternehmen »sehr bedeutend« sind, da es bei den russischen Ausschreibungen jährlich um Millionen von Euros geht.“

Das schlägt dem Faß den Boden aus! Erst Sanktionen verhängen, damit die russische Wirtschaft geschädigt wird, und dann sich beschweren, daß die Gegenmaßnahmen der russischen Regierung die eigenen Unternehmen schädigen.
Man merkt daran, mit welcher Unverschämtheit sich die EU-Führung auf den Rest der Welt bezieht, der ihr anscheinend zu Füßen liegen müßte, und welchen Groll sie bei sich nährt, wenn sich eine Macht von den Dimensionen Rußlands diesem Anspruch verweigert.

„Brüssel beanstandet konkret drei Vorgaben des Kreml.
Erstens, die russischen Staatsbetriebe ziehen beim Preis, den die russischen Unternehmen anbieten, 30% ab. Zweitens, beim Import einiger Industriegüter ist für russische Firmen eine staatliche Genehmigung erforderlich. Und drittens, es gibt bei den Ausschreibungen Quoten für russische Produkte, die enthalten sein müssen, z.B. Fahrzeuge, medizinische Ausrüstung und Technologie.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kommentierte die Forderungen Brüssels auf ihrem Telegram-Kanal: »Sie sind ein Unsinn, weil die Importsubstitution war eine Antwort auf die Sanktionen der EU gegen Rußland. Brüssel behauptete lange, daß unser Land ,hart bestraft’ worden sei. Hart daran ist nur der Sadomasochismus.«“

Die Dame verweist die EU-Kommission damit an das Salzamt, und die WTO-Beschwerdestelle ist ja auch ein solches.

„Ein Zeichen dafür, daß nicht alles läuft wie geplant, ist die Novellierung des Erlasses von 2014 vom vergangenen 24. Dezember“ (wie neckisch! Andere feiern Weihnachten, wir novellieren Dekrete) „bezüglich der Quoten für russische Produkte bei staatlichen Einkäufen. Von den in dieser Aufstellung gelisteten 100 Produkten werden 41 temporär entfernt, weil es keine passenden russischen Fabrikate gibt.“

Aber für 59 gibt es sie offenbar!

„Dazu gehören etwa medizinische Lampen, Laptops, Chipkarten, integrierte Schaltkreise und andere elektronische Teile.
Im Jänner 2014 plädierte der (2019 verstorbene) Ökonom Viktor Ivanter in einem Artikel in der offiziellen Rossijskaja Gazeta dafür, in die heimische Industrie zu investieren und auch der »besorgniserregenden Abhängigkeit« auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung ein Ende zu bereiten. »Nach Jahren der Reformen haben wir etwas erreicht, worauf wir nicht verzichten wollen: Der Konsument kann auswählen, aber diese Auswahl ist noch vom Import abhängig.«
8 Jahre später gibt es weniger Auswahl und alles kostet mehr.“

Man merkt, daß „der Kreml“ vielleicht noch nicht ganz dort ist, wo er hinkommen möchte, aber doch auf dem Weg dorthin, und wie sehr das westliche Medien stört.

Imperialismus heute, Fortsetzung Jänner 2022

ZERSTÖRUNG UND CHAOS ALLERORTEN

Die Frage der letzten Überschrift zum Imperialismus hat sich beantwortet: Auch wenn der „System Change“ nicht hinhaut, so werden die bewährten Methoden zur Destabilisierung ungeliebter „Regimes“ weiterhin eingesetzt und von den Medien beklatscht, auch wenn keinerlei neue stabile, geschweige denn demokratische Herrschaft dabei herauskommt.

Die leeren Worthülsen „Demokratie“, „Meinungsfreiheit“, „Unzufriedenheit“, „Unterdrückung“, „autoritär“, usw. werden weiterhin eingesetzt, aber die Möchtegern-Meinungsmacher haben sich aller Illusionen begeben, daß das beste aller Systeme weiter exportiert werden kann.

Hauptsache, mißliebige Staaten haben Probleme, es gibt dort Tote, Verletzte und wirtschaftliche Schäden, dann fühlt sich der westliche Journalist so richtig wohl.

