Pressespiegel El País, 19.1.: Politische Krise in Peru

„DIE PROTESTE GEGEN DIE PERUANISCHE PRÄSIDENTIN ERREICHEN LIMA MIT DEM AUFRUF ZU EINEM GROSSEN MARSCH

Studentengruppen begrüßten die Demonstranten aus den Regionen auf dem Campus, während die Regierung die Hauptstadt an diesem Donnerstag vor der Mobilisierung abschirmte. Der soziale Ausbruch hat mehr als 50 Tote hinterlassen

Am Tag ihres Jubiläums empfing Lima, die Hauptstadt, die oft außerhalb der Ereignisse steht, die im Rest des Landes vor sich gehen, Tausende von Peruanern, die gehört werden wollten.
Die Ankunft war den ganzen Mittwoch über nicht einfach: In den letzten Tagen hat die Polizei ihre Kontrollen auf den Autobahnen verstärkt und die Demonstranten aus verschiedenen Regionen, hauptsächlich aus den Bergen, an der Anreise gehindert. Das Ziel ist, den Protest zu schwächen, der für diesen Donnerstag unter dem Motto „Großer Marsch der Vier Landesteile“ (1) anberaumt wurde, in Anspielung auf die soziale Mobilisierung, die dem Regime von Alberto Fujimori Anfang der 2000er Jahre ein Ende bereitete.
Die Sicherheitskräfte versuchen, die im Januar 1535 als „Stadt der Könige“ gegründete Hauptstadt abzuriegeln.
»Wir wissen, dass sie Lima einnehmen wollen. Ich fordere sie auf, Lima einzunehmen, aber in Frieden und Ruhe«, sagte Präsidentin Dina Boluarte am Vortag, diesmal mit versöhnlichem Ton“

– wenig glaubwürdig, die Dame, wenn gleichzeitig die Polizei die Landstraßen sperrt und die Hauptstadt abriegelt –

„ – nach ihrer letzten Botschaft an die Nation, in der sie die Bürger des Südens des Landes, die sie seit mehr als vierzig Tagen zum Verlassen des Präsidentenpalastes auffordern, als »Krawallmacher« und »Gewalttäter« bezeichnete.
Die Krise entstand am 7. Dezember, als der ehemalige Präsident Pedro Castillo versuchte, mit der Auflösung des Kongresses, einer der diskreditiertesten Institutionen in Peru, eine Art Staatsstreich durchzuführen.“

Die Bemühung, den Staatsstreich in Peru als einen legalen Akt zur Verhinderung eines Staatsstreichs darzustellen, durchzieht seit 6 Wochen die gesamten westlichen Medien.
Ein guter Teil der Einwohner Perus teilt offenbar diese Sichtweise nicht.

„Seit dem frühen Mittwochmorgen besetzt eine große Gruppe von Studenten der Universidad Nacional Mayor de San Marcos den Universitätscampus mit einem einzigen Ziel: Die anreisenden Abordnungen der Demonstranten aus dem Landesinneren unterzubringen.
»Es gibt bereits mehr als 50 Tote. Dies ist eine Einschüchterungskampagne gegen die Menschen. Wir können nicht gleichgültig bleiben und müssen uns mit unseren Mitkämpfern solidarisieren«, bekräftigte ein Student der Juridischen Fakultät.
Trotz der Warnungen der Rektorin Jeri Ramón Ruffner ist dieses Haus der Höheren Studien zu einem vorübergehenden Zufluchtsort für Menschen aus Ayacucho, Cuzco, Apurímac und Puno geworden, gerade für diejenigen, die am stärksten von polizeilicher Repression betroffen sind.

Auf der anderen Seite“ (des Lehrkörpers) „steht der Rektor der Nationalen Ingenieuruniversität, Pablo Alfonso López-Chau, der die Demonstranten begrüßte und ihnen den Campus seiner Universität überließ, damit sie die Nacht vor dem Marsch verbringen konnten. »Ich bitte Euch, euch selbst zu organisieren und für die Sicherheit zu sorgen. Das ist euer Haus, kümmert euch um euer Haus. Vermeidet Provokateure«, sagte er.
Auch Studentengruppen der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru und der Nationalen Universität Federico Villarreal haben sich angeschlossen.

Am Morgen nahm Präsidentin Dina Boluarte in Begleitung des Bürgermeisters von Lima, Rafael López Aliaga, an der Messe und dem Te Deum zum 488. Jahrestag der Hauptstadt teil.“

Ein Staatsakt zur Glorifizierung der Nation und zur Bekräftigung der eigenen Stellung als deren Vertreterin, gleichzeitig Polizeiaufgebot an allen Ecken zur Niederschlagung von Protesten – eine sehr übliche Mischung der Selbstdarstellung von Staatsoberhäuptern, wenn der Hut brennt.

„Am Nachmittag floß erneut Blut: In Macusani, der Hauptstadt der Provinz Carabaya in der Region Puno starb eine 35-jährige Frau durch eine Kugel. Und ein 30-jähriger Mann wurde ebenfalls durch eine Schusswaffe schwer verletzt und befindet sich in kritischem Zustand. Dieses Ereignis löste die Wut der Bevölkerung aus, und einige Demonstranten zündeten nachts die Polizeistation und das örtliche Hauptquartier der Justiz an.
Darüber hinaus kamen zwei Opfer der (polizeilichen) Straßensperren in der Region La Libertad hinzu: ein 28-wöchiges Frühgeborenes und eine 51-jährige Frau, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt und nicht medizinisch versorgt werden konnte.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) berief eine regelmäßige Sitzung ein, um die Situation in Peru von Washington aus zu bewerten.
Luz Elena Baños, Vertreterin Mexikos, drückte ihre Besorgnis über die »unverhältnismäßige Anwendung öffentlicher Gewalt« aus,“

