Der Kampf um Lateinamerika

UNRUHE IM HINTERHOF

Lateinamerika galt lange als der Hinterhof der USA. Dort wurde das System der konzessionierten Souveränität gegenüber dem Kolonialsystem der alten Welt entwickelt, ausgebaut und dann als Modell der Globalisierung auf die ganze Welt ausgebreitet. Besonders aktuell war das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Seither ist jedoch einiges geschehen. Vor allem das ökonomische Erstarken Chinas hat dort die Karten neu gemischt.

1. Argentiniens Bankrott und der Vormarsch Chinas

Einen bedeutenden Einschnitt in der wirtschaftlichen Entwicklung Südamerikas bedeutete der Bankrott Argentiniens 2001/2002. Das Land war ein Musterknabe des IWF gewesen, der inzwischen verstorbene Präsident Menem und der Wirtschaftsminister Cavallo hatten den argentinischen Peso an den Dollar geknüpft und dadurch die galoppierende Inflation in den Griff bekommen.
Diese als Currency Board hochgelobte Methode, Weichwährungen durch eine stabile Wechselkurspolitik zu stützen, galt damals als der Weisheit letzter Schluß und wurde in Wirtschaftsforen beklatscht. Er gab Argentinien die Möglichkeit, sich auf den Börsen von Frankfurt und New York zu verschulden, indem es dort auf Dollar lautende Staatsanleihen ausgab. Diese Wertpapiere erschienen den Investoren als sicher, weil durch die Dollarbindung die Zahlungsfähigkeit des Staates Argentinien gesichert schien. Es war aber ein Trugschluß, wie sich in diesem Millenium herausstellte, weil diese Bindung nur auf den Vereinbarungen mit dem IWF gegründet war, also weder auf der Wirtschaftsleistung Argentiniens noch auf irgendwelchen Garantien seitens der USA. Daher platzten diese Anleihengeschäfte nach dem Sturz des Präsidenten De La Rúa, der Peso entwertete sich und Argentinien war international nicht mehr zahlungsfähig. Das hatte sehr unerfreuliche Auswirkungen auf die argentinische Wirtschaft, die durch die Bedingungen, die der IWF an die Aufrechterhaltung des Currency Board geknüpft hatte, extrem importabhängig geworden war.

Was das alles für Argentinien bedeutete, kann man an den weiter unten angeführten Artikeln zu Argentinien entnehmen.

Für den Rest Lateinamerikas, vor allem Südamerikas, waren diese Entwicklungen eine Lehre. Sie wandten sich vermehrt vom IWF ab und einem neuen Kreditgeber zu, der wundersamerweise zu diesem Zeitpunkt am Horizont auftauchte: Der chinesischen Entwicklungsbank mit Sitz in Schanghai.
Diese Bank ist eine Art Anti-IWF oder Anti-Weltbank-Institution, die dazu ins Leben gerufen wurde, um – zusammen mit Chinas Außenhandelsbank – die bei China aufgehäuften Devisenreserven in greifbare Exporterfolge und ebenso greifbare Sicherstellung von notwendigen Importen zu sichern. Zum Unterschied vom IWF und Weltbank, die zwar US-dominierte, aber dennoch internationale Institutionen sind, sind diese Banken ausschließlich chinesische Institutionen und dienen daher anerkanntermaßen in erster Linie den Interessen der chinesischen Politik.
Sie finanzieren Infrastrukturprojekte wie den Bau von Straßen, Brücken oder Eisenbahnen, im Rahmen der sogenannten „neuen Seidenstraße“, die im Original einfach Verbindungs- und Straßenbauinitiative heißt. Außerdem finanzieren sie Unternehmen zur Energiegewinnung, investieren als Land Grabber in den Agrarsektor und vergeben Exportstützungskredite, mit deren Hilfe sie den lateinamerikanischen Markt mit Konsumgütern förmlich überschütten.

China hat daher Schritt für Schritt Lateinamerika sowohl als Rohstofflieferant als auch als Markt dem Zugriff der USA entzogen.