Ruhig geworden ist es um die Türkei. Sie hat zwar in Libyen für den Westen die Kartoffeln aus dem Feuer geholt und den Einfluß anderer Staaten (Rußland, Ägypten, aber auch Frankreich) zurückgedrängt. In absehbarer Zeit werden sich allerdings ihre außenpolitischen Projekte nicht erfüllen, und die Wirtschaft leidet zusehends unter den militärischen Ambitionen, die schließlich durch die Wirtschaftsleistung finanziert werden müssen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Kreditfrage. Die Pläne der AKP in Sachen Rüstung, Einmischung in Konflikte und Einfluß in der islamischen Welt wurden eine Zeitlang durch den Kauf von Anleihen gestützt und dadurch erst ermöglicht. Aber aus verschiedenen Gründen scheinen diese zahlungskräftigen Freunde der Türkei abhanden gekommen zu sein und damit gerät ihr ganzes Finanzsystem ins Strudeln.

Von Syrien, dem Libanon, Ägypten, Tunesien, Libyen, dem Irak hört man wenig. Auch Afghanistan ist ziemlich abgemeldet, außer man will passende Textbausteine und Photos zu den Themen Unmenschlichkeit, Fanatismus und Frauenfeindlichkeit loswerden.

Für irgendwelche Winterlöcher oder saure-Gurken-Zeiten kann man auch noch über die Probleme von Leuten mit abweichender sexueller Orientierung berichten, da findet sich überall auf der Welt etwas.

Staaten an den Grenzen Rußlands werden aufgemischt und gleichzeitig darüber gezetert, daß dieses unglaublich aggressive Rußland sich da ungehörig einmischt.

Schließlich, nicht zu vergessen, beschäftigt gerade die EU-Staaten und ihre Medien die Energiefrage. Selber würde man gerne mehr als man hat, und vom Ausland importieren ist lästig, wenn man dieses Ausland gerne bekriegen oder doch fertigmachen würde.

Wobei man bei der Abhängigkeit von Importen nicht immer nur an Rußland denken sollte. Auch Nordafrika, die Flüssiggas-Exporteure oder die Ölstaaten sind aufgrund von Inflation, logistischen Problemen und politischer Rivalität keine verläßlichen Partner mehr.

So ungemütlich präsentiert sich das Panorama zu Jahreswechsel 2022.

Pressespiegel El País, 28.11. Die niedrige Impfquote armer Länder beflügelt neue Varianten

„DIE OMIKRON-VARIANTE AUS SÜDAFRIKA IST SYMBOL DES SCHEITERNS DER WELTWEITEN PANDEMIE-POLITIK

Der Kameruner Virologe John Nkengasong, Direktor der Zentren Afrikas für Kontrolle und Vorsorge gegen Epidemien, erstellte im März eine sehr beunruhigende Prognose.
»Europa möchte 80% seiner Bevölkerung impfen« (es hält bei im Schnitt 70%), »die USA würde gerne 100% seiner Bevölkerung impfen« (und hält bei 69%). »Sie werden die Impfung durchführen, die Reisen beschränken und dann wird Afrika der Covid-Kontinent.«“

Na ja, in vielerlei Hinsicht hat sich der Herr getäuscht. Nicht nur, daß die Impfkampagne in Europa und den USA nicht so läuft wie geplant, aber wie man sieht, sind auch die Reisebeschränkungen nicht eingetreten.

„Am Freitag verkündeten die EU und die USA das Aussetzen aller Flüge aus dem südlichen Afrika auf ihr Territorium, nachdem in Botswana und Südafrika die Omikron-Variante des Virus mit 30 sehr beunruhigenden Mutationen entdeckt worden war. Nkengasong hatte recht gehabt. Die Welt war alarmiert. Die Börsen rutschten weltweit in die roten Zahlen.
Nur 3 von 100 Personen sind laut Universität Oxford in den ärmsten Ländern der Welt vollständig geimpft,“

Was heißt eigentlich „vollständig“, wenn man hört und liest, daß auch bei 2x Geimpften nach ca. einem halben Jahr die Schutzwirkung gegen das Coronavirus nachläßt und nach 8-9 Monaten vollständig weg ist?