– die Sprache der Diplomatie erkennt natürlich immer die verhältnismäßige Gewalt im Umgang mit Demonstranten an, –

während Alejandra Solano, ihre Amtskollegin aus Costa Rica, »die Achtung der Menschenrechte« forderte. Luis Almagro (2), Generalsekretär der OAS, meinte seinerseits: »Das Recht auf friedlichen Protest muss respektiert werden; aber auch das Recht des Staates, die Ordnung zu wahren«.
Unterdessen schaffte es Paul Duclos, Generaldirektor für multilaterale und globale Angelegenheiten des peruanischen Außenministeriums, zu verkünden, dass »eine multisektorale Kommission eingerichtet wurde, um sich um die Hinterbliebenen der Verstorbenen zu kümmern«.“

Das wird die Hinterbliebenen vermutlich in Begeisterungsstürme versetzen …

„Bis heute sind 53 Menschen durch den Konflikt gestorben, der am 7. Dezember nach dem“ (angeblichen) „Putschversuch von Pedro Castillo begann: 42 von ihnen durch Zusammenstöße mit der Polizei, zehn durch Straßensperren und ein Polizist. Hinzu kommen nach Angaben der Volksanwaltschaft 722 verletzte Demonstranten und 442 verletzte Polizisten.
Die größte Mobilisierung der letzten Zeit in Lima wird an diesem Donnerstag erwartet.“

Der von den USA und mit diktatorischen Methoden gegen die Landbevölkerung vorgehende Präsident Fujimori wurde im Juli 2000 durch einen ähnlichen Marsch aus allen Landesteilen gestürzt. Fujimori war aber wenigstens gewählt worden und nicht wie Frau Boluarte durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen.

Die Zukunft wird weisen, wie sich die Ereignisse in Peru entwickeln.
Der kürzlich unternommene Staatsstreich in Brasilien ist gescheitert, weil Bolsonaro weder im In- noch im Ausland die nötige Unterstützung erhielt.
Man wird sehen, welche Kräfte gegen die Bevölkerung Perus, die „Krawallmacher“ und „Gewalttäter“, jetzt aufgeboten werden.

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 (1) Der Name des Marsches bezieht sich auf das Inkareich, das in 4 Teile geteilt wurde, um es aufgrund seiner großen Ausdehnung regierbar zu machen.

(2) Der von den USA in diesen Sessel gehievte Mann hat auch den Putsch in Bolivien 2019 als rechtmäßig beweihräuchert.

14 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 19.1.: Politische Krise in Peru

  1. In Lima sind 11.800 Pilizisten versammelt, manche der Universitäten sind umstellt, ein Gebäude ist in Flammen aufgegangen – angeblich durch ein von der Polizei abgefeuertes Geschoß unbekannter Art und die Regierung macht klar, daß sie keinen Schritt vor den „Chaos-Verursachern“ zurückweichen wird.

    Die Sache ist bisher offen: Erstens, wie viele Leute noch durch den Kordon um Lima herum durchbrechen werden und ob sich viele Bewohner von Lima selbst anschließen werden, weil dann wären die Polizisten zu wenige.

  2. Vor allem Indigene aus dem armen Süden des Landes werteten die Absetzung als einen Schlag der alten Eliten aus der Hauptstadt Lima auf einen der Ihren.
    Boluarte war zwar Castillos Vize-Präsidentin, wurde später aber aus dessen Partei Perú Libre ausgeschlossen und distanzierte sich von den Linken im Kongress.

    Nachdem sie als erste Präsidentin von Peru vereidigt worden war, ließ sie schnell durchblicken, dass sie bis zum Ende der Wahlperiode 2026 im Amt bleiben wollte. Viele Kongressabgeordnete unterstützten ihr Vorhaben – wohl auch, um selbst länger ihre Parlamentssitze zu behalten. In ihrer Antrittsrede warb die neue Staatschefin vor allem um Rückhalt im Kongress statt um Vertrauen bei der Wählerbasis auf dem Land.

    https://www.derstandard.at/story/2000142786560/knapp-12-000-polizisten-bei-massenprotesten-in-peru-im-einsatz

    Die Frau ist eine Marionette, soviel ist inzwischen klar.

    Es fragt sich nur, von wem?

  3. Die Polizei ist mit gepanzerten Fahrzeugen und Unterstützung durch Hubschrauber in die Universidad Nacional Mayor de San Marcos (UNMSM), die größte Uni Perus, eingedrungen und hat über 150 Personen verhaftet.
    Die Rektorin der Uni hat sich von den Protestierenden distanziert und damit die Aktion der Polizei implizit unterstützt.

    (El País, 21.1.)

  4. In der hiesigen Presse wird der Protest oft so ähnlich wie hier charakterisiert

    (…) Die Geschicke werden in Lima bestimmt. Die Hauptstadt ist eine Metropole, die von den Weißen regiert wird. Das klingt rassistisch, ja rassistisch durch und durch ist das Land. Die weißen Peruaner verachten die Ureinwohner. Die weiße Politik geht zu Lasten der indigenen Menschen. Das Zauberwort heißt „zentralistisch“. Es bedeutet, dass die Mittel vor allem nach Lima fließen, Mittel, damit meine ich die Erlöse aus den Ressourcen. Der ländliche Raum – der wird bis heute vernachlässigt. In Lima leben die Weißen einen sehr westlichen, einen eitlen, einen auf Konsum und oberflächlichen Wohlstand orientierten Stil. Peru selbst wird als Beute betrachtet, wohl weil es über Bodenschätze verfügt. Die sind begehrt, vor allem Lithium. Es gibt viel zu verdienen, Goldgräberstimmung im In- und aus dem Ausland kommend herrscht. Und wieder und weiter soll das peruanische Volk nicht partizipieren. (…) Castillo hat im Arbeiter- und ländlichen Milieu, vor allem in der Andenregion, bis zuletzt viele Unterstützer. (…)