Dadurch ist auch in verschiedenen Staaten Lateinamerikas eine neue Händler-Elite entstanden, die sich auf den Handel mit China spezialisiert hat. Besonders augenfällig ist das z.B. in Bolivien, wo die eigentlich als großer Slum entstandene Zwillingsstadt zu La Paz, El Alto, zu einer kommerziellen Drehscheibe für den Chinahandel geworden ist und die alten, USA-orientierten Eliten schrittweise zurückgedrängt hat.
Damit wurden auch die Staaten Lateinamerikas intern aufgemischt. Die USA versuchen, ihren schwindenden Einfluß durch Bündnis mit den traditionellen Eliten und unter Zuhilfenahme von Sekten wieder zurückzuerlangen, was sich in Putschen und Unruhen äußert.

Eine weitere Waffe im Kampf um Einfluß ist das Thema „Korruption“ und die Zuhilfenahme der Justiz. Davon später einmal.

2. Der politische Einfluß Chinas in Lateinamerika

Außer dem ökonomischen Vormarsch hat China – in Zusammenarbeit mit Rußland – auch politisch einiges geleistet. Nach dem Putschversuch gegen Chávez 2002 und der Entlassung der darin verwickelten Angestellten der Erdölindustrie wurde die Erdölproduktion nur dank tatkräftiger Hilfe chinesischer – und iranischer! – Spezialisten weiter am Laufen gehalten. Nach Jahrzehnten der Obstruktion, Embargos und militärischer Bedrohung funktioniert der Erdölsektor Venezuelas nur dank chinesischer Investitionen weiter. China arbeitet daran, die Erdölreserven Venezuelas zu erschließen, den Erdölsektor zu modernisieren und die Exportkapazitäten zu erhöhen.
Um zu verstehen, warum das so langsam vonstatten geht, sei daran erinnert, daß Venezuela mit dem Iran und Kuba das Problem teilt, daß nach dem Bruch mit den USA die ganze Industrie auf das metrische System umgestellt werden mußte. Stück für Stück müssen alle Geräte, Raffinerien usw. umgebaut oder ganz ausgetauscht werden, da keine Ersatzteile mehr aus den USA importiert werden können.
Dieser Umbau geht übrigens nicht nur in Venezuela vonstatten. Auch die mit Hilfe Chinas groß gewordene Erdölindustrie, Bauindustrie und Flotte Brasiliens hat sich von den US-Firmen und Normen abgewandt und sich Know-Hows aus Rußland und der EU bedient.

Kuba schließlich hält sich bis heute nur dank russischer und chinesischer Unterstützung in verschiedenen Sektoren, nachdem Venezuela als großer Spender in Lateinamerika selbst in Bedrängnis geraten ist.

3. Rußlands Vormarsch in Lateinamerika

Rußlands Einfluß ist sowohl logistischer als auch militärischer Natur. Die Aufrüstung der venezolanischen Sicherheitskräfte war ein entscheidender Faktor, warum die USA und die Nachbarstaaten Venezuelas von einem Einmarsch absahen, wie er von den USA rund um das Guaidó-Theater erwogen wurde. (Es reichte nur zu einem operettenhaften Invasionsversuch.) Auch die Blockade von Tankern nach Venezuela wurde durch russisches Militär vereitelt. In Argentinien leistete Rußland sogar etwas Wirtschaftshilfe zum Aufbau einer bis dahin nicht exitenten Fisch- und Meeresfrüchteindustrie.
Vor allem aber unterstützen russische Firmen (und im Hintergrund dazu sogar bis zum Vorjahr deutsche) die Industrie in verschiedenen Sektoren der Energiewirtschaft.
Während der Pandemie tobten Kämpfe um die in Lateinamerika zugelassenen Impfstoffe. Damals gelang den Pharmafirmen Rußlands und Chinas ein Durchbruch auf dem Pharmasektor.

Alle diese Kämpfe sind nicht entschieden und befinden sich in einer heißen Phase.

