Pressespiegel EL País, 7.12.: Ukrainisches Klinkenputzen in Washington

„ZELENSKIJS HINDERNISLAUF ZUR RETTUNG DER UKRAINE

Der Präsident sieht sich einem wachsenden Widerstand gegen die Aufrechterhaltung der Hilfe in den USA und in Europa, wachsender Unruhe im Inland und Stagnation an der Front gegenüber.“

Wenn es nur Stagnation wäre. Die Anzeichen nähern sich, daß es bald zu einem Durchbruch der russischen Truppen kommen könnte.

„Wolodymyr Zelenskij hat am Dienstag den Senat und den Kongress der USA sitzen gelassen. Der ukrainische Präsident hätte per Videokonferenz zu zwei Sitzungen hinter verschlossenen Türen erscheinen sollen, um die US-Gesetzgeber von der Notwendigkeit zu überzeugen, unverzüglich ein neues Paket wirtschaftlicher und militärischer Hilfe für sein Land zu verabschieden. Zelenskij schaltete sich nicht zu, ohne weitere Erklärung seinerseits. Der Grund dafür ist, wie die amerikanische Presse spekuliert, die am Dienstagmorgen von der Republikanischen Partei angekündigte Opposition zur Unterstützung, das vom Weißen Haus vorgeschlagene Hilfspaket.“

Eigenartig.
Genau die Schwierigkeit für die Genehmigung waren doch der Grund, warum sich Zelenskij zuschalten sollte – um mit gewohntem Charisma und Durchhaltewillen die Hand aufzuhalten.
Ihm ist anscheinend inzwischen der Schwung für diese Auftritte abhanden gekommen.

„Wir befinden uns im Krieg und die Dinge können sich ändern“, begründete der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov auf Fox News die Abwesenheit Zelenskijs.“

Eine eigenartige Begründung, die darauf hinweist, daß Umerov selbst keine Ahnung hat und offenbar vorgeschickt wurde, weil er noch unverbraucht ist.

„Doch der ukrainische Präsident lässt sonst keine Gelegenheit aus, sich in internationalen Foren zu äußern, insbesondere wenn es darum geht, sich an die Kongressabgeordneten und Senatoren seines größten Verbündeten neben der EU zu wenden. Die Reaktion des Präsidenten wurde vor allem als Zeichen der Nervosität angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auf der internationalen Bühne und im Krieg interpretiert.“

Langsam kommt Panik auf in Kiew.

„Umerov besuchte mit Zelenskijs rechter Hand Andrij Jermak diese Woche Washington. Letzterer erklärte in »Voice of America«: Falls der Posten von 61 Milliarden Dollar (56.500 Millionen Euro), den Präsident Joe Biden vom Kongreß für die Ukraine beantragt habe, nicht »so schnell wie möglich« genehmigt werde, »so können wir wahrscheinlich unser Territorium nicht weiter befreien und werden den Krieg verlieren.“

Die Reise der beiden soll also die inzwischen nicht mehr aktuellen Videoauftritte Zelenskijs ersetzen.
Ihre Drohung, daß der Krieg in die Hose gehen könnte, ist eine Sache.
Sie können aber vor allem nicht glaubhaft darstellen, daß sie ihn gewinnen können.
D.h., sie verlangen damit Waffenhilfe, und nicht zu wenig, auf unbestimmte Zeit.
Und das angesichts all der restlichen Baustellen, die sich den USA derzeit auftun. Israel, China, Venezuela …

„Das Weiße Haus warnte letzte Woche, dass die Mittel zur Unterstützung der Ukraine nur bis Ende dieses Jahres reichen. Die Republikanische Partei, die den Multimillionen-Dollar-Beträgen, die an die Ukraine überwiesen werden, skeptisch gegenübersteht, fordert, daß zusammen mit der von Biden beantragten Sicherheitszuweisung für Kiew, Israel und Taiwan eine außerordentliche Investition zur weiteren Befestigung der Grenze zu Mexiko hinzugefügt wird. Die Demokraten akzeptieren diesen Antrag nicht und die Zeit vergeht zugunsten des russischen Eindringlings.“

In den USA müssen sich jetzt Weißes Haus, Pentagon und CIA mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eigentlich Rußland so falsch einschätzen konnten?
Weil darum geht es: Die Ukraine wurde von den USA (mit einigen europäischen Verbündeten) als Rammbock gegen Rußland aufgebaut und ihre derzeitigen Politiker waren damit sehr einverstanden. Sie hofften auf eine Aufwertung der Ukraine als Frontstaat.
Unterstellt war dabei bei allen Seiten, daß Rußland dem geballten Kriegswillen des Westens nicht standhalten könnte und so oder so in die Knie gehen würde.

„Mikola Bieliskov, ein Forscher am Nationalen Institut für Strategische Studien (beim ukrainischen Präsidialamt) betonte am 4.12. in seinen sozialen Netzwerken, dass die republikanische Blockade die Richtigkeit der Rhetorik der Verbündeten der Ukraine in Frage stelle, sie würden sie »solange zu unterstützen, wie dies notwendig sei«.“

So schnell kann es gehen, daß Versprechen gebrochen werden …

„Die ukrainischen Behörden sind hinsichtlich einer Einigung zwischen den Republikanern und dem Weißen Haus optimistisch, doch dem ukrainischen Außenministerium nahestehende Quellen bestätigen gegenüber EL PAÍS, daß alles Bisherige nur eine Warnung vor den dunklen Wolken ist, die im Jahr 2024 auftauchen könnten, insbesondere während der Spannungen, die den US-Präsidentschaftswahlkampf begleiten werden.