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=92351

    —–

    (…) Welche Teile der Gesellschaft protestieren vor allem?
    Das sind vor allem die ausgeschlossenen, marginalisierten, informell beschäftigten, ländlichen und indigenen Teile der Gesellschaft – also genau diejenigen, die den Präsidenten unterstützt haben. Die Kokabauern, die informellen Minenarbeiter, die kommunalen Sicherheitskräfte, die so genannten Ronderos, und die indigenen Gemeinschaften sind in Orten wie Cajamarca, Ayacucho, Arequipa und Puno in großer Zahl auf der Straße, manchmal zusammen mit Studierenden und anderen Gruppen. Die Entscheidung, an den Protesten teilzunehmen, wird oft kollektiv als Gemeinschaft getroffen.
    Die Demonstrationen sind massiv und teilweise gewalttätig: Flughäfen, Autobahnen und Gewerbegebiete wurden von den Demonstrierenden besetzt. Nach tagelangen Protesten verhängte die Regierung von Dina Boluarte den Ausnahmezustand und schränkte damit das Recht auf Versammlungs- und Bewegungsfreiheit ein. Schließlich lenkte ihre Regierung ein und zog die Wahlen auf den 24. April 2024 vor. Aber das sind nicht die Forderungen der Bevölkerung, für eine sofortige Auflösung des Kongresses, sofortige Parlaments- und Kongresswahlen und eine neue Verfassung demonstriert. Aber das wird völlig ignoriert.   Pedro Castillo trat 2021 mit dem Versprechen einer neuen Verfassung an. Seitdem hat der Kongress alles in seiner Macht Stehende getan, um das zu verhindern. So berief er sich etwa auf verfassungswidrige Mittel, um das Recht auf ein Referendum zu verweigern. Die Bevölkerung fordert dieses Recht jetzt stärker ein denn je.  (…)

    https://jacobin.de/artikel/die-bevoelkerung-perus-fordert-veraenderung-proteste-ausnahmezustand-pedro-castillo-dina-boluarte/

    Wie stellt sich die peruanische Regierung zur nationalen Exportförderung. z.B. zum Kupferabbau, wie welt- und handelspolitisch zu den Amis, wie zu den Chinesen? Fragen über Fragen …..

  5. Pedro Castillo: "Sie stellen mich als Monster dar. Ich bin der Präsident von Peru"

    Pedro Castillo ist seit dem 7. Dezember im Gefängnis und sieht sich weiterhin als den rechtmäßigen Präsidenten von Peru an. El Salto konnte ihm eine Reihe von Fragen übermitteln, die der Politiker aus Chota aus dem Gefängnis heraus, in dem er inhaftiert ist, beantwortet hat. Castillo fordert einen verfassungsgebenden Prozess für sein Land und prangert die von Dina Boluarte ausgeübte Repression an.

    Das Team von El Salto hat ein Exklusivinterview mit Präsident Pedro Castillo (geboren 1969 in Puña) in Barbadillo geführt, dem Hochsicherheitsgefängnis, in dem auch Alberto Fujimori inhaftiert ist, der vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt wurde.

    In den letzten Tagen wurde Präsident Castillo von Eugenio Zaffaroni, Richter am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, und Guido Croxatto, Direktor der argentinischen Anwaltskammer, besucht. Beide werden Teil von Castillos Verteidigungsteam sein. Zaffaroni und Croxatto wurden vom Anwaltsteam des Präsidenten begleitet, der Anwältin Indira Rodríguez Paredes und dem Anwalt Wilfredo Robles.

    Obwohl das Nationale Institut für Strafvollzug darauf bedacht war, das Treffen durch Behinderungen und Unannehmlichkeiten zu verhindern, konnte es schließlich stattfinden: Daraus stammen die Notizen, die die Grundlage dieses Interviews bilden, das zwischen den letzten Januartagen und der ersten Februarwoche mündlich und handschriftlich geführt wurde. Alle Aufnahmegeräte, einschließlich Mobiltelefone, waren ausdrücklich verboten.

    Das argentinische Team, das Castillo bei den internationalen Gremien verteidigen wird, ist der Ansicht, dass die Untersuchungshaft von Castillo gegen die Menschenrechte verstößt und der jüngsten Rechtsprechung des Interamerikanischen Gerichtshofes zuwiderläuft.

    Das Barbadillo-Gefängnis empfing die Delegation bei sengender Sonne. Die Beamten des peruanischen Nationalen Strafvollzugsinstituts ließen die Besucher warten. In Castillos Zelle gibt es weder Fenster noch natürliches Licht, aber er hat Zugang zu einem kleinen Gemüsegarten, in dem er Kartoffeln und Mais anbaut. In der Zelle gibt es einen kleinen Herd zum Kochen und einen Schreibtisch mit einigen Büchern. Zurzeit liest der Präsident Sun Tzu's Die Kunst des Krieges. Drinnen gibt es darüber hinaus nicht viel mehr als ein Bett und einen Fernseher, der zu seiner wichtigsten Verbindung zur Außenwelt geworden ist, abgesehen von seinem Anwaltsteam.
    – – – – – – – –
    El Salto: Fürchten Sie im Moment um Ihr Leben?

