„DIE UKRAINE PLANT BEREITS IHRE BISHER GRÖSSTE GEGENOFFENSIVE MIT NATO-PANZERFAHRZEUGEN
Die beiden Armeen bereiten große Militäroperationen für das Frühjahr vor, und Analysten sagen, dass die beste Option für Kiew darin besteht, die Russen von Saporoschje in Richtung des Asowschen Meeres und der Krim anzugreifen.
Die Ukraine und Russland befinden sich in einem Wettlauf gegen die Zeit, um ihre Frühjahrsoffensiven vorzubereiten. Es geht um einige Monate, die beide Armeen als entscheidend für die Zukunft des Krieges betrachten. Wer zuerst loslegt, hat den Vorteil, die Pläne des Rivalen über den haufen zu werfen.
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Valerij Saluschnij, entwirft eine Gegenoffensive, die nach eigenen Worten dazu dienen soll, das gesamte seit Beginn der Invasion im vergangenen Februar verlorene Territorium zurückzugewinnen. Die ukrainischen Pläne planen die NATO-Panzer ein, die geliefert werden sollen.
Es besteht ein grundlegender Unterschied zu den erfolgreichen ukrainischen Sommer- und Herbstoffensiven an der Charkow-Front im Osten des Landes und der Cherson-Front im Süden: Seither sind die russischen Verteidigungslinien in einer Weise befestigt worden, wie sie in Europa seit dem II. Weltkrieg nicht mehr in die Wege geleitet wurden.
Mehrere hundert Kilometer lange Linien mit Betonstrukturen, Gruben für Verteidigungsstellungen von Panzern, Barrieren gegen Panzerung, Maschinengewehrnestern und Gräben mit Unterständen, die sorgfältig gebaut wurden, um jeglicher Artillerie zu widerstehen. Wenn die Ukraine mit ihrer Infanterie vorrücken will, braucht sie eine gepanzerte Stoßtruppe, die sie jetzt nicht hat.“
Man merkt daran, daß Rußland erstens seine derzeitigen Positionen halten will, und zweitens nicht damit rechnet, in absehbarer Zeit die gesamte Ukraine einzunehmen.
Also von wegen „Denazifizierung“ und „Spezialoperation“.
Rußland weiß, daß es einen Krieg gegen die NATO führt, daß dieser lange dauern wird, und daß es sich in seinen jetzigen Positionen bestmöglich eingraben muß.
„Die NATO-Verbündeten stehen bereit, um der Ukraine alle im Bereiche des Möglichen stehenden Ressourcen zu garantieren.“
Im Grunde ist das eine Lüge.
Die NATO hätte natürlich mehr Ressourcen, ist aber derzeit nicht bereit, diese zur Verfügung zu stellen. Erstens würde das bedeuten, die eigenen Armeen waffenmäßig zu entkleiden, und es würde auch die eigenen Armeen vor die Gretchenfrage stellen, ob sie sich mit ihren Soldaten an dem Krieg beteiligen wollen.
Polen, GB und die USA sind diesbezüglich schon weiter gegangen, bilden ukrainische Soldaten aus und habe aus ihren eigenen Reihen – über private Söldner-Firmen – Soldaten in die Ukraine geschickt.
„Seit Dezember gibt es Ankündigungen, die Lieferung von leichten gepanzerten Angriffsfahrzeugen und Infanterietransportern zu vervielfachen, insbesondere von den USA – mit Bradleys, Humvees und Strykers –, Deutschland – mit Mardern – und Frankreich – mit AMX-10.
Saluschnij hat berechnet, dass er weitere 700 dieser Fahrzeuge benötigt, und nach Zählungen dieser Zeitung könnten in den kommenden Wochen vorerst 600 Einheiten eintreffen.“
Da merkt man auch wieder einmal, wie verlogen und roßtäuscherisch die ganze Debatte um die Leopard- und Abrams-Panzer ist.
Leichte Panzerfahrzeuge, die für die Kriegsführung weitaus besser geeignet sind, weil sie über alle Brücken drüber kommen und nicht so leicht im Schlamm stecken bleiben, werden ohnehin und ohne Debatten geliefert, während die Medien und die Öffentlichkeit mit der Debatte um die »Panzerlieferungen« in Atem gehalten werden.
„Dergleichen gepanzerte Fahrzeuge spielten eine Schlüsselrolle bei der Offensive, die die Russen im September aus der Provinz Charkow vertrieben hatte. Aber Moskaus Stellungen waren zu diesem Zeitpunkt schwächer, und schnelle Züge von 12 Soldaten, die von diesen leicht gepanzerten Fahrzeugen abgeschirmt und von Artillerie unterstützt wurden, reichten aus, um die taktischen Angriffe zu starten, die die feindlichen Linien durchbrachen. Die Situation ist jetzt komplexer und der ukrainische Vormarsch wird schwere Panzer erfordern.