Kiews Auslandsprobleme enden nicht in den USA. Die EU wird diesen Dezember einen Gipfel abhalten, der den Beginn der Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU formalisieren soll. Im Raum steht die Drohung Viktor Orbáns. Der ungarische Ministerpräsident, der Wladimir Putins geopolitischen Interessen nahesteht, hat darauf bestanden, den Beginn der Verhandlungen zu blockieren, wenn der ungarischen Minderheit in der Ukraine nicht mehr Autonomie gewährt wird.“

Auch hier sieht jemand die Chance gekommen, Revanchismus praktizieren zu können. Die Karpato-Ukraine ist zudem ein Gebiet, das schon sehr oft den Besitzer gewechselt hat …

„Die Situation auf beiden Seiten des Atlantiks deutet darauf hin, dass sich die Probleme verschlimmern werden. EL PAÍS berichtete bereits im November, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nicht darauf einigen könnten, wie eine Zuweisung von 50 Milliarden Euro für die Ukraine im Gemeinschaftshaushalt finanziert werden soll. Die Differenzen zum Erreichen des Haushaltspakts bleiben einige Tage vor dem Gipfel bestehen, der ihn genehmigen soll. Dies fällt auch mit den Grenzblockaden für den Transport ukrainischer Waren und Agrarprodukte durch Polen und die Slowakei zusammen, weil sie deren niedrige Kosten als unlauteren Wettbewerb betrachten.“

Es steht nicht zu erwarten, daß diese Staaten die Hilfe genehmigen werden, ohne daß die Transport-Vergünstigungen für die ukrainischen LKW zurückgezogen werden.
Und Ungarn wird diese Hilfszahlungen sowieso blockieren, wie es aussieht.

„Innenpolitischer Kampf

Die Stagnation an der Front, ohne Anzeichen dafür, dass die Ukraine aufgrund der Ressourcenüberlegenheit Rußlands im Jahr 2024 militärisch vorankommen kann, schürt einen neuen Zustand der Unruhe im Land. Diese Woche kam es zu innenpolitischen Gehässigkeiten.

Vitalij Klitschko, Bürgermeister von Kiew, beschuldigte Zelenskij letzte Woche, das Land nach dem Vorbild Putins zu regieren. »Wir werden uns nicht mehr von Russland unterscheiden, wo alles von der Stimmung eines Menschen abhängt«, sagte der Bürgermeister von Kiew dem »Spiegel«.
Klitschko kritisierte den Präsidenten dafür, dass er das Land im Jahr 2022 nicht ausreichend auf Warnungen vor einer möglichen russischen Invasion vorbereitet habe, und auch für seine übermäßige persönliche Machtfülle auf Kosten von Parlament und Regierung. Alexej Gontscharenko, das sichtbarste Gesicht der Oppositionspartei »Europäische Solidarität«, betonte dasselbe und fügte hinzu, dass das Büro des Präsidenten die meisten Medien unter Kontrolle habe.“

Bisher war das allerdings allen seinen Parteigängern recht, die sich jetzt offenbar für eine Ära nach Zelenskij in Stellung bringen wollen. (Die Kontrolle der Medien diente ja dazu, gegnerische Stimmen zu unterdrücken.)
Auch der Besuch Jermaks in den USA könnte dazu dienen.
Immerhin würde dieser Mann mit seinem Posten sehr viele lukative Geschäfte verlieren …

„Umerov bestätigte auf Fox, dass Klitschkos Worte »den Beginn der politischen Saison« darstellten. Doch nicht nur die Äußerungen des Bürgermeisters der Hauptstadt haben in den letzten Tagen das politische Leben der Ukraine erschüttert.

Die Regierung verweigerte Petro Poroschenko, Zelenskijs Vorgänger in der Präsidentschaft der Ukraine und Gründer der »Europäischen Solidarität«, die Erlaubnis, nach Ungarn zu reisen, um sich mit Orbán zu treffen. Das Kriegsrecht in der Ukraine hindert Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren daran, das Land zu verlassen, und Poroschenko ist 58 Jahre alt.“

Er hatte zwar angeblich eine Sondergenehmigung bei sich, die vom Vorsitzenden der Rada, Stefantschuk unterschrieben war, die wurde aber von den Grenzsoldaten nicht anerkannt.

„Nach Angaben seiner Partei wollte der frühere Präsident mit Orbán über seinen Widerstand gegen den EU-Beitritt der Ukraine sprechen. Poroschenko konnte am vergangenen Freitag die Grenze nicht überqueren, weil der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) die Erlaubnis verweigerte und behauptete, Rußland würde ihn für seine Propaganda nutzen.
Der Pressedienst von Orbán sagte dazu, dass seine Regierung »keine Rolle in den politischen Machtkämpfen von Präsident Zelenskij spielen will«. Die »Europäische Solidarität« reagierte mit der Kritik, dass die Behörden den Abgeordneten von Zelenskijs Partei »Diener des Volkes« viel mehr Ausreisegenehmigungen erteilen.“

Na klar.
Selbst wenn Zelenskij zurücktritt / abgesetzt wird / … so möchten seine bisherigen Parteigänger gerne auf ihren lukrativen Posten bleiben.

„Zusammenstöße mit Zaluzhnyj

Umfragen deuten darauf hin, dass die Stagnation an der Front die Kriegsbegeisterung der Gesellschaft schwächt, insbesondere derjenigen, die nicht in einen Krieg verwickelt werden wollen, der noch viele Jahre andauert.

Obwohl er weiterhin der am höchsten bewertete Politiker ist,“

– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –

„nimmt das Vertrauen in Zelenskijs Führung ab. Derjenige, der bei den Bürgern weiterhin hohe Wertschätzung genießt,

– man fragt sich, woher diese Gewißheit? –

„ist Valerij Zaluzhnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, der laut einer im Dezember von »The Economist« veröffentlichten Umfrage“

– man fragt sich, wo der »Economist« diese Umfrage gemacht hat? –

„nach demografischen Gesichtspunkten“

– was immer das heißen mag –

„viel besser wegkommt als der Präsident.“

Man sieht, der »Economist« würde inzwischen Zaluzhnyj vorziehen. Für mehr Erkenntnis taugt der bisherige Absatz nicht.