Bisherige Artikel zu dem Thema:

Argentinien:
Das weltweite Finanzsystem – ARGENTINIENS SCHULDEN, WIEDER EINMAL (2022)
Argentiniens Schulden – SCHULDEN MÜSSEN GÜLTIG BLEIBEN (2021)
Pressespiegel: Rebelión, 5.2. – ARGENTINIEN IST IN DER SCHULDENFRAGE NICHT NACH SCHERZEN ZUMUTE (2020)
Wahlen in schwieriger Zeit – ARGENTINIEN; SEIN PRÄSIDENT UND SEINE SCHULDEN (2019)
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 5: Argentinien – „DIE EWIGE WIEDERKEHR DER ARGENTINISCHEN KRISE (2018)
Macris Schwanengesang? – ARGENTINIEN BITTET DEN IWF UM KREDIT (2018)
Argentinien schifft wieder ab – RICHTUNGSWECHSEL IN ARGENTINIEN: MAURICIO MACRI, EIN HELD AUF ABRUF (2016)
Argentinien, der Weltmarkt und das Welt-Finanzsystem – FLEUNDSCHAFT! (2015)
Der Argentinien-Krimi, neueste Folge – DER COUNTDOWN LÄUFT (2014)
Argentinien am Scheideweg – DAS WELTWEITE KREDITSYSTEM WACKELT WIEDER EINMAL (2014)
Ein angesichts der Euro-Krise fast vergessener Schuldnerstaat – AASGEIER KREISEN ÜBER ARGENTINIEN (2013)
Die Weltfinanzbehörde läßt einen Musterschüler durchfallen – DER IWF, TEIL 6: ARGENTINIENS ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT (2011)
Ein großes Pyramidenspiel? – ARGENTINISCHE BANKIERS ZUR EURO-SCHULDENKRISE (2011)

Pressespiegel El País, 13.9.: Debatte in Rußland um den Krieg in der Ukraine

„DER ENTSCHLOSSENE VORMARSCH DER UKRAINISCHEN TRUPPEN ERZEUGT RISSE IN DER RUSSISCHEN POLITISCHEN SZENE

Stimmen der offiziellen Propaganda verlangen Veränderungen in der Regierung und der Militärführung

Der bestimmte Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes in Gegenden, wo seit Monaten die Russen ihre Positionen gehalten hatten, hat die ersten Risse im politischen Diskurs Rußlands entstehen lassen. Bisher waren da keine Mißtöne gegen die offizielle Linie des Kreml zu vernehmen. Die Führer der russischen Propaganda“

Wer das wohl ist?

„drängen öffentlich darauf, die Kommandanten zu exekutieren, die die enormen verlorenen Gebiete verteidigen hätten sollen. Andere der Macht nahestehende Kreise fordern jetzt, diejenigen zu bestrafen, die den Präsidenten Vladimir Putin davon überzeugten, daß seine Truppen in der Ukraine mit Umarmungen empfangen werden würden. Die Rückschläge in Charkow und Cherson treffen zeitlich zusammen mit einem einer neuen Herausforderung seitens der Opposition, von geringem Gewicht, aber vielsagend. Mehr als 40 Gemeinderäte der beiden größten Städte Rußlands haben im russischen Parlament einem Aufforderung zum Rücktritt Putins wegen Hochverrat eingereicht. Diese Initiative gewinnt mit jeder Stunde neue Anhänger.“

Das zeitliche Zusammentreffen dürfte nicht zufällig sein. Die Initiatoren warteten auf einen günstigen Zeitpunkt.

„Der tschetschenische Präsident Kadyrow hat offen von strategischen Fehlern gesprochen.
Die ukrainische Gegenoffensive, die in den letzten Tagen zu großen Gebietsgewinnen geführt hat, hat Rußland überrascht. Am Samstag, als Kiew verkündete, zentrale Orte wie Charkow eingenommen zu haben,“

– das ist irreführend formuliert, die Stadt Charkow war immer in ukrainischer Hand, es handelt sich um mehrere Städte in der Region Charkow –

„befand sich Putin in Moskau bei der Einweihung des größten Riesenrades Europas, während die Einwohner tanzend und trinkend das 875. Jubiläum der Stadt feierten. Das russische Verteidigungsministerium hüllte sich angesichts der Verlautbarungen der ukrainischen Behörden einige Zeit in Schweigen und verkündete schließlich einen geordneten Rückzug in der Region Charkow.
Die Wortwahl des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow zu diesem Rückzug war bezeichnend. In einer Botschaft auf seinem Telegram-Kanal schrieb er über den »Umstand, daß die russische Armee abgezogen ist und mehrere Städte hergeschenkt hat«. Er fügte hinzu: »Ich bin kein Stratege wie die dort im Verteidigungsministerium, aber es wurden Fehler begangen.« Weiters kündigt er an, sich nicht nur mit dem Verteidigungsministerium, sondern auch mit der Führung direkt, also mit Putin in Verbindung zu setzen, falls es nicht unmittelbar Änderungen bei der sogenannten »Sonderoperation« geben sollte.“