Saluschnij schätzte im Dezember den Bedarf auf 300 schwere Panzer aus dem Westen, die optimal wären, um das seit Februar verlorene Territorium zurückzugewinnen. Die Ukraine hätte jetzt etwa 600 Panzer, laut Schätzungen für 2022, die auf Daten des britischen Verteidigungs-Thinktanks RUSI (für sein englisches Akronym) und der Oryx-Analysegruppe basieren, verglichen mit 1.200 im März.
Diese Kampfpanzer sind sowjetische Modelle, insbesondere der T-72 und der T-64, von denen die meisten aufgrund der Härte des aktuellen Konflikts und weil sie seit dem 2014 begonnenen Krieg im Donbass im Einsatz sind, in schlechtem Zustand sind.
Die Ukraine hat auch etwa 450 Panzer von den Russen erbeutet. Aber von diesen sind – laut Mitte des Monats von dieser Zeitung an der Lugansker Front konsultierten Militärs – nur ungefähr ein Drittel – weniger als 150 – für den Kampf einsetzbar; der Rest wird als Ersatzteillager für Reparaturen verwendet. Russland hingegen hätte etwa 1.500 Panzer im Einsatz. Einige von denen, wie der T-90, der T-80 BVM und der T-64 BV, sind auf dem Niveau der westlichen Panzer.
Oberst Alkut, Kommandeur der 3. separat-mechanisierten Brigade, einer der Soldaten mit der größten Kampferfahrung in der Ukraine, sagte EL PAÍS am 15. September, dass ein westlicher schwerer Panzer zwei oder drei sowjetischen Panzern entspricht, die von seinen Kompanien eingesetzt werden – insbesondere dem T -72, die alte und gängige Modelle in diesem Krieg sind.
Oleksiy Melnik, Co-Direktor des Verteidigungs-Thinktanks Razumkov in Kiew, glaubt, dass das Verhältnis eher bei drei als bei zwei liegt.“
Das bezieht sich auf die alten sowjetischen Panzer.
Rußland erzeugt aber inzwischen neue Panzer, die von allen Experten als mehr oder weniger gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen gegenüber den westlichen eingestuft werden.
Die russische Waffenproduktion läuft auf Hochtouren. Man wird sehen, was diese modernen Panzerschlachten, die von beiden Seiten sozusagen ersehnt werden, bieten werden.
Beide Seiten sind offensichtlich interessiert daran, diese Geräte auszuprobieren.
„Oleksej Melnik warnt davor, dass Panzer nicht die ultimative Lösung für die Ukraine sind, und ist der Meinung, dass jedes Mal, wenn Kiews Verbündete bei der Spende irgendeiner Art von Waffen nachgeben, dieselben diplomatischen Konflikte und auch dieselben großen Hoffnungen entfesselt werden: »Das geschah mit den Patriots (US-Luftabwehr), wo sie uns zunächst sagten, dass es undenkbar sei, sie zu erhalten, und dennoch haben wir sie bereits. Jetzt ist es genauso bei den Panzern und morgen bei den Flugzeugen«.“
Die Vorstellung, daß die NATO irgendwann auch eine Luftwaffe zur Verfügung stellen wird, ist gewagt, aber nicht absurd.
Es hängt davon ab, welche Erfolge Rußland auf dem Boden erzielen wird.
„Die Ukraine verfügt im Vergleich zu Russland über eine winzige Luftwaffe, aber die Invasoren können diese Überlegenheit nicht ausnutzen, da sich die mobilen Luftverteidigungssysteme der Ukraine als äußerst effektiv erwiesen haben.
Der Vormarsch auf Saporoschje
Nach den Informationen, die Melnik von Militärs und hohen Verwaltungsbeamten erhält, konzentrieren sich gepanzerte NATO-Fahrzeuge auf eine Gegenoffensive in einem bestimmten Frontabschnitt, vermutlich in der Provinz Saporoschje.
Die nordamerikanische Kette CNN veröffentlichte am Dienstag eine Information, in der mehrere Stimmen der NATO forderten, dass die Ukraine bei ihrer numantinischen Verteidigung von Bachmut in der Provinz Donezk nachgibt. Der Kampf um Bakhmut blutet beide Seiten aus“
– oder auch nicht. Nach allem, was man dem Internet entnehmen kann, sind die Verluste der ukrainischen Seite höher. Dazu kommt noch, daß die von Rußland eingesetzten Wagner-Truppen ohnehin nicht als Verluste zählen …
„und die von CNN zitierten Quellen empfahlen Saluschnij, sich auf eine Gegenoffensive in Saporoschje zu konzentrieren, da dies der Weg sei, die Verbindung zwischen der russischen Grenze, den besetzten Gebieten im Asowschen Meer und in Cherson zu unterbrechen. Damit stünde er vor den Toren der Krim.