„Das schlechte Verhältnis zwischen den beiden wichtigsten Führern des im Krieg befindlichen Landes ist bereits ein offenes Geheimnis. Die Zeitung »Pravda« veröffentlichte diese Woche einen ausführlichen Bericht, in dem sie sich auf die Differenzen konzentrierte, die zwischen ihnen bestehen.“

(Es gibt eine Ukrainskaja Pravda und eine auf Englisch erscheinende European Pravda – seltsam, daß alle diese Blattln sich „Wahrheit“ nennen, um sich von anderen Publikationen zu unterscheiden … )

„Darin ging es vor allem Jermaks Forderungen, dass Zaluzhnyj keine öffentliche Präsenz haben solle, und aufgrund der einseitigen Entscheidungen des Präsidenten bei militärischen Ernennungen.
Die Pravda versichert, dass Zaluzhnyj sogar bei seinen Treffen mit hochrangigen US-Militärkommandanten Zelenskij offen kritisiert hat, was der Präsident weiß und was beide noch weiter distanziert hat.

Im vergangenen Sommer löste das Präsidialamt in den Medien eine Debatte über die Zweckmäßigkeit der Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen aus. Die ersten sollten diesen Herbst und die zweiten im März 2024 einberufen werden. Die Verfassung verbietet die Abhaltung von Wahlen während des Kriegsrechts, aber sowohl Zelenskijs Team als auch er deuteten an, dass eine Gesetzesreform möglich sei, die Raum für die Abhaltung von Wahlen schaffen würde.
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“
Aus den USA wurde von den beiden großen Parteien Druck ausgeübt, die Abstimmungen durchzuführen, aber eine Mehrheit der Ukrainer ist gegen sie, da es schwierig ist, sich mit Sicherheitsgarantien und Möglichkeiten für die Opposition zu organisieren.“

Die USA erhofften durch so einen Wahlgang offenbar die Stärkung der Motivation, sich an der Front verheizen zu lassen. Die wundersame Wirkung von Wahlen wird dort gemeinhin überschätzt.

Das Hauptproblem bei diesen Wahlen wäre allerdings die Frage, auf welchem Territorium sie stattfinden sollten.
Wenn alle russisch besetzten Gebiete wegfallen, so käme das einem Eingeständnis gleich, daß die nicht mehr zur Ukraine gehören.

„Der Nutznießer einer Wahl wäre im Prinzip Zelenskij, der immer noch über große Unterstützung verfügt,“

– ein inzwischen regelmäßig wiederholtes Mantra, das zum Kriegswillen der EU dazugehört –

„insbesondere ohne eine öffentliche Debatte und ohne eine Opposition, die es bisher während des Krieges vermieden hatte, die Einheitsfront zu stören.“

Sehr seltsam ausgedrückt.
Soll damit heißen, daß die existenten Oppositionsparteien wegen des eingegangen Burgfriedens nichts taugen? Also sozusagen als Feigenblätter der Einheitspartei „Diener des Volkes“ anzusehen sind?
Oder soll es heißen, daß die ganzen verbotenen Parteien wieder zugelassen werden sollen?
Natürlich, Wahlen unter den derzeitigen Bedingungen wären eine Farce und es wäre fraglich, ob irgendjemand dazu zu begeistern wäre.

„Doch der Präsident selbst gab im November zu, dass er einen Wahlgang aufgrund der organisatorischen Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, für sehr unwahrscheinlich halte, solange Rußland einen Teil des Territoriums besetzt und im ganzen Land Angriffe durchführt.

Seine Frau Olena Zelenska erklärte letzte Woche im »Economist«,“

– die Königsmacher-Zeitung der Ukraine? –

„daß sie ihren Mann nicht bei Neuwahlen kandidieren lassen wolle, weil sie eine Rückkehr zur familiären Normalität wolle.“

Man kann sagen, auch die Gemahlin bereitet einen geordneten Rückzug vor.

Außerdem ist interessant, wie der Machtkampf in Kiew über westliche Zeitschriften ausgetragen wird: »Economist« gegen »Spiegel«, Zaluzhnyj gegen Zelenskij, usw. Die verschiedenen Aspiranten scheinen sich westlicher Rückendeckung versichern zu wollen.

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 23.11.: Die EU-Armee rüstet zum Krieg

„VERSTÄRKTE BESUCHE VON »BOSSEN« NACH KIEW

Die Komsomolskaja Prawda unterhielt sich über dieses Thema mit dem Leiter des Zentrums für die Erforschung militärisch-politischer Konflikte, Andrej Klintsevitsch.

KP: Westliche Minister besuchen Kiew immer häufiger. So z.B. Boris Pistorius, der Chef des deutschen Verteidigungsministeriums, der der Ukraine 2.380 Artilleriegeschosse des NATO-Kalibers 155 mm versprochen hat.
Sind die ukrainischen Streitkräfte munitionsmäßig am Verhungern?

AK: »Das Kaliber 155 mm wird so betrachtet: Alle diese Granaten sind gleich, sie passen zu jedem Geschütz. Und deutsche Granaten passen zu amerikanischen oder französischen Artilleriesystemen. Aber es gibt 14 Unterarten dieser Geschoße – und sie sind alle unterschiedlich!“

Also ist die vorher ausgesprochene Auffassung schlicht und einfach falsch, die Dinger sind eben nicht gleich.