    Castillo: Ja, ich fürchte um mein Leben. In Peru gibt es keinerlei rechtliche, politische oder zivile Sicherheit. Ich muss sagen, dass ich nicht erst jetzt um mein Leben fürchte, sondern schon seit der zweiten Runde des Wahlkampfs um das Präsidentenamt. Seit ich im Wahlkampf war, wurde ich politisch verfolgt, die Rechten haben ihre Wut an mir und meiner Familie ausgelassen, insbesondere an meinen jüngsten Kindern und meiner Frau. Sie haben uns diffamiert, sie haben uns "terruquisiert" [Terrorismusvorwürfe gegen linke Aktivisten erheben], sie haben uns nicht erlaubt, uns zu entwickeln, weder persönlich noch im Rahmen meiner Regierung. Die Anfeindungen waren ständig, täglich und belastend. Diese Aktionen schürten Hass und Rassismus.
    Ich habe Todesdrohungen von vielen Unbekannten erhalten. Meine Kinder und meine Frau ebenso. Deshalb habe ich immer versucht dafür zu sorgen, dass meine Kinder in Sicherheit sind, denn sie sind das Wertvollste, was ich habe. Sicherheit für meine kleine Tochter, für meinen kleinen Sohn, für meine große Tochter und für meine Frau.
    Ich wurde mehrfach von rechtsgerichteten Leuten beschimpft, die mir vorwarfen, ein "Terrorist" zu sein. Sie wollten mich verletzen, ich würde sogar sagen, umbringen. In Tacna zum Beispiel wurde ich von mehreren Personen der Ultrarechten mit Bolzen und Metallstücken geschlagen, ich wurde verletzt, aber ich habe das nicht angezeigt. Das ist eine der deutlichsten Erinnerungen, die ich an die zweite Runde der Kampagne habe.
    Ich habe auch öffentliche Drohungen erhalten, zum Beispiel von Rafael López Aliaga [ultarrechter Geschäftsmann und Bürgermeister von Lima], der offen zu meiner Ermordung aufrief. Auf seiner Kundgebung sagte er: "Tod für Castillo".

    El Salto: Konnten Sie mit Ihrer Frau und Ihren Kindern sprechen? Wissen Sie, wie es ihnen geht?

    Castillo: Nein, ich kann nicht mit meiner Familie kommunizieren. Ich weiß wenig darüber, wie es ihnen geht, und ich hoffe, es geht ihnen gut. Ich habe weder Zugang zur Kommunikation, noch das Recht, sie per Videotelefonat anzurufen. Sie sind Flüchtlinge in Mexiko. Ich würde gerne mit ihnen sprechen.
    Ja, ich fürchte um ihr Leben, denn als sie in Peru waren, haben sie rassistische Vorfälle erlitten. Meine Kinder haben sich zum Beispiel nie daran gewöhnt, im Regierungspalast zu wohnen, weil das bedeutete, in ein Lima zu ziehen, zu dem sie nicht gehörten und dem sich nicht zugehörig fühlten.
    Meinem Sohn wurde der Zugang zu Schulen verweigert, weil sie herausgefunden haben, dass er mein Sohn ist. Es waren Schulen, die ich aus Sicherheitsgründen gewählt habe. Man hat mir das nicht erlaubt. Mein Sohn wird am 8. Februar 18 Jahre alt, und es tut mir weh, in diesem Moment nicht bei ihm sein zu können.
    Meine jüngere Tochter wurde nach der Geburtstagsfeier, die ihre Mutter und ich für sie organisiert hatten, gemobbt. Wie allen Mädchen in diesem Alter bereiteten wir ihr ein Fest, damit sie sich glücklich fühlt. Über dieses Fest wurde in den Medien berichtet, und sie wurde später in ihrer Schule und auch beim Verlassen der Schule schikaniert. Wenn sie spazieren ging, wurde sie angeschrien: "Du bist die Tochter des Esels", und sie weinte und fühlte sich schlecht. Sie haben meine jüngsten Kinder attackiert, um mich anzugreifen.
    Was Yenifer betrifft, die ich als meine Tochter betrachte, so ist sie die Älteste und sehr mutig [Yenifer Paredes, Castillos Schwägerin, wird der Geldwäsche und der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung beschuldigt]. Sie stellt sich dieser Situation als die starke Frau, die sie ist. Auch sie wurde zu Unrecht inhaftiert, sie ist ein Opfer all der Misshandlungen, denen meine ganze Familie ausgesetzt ist. Auch gegen sie werden jetzt unbegründete Strafverfahren eingeleitet, sie hat ihre Freiheit verloren, und ich möchte nur, dass sie eine normale junge Frau sein kann, die ein Leben ohne Angriffe führen kann, ich möchte, dass sie glücklich ist.
    Meiner Frau Lilia bin ich dankbar, dass sie in all dieser Zeit Widerstand geleistet hat, denn es war nicht leicht für sie. Oft wollte sie mit meinen Kindern nach Chota [Stadt im Departamento Cajamarca, aus der Castillo stammt] gehen, weil sie die Angriffe in dieser ganzen Region hier nicht ertragen konnte. Man machte sich über ihre Art der Kleidung lustig, über unsere andinen Wurzeln, über die Art, wie wir sprechen, es gab ethnische Diskriminierung. Sie erfuhr ständige Angriffe auf ihre Person.
    Meine Eltern leiden. Meine Mutter weiß nicht, dass ich im Gefängnis bin. Sie haben sie angelogen und ihr gesagt, ich sei in einer anderen Region und würde nach Chota zurückkehren. Das ist die einzige Möglichkeit, ihre Gesundheit nicht zu beeinträchtigen. Mein Vater weiß, dass ich im Gefängnis bin, aber er hat mich noch nicht besuchen können. Ich vermisse meine Eltern sehr und würde sie gerne bald sehen, aber ich weiß, dass sie, wenn sie kommen, von der Presse angegriffen werden.

    El Salto: Was geschah nun am 7. Dezember? War es ein Versuch, die peruanischen Institutionen zu untergraben? Wenn das nicht der Fall war, was war an diesem Tag ihre Absicht als Präsident von Peru?