Kadyrow fordert offenbar schon länger wichtige Posten für seine tschetschenischen Offiziere und nutzt jetzt auch den günstigen Zeitpunkt.
Die Tschetschenen stellten auch in der Roten Armee eine im Verhältnis zur Bevölkerung überproportionalen Anteil von Berufssoldaten, aber so richtig nach oben kamen sie nie. Sowohl Dudajew (Luftwaffe) als auch Maschadow (Artillerie) waren Militärs.

„Die Armee, nach Umfragen die von den Russen am meisten geschätzte Institution des Landes – mehr noch als der Kreml – ist großem Druck ausgesetzt. Putin weigert sich, eine Generalmobilmachung anzuordnen, eine unpopuläre Maßnahme, wie sie von den Falken gefordert wird.“

Es wird nicht ganz klar, wo diese Falken sitzen: Im Militär, im nationalen Sicherheitsrat?

„Die dem Kreml nahestehenden Medienvertreter schießen sich derweil auf die Militärführung ein. Einer der Hauptverantwortlichen für die Kremlpropaganda, der Moderator Vladimir Solowjow von Rossija 1, verkündete ebenfalls in Telegram: »Viele Anführer in Uniform (ich würde es nicht wagen, sie als Kommandanten zu bezeichnen) verdienen eine unehrenhafte Entlassung, einen Strafprozess oder sogar die Hinrichtung, und ich könnte einigen von ihnen namentlich nennen«.“

Der Kreml hat einen Sprecher, Peskow. Der erwähnte Solowjow, der offenbar ein Parteigänger der russischen Politik ist, wird hier hochstilisiert zu einer Art Goebbels, und seine Telegram-Botschaft dann zu einer Bedrohung für Leib und Leben für einige Offiziere.
Dabei macht er nur eine kleine Hetzpropaganda in einem eben gerade nicht vom Kreml kontrollierten Medium, die für ihn selbst durchaus Folgen haben kann, denn dergleichen ist in Rußland eigentlich verboten.

„Die durch die Gegenoffensive erzeugte Krise hat mit einem Satz die die Ratgeber des Kreml und die Militärführung ins Scheinwerferlicht gerückt. Diverse Analysten und Politiker stellten den Fortgang der Operationen der russischen Truppen in den letzten Monaten in Frage. Dies fand in einer Debatte des beliebten Fernsehkanals NTV statt. die Kontrolle über diesen Sender übt Putin aus, seit er an der Macht ist.“

Das Kreml-Sprachrohr veranstaltet also eine öffentliche Debatte darüber, wie der Krieg, pardon die Spezialoperation, denn so läuft.
Unerträglich, diese Autokratie mit ihrer Zensur.

„»Die Leute, die den Präsidenten davon überzeugt haben, daß die Spezialoperation schnell und effektiv sein würde; daß wir keine Zivilisten bombardieren würden, daß wir kommen würden und die Nationalgarde und die Kadyrowzy (Kadyrows Spezialgarde) Ordnung schaffen würden … diese Leute haben uns alle in eine Falle gelockt,« sagte der Ex-Dumaabgeordnete Boris Nadezhdin. »Gibt es solche Leute?« fragte ihn der Moderator. »Selbstverständlich. Der Präsident setzt sich nicht einfach so hin und sagt: ,Ich werde eine Spezialoperaton ausrufen.’ Jemand hat ihm gesagt, daß die Ukrainer sich ergeben und Rußland anschließen werden,« antwortete er.
Die Offenheit, mit der diese Debatte ausgetragen wurde, erstaunte Rußland. Der Abgeordnete und Vorsitzende der Partei »Gerechtes Rußland« Sergej Mironow hielt an seiner Position der letzten Monate fest, daß es mit »Selenskis Nazi-Regime« keine Verhandlungen geben könnte. Er wurde außer von Nadezhdin sofort von einem großen Teil der Anwesenden kritisiert. Der Analyst für Politik Viktor Olewitsch warf ihm vor, daß »angeblich alles nach Plan verläuft, aber vor 6 Monaten glaubte niemand, daß der Plan wäre, sich jetzt zurückzuziehen.« Ein anderer bekannter Kommentator politischer Ereignisse, Alexej Timofejew, nützte die Gelegenheit daran zu erinnern, daß in offiziellen (also Kreml-treuen) Medien verbreitet wurde, daß die Armee im Falle der Einnahme von Odessa »dem Risiko ausgesetzt würde, sehr heftige Umarmungen von Seiten der Bevölkerung zu erhalten.« Seine Kritik war hart: »Diese Irrtümer waren verbrecherisch, katastrophal – warum müssen wir uns weiterhin die Meinung dieser Experten anhorchen?«.
Im Zentrum der Kritik steht in solchen Debatten inzwischen eine der bekanntesten Gesichter der russischen Propaganda: Die Direktorin von »Russia Today«, Margarita Simonjan, die in einer Talkshow im Fernsehen noch vor dem Einmarsch gesagt hatte: Rußland »besiegt die Ukraine in 2 Tagen«. Heute sind 201 Tage seit dem Beginn der Offensive vergangen und die russischen Truppen ziehen sich an verschiedenen Fronten zurück.
Die Verhaftung mehrer Politiker wegen ihrer Kritik an dem Krieg hat die Kritik an Putin nicht verstummen lassen. Da ihr der Zugang zum nationalen Parlament versperrt ist, spielt sich ein guter Teil der russischen Politik in den Gemeinderäten der großen Städte ab.“