„Der Chef des NATO-Militärausschusses, Rob Bauer, sah sich gezwungen, einen Appell an die Regierungen zu richten: Wir müssen aus dieser Situation herauskommen und anfangen, das alles gemeinsam zu tun!“

Was das wohl heißt? „Gemeinsam tun“ hieße in diesem Fall, die gesamte Rüstungsproduktion der EU zu vereinheitlichen – d.h., in allen Rüstungsbetrieben auf die gleichen Waffensysteme umzustellen – zumindest bei der Artillerie. Man müßte die gleichen Abschußrampen, Kanonenrohre und Munition herstellen.
Zur Erinnerung: In der Ukraine werden derzeit angeblich 28 verschiedene Artilleriesysteme verwendet, mit den jeweiligen Geschossen.
Die europäischen NATO-Staaten müßten sich also auf Einheitsmodelle einigen und ihre ganze Rüstungsproduktion umstellen.
Damit stellt sich die Frage: Welche werden genommen und welche aussortiert? Oder schmeißt man alles bisherige weg und macht ganz was Neues, und das in allen Staaten?
Heiße Diskussionen stehen hier bevor.

„KP: Das ist nicht das einzige Problem.

AK: Die Militärfabriken der Europäischen Union konzentrierten sich auf hochtechnologische und teure Produkte: Panzer, Autos, Flugzeuge. Die Granaten waren zweitrangig. Niemand hatte damit gerechnet, daß sie in solchen Mengen verwendet werden würden. Und die Ausweitung der Produktion zu ihrer Herstellung ist teuer und schwierig. Man müßte in Gießereien investieren, aber es gibt keinerlei Garantie, daß diese vielen Geschoße – die Rede ist von einer Million – im nächsten Jahr tatsächlich noch notwendig sein werden. Und wenn nicht, so werden diese Werkstätten stillstehen.“

Damit ist gesagt, daß die Ukraine im nächsten Jahr geschlagen sein könnte und die ganzen Lieferungen aufhören würden. Offenbar wird auch diese Möglichkeit inzwischen erwogen.

„Für wen arbeitet die EU-Rüstungsindustrie?

KP: Wird bald die Ukraine keine Priorität mehr haben und der europäische militärisch-industrielle Komplex wird sich anderen Zielen zuwenden?“

Auch eine interessante Frage.
Wenn die Ukraine geschlagen wird, so ist das eine Niederlage für die NATO.
Sie müßte sich dann auf einen Krieg mit Rußland überhaupt vorbereiten und ihre ganze Rüstungsindustrie zu diesem Zweck hochfahren.

AK: Die meisten Länder der Welt begreifen, dass die allgemeine Atmosphäre immer komplizierter wird. Jeder fängt an, diese Geschosse für seine Lager zu kaufen. Europäische Fabriken begannen, Munition in andere Länder zu versenden – teurer. Für Kiew gibt es einen Festpreis von der EU.“

Really really?
Die Ukraine hat kein Geld, das wird also angeschrieben.
Die Waffenlieferungen der EU landen irgendwo in einem Schuldenregister der Ukraine – das vermutlich nie bedient oder abgezahlt werden wird.
Und in welche anderen Länder wird verkauft?
Das heißt, es geht gar nicht alles nach Kiew?

„Darüber hinaus sind die globalen Preise bereits im Oktober gestiegen. Das Hauptziel des Treffens in Ramstein, Deutschland, das am 22. November stattfand, bestand darin, den militärisch-industriellen Komplex der europäischen Länder zu zwingen, nach zuvor geplanten Programmen zu arbeiten.

KP: Aber nur wenige Rüstungsbetriebe wollen das tun?

AK: Niemand ist bereit dazu.
Die Ukraine verwendet heute hauptsächlich in den 1980er Jahren hergestellte Streugranaten amerikanischer Produktion. Die USA rechneten damals mit dem Kalten Krieg in Europa. Es sollte sich zu einer heißen Bühne entwickeln. Gedacht war, daß die Russen“ (= die SU) „ in großen Wellen vorrücken würden. Und damals produzierten wir Streumunition.
Die SU konzentrierte sich damals vor allem auf Munition für die Luftwaffe – es handelt sich hierbei um Bomben, den wir nun beginnen, effektiv an der Front einzusetzen. Das ist derzeit ein Problem für die Ukraine.“

Die russische Armee setzt also jetzt auch Streumunition ein. Es handelt sich aber um von Flugzeugen abgeschossene Bomben und nicht, wie bei der westlichen, um Artilleriegeschosse, die vom Boden aus lanciert werden.

„KP: Der tschechische Präsident Petr Pavel sagte: »Die Armeen der EU bereiten sich auf einen Konflikt höchster Intensität vor«…“

Die EU will also gerne einen III. Weltkrieg, das heißt das im Klartext. Pavel ist Militär, der hat mit diesem Gedanken offenbar eine Freude.
Es ist aber keineswegs ausgemachte Sache, daß Staaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland, ganz zu schweigen von Slowenien, Kroatien, der Slowakei und Ungarn, das genauso sehen.

„AK: Sie bereiten sich auf einen unkonventionellen Krieg mit konventionellen Streitkräften vor. Und wir müssen begreifen: Dies ist eine von den USA ausgehende Aufgabe, nämlich die, die europäische politische Klasse und europäische Infrastruktureinrichtungen für die freie Bewegung amerikanischer Truppen umzugestalten.“

Es ist aber gar nicht sicher, ob eine künftige US-Regierung z.B. unter Trump dieses Kriegsszenario ebenso sieht. D.h., ob sich die kriegslüsternen EU-Staaten auf die Verstärkung durch die USA verlassen können.
Es handelt sich also bei diesen Rüstungsbestrebungen – und mehr als Bestrebungen sind es derzeit nicht – um eine Art vorauseilenden Gehorsam gegenüber den USA, um sich als deren Vorposten wichtig zu machen.

„KP: Was genau heißt das?

AK: Zunächst einmal die Erhöhung der Mobilität der Streitkräfte. Sie beginnen, mit amerikanischem und europäischem Geld Tunnel auszubauen und Brücken zu stärken, damit schweres amerikanisches Gerät aus Deutschland schnell in den Osten transportiert werden kann: nach Rumänien, Polen und in die baltischen Staaten.
Als nächstes kommt dazu, daß die Amerikaner beginnen, ihre Truppen nach Osteuropa zu verlegen und dort ihre Stützpunkte zu stärken. Das Lager Kosciuszko ist ein riesiges Logistikzentrum(*1). In Polen entsteht derzeit ein Stützpunkt auf Divisionsebene. Die Deutschen verlegen einige Einheiten in die baltischen Staaten.