„obwohl es Impfstoffe seit ungefähr einem Jahr gibt.
In Afrika ist der Schnitt bei 7%, wobei es Staaten gibt, wo praktisch noch niemand eine Impfnadel gesehen hat, wie Burundi (0,0025%), oder die Demokratische Republik Kongo (0,06%).
Die internationale Situation ist ein Pulverfaß, selbst für die Reichsten. Das Virus mutiert in einem fort und jeder Kranke erhöht die Möglichkeit, daß noch ansteckendere oder aggressivere Varianten des Erregers nach dem Zufallsprinzip entstehen. Nach offiziellen Zahlen gibt es wöchentlich 3 Millionen neu Infizierte, aber die WHO warnt, daß möglicherweise nur jeder 7. Infizierte entdeckt wird, da die Bevölkerung Afrikas sehr jung ist und die Infektionen oft asymptomatisch verlaufen.“

Hier wird keine Unterscheidung gemacht zwischen Erkrankten und Infizierten. Man weiß als Leser also nicht, ob jeder Infizierte oder jeder Erkrankte dem Virus zur Mutation verhelfen kann. Es steht zu befürchten, daß es die Wissenschaft auch nicht weiß.

„Der äthiopische Biologe Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, hat sich den Mund fusselig geredet, um auf die Ungleichheit bei den Impfungen hinzuweisen. »Jeden Tag werden 6x so viele Auffrischungsimpfungen (in den reichen Ländern) injiziert, wie Erstimpfungen in den Ländern mit niedrigen Einkünften. Es ist ein Skandal!« – meinte er zuletzt vor 2 Wochen. »Das hat so keinen Sinn. Niemand ist sicher, solange wir nicht alle sicher sind«, so sein Urteil.“

Wobei sich allerdings herausgestellt hat, daß auch die „vollständige“ Impfung – was immer das heißen mag – keine Sicherheit vor der Verbreitung des Virus bietet, wie sich in den letzten Monaten in den „reichen“ Staaten der EU und den USA gezeigt hat und auch von den Virologen und Spitalsärzten vor Ort anerkannt und festgestellt wird.

„Die Virologin Nicksy Gumede-Moeletsy, vom örtlichen WHO-Büro in Brazzaville (Republik Kongo) macht darauf aufmerksam, daß die unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus das perfekte Brutbett für „sehr beunruhigende“ Varianten wie Omikron ist. »Solange wir bei einer so niedrigen Impfquote bleiben, bieten wir die Möglichkeit, daß sich die Varianten verbreiten. Afrika braucht Impfstoff.«“

Hier zeigt sich die durchschlagende Wirkung der Marktwirtschaft bzw. des Kapitalismus. Impfstoff kostet nämlich Geld. Und die „ärmsten Länder“ haben davon viel zu wenig, deshalb heißen sie ja auch so.
Vor einigen Monaten, am Anfang der Impfkampagne, gab es das Jammern von linken Publizisten, daß Europa und die USA den anderen Staaten des globalen Südens die Impfstoffe dank ihrer größeren Geldbörse sozusagen „wegkaufen“ würden. Da wurde so getan, als sei es ein Mengenproblem, die einen sind schneller als die anderen.
Aber niemand fragte: Von was für einem Geld soll Burundi eigentlich Impfstoff kaufen?
Andere, weniger linke Publizisten und Politiker machten sich Sorgen, als Argentinien und andere Staaten den russischen Sputnik-Impfstoff kauften. Als Argentinien dann auf Druck seiner Geldgeber den Impfstoff von PfizerBiotech kaufen wollte, verlangte der Pharmariese angesichts der allbekannten Zahlungsunfähigkeit Argentiniens die Verpfändung seiner Gletscher und Ähnliches.
Afrikas ärmste Staaten haben offensichtlich das Geld nicht, die Impfstoffe zu zahlen, obwohl die Impfbereitschaft dort vermutlich hoch ist. Die Klagen von Tedros und den afrikanischen Virologen geht also dahin, daß irgendwer anderer den Impfstoff zahlen müßte, der in Afrika verimpft wird.

