„Krieg der Währungen“

NEUIGKEITEN VON DER GELDFRONT
Neulich einmal ist Frau Merkel etwas frech gewesen und hat gemeint, der Dollar sei eigentlich überbewertet, weil die US-Ökonomie eher schwach auf der Brust sei.
Natürlich waren da gleich Analysten zur Stelle und haben das als verantwortungslos bezeichnet, weil eine Schwächung der US-Währung den deutschen Export dämpfen könnte.
Es fällt hier auf, dass es verschiedene Sichtweisen des Währungsvergleichs gibt: Eine politische und eine ökonomische. Beide haben als Grundlage Ansprüche und Wunschdenken. Was wirklich in der Welt des Nationalkredits los ist, erfährt man von beiden nicht.
Die deutsche Kanzlerin hat aus der Euro-Krise des Frühjahrs mit Wohlgefallen zur Kenntnis genommen, dass sie dem deutschen Nationalkredit nicht geschadet hat. Das Hin und Her um die drohende Zahlungsfähigkeit Griechenlands und der schliesslich aufgespannte Rettungsschirm der EU haben bei den „Geldmärkten“ ein Gefühl der Sicherheit gegenüber der Stabilität des Euro ausgelöst, das die deutschen Staatsanleihen als Reverenz nimmt und sich von Misserfolgen an der Peripherie der Eurozone nicht beirren lässt. Damit, so Angie, ist klar, dass Deutschland die Stütze des Euro ist und sich daher als Lokomotive einer Weltwährung auch einiges herausnehmen kann. Von dieser Position aus empfindet sie es als störend, immer noch nicht die Weltwährung Nr. 1 zu sein, und versetzt dem Dollar gern bei Gelegenheit einen kleinen Tritt.
Die volkswirtschaftlich verblödeten „Analysten“ in Medien und Institutionen hingegen stehen stur auf dem merkantilistischen Standpunkt der Handelsbilanz. Fällt eine Währung, so ist das gut, weil da kann sie mehr exportieren, steigt sie, so ist das bedenklich, weil da werden die Waren dieser Nation für die anderen zu teuer und die Exporteure bleiben auf ihrem Zeug sitzen.
Diese dümmliche Schablone wird ohne Unterschied auf wirkliche Exportnationen wie Deutschland, als auch auf solche Staaten angewandt, die fast nichts oder gar nichts zu exportieren haben, wie Kroatien, Griechenland oder Lettland. Dass diese Länder auch etwas importieren, das dann bei Währungsverfall teurer wird, halten die werten Experten meistens für vernachlässigenswert. Vor allem ist ihnen jedoch der von Frau Merkel vertretene Standpunkt, dass sich im Auf und Ab der Devisenkurse auch der Erfolg der Nation ausdrückt, völlig fremd.
Wird eine Währung nämlich abgewertet, so ist einmal der gesamte stoffliche Reichtum dieses Staates international weniger wert. Handelt es sich dabei um sogenannte Weichwährungsländer, so ist so eine Abwertung ein Misserfolg in der internationalen Konkurrenz und ein Misstrauensantrag von Seiten der Geschäftswelt, ähnlich wie die Abstufungen durch die Währungsagenturen und Risikoaufschläge in Ländern der Eurozone, deren Geld nicht abgewertet werden kann.
Eine andere Angelegenheit sind die USA – der Wertverlust ihres nationalen Geldes entwertet gleichzeitig die Devisenschätze aller Nationalbanken rund um die Welt. Während deshalb die längste Zeit die meisten Staaten auf Währungsverfall des Dollars mit massiven Stützungskäufen reagierten, so scheint es inzwischen hier eine Trendwende zu geben: Die Nationalbankchefs überlegen offenbar, diese fragwürdigen Zettel, die als eine Art Schwundgeld Löcher in ihre Devisenschätze fressen, langsam aber stetig durch stabilere Werte zu ersetzen. Nur womit? Was für ein Geld, ein Schatzmaterial gibt es eigentlich heute, das sich nicht nur als Wertaufbewahrungsmittel bewährt, sondern auch noch den Dienst verrichtet, der von allem abstrakten Reichtum heute gefordert wird: mehr zu werden nämlich.
Und so kommt doch das Gold wieder ins Spiel. Gold nicht deshalb, weil es so wertvoll ist, sondern weil es im Zuge der Währungsturbulenzen Spekulationsobjekt geworden ist und der Goldpreis seit geraumer Zeit ständig steigt – und deshalb bessere Renditen bringt als die meisten „soliden“, derzeit sehr niedrig verzinsten Staatsanleihen.
Aber ausserdem rücken inzwischen auch Währungen ins Blickfeld der Wertpapierhändler, von denen man eigentlich als gewöhnlicher Zeitungsleser bisher kaum je etwas vernommen hat, wie der kanadische, australische und Singapur-Dollar, oder der südkoreanische Won. Auch der brasilianische Real wird ins Visier genommen. Die Anleihen dieser Staaten sind auf einmal Renner, weil man diesen Währungen vertraut, und den Ökonomien, deren Repräsentanten sie sind, eine gute Performance zutraut, gegen den Strom der Krise, der die grossen Ökonomien erfasst hat. Ein besonderer Fisch in diesem plötzlich entdeckten Karpfenteich ist der Hongkong-Dollar, weil er womöglich eine Art Zugbrücke zur noch abgeschotteten Währungsfestung des Renminbi darstellt.
Sicherheit bietet das allerdings alles nicht, und das plötzlich geschenkte Vertrauen der Spekulanten, pardon, „Märkte“, kann diesen Währungen natürlich morgen wieder entzogen werden.