Wer sich hinter der Mauer befindet

KP: Ist das die Umsetzung eines neuen Plans?

AK: Der Plan ist derzeit, Europa durch eine große Mauer zu teilen. Es wird sich im Norden von Norwegen, Finnland, über die baltischen Länder und Polen im Süden bis nach Rumänien und Bulgarien erstrecken. Ungarn widersetzt sich diesen Prozessen immer noch. Aber es wird ein komplexer Mechanismus geschaffen, der die Logistik blockieren sollte.“

Hier ist nicht klar, wer das Subjekt ist, das sich widersetzt. Blockiert Ungarn die Logistik der EU, oder blockieren die Vorbereitungen der EU Ungarn? Wird Ungarn – das seinerseits auch aufrüstet und, vergessen wir es nicht, enge, auch militärische Beziehungen zur Türkei aufbaut – zu einer militärischen Enklave?

„Das sehen wir ebenfalls am Vorgehen der Finnen.

KP: Ist Polen die Vorhut all dessen?

AK: Polen mobilisiert enorme Ressourcen. Sie bestellten mehrere tausend Einheiten gepanzerter Fahrzeuge aus Korea für solche Beträge, dass koreanische Außenhandelsbanken ihre Limits erhöhen mussten. Die Polen leihen sich etwas von künftigen Generationen.“

Das heißt erstens, daß Korea diese Panzer auf Kredit verkauft und auf die Zahlungsfähigkeit Polens vertraut. Polen wiederum begibt Dollar-Anleihen auf internationalen Märkten, um diese Aufrüstung zu finanzieren. Es laufen also für Polen Schulden in mehrere Richtungen auf.
Zweitens deutet diese Bestellung in Korea darauf hin, daß Polen Erwartungen Richtung USA hatte, die nicht erfüllt wurden. Polen hoffte auf Abrams-Panzer zum Vorzugspreis, diese Hoffnungen wurden anscheinend enttäuscht. Polens inzwischen eher negative Haltung gegenüber der Ukraine kann man teilweise auch aus dieser enttäuschten Erwartungshaltung erklären.

„KP: Bulgarien hat der Ukraine plötzlich einhundert Schützenpanzer kostenlos zur Verfügung gestellt.

AK: Wir sprechen von alten BTR-60. Sie haben nur zwei Benzinmotoren mit geringer Leistung.“

Bulgarien entledigt sich hier also seiner Altlasten, hat aber dann 100 Panzer weniger.
In diesem Land ist Nachrüstung schwierig, es kann schwer Anleihen auf internationalen Märkten begeben, da seine Kreditwürdigkeit gering ist.

„KP: Aber werden die uns auch Probleme bereiten?

AK: Derzeit liegt der Schwerpunkt auf anderen Technologien. Das sind vor allem Drohnen. Sie halten den Rekord für die Anzahl beschädigter Ausrüstung und Personal.
An zweiter Stelle folgen Minen, gefolgt von Artillerie. Alte Schützenpanzerwagen sind für die Ukraine eine Geste der Verzweiflung.“

Mit einem Wort, diese Lieferung ist für die Ukraine nichtswürdig, aber sie kann nicht „Nein!“ sagen.

„Die ukrainischen Streitkräfte haben viel Ausrüstung verloren, sie brauchen dafür Auffrischung. Und wenn die Bulgaren Waffen dorthin schicken, stellen sie die der EU in Rechnung.“

Aha.
Bulgarien verschafft sich dadurch Einnahmen, indem es seine Altlasten entsorgt.
Die Ukraine hingegen würde ganz andere Dinge brauchen, aber muß diese Panzer nehmen, und die laufen dann als Posten in der Schulden-Liste der Ukraine.

„Und entweder erhält Bulgarien dadurch einige Pluspunkte, oder im Gegenzug für diese Schützenpanzer ausgemusterte amerikanische Ausrüstung.
Der Ukraine hilft das nichts.

Marschflugkörper

KP: Wo muß die Ukraine zulegen?

AK: Bei den Fähigkeiten der Artillerie, der elektronischen Kriegsführung und des Versuchs, die Kontrolle über den Himmel zu übernehmen – und dazu gehören Luftverteidigung und Luftlandewaffen. Wir sprechen von Hunderten von Flugzeugen – und 10 bis 20, selbst 90 Flugzeuge würden nichts ändern. Angesichts unserer Fähigkeit, die gesamte Tiefe des Territoriums der Ukraine zu beeinflussen, werden wir neue Flugzeuge der ukrainischen Streitkräfte, wenn wir sie auf einem Flugplatz entdecken, dort mit Marschflugkörpern angreifen.

KP: Sind unsere Marschflugkörper der Albtraum der ukrainischen Streitkräfte?

AK: In letzter Zeit haben wir nur mit den kleinen Drohnen „Geranium“ und „Kalibr“ angegriffen. Wir können über hundert davon pro Monat produzieren. Das bedeutet, dass einmal mehrere 1000 davon über sie herfallen können.

Wer ist für Frieden?

KP: Beim G20-Gipfel sagte Wladimir Putin, dass Russland Friedensverhandlungen nie abgelehnt habe?

AK: Die Option, die uns die NATO jetzt anbieten will, die eines Waffenstillstands – kommt, Russen, macht einmal Pause, – um in dieser Zeit die Ukraine aufzurüsten und dann versuchen, von neuem zuzuschlagen – das ist aus Sicherheitsgründen für uns inakzeptabel.“

Erinnern wir uns, wie Angela Merkel sich zu den Minsker Vereinbarungen geäußert hat – „Ja, wir mußten Zeit gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten“ – noch einmal läßt Rußland sich darauf nicht ein.