    Castillo: Das ist kompliziert und komplex zu erklären. Es lässt sich nicht nur politisch erklären. Ich habe nie versucht, die peruanischen Institutionen zu untergraben. Ich wollte näher an das Volk herankommen. Es war ein Tag, um den "Niemanden" einen Widerhall zu geben. Ich habe die Fahne der verfassungsgebenden Volksversammlung hochgehalten und meine Rede in Erinnerung und Treue zu den Menschen gehalten, die mich gewählt und die mir vertraut haben.
    Es war eine Bekräftigung meinerseits. Ich wollte der politischen Klasse zu verstehen geben, dass die Volksmacht der höchste Ausdruck der Gesellschaften ist. Ich wollte den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Machtgruppen nicht gehorchen. Ich wollte das Volk über alles andere stellen.
    Es wurde viel geredet. Ich war nicht auf der Flucht, wie die Presse behauptete, ich brachte meine Familie in die mexikanischen Botschaft, es ging alles sehr schnell. Es war allein meine Entscheidung und von niemand sonst. Ich war nervös, aber ich habe es gemacht. Nach der Botschaft an die Nation war Aníbal Torres [ehemaliger Präsident des peruanischen Ministerrats, damals Berater von Castillo] sehr verwirrt, er sah verstört aus, weil er nicht begriff, warum ich tat, was ich tat. Das gilt auch für alle anwesenden Minister, die eintrafen, als ich bereits dabei war, die Botschaft zu verlesen.
    Nach der Mitteilung dachte ich als Erstes an meine Familie. Ich wollte sie bei der mexikanischen Botschaft abliefern, aber zu keinem Zeitpunkt wollte ich fliehen. Ich wollte zurückkehren. Ich wollte meine Familie in Sicherheit bringen. Wir nahmen den Kombiwagen des Präsidentenpalastes und waren unterwegs, als wir von der Polizei angehalten wurden. Es war eine völlig illegale Situation, denn ich war ja immer noch der Präsident. Meine kleine Tochter begann zu weinen, als sie auf meinem Schoß saß, ich umarmte sie und beruhigte sie, damit sie nicht mehr weinte.
    Die Polizei kam mit Maschinengewehren und stoppte den Wagen. Es waren viele Polizisten und es gibt Beweise dafür, über die in den Medien berichtet wurde. Für meine Kinder war das sehr traumatisch und gewalttätig. In diesem Moment bat ich die Beamten, meine Familie nicht einzuschüchtern, dass ich aussteigen würde und dass es keinen Grund für Gewalt gäbe. Also stieg ich aus dem Auto aus, Aníbal Torres ebenfalls, und verteidigte mich. Ich fühlte mich sehr verwirrt, ich dachte nicht mehr wie ein Präsident, ich dachte nur noch wie ein Familienvater. Aníbal Torres bewies zu jeder Zeit Standhaftigkeit und wusste, wie er mich zu orientieren hatte. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
    Dann erinnere ich mich an Momente, in denen mein Blutzucker anstieg. Ich habe ein Hörproblem, ich benutze ein Hörgerät, ich konnte die Hinweise, die mir gegeben wurden, nicht hören, es gab einen Moment, in dem ich nur noch Stille hörte. Es war sehr verwirrend, ich fühlte mich nicht wohl. Ich habe nur an meine Familie gedacht.
    Es sei darauf hingewiesen, dass der Staatsanwalt bei meiner Verhaftung zu keinem Zeitpunkt anwesend war und dass es kein rechtliches Verfahren für mich als Peruaner mit seinen Rechten und erst recht nicht für mich als Präsident gab, denn ich war immer noch Präsident und bin weiterhin Präsident. Für dieses gewalttätige Verhalten war [Harvey] Colchado1 verantwortlich. Am nächsten Tag brachten sie mich zur Diroes [Nationale Abteilung für Sondereinsätze], und da erst kam der Staatsanwalt.

    El Salto: Was halten Sie von denjenigen, die meinen, dass sie einen "Selbstputsch" begangen haben?

    Castillo: Das ist ein Diskurs, der von der Rechten geschaffen wurde. Sie verkennen die Realität, sie sind so unwissend, dass sie ihre eigenen Geschichten erfinden, die sie selbst wiederholen und ständig wiederholen, ohne die korrekte Arbeit eines investigativen Journalismus zu leisten. Die traditionelle Presse in Peru ist eine Schande. Sie haben versucht, meine Familie zu zerstören, und sie zerstören viele andere Menschen, die sich dieser De-facto-Regierung widersetzen. Die Presseverantwortlichen scheinen mir die wahren Ignoranten zu sein, und die sind es auch, die sagen, es sei ein Selbstputsch gewesen, nicht das Volk.

    El Salto: Sind Sie Opfer eines Komplotts? Wer hat dieses Komplott organisiert?

    Castillo: Ja, ich bin Opfer eines Komplotts. Es wurde hauptsächlich von der peruanischen Rechten organisiert, die den Interessen der internationalen Rechten, den neoliberalen und imperialistischen Gruppen dient. Sie hatten und haben alle ihre wirtschaftlichen und politischen Machtmittel eingesetzt. Dazu gehört auch die peruanische Presse, die ebenfalls diesen Interessen folgt.
    Wir einfachen Leute, die wir in die Politik gegangen sind, um die Dinge zu verändern, sind vom ersten Moment an mit deren Interessen zusammengestoßen. Das ist eine Tatsache. Ich bin der erste Präsident vom Land, Lehrer und Bauer. Sie wollten mich nie in der Regierung haben, und ich wurde vom Volk in einer popularen Wahl gewählt, meine Wahl war demokratisch. Das haben sie mir nie verziehen.

    El Salto: Seit wann hatten Sie das Gefühl, dass die peruanische Rechte Sie loswerden will?