– Es folgt wieder die bereits eingangs erwähnte Story mit den Gemeinderäten, die Putin wegen Hochverrats vor Gericht stellen und absetzen lassen wollen. Der Verfasser des Artikels meint offenbar, die Wiederholung könnte diesem Schritt mehr Gewicht verleihen. –

„»Es handelt sich um einen sehr intelligenten und sehr sorgfältig verfaßten Text. Ich erwarte, deshalb nicht vor Gericht gestellt zu werden, weil wir nichts Illegales gemacht haben. Wir haben die landesweit gültigen Gesetze für ein solches Vorgehen eingehalten und haben Argumente verwendet, die man auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen kann, um ein solches Absetzungsverfahren einzuleiten«, erklärt diese einer ihrer Betreiber, Nikita Juferew, per Telefon.
Dem“ (ursprünglich von Petersburg ausgehenden) „Schreiben schlossen sich inzwischen weitere Stadträte aus Moskau an. »Wir wollen uns an das Publikum Putins wenden, damit er nachdenkt. Wenn sie glaubten, daß die Expansion der NATO eine Bedrohung Rußlands darstellt, so hatte seine Entscheidung vom 24. Februar zum Ergebnis, daß sie sich weiter ausgedehnt hat. Mit dem Beitritt Finnlands hat sich die NATO-Außengrenze sogar verdoppelt«, fügt er hinzu. »Wir sehen die Sache so, daß die von Putin ergriffene Initiative das Risiko für Rußland und seine Bevölkerung vergrößert hat. Jetzt ist die Ukraine eine Gefahr, weil sie als Ergebnis des Einmarsches vom 24. Feber Waffen im Wert von 38 Milliarden $ erhalten hat«, bekräftigt er in mit dem Millimetermaß sorgfältig gewählten Worten.
»Wir sind der Ansicht, daß Putin nicht recht hatte«, präzisiert Juferew. »Man muß die Situation unserer Soldaten in Betracht ziehen, den wirtschaftlichen Abstieg und die Probleme der jüngeren Generation. Die Wirtschaft Rußlands leidet beträchtlich«, fügt er hinzu.“

Diese Absetzungsinitiative geht von der Partei „Jabloko“ aus, die in der Duma nicht mehr vertreten ist und im St. Petersburger Stadtrat eine Fraktion besitzt.

Die jetzt geäußerten Kritikpunkte an dem Ukraine-Krieg sind offenbar auch ein Ergebnis von heftigen internen Debatten innerhalb der Streitkräfte und der politischen Klasse Rußlands, wo eine Abteilung immer noch auf eine Einigung mit der gegnerischen Seite gehofft hat.

Gleichzeitig verkündeten Mitglieder der ukrainischen Regierung im Bewußtsein ihrer derzeitigen militärischen Erfolge, keine Verhandlungen führen zu wollen und die Demilitarisierung Rußlands anzustreben.