KP: Wird für die Amerikaner alles schwieriger?

AK: Sie versuchen zu manövrieren, um zu sehen, was im Nahen Osten passieren wird. Diesen Sommer gab es einen großen Artikel von der RAND Corporation. Berücksichtigt wurde das Bild der Zukunft nach Ende des Konflikts“ (in der Ukraine). „Die Hauptthesen waren: Das Bild der Zukunft, das die Ukraine sieht, stimmt nicht immer mit dem amerikanischen überein.
Eine politische Beilegung des Konflikts liegt im Interesse der USA. Wenn die Europäer hineingezogen werden und die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes besteht, ist das für die Amerikaner inakzeptabel.“

Dieser Satz ist zunächst unverständlich. Die EU ist ja bereits Teil des Konfliktes. Sie können also nicht „hineingezogen werden“.
Offenbar befürchten die USA, daß die europäischen NATO-Staaten etwas machen, was den Interessen der USA widerspricht. D.h., daß die USA befürchten, daß die EU-Staaten im Versuch, eine Niederlage der Ukraine zu vermeiden, zu Atomwaffen greifen könnten.
Das betrifft nur die Atommächte der EU, das sind Großbritannien und Frankreich.

„Sie müssen Geld verdienen.“

Das ist eine seltsame Vorstellung des Militärexperten. Auf einmal bricht er die Weltmachtsvorstellungen der USA auf Business zurück.
Die Berechnung, auf die er sich bezieht, könnte so aussehen, daß die USA mit den Aufrüstungs-Ambitionen der EU-Staaten Geschäfte machen wollen. Und daß sie dabei von der eher schwachen Rüstungsindustrie der EU profitieren wollen. Wenn die EU groß aufrüsten will, so soll sie in den USA einkaufen, so die Vorstellung.

„Das bedeutet, dass die USA Einfluss auf Zelenskij nehmen müssen. Für Zelenskij ist die Lage politisch sehr instabil.“

Wenn man jetzt diese Aussagen zusammennimmt, so heißt das, daß die USA Einfluß auf Zelenskij nehmen wollen, sich mit Rußland zu einigen, aber in einer Form, die weiterhin eine wehrfähige Ukraine beinhaltet, die fest weiter vom Westen Waffen bezieht.

„KP: Soll Moskau dem Westen die Bedingung stellen: Übergebt uns die Ukraine?

AK: Wir sagen derzeit, dass wir zu Verhandlungen bereit sind, lasst uns verhandeln. Aber wir gehen weiterhin militärisch vor. Darüber hinaus gibt es viele Berührungspunkte – sowohl im humanitären Bereich als auch im Austausch und im Energiebereich.
Aber den Konflikt einzufrieren und einen Terrorstaat zu schaffen, der Drohnenangriffe und Terroranschläge auf unserem Territorium durchführt, ist ein aufgeschobenes Problem für künftige Generationen. Dieses Problem muss jetzt dauerhaft gelöst werden.“

Das heißt: Mit weniger einer Niederlage der Ukraine und der Installation einer rußlandfreundlichen Regierung in der Rest-Ukraine – ohne die 4 annektierten Provinzen, die Krim sowieso – tut es Rußland nicht.

„Wo werden Luftverteidigungs-Systeme stationiert?

KP: Warum schicken wir 8 S-300-Installationen nach Tadschikistan – brauchen wir nicht selbst diese Luftverteidigungssysteme?

AK: Wir bauen ein einheitliches Luftverteidigungssystem auf und stärken es. Nehmen wir an, der Iran könnte das nächste US-Ziel sein. Dort können mehrere tausend Raketen gleichzeitig das Land angreifen, das dortige Luftverteidigungssystem wäre überlastet, militärische Einrichtungen könnten zerstört werden und dann könnte der Iran ohne weiteren Widerstand plattgemacht werden.“

Es ist bemerkenswert, daß Rußland den USA (und vielleicht Israel?) einen Angriff auf den Iran zutraut.
Offenbar verfügt Rußland über Informationen, daß die USA dafür immer noch genügend Waffen hätten. Die USA hat sich – im Unterschied zu Europa – durch die Waffenlieferungen in die Ukraine nicht völlig entblößt. Auch der Umstand, daß die USA im irakischen Kurdistan sozusagen eine einzige große Basis eingerichtet haben, wird offenbar bei diesen Überlegungen berücksichtigt.

„KP: Was hätte Russland damit zu tun?

AK: Für uns gilt ein dementsprechendes Szenario.
Für uns ist es wichtig, über die Grenzen Russlands hinaus in verschiedeneн Regionen der mit unserem System verbündeten Länder präsent zu sein, mit leistungsstarken Radargeräten und der Fähigkeit, den Gegner aufzuspüren und zu zerstören.
Wir müssen die Kontrolle über die zentralasiatische Region im Auge haben und voranbringen.

KP: Schützen wir uns also selbst, indem wir Tadschikistan schützen?

AK: Ja, wir schützen unsere Streitkräfte auf dem 201. Stützpunkt (in Tadschikistan), – Zentralasien ist unser Unterleib. Wir kontrollieren die Militärbewegungen in dieser Region. Das ist sehr wichtig.

KP: Warum verkaufen wir während eines Krieges weiterhin Waffen an das Ausland?

AK: Unsere Experten sagen, dass man keine Märkte verlieren darf – nachher würde es schwierig, sie sich wieder zu eröffnen. Das geht es um Milliarden von Dollar, das wären also schwere Verluste.“

Der Dollar ist also weiterhin Berechnungsgrundlage russischer Waffenverkäufe.