„Die Immunisierung des Kontinents wird vom kümmerlichen Zustand der Gesundheitssysteme und einer schlechten Logistik für die optimale Verteilung des Impfstoffs behindert. Aber der große Teil des Problems liegt in den Hamsterkäufen der entwickelten Länder, wie die WHO beklagt. Die Großmächte haben angekündigt, 2 Milliarden Impfdosen spenden zu wollen, mit denen man nicht einmal 70% der Weltbevölkerung 2x impfen könnte. Die USA haben davon 1,1 Milliarden versprochen, die EU 500 Millionen, und das UK und China jeweils 100 Millionen, laut dem US-Think Tank Council on Foreign Relations.“

Also nicht einmal auf die matten 2 Milliarden Impfdosen kommt man bei dieser ungeheuren Großzügigkeit der „entwickelten“ Staaten. Man fragt sich einmal mehr, was da eigentlich „entwickelt“ ist. Offenbar nur der Geschäftssinn: Ka Geld, ka Musi!
Aber damit nicht genug:

„Nach den letzten Daten dieses Instituts wurde bisher nur ein Fünftel der versprochenen Dosen übergeben.

Freigabe von Patenten

Nach Monaten der Polemik um die Freigabe von Patenten für die Anti-Covid-Impfstoffe – die Initiative wird bei der Welthandelsorganisation (WTO) von einigen Mitgliedern, wie der EU, dem UK, Norwegen und der Schweiz blockiert –, stellte die WHO im Juni ein Konsortium zusammen, um zu erreichen, daß das Unternehmen Afrigen Biologics die Formel des Impfstoffes der US-Firma Moderna kopieren dürfe. Diese Firma war nämlich vom Weißen Haus (d.h., Präsident Biden) gerügt worden, weil sie für die Entwicklung des Impfstoffes 9 Milliarden Dollar an Regierungshilfen erhalten hatte.
Afrigen hat jedoch verlautbart, daß es selbst dann keinen Impfstoff vor Herbst 2022 zur Verfügung stellen könnte.

Der Arzt Tom Frieden, ehemaliger Direktor der US-Zentren für Krankheitskontrolle und -Vermeidung, ging soweit zu beklagen, daß 2 Unternehmen »die Welt in Geiselhaft halten«. Er bezog sich dabei auf Pfizer und Moderna, die die Verfahren zur Erzeugung ihrer Impfstoffe preisgeben sollen, da diese als die verläßlichsten eingestuft werden.
Die Delta-Variante, die erstmals in Indien vor einem Jahr festgestellt wurde, hat den Verlauf der Pandemie verändert, da ihre Mutationen doppelt so ansteckend wie die vorherigen sind. Omikron hat 30 Varianten, einige von Delta und anderen bekannten, und eine oder mehrere völlig unbekannte.
Diejenigen erregen die meiste Besorgnis, die mit einer höheren Übertragbarkeit und einer erhöhten Fähigkeit verbunden sind, die menschlichen Abwehrkräfte zu unterlaufen – ob jetzt die natürlichen oder die durch Impfstoff verstärkten.

Das sind ja schöne Nachrichten. Die Omikron-Variante des Coronavirus könnte möglicherweise die bisherigen Impfstoffe wirkungslos machen.
Dann könnten übrigens die EU-Regierungen ihre ganzen gehamsterten Impfstoffe, zu deren Konsum jetzt in Österreich sogar per Impfpflicht gezwungen werden soll, ins Klo schütten.

Aber es braucht wahrscheinlich einige Wochen, bis der Gefährlichkeitsgrad dieser Variante festgestellt wird.
Die Lösung, um damit umzugehen und Ansteckungen zu vermeiden, ist bekannt, erinnert die Virologin Isabel Sola, Leiterin für Experimente mit Impfstoff im Nationalen Biotechnologiezentrum in Spanien: »Es geht nicht darum, etwas radikal Neues zu machen, sondern die bisherigen Maßnahmen zu verschärfen: Masken tragen, Lüften, Kontaktreduktion, Abstand halten … Auch die Impfung hilft,« erklärt sie. »Um das Auftreten von Varianten zu verhindern, ist es wichtig, die Ansteckungen zu verringern, um dem Virus die Möglichkeit der Mutation zu nehmen.«

Immerhin benennt die Dame den Umstand, daß die Impfung nur eine Maßnahme von mehreren ist und nicht die Lösung oder Rettung, als die sie uns seit eineinhalb Jahren präsentiert wird.