    Castillo: Man wollte mich vom Beginn der zweiten Runde der Wahlen an vernichten. Die ganze Zeit, jeden Tag, war ich Angriffen auf meine Ehre und mein Image als Kandidat ausgesetzt. Deshalb wollte ich der traditionellen Presse auch nie Interviews geben. Ich habe dem wahren Journalismus in den Regionen und der alternativen Presse Interviews gegeben, die echte Fragen mit Inhalt gestellt haben und nicht nur, um sich ihre Zeit mit Beleidigungen und derartigen Gemeinheiten zu vertreiben.
    Die gesamte wirtschaftliche und politische Macht hat das Narrativ eines Wahlbetrugs geschaffen und die Menschen belogen. Sie gaben Studien von Anwälten in Auftrag, die den Interessen der Rechten entgegenkommen, um die Ungültigkeit der Stimmen meiner Geschwister im Süden zu fordern, und das Volk kämpfte für seine Stimmen, indem es Märsche, Mahnwachen und Sitzstreiks vor dem Nationalen Wahlgericht in meinem Land abhielt.
    Wir alle haben es zusammen geschafft, dass die Volksmacht respektiert wird. Aber sie haben mich nie regieren lassen und immer versucht, meine Regierung zu zerstören.
    Sie hatten immer Angst, dass wir die Macht übernehmen würden, denn sie wussten, dass sie ihre Privilegien verlieren könnten. Sie können Geld haben, sie können die Medien haben, aber sie haben nicht das Herz des Volkes und das werden sie auch niemals haben.

    El Salto: Was ist die Rolle der extraktivistischen, neoliberalen und kapitalistischen Oligarchie?

    Castillo: Aus Angst, dass wir ihre Verträge überprüfen könnten, haben sie eine putschistische Rolle übernommen. Ich war dabei, alle Verträge der extraktivistischen, neoliberalen und kapitalistischen Bergbauunternehmen zu überprüfen. Sie alle haben die Rolle von Putschisten gespielt. Dafür gibt es verschiedene Beispiele.
    Das Budget, das alle Regierungen früher dafür verwendet haben, um die Presse zu bezahlen, haben wir in meiner Regierung dafür verwendet, es der Bildung zukommen lassen zu können. Dazu war ich fest entschlossen und wir haben uns daran gehalten. Deshalb hat mich die Presse angegriffen und tut dies auch weiterhin.
    Die Presse hat hohe Schulden bei der Nationalen Aufsichtsbehörde für Zoll und Steuerverwaltung [Superintendencia Nacional de Aduanas y de Administración Tributaria – Sunat]. Die zahlen ihre Zinsen nicht und das können Sie auf folgenden Plattformen überprüfen: Panamericana, América TV, Latina TV, ATV und Willax, dem Sender mit den meisten Verleumdungsdelikten in diesem Land. Das ist ein "Piratensender".
    Was die Gebühren angeht, so ist es mir gelungen, diese beim Zoll, bei der Ölindustrie und im Seeverkehr zu erheben. Bei der Vertragsverlängerung musste ich darauf achten, dass es Mindestparameter gibt. Es gibt viele Verträge, die ich nicht neu verhandeln konnte, weil die Verfassung mir das nicht erlaubt, da es sich um Verträge handelt, die die Vorgängerregierungen per Gesetz abgeschlossen haben, wie zum Beispiel der Vertrag von Francisco Sagasti von der Partido Morado, der den Vertrag mit Peru Rail verlängert hat, während die Bevölkerung von Cusco diesen nicht neu verhandeln wollte. Peru Rail ist im Besitz von Rafael López Aliaga. Meine Regierung und ich wollten den Vertrag an die Bevölkerung von Cusco zurückgeben, indem wir einen Verbund gründeten.
    In Puno wollten meine Regierung und ich das Camisea-Gas und das Lithium der Region retten. Das ganze Problem hat mit Lithium zu tun. Der Imperialismus will Lithium, und meine Regierung wollte das Lithium dem Volk geben.
    Ich wollte auch die Verträge neu aushandeln, damit wir nationalen und nicht transnationalen Unternehmen eine Möglichkeit geben können. Wir wollten auch einen größeren Etat für Düngemittel für alle Viehzucht- und Landwirtschaftsregionen bereitstellen, aber auch das hat man uns nicht tun lassen. Es gibt viele Beispiele.
    Siebzig Prozent des Titicacasees gehören einem Unternehmen, ebenso die Flughäfen, Straßen und Mautstellen. Alles gehört transnationalen Unternehmen. Sie haben all das unter Beschlag genommen und es unterliegt einer Verfassung und Gesetzesdekreten, die diesen Raub unseres Territoriums, unserer Ländereien und unserer öffentlichen Straßen legalisiert haben.
    Meine Regierung hat mehr als 76 Gesetzesprojekte zur Rückgewinnung des Landes vorgelegt und keiner wurde vom Kongress angenommen. Das ging so weit, dass der Vorschlag meiner Regierung, ein Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation einzurichten, nicht angenommen wurde. Wir wollten eine Fluggesellschaft unter nationaler Flagge, die Einrichtung und das Budget für drei Flughäfen und sie legten all dem viele Hindernisse in den Weg. Sie haben mich nie regieren lassen.

    El Salto: Inwieweit hat Ihre Position in Bezug auf Konzessionen für Bergbau- und Ölgesellschaften die Ereignisse beeinflusst? Haben europäische multinationale Unternehmen, konkret spanische, eine Rolle beim Druck auf Ihr Amt gespielt?

    Castillo: Was die multinationalen Unternehmen, vor allem in Europa, betrifft, so fallen mir die Außenminister und Botschafter ein. Das ist ein Raum von heiligen Kühen. Die Botschaften sind eine elitäre Welt, anders als das Volk. Meine Regierung wollte eine Änderung der Bedingungen für den Zugang zur peruanischen Diplomatie in Gang bringen, aber das haben sie nicht zugelassen. In diesem Bereich gibt es eine Menge Elitismus und Macht. Es gibt nur wenige Botschafter, die wirklich ein Gefühl für den Schutz des peruanischen Volkes haben. Ihnen gilt mein tiefer Respekt und meine Bewunderung. Aber auch die Botschaften haben sich mit den transnationalen Unternehmen verbündet, und in Europa sogar noch mehr. Die transnationalen Unternehmen, die die Umwelt am meisten verschmutzen, sind die chinesischen, und sie sind auch diejenigen, die am meisten schulden und ausbeuten.