„Natürlich reduzieren wir Verträge. Wir führen nur besonders wichtige Dinge aus und arbeiten auch weiter mit den Kunden zusammen. Geliefert werden jene Systeme und Waffen, bei denen wir an der Front keine Versorgungsprobleme haben. Wir versuchen, einen Mittelweg zu finden.“

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(*1) Dieser US-Stützpunkt bei Poznan wurde im Vorjahr gegründet: „US President Joe Biden announced, at the Nato summit in Madrid, that the US would be strengthening its military presence in Europe adding that it would create the permanent headquarters of the US Army’s V Corps in Poland.“ (TheFirstNews, 29.6. 2022)

Pressespiegel El País, 21.11.: Alles neu in Argentinien (?)

„MILEI WILL SEINE PRÄSIDENTSCHAFT MIT EINER PRIVATISIERUNGSWELLE ERÖFFNEN

Der argentinische Rechtsextreme, der am 10. Dezember sein Amt antreten wird, geht davon aus, dass er den Ölkonzern YPF, den Energiekonzern Enarsa und die öffentlichen Medien verkaufen wird

Für den gewählten Präsidenten Argentiniens, Javier Milei, begann an diesem Montag ein Übergang voller Hindernisse. Er war kaum in der Lage, die Namen einiger seiner künftigen Minister zu nennen und sagte das Treffen ab, das er mit dem Präsidenten Alberto Fernández vereinbart hatte, unzufrieden mit Details wie dem Ort und den Gästen für das Foto.
Aber einige seiner ersten Maßnahmen hat er bereits vorangetrieben. Sobald Milei am 10. Dezember sein Amt antritt, wird er eine Privatisierungswelle starten, die beim Ölkonzern YPF, dem Energiekonzern Enarsa und dem öffentlichen Medienkonglomerat beginnen wird.“

D.h, das ist nur der Anfang.
Es soll alles verkauft werden, auch im Gesundheits- und Bildungswesen.
Die Frage ist, ob sich für das alles Käufer finden und wie die dann die Sache angehen werden.

„Der Führer der neuen argentinischen extremen Rechten hat drei Wochen Zeit, sein Kabinett zusammenzustellen, aber er hat nicht genügend Mitarbeiter. Seine Partei »La Libertad Avanza« (»Die Freiheit schreitet voran«) hat nicht genügend Personen von Format, um die höchsten Positionen in der Regierung zu besetzen.
Er ist daher auf das Umfeld seines neuen Verbündeten, des ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri verwiesen.

Milei befürchtet außerdem, dass die scheidende Regierung Maßnahmen ergreifen wird, die ihm schaden, während er seine Amtseinführung vorbereitet.
Er hat Gründe dafür.
Sein Rivale im zweiten Wahlgang, Sergio Massa, der auch Wirtschaftsminister ist, warnte ihn in der Nacht der Niederlage, dass es nun in seiner Verantwortung liege, die Inflation in Schach zu halten, die heute bei 142 % im Jahresvergleich liege.
Massa deutete sogar an, dass er zum Rücktritt bereit sei, nachdem seine Arbeit als Ministerkandidat nun beendet sei.“

Aha.
Die Übergabe der Regierungsgeschäfte und der Rücktritt der Minister der vorherigen Regierung sind bereits „Maßnahmen“, die ihm „schaden“.
Man fragt sich, wie er sich denn die Amtseinführung vorgestellt hat?
Die Vorgänger nehmen alle Wirtschaftsprobleme mit, die Schulden, die Inflation usw. und er macht jetzt reinen Tisch und fängt von vorne an, auf einer tabula rasa?

„Milei machte in Fragen der Übernahme der Regierungsgeschäfte kaum Fortschritte, dafür ergeht er sich in Ankündigungen.
Am Montagmorgen tourte er durch die lokalen Radiosender und wiederholte nacheinander seine ersten Regierungsmaßnahmen: Privatisierungen, Kontrolle des sozialen Protests und Dollarisierung.
»Alles, was in die Hände des Privatsektors fallen kann, wird auch in die Hände des Privatsektors gelegt werden«, sagte er.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Argentinien eine Privatisierungswelle startet: In den 1990er Jahren ließ der liberale Peronist Carlos Menem kein öffentliches Unternehmen unverkauft, in einem langen Prozess, den er mit der Ölgesellschaft YPF krönte, im Jahr 1999, nur wenige Tage von der Übergabe der Macht an seinen Nachfolger (de la Rua).
Im Jahr 2012 renationalisierte die Regierung von Cristina Kirchner das Unternehmen, das sich in den Händen von Repsol befand.
Milei nimmt ausdrücklich YPF ins Visier und verspricht, das Unternehmen »als Brücke für die Neuausrichtung des Energiesystems« zu nutzen, sowie auch auf Enarsa, ein weiteres Energieunternehmen. »Der Übergang wird etwa zwei Jahre dauern«, etwas mehr, als er sich für die Dollarisierung der Wirtschaft, sein Banner im Kampf gegen die Inflation, vorstellt. »Das kann innerhalb eines Jahres erledigt werden, sobald die Gesetze verabschiedet sind«, sagte er.

Der Umfang der von Milei ins Auge gefaßten Änderungen erinnert bereits an die »Operation ohne Narkose«, die Menem anwendete, als im Jahr 1990 die Hyperinflation im Land wütete. Damals lösten viele der Maßnahmen soziale Unzufriedenheit mit Protesten und Streiks aus. Milei nahm diese Erfahrung zur Kenntnis und warnte, er sei bereit, sich denen entgegenzustellen, »die sich Veränderungen widersetzen, um ihre Privilegien zu verteidigen«. Er bezog sich dabei nicht auf »die politische Kaste«, die er im Wahlkampf zu bekämpfen versprach, sondern auf die Angestellten und Beamten, die arbeitslos werden könnten.“

Man muß hier erwähnen, daß mit den Maßnahmen der Regierung von Menem die Auslandsschuld von 65 auf 151 Milliarden $ anwuchs und die industrielle Produktion um die Hälfte zurückging.
Auch unter Macri wuchs die Auslandsschuld wieder sprunghaft an.
Man darf neugierig sein, was für Folgen die Politik Mileis haben wird.