Der Bioinformatiker Tulio de Oliveira, Direktor des südafrikanischen Centre for Epidemic Response and Innovation (CERI), führt eines der Teams, die die Omikron-Variante entdeckt haben. Am Donnerstag ersuchte er die reichen Länder, ihre Grenzen nicht gegenüber dem südlichen Afrika zu schließen. Die Staaten, die die neuen Varianten feststellen, sind diejenigen, die am meisten in Labors investiert haben. Es sind nicht unbedingt die, wo die neuen Mutationen tatsächlich auftreten. »Die Welt muß Südafrika und Afrika helfen, nicht sie diskriminieren und isolieren. Durch Schutz und Unterstützung dieser Länder wird die Welt geschützt«, beschwor er die Regierungen von EU und USA.
Erfolglos. Am nächsten Tag verkündete die EU-Kommissionspräsidentin Van der Leyen die Schließung der EU-Grenzen, obwohl bereits ein Fall der Omikron-Variante in Belgien(*1) festgestellt worden war.
Der Biologe Iñaki Comas vom Biomedizininstitut in Valencia (CSIC) bekräftigt, daß »das Wichtige ist, daß die Staaten die Fähigkeit haben, neue Varianten schnell zu entdecken und dieses Wissen schnell mitzuteilen, wie das Südafrika gemacht hat. Nicht um Panik zu verbreiten, sondern um unsere Wachsamkeit zu erhöhen und einzuschätzen, ob es sich um eine Variante handelt, die tatsächlich das Gesicht der Pandemie ändern kann, wie es bei der Delta-Variante der Fall war. Deswegen ist es wichtig, in diese Länder zu investieren. Dort feststellen heißt hier vorbeugen.«“
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(*1) Der Fall in Belgien war ein Reisender, der von Ägypten über Tunesien eingereist war. Die Grenzsperrung gegenüber dem südlichen Afrika ist relativ sinnlos, da die meisten Reisenden von dort mit Zwischenstops nach Europa kommen.
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Im Zusammenhang mit diesem Artikel in El País sei an einen Artikel von Paul Robert Vogt vom 20. April vergangenen Jahres in der Mittelländischen Zeitung erinnert, in dem er auf Folgendes hinwies:

„Die Pandemie ist noch nicht bewältigt und wir wissen nicht, was in den nächsten Monaten noch auf uns zukommen wird, zumal Mutationen oder weitere Vermischungen mit anderen Viren ja erst durch die Verbreitung entstehen und selektiert, d.h. letztlich gezüchtet werden. Insofern ist eine radikale Verhinderung der Verbreitung auch die beste Prävention vor der Entstehung neuer Corona-Varianten.

Zudem gilt es Langzeitschäden einer überstandenen COVID-19-Infektion zu vermeiden. Erste Fallberichte und kleine Patienten-Serien zeigen, dass diese weitaus schwerwiegender sein können als nach einer Infektion mit dem SARS-Coronavirus, da sie aufgrund von Mikrothrombosen in den kleinen Lungenvenen zu einem teilweisen Funktionsausfall der Lunge mit Lungenhochdruck und nachfolgender Herzschwäche führen – eine chronische Erkrankung mit wenig therapeutischen Möglichkeiten und entsprechend hohen Folgekosten.

Die Tatsache, dass ein Corona-Virus möglicherweise ein HIV/Ebola-Genom enthält – z.B. durch Einkreuzung bei der Infektion eines HIV/Ebola-positiven Patienten durch COVID-19 und anschliessender Weiterverbreitung – sollte Warnung genug sein. Sollte eines Tages ein Super-bug entstehen, der das «Corona-Genom der schnellen Verbreitung» mit dem «Ebola-Genom der 90%igen Sterberate» kombiniert, sollten wir über ein fortschrittliches, interdisziplinäres Pandemie-Konzept verfügen, welches auch wirklich funktioniert.“ 

Man kann nicht sagen, daß die Menschheit auf einem guten Weg bei der Bewältigung der Pandemie ist.