    El Salto: Wer ist, im Licht der Ereignisse, Dina Boluarte? Wie war Ihre Beziehung zu ihr vor dem 7. Dezember?

    Castillo: Ich habe Dina Boluarte kennen gelernt, weil Perú Libre sie als Vizepräsidentin vorgeschlagen hat. Ich habe sie virtuell getroffen. Sie hat in der ersten Runde keinen Wahlkampf gemacht, ich habe sie erst in der zweiten Runde persönlich getroffen. Alle sagten mir, dass sie keine Leute hatte, die sie unterstützten, aber dass sie sehr bestimmend auftrat und [Vladimir] Cerrón sie ausgewählt hat. Ich wusste nicht, was für ein Mensch sie war, erst im Lauf der Zeit wurde mir die Niederträchtigkeit dieser Frau bewusst.
    Man versicherte mir, dass sie Demokratin ist, aber das war bloßer Schein. Später wurden die wahren Interessen deutlich. Sie war und ist berechnend und ehrgeizig. Sie hatte keine Basis, wie ich schon sagte, niemand kannte sie, niemand in ihrer Region wollte sie, weil, wie ich später herausfand, sie extrem rassistisch und von Klassendünkel geprägt ist. Sie hängte sich an den Kampf dran. Ich habe sie bekannt gemacht, weil ich Zugang zur Basis des Volkes hatte. Sie klammerte sich an ihre Tätigkeit als Ministerin im Ministerium für Entwicklung und soziale Eingliederung und wollte nicht mehr loslassen. Wir hatten deswegen viele Auseinandersetzungen. Sie weinte, um nicht ihres Postens enthoben zu werden, sie sagte, sie habe Familie, und manipulierte uns auf diese Weise. Sie hat es immer geschafft, dass wir sie nicht aus dem Amt entfernen.

    El Salto: In welchem Verhältnis steht Boluarte derzeit zum Fujimorismus und zur peruanischen Oligarchie? Haben sie sich verbündet?

    (…)

    (amerika21, 14.2.)

    Das Interview geht noch ur-lang weiter, ist aber bis zum Schluß lesenswert.

  6. Geldwäsche-Ermittlungen gegen peruanische Präsidentin Boluarte

    Auch gegen Dina Boluartes Vorgänger Pedro Castillo wird ermittelt. Es geht um mögliche Straftaten im Zusammenhang mit der Wahlkampffinanzierung 2021

    Ein Ex-Berater Castillos hatte erklärt, er habe einen Teil von Castillos Wahlkampagne finanziert und auch Reisen für Boluarte, als diese als Castillos Vizepräsidentin kandidierte. Castillo war im Dezember seines Amtes enthoben worden, nachdem er versucht hatte, den Kongress vor einer Abstimmung über ein Amtsenthebungsverfahren aufzulösen. Das hatte zu schweren Unruhen im Land geführt, bei denen mindestens 45 Menschen getötet wurden. Nach Castillos Absetzung und Verhaftung übernahm Boluarte das Präsidentenamt.

    Boluarte bestreitet, illegale Wahlkampfspenden erhalten zu haben. Sie bezeichnet die Vorwürfe als "politisches Manöver", das ihre Regierung schwächen soll. Derzeit wird auch Boluartes Rolle bei den Unruhen nach Castillos Verhaftung geprüft.

    (Standard, 29.3.)

    Da gibt es offenbar Kräfte in und außerhalb Boliviens, die auch Boluarte loswerden wollen.
    Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.
    Vielleicht wollte sie irgendwelche Zettel nicht unterschreiben, die ihr vorgelegt wurden.

    Ich bin neugierig, wer ihre Nachfolge antreten will.
    Ich vermute noch immer die Fujimori-Partie, vielleicht über einen Strohmann, damit es nicht so auffällig wird.

  7. Da die Regierungsoberhäupter von Mexiko, Honduras und Kolumbien Castillo weiterhin als rechtmäßiges Staatsoberhaupt betrachten, Boluarte als Putschistin, hat Peru die diplomatischen Beziehungen zu den 3 Staaten abgebrochen.

  8. Peru wäre rotativ dran beim Vorsitz für die Pazifik-Allianz, aber Mexiko übergibt den Sitz nicht an die „Putschregierung“.

    Diese Allianz ist zwar kein sehr wichtiges Staatenbündnis, aber dergleichen diplomatische Hinweise werden von der tatsächlich nicht sehr legitimen Regierung in Lima nicht gerne gesehen.

    Man erinnere sich, es war der mexikanischen Regierung zu verdanken, daß Evo Morales nach dem bolivianischen Putsch flüchten konnte. Daß die MAS wieder zurückkam an die Regierung, ist daher zum Teil Mexiko zu verdanken.
    Das haben die peruanischen Putschisten natürlich vor Augen …

  9. Die Präsidentin/Usurpatorin Perus, Dina Boluarte, macht für die steigende Kriminalität im Land Immigranten aus Venezuela und Haití verantwortlich.
    Das wiederum dient als Vorwand, in verschiedenen grenznahen Regionen den Ausnahmezustand auszurufen und dadurch einen guten Teil der peruanischen Grenzen dicht zu machen.