Staat und Revolution, Teil 12

Seinen Vorstellungen, anstatt sie zu begründen, stellt Lenin spöttisch die Gegenposition gegenüber:
„Vom bürgerlichen Standpunkt aus ist es leicht, eine solche Gesellschaftsstruktur als „reine Utopie“ hinzustellen und darüber zu spotten, daß die Sozialisten jedem das Recht zusichern, von der Gesellschaft ohne jegliche Kontrolle über die Arbeitsleistung des einzelnen Bürgers eine beliebige Menge Trüffeln, Autos, Klaviere u. dgl. m. zu erhalten.“ (111)
Na klar, Klaviere und Trüffeln sind schwer massendeckend herzustellen. Wer will die auch schon? Das Auto ist hingegen heute eine conditio sine qua non, eine Grundbedingung für die Verfügbarkeit des lohnabhängigen Menschen, und keineswegs ein Grundbedürfnis, das jedem zukommt. Kommunismus heißt demzufolge nicht, daß jedem jeder Schmarrn zugestanden wird, von dem ein heutiger, bürgerlicher Mensch meint, das sei das non plus ultra des Konsums oder Luxus.
Lenin argumentiert hier gegen Bedürfnisse, die unnötig, oder unwichtig sind, und meint darüber bürgerliche Argumente entkräftet zu haben. Aber was wichtiger ist: Er macht damit einen Unterschied auf zwischen „richtigen“ Bedürfnissen und „anderen“ Bedürfnissen. Er sagt: Es gibt doch Bedürfnisse, die sind absurd, und andere, die sind berechtigt. Und wir – wir!, die Bolschewiki, – kümmern uns einmal um die „richtigen“ Bedürfnisse, und buchstabieren dem Rest der Menschheit diese vor. Also: Nicht die Leute selber bestimmen, was sie wollen (da kämen Klaviere vermutlich nicht an erster Stelle), sondern wir machen einmal eine Zusammenstellung, was wichtig ist. Und dann verpflichten wir das p.t. Publikum auf das, was sie zu wollen haben.
Lenin macht einige Erläuterungen über Irrwege des revolutionären Gedankens – wie die der Unterstützung des I. Weltkrieges durch prominente Anarchisten, – und hebt zur Überwindung des Kapitalismus in den Kommunismus, samt Übergangsphase, die Marx’sche Dialektik in den Himmel.
Hier zeigt sich, warum die Dialektik als Methode in der sowjetischen Theorienbildung so populär geworden ist. Immer, wenn der Verstand auf einen Widerspruch stößt, auf eine Absurdität des bürgerlichen Denkens, so wird die Angelegenheit elegant mit dem Verweis auf „Dialektik“ erledigt: . Es zahlt sich aus, hier ein wenig zu verweilen, und Lenins Position als „Theoretiker“ des „marxistischen Denkens“ zu würdigen. Er hat nämlich hier – und auch anderswo – die „Dialektik“ als eine marxistische Denkweise eingeführt. Und das heißt nicht mehr und nicht weniger als: Wenn der Verstand auf einen logischen Widerspruch stößt, so ist dieser nicht als Widerspruch festzuhalten, und aufzulösen, sondern als solcher stehenzulassen. Damit ist eine Denkvorschrift erlassen, und diese wird zu Wissenschaft definiert: Wenn wir auf einen Widerspruch stoßen, und der stört uns, so sagen wir einfach: das ist „dialektisch“, hier wollen wir nicht weiter nachdenken, wir wollen beide Seiten des Widerspruchs stehenlassen. Wer dagegen argumentiert, und den Widerspruch aufheben will, der ist nicht „marxistisch“, sondern „bürgerlich“, und dessen Einwände lassen wir nicht gelten.
„Dialektik“ wird also hier in dieser Schrift als 1. eine marxistische Methode, die von da ab ein greatest Hit der „marxistisch-leninistischen“ „Theorie“ geworden ist, und 2. als ein Trick, Widersprüchen aus dem Weg zu gehen, eingeführt.
So leitet Lenin über zu dem von ihm angestrebten „Gemeinwesen“:
„So ergibt sich, daß im Kommunismus nicht nur das bürgerliche Recht eine gewisse Zeit fortbesteht, sondern auch der bürgerliche Staat – ohne Bourgeoisie!“ (114)
Also: weil die gesellschaftliche Umgestaltung nicht „auf einen Schlag“ geht, die Leute dumm sind, und überhaupt man alles dialektisch betrachten muß – deshalb hat die Partei das Recht, mit ihren Bürgern das zu machen, was sie will. So wurden auch in der SU Strafgesetzbücher erlassen, die Ehe eingerichtet, Homosexuelle verfolgt, usw.