„Der gewählte Präsident gab bekannt, dass er bereits Kontakt mit dem gewählten Bürgermeister der Stadt Buenos Aires, Jorge Macri, aufgenommen habe, um »die Ordnung auf den Straßen aufrechtzuerhalten.«“

Ein Cousin Mauricio Macris, der vermutlich gerne gegen alle Kriminellen und politisch Unerwünschten vorgehen wird.

„»Wenn es ein Verbrechen gibt, wird es verfolgt. Innerhalb des Gesetzes alles, außerhalb des Gesetzes nichts. Wer sie begeht, bezahlt sie«, sagte er. Die Änderungen würden »einschneidend« sein, warnte er, und Auswüchse würden nicht toleriert.“

Also sowohl eine Säuberungswelle gegen Peronisten in den Ämtern als auch ein Kampf gegen die Bewohner der Slums wird hier angekündigt.

„Die Eindämmung möglicher Proteste wird nur eine der Herausforderungen sein, vor denen die neue Regierung stehen wird. Milei muss eine politische Bastion errichten, die die Regierungsfähigkeit tragen soll. Seine Partei wird nur 38 von 257 Abgeordneten haben und er braucht die 30, die der ehemalige Präsident Macri stellen kann, um überhaupt im Spiel zu bleiben.“

Mit einer Unterstützung von 68 von 257 Abgeordneten regieren – sportlich.
Offenbar rechnen Milei und seine Mannschaft mit Überläufern aus dem peronistischen Lager …

„Vor ihm wird er die 108 peronistischen Abgeordneten treffen, also derjenigen Partei, die neben der Opposition auch die Kontrolle über den Senat haben wird. Trotz der Wahlniederlage wird das Kirchner-Lager in der Lage sein, Gesetze zu blockieren oder zu verabschieden und Präsidialerlasse zu ratifizieren. Dem Ultra wird keine andere Wahl bleiben, als jedes Gesetz mit Anführern auszuhandeln, die er seit Monaten als »Dreck«, »Diebe« und »beschissene Linke« bezeichnet.

Milei kann auch auf keine politische Unterstützung aus den Provinzen rechnen: Seine Partei wird keinen einzigen Provinzgouverneur stellen, auf einer Karte, die von Peronisten, Radikalen (Sozialdemokraten) und lokalen Parteien dominiert wird, die ihre Stimmen normalerweise an den Meistbietenden verkaufen. Diese bunte Mischung von Opposition wird Deals eines Führers erschweren, der keine Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft gezeigt hat.

Kampf gegen die Inflation

Die Wirtschaft ist jedoch das größte Problem, mit dem Milei zu kämpfen haben wird. Er hat auch wenig Zeit für Versuch und Irrtum. Der Montag war in Argentinien ein Feiertag und es gab keinen Devisenmarkt. An diesem Dienstag wird bekannt, wie die lokalen Investoren den Führungswechsel aufnehmen. Der Fokus wird auf dem Preis des blauen (= frei handelbaren) Dollars liegen, der je nach Angebot und Nachfrage frei steigt und fällt. Am Freitag schloss er bei rund 1.000 Pesos pro 1 $.
Die größte Herausforderung während des Übergangs wird es sein, den Dollar unter Kontrolle zu halten. Wenn sich Minister Massa schließlich zum Rücktritt entschließt, verliert die Wirtschaft den Steuermann. Milei hörte die Warnungen des jetzigen Ministers nicht gerne. Deshalb entschloss er sich schließlich dazu, das Treffen mit Präsident Fernández zu verschieben, das das Ziel gehabt hätte, den Übergang voranzutreiben. »Lassen Sie sie bis zum Ende des Mandats, dem 10. Dezember, Verantwortung übernehmen“, sagte Milei.

Zumindest im Ausland kam sein Sieg gut an. Die Aktien argentinischer Unternehmen, die an der Wall Street notiert sind, stiegen zwischen 4 % und 36 %, wobei das besondere Interesse an solchen lag, die mit dem Energie- und Bankensektor verbunden sind. Am meisten profitierte gerade der Ölkonzern YPF, der nun zum Verkauf steht. Auch argentinische Staatsanleihen stiegen zwischen drei und sechs Punkten.
An der politischen Front begrüßten die regionalen Führer der extremen Rechten Milei, den sie als Speerspitze eines Wiederauflebens der konservativen Welle betrachten, die einst von Donald Trump in den USA und Jair Bolsonaro in Brasilien angeführt wurde. Es war genau Bolsonaro, der mit großer Begeisterung die mit Milei geführte Kommunikation per Videoanruf in den Netzwerken verbreitete.
Der Brasilianer nahm Mileis Einladung zu seiner Investitur an. »Das ist perfekt, es ist wie ein Tor von der Mittellinie«, antwortete Milei, der Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva für einen Vertreter des »internationalen Kommunismus« hält.

Mileis Sieg über Massa mit mehr als 10 Prozentpunkten hat nicht nur die extreme Rechte mobilisiert. Der besiegte Peronismus liegt jetzt auf der Intensivstation und muß sich jetzt reanimieren – nach dem unvermeidlichen Niedergang von Cristina Kirchner, der Anführerin der Bewegung.

Die Vizepräsidentin hat sich seit der Niederlage ihres Kandidaten noch nicht geäußert.

Im Mittelpunkt steht der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Axel Kicillof, der Peronist mit der mächtigsten Position nach dem Präsidenten. Kicillof ist ein Politiker in seinen frühen Fünfzigern, der Kirchner nahesteht und jetzt, da Massa schwer angeschlagen ist, eine eigene Karriere anstrebt.
Seine Bastion ist die größte, reichste und bevölkerungsreichste des Landes, ein ideales Territorium, um den Prozess des politischen Wiederaufbaus zu beginnen.“

Einmal sehen, wie lange der Enthusiasmus anhält.
Man vergesse nicht, wie viele Schulden Argentinien hat und welche Schwierigkeiten, sie überhaupt zu bedienen.