  10. Der peruanische Kongress hat die Ankunft von Truppen der US-Streitkräfte genehmigt. Mit 70 Ja-, 33 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen billigte das Plenum des Parlaments die Gesetzesresolution 4766, die ihren Einsatz zwischen dem 1. Juni und dem 31. Dezember dieses Jahres erlaubt. Vertreter des unter sehr fragwürdigen Umständen abgesetzten linken Präsidenten Pedro Castillo kritisierten die Entscheidung als „inakzeptable ausländische Einmischung”. 
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=98395

    Vgl auch:  https://www.jungewelt.de/artikel/451295.lateinamerika-gemeinsame-werte.html

    https://www.jungewelt.de/artikel/451553.lateinamerika-einreiseverbot-für-präsident-mexikos.html

    https://www.spiegel.de/ausland/peru-kongress-erklaert-mexikos-praesidenten-zur-unerwuenschten-person-a-b3fc6658-17f5-40bd-a699-98f2d336a297

    Den Hinterhof der USA begradigen die USA aktuell nicht nur in Peru:
    https://amerika21.de/2023/05/264172/usa-militaer-darien-panama-kolumbien

    —–

    In Chile soll die Lithium-Produktion unter staatlicher Kontrolle verbleiben bzw. ausgebaut werden. “(…) Mit seinem Vorschlag will Boric nicht nur Chiles Zukunft wirtschaftlich absichern, sondern das Land auch technologisch weiterbringen und qualifizierte Arbeitsplätze schaffen.
    Chile geht mit dem jetzt vorgelegten Plan einen anderen Weg als Argentinien und Bolivien. In Argentinien untersteht der Abbau von Mineralien und Erzen den in dieser Hinsicht autonomen Regionen. Bisher schon getätigte große private Investitionen bescheren den entsprechenden Regionen hohe Einnahmen, aber eine gesamtstaatliche Planung und Nutzung wird eher verhindert.
    In Bolivien ist der Staat alleiniger Eigentümer des Lithiums. In diesem Rahmen können ausländische Firmen tätig werden. Erst im Januar hat die staatliche Yacimientos del Litio Bolivianos (YLB) einen Vertrag mit einem chinesischen Konsortium abgeschlossen. Die bolivianische Regierung beabsichtigt, bereits ab 2025 Lithiumbatterien zu exportieren.
    Argentinien, Bolivien und Chile verfügen über rund 65 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen. Mit jeweils unterschiedlichen Konzepten werden die drei Andenländer nicht nur regional, sondern weltweit ihren Platz einnehmen. (…)
    https://amerika21.de/2023/05/264140/chile-plan-fuer-lithiumnutzung

    ——

    Ein Push-Faktor für Migrationswellen in die USA dürfen die diversen Vorkommnisse im Süden Amerikas allerdings nicht sein. Überprüft Biden deswegen die Venezuela- und Kuba-Politik der USA?
    https://amerika21.de/2023/05/263943/usa-venezuela-kuba-gegen-sanktionen

  11. Die USA versuchen offenbar mit allen Mitteln, das Abgleiten Lateinamerikas in die Einflußsphäre feindlicher Mächte zu verhindern.

    In Peru soll anscheinend die Putschregierung mittels US-Militärpräsenz konsolidiert werden, um ein Kippen à la Bolivien zu verhindern. In Bolivien ist ja nicht nur die MAS sehr verankert bei der indigenen Bevölkerung gewesen, sondern auch die Eliten so zerstritten, daß sie ihre Putschmacht nicht halten konnten.

    Was die Einmarschpläne für den Darién betreffen, so knüpfen sie an den alten „Plan Colombia“ der Clinton-Regierung an.
    Ursprünglich hatte der kolumbianische Präsident Pastrana von einem Marshallplan für Kolumbien geträumt. Aus dem wurde, nachdem er ihn den USA unterbreitet hatte, erst ein breites militärisches Unterstützungsprogramm und schließlich eine Art Interventionsplan der US-Armee für Kolumbien – falls die dortigen Regierungen nicht in Sachen Entlaubung von Coca-Plantagen und Bekämpfung der Guerilla mitmachten.
    Unter den Präsidenten Obama und Santos wurde die Höhe der Militärhilfe und die Aktivitäten der USA in Kolumbien schließlich etwas heruntergefahren.

    Jetzt wird offenbar ernst mit der Intervention, da die jetzige Regierung nicht nach der Pfeife Washingtons tanzt. Oder es ist eben wieder ein Druckmittel, um Petro zur Zusammenarbeit mit den USA zu nötigen.

  12. "Dritter Marsch auf Lima" und Proteste in ganz Peru

    Landesweite Demonstrationen gegen die Regierung von Dina Boluarte halten an. Forderungen nach Rücktritt, Neuwahlen und Verfassungskonvent. Mehr als 30.000 Polizist:innen im Einsatz

    Zehntausende haben seit vergangenem Mittwoch und bis in das Wochenende hinein in den größten Städten Perus gegen die Regierung von Dina Boluarte und für eine Auflösung des Kongresses demonstriert. Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Die Regierung setzte ein massives Polizeiaufgebot ein und es kam vereinzelt zu Straßenschlachten.

    Der Zusammenschluss Coordinadora Nacional Unitaria de Lucha (CNUL), der verschiedene soziale Organisationen vereint, rief zudem zu weiteren Protesten vom 24. bis zum 29. Juli auf.

    (…)

    (amerika21, 24.7.)

  13. „Peru: Ehemaliger Präsident Fujimori wieder auf freiem Fuß

    Der peruanische Expräsident Alberto Fujimori (1990-2000) hat am Mittwoch das Barbardillo Gefängnis in Limas Stadtteil Ate verlassen. Der Oberste Gerichtshof des Landes ordnete die Freilassung aufgrund von Fujimoris "angeschlagener Gesundheit" an. Das Gericht führte weiter an, dass der Expräsident bereits zwei Drittel seiner Haftstrafe verbüßt habe, was eine Begnadigung ermögliche. Fujimori wurde vor dem Gefängnis von jubelnden Anhänger:innen erwartet.

    (…)

    (amerika21, 9.12.)

    Eine bewährte Kraft steht also wieder für den Machtkampf zur Verfügung.

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