Staat und Revolution, Teil 11

V.4. Die höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft
Lenin zitiert wieder Marx:
„In einer höhern Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die Produktionskräfte gewachsen sind und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
Diese Sätze aus der „Kritik des Gothaer Programms“, die Lenin hier einstreut wie ein Pfarrer ein Bibelzitat in der Sonntagspredigt, sind einer näheren Befassung wert.
Erstens: Was soll man sich vorstellen unter „knechtische Unterordnung unter die Teilung der Arbeit“? Der eine macht Schuhe, der nächste baut Rüben an und der dritte schreibt ein Buch. Was ist daran „knechtisch“? Wenn das nicht zum Broterwerb geschieht, sondern weil es den Leuten Spaß macht? Und wie und warum wird diese Unterordnung im Kommunismus aufgehoben?
Und was hats auf sich mit dem Gegensatz zwischen geistiger und körperlicher Arbeit? Worin besteht der? Man wird ja noch fragen dürfen.
Man könnte vielleicht gutwillig meinen, Marx will damit andeuten, daß jeder das macht, was ihm Spaß macht und trotzdem genug für alle da ist, also genügend produziert wird.
Aber warum muß dann Arbeit „das erste Lebensbedürfnis“ werden? Warum nicht, sagen wir einmal, Sex, oder Musizieren, oder Kochen?
Was soll man sich darunter vorstellen, daß „mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die Produktionskräfte“ wachsen? Meint Marx damit, daß jeder lauter nützliche Dinge erfindet, die Arbeit sparen?
Es kann ja sein, daß an dem allen was dran ist, das bedürfte jedoch einer näheren Ausführung, die Marx verständlicherweise nicht gemacht hat, weil er ja nicht damit rechnete, was für eine Karriere dieser Brief an Wilhelm Bracke einmal in der Theoriengeschichte machen würde.
Lenin hält es natürlich auch nicht für nötig, hier etwas zu erläutern, er meint, der Kommunismus und Freiheit und alles Schöne und Gute kommt ohnehin notwendig von selbst, da Marx das ja so vorausgesagt hat.
Lenin wird im Folgenden etwas konkreter:
„Die ökonomische Grundlage für das vollständige Absterben des Staates ist eine so hohe Entwicklung des Kommunismus, daß der Gegensatz von geistiger und körperlicher Arbeit verschwindet, folglich eine der wichtigsten Quellen der heutigen gesellschaftlichen Ungleichheit beseitigt wird, und zwar eine Quelle, die durch den bloßen Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum, durch die bloße Expropriation der Kapitalisten keinesfalls mit einem Schlag aus der Welt geschafft werden kann.“ (110)
Wir wissen jetzt immer noch nicht, worin der Gegensatz von geistiger und körperlicher Arbeit besteht, aber die gute Nachricht ist, daß er verschwinden soll. Er soll eine „Quelle der Ungleichheit“ sein. Was heißt das? Was ist verkehrt an „Ungleichheit“? Die Menschen sind verschieden, der eine macht das, der andere jenes. Das Rätsel wird durch das Vokabel „gesellschaftlich“ nicht beseitigt. Im Kapitalismus mag es so sein, daß eine Arbeit besser, die andere schlechter bezahlt wird. Ergibt sich daraus ein „Gegensatz“? Und wenn ja, muß der nach einer Revolution weiter bestehen? Das würde voraussetzen, daß der Gegensatz, was immer er sein mag, in die postrevolutionäre Gesellschaft „mitgenommen“ wird.
Und schließlich, die immer gleiche Rechtfertigung für alles du jedes: Alles, was man anstrebt, ginge nicht „auf einen Schlag“. Ja, wie bitte denn sonst?! Entweder man schafft eine neue Gesellschaft, oder man läßt es bleiben!