»Ein großer ukrainischer Vormarsch in Saporoschje würde die Lebensfähigkeit der Landbrücke zwischen dem russischen Gebiet Rostow und der Krim ernsthaft gefährden«, schätzte der Nachrichtendienst des britischen Verteidigungsministeriums ebenfalls am 8. Jänner.“
Nach allem, was man so von der russischen Seite mitkriegt, sehen die das auch so und verstärken genau diesen Frontabschnitt, bzw. versuchen genau dort eine Offensive zu starten, um diese Front zu stabilisieren.
„Melnik schließt nicht aus, dass die Vorbereitungen für einen Angriff in Saporoschje auch als Ablenkungsmanöver dienen könnten, um überraschend an einer anderen Front voranzukommen, wie es im September geschah, als die ukrainischen Streitkräfte sich auf eine Offensive in Cherson konzentrierten– und dann kam es zu der erfolgreichen Offensive in der Provinz Charkow.
Die Südfront zwischen den Provinzen Cherson und Dnipropetrowsk steht still, weil die beiden Armeen durch einen der mächtigsten Flüsse Europas, den Dnjepr, getrennt sind. Eine Landung würde eine riesige Anzahl von Truppen, Artillerie und Amphibienfahrzeugen für die Ukraine erfordern.
Die Alternative für Kiew ist Saporoschje,
– liegt genau an der Südfront, ist also keine „Alternative“ für gar nichts –
eine Provinz, die ebenfalls den Dnjepr überquert und in der sie noch einen Teil des Ostufers kontrolliert. Laut Thibault Fouillet, einem französischen Militärexperten und Analysten bei der Stiftung für strategische Forschung, ist das Gelände in Saporoschje, flach und ohne große städtische Konzentrationen, ideal für den Vormarsch gepanzerter Fahrzeuge.
Fouillet glaubt auch, dass die Ukraine darauf setzen wird, die 100 Panzer, die sie von der NATO in einer großen Gegenoffensive erhalten kann, an einem bestimmten Punkt an der Front zu konzentrieren: »Wir müssen die ukrainische Art der Kriegsführung von Beginn des Konflikts an berücksichtigen. Jede Offensive basierte auf einer massiven Konzentration von konzentriertem Artillerie-Feuer, dem Vormarsch von mechanisierter Infanterie und Panzern.«
Fouillet glaubt, dass sowohl die Front zwischen Charkow und Lugansk als auch die Saporoschje-Front geografisch optimal für diese Offensive sind, obwohl er auch zu dem Schluss kommt, dass die Option Saporoschje für die Zukunft des Krieges entscheidender wäre.“
Man muß sich angesichts des TamTam um die Panzerlieferungen die bescheidenen Quantitäten dieser Panzer vor Augen halten: 100 Stück, zwischen Adams und Leopard, und nach allgemeiner Meinung von Militärexperten etwas zu schwer für das ukrainische Kriegsszenario.
Die gesamten Manöver der ukrainischen Militäroperation müssen sich an dieser matten Ausstattung orientieren.
„100 Panzer im Frühling
Fouillet schätzt, dass die Ukraine im Frühjahr genau 100 Panzer von ihren Verbündeten bekommen kann, insbesondere verschiedene Modelle des Leopard 2, des amerikanischen Abrams und des britischen Challenger 2. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich außerdem bereit gezeigt, den französischen Leclerc zur Vefügung zu stellen.
Rund 300 Panzer sind laut Fouillet noch ein weit entferntes Ziel, seiner Meinung nach aber durchaus genug für neue, vielleicht entscheidende Gegenoffensiven. Melnik hingegen vermutet, dass Saluschnij für die Gegenoffensive 300 Panzer haben wollte.“
Eine seltsame Aussage. Man sieht daran, daß 100 zuwenig, aber 300 genug wären. Das heißt auf gut deutsch, daß die 100 Panzer, die bisher zugesagt wurden, für gar nichts reichen.
„Jacek Tarocinski, Verteidigungsexperte am Centre for Eastern Studies (Warschau), ist skeptisch, ob die NATO jemals 300 Panzer schicken könnte: »Um ehrlich zu sein, sind in Westeuropa nicht viele schwere Panzer verfügbar. Die Ukraine hat in diesem Krieg bereits mehr Panzer verloren und gewonnen als viele europäische Länder, und sie braucht immer noch mehr.«
Die für diesen Artikel konsultierten Experten stimmen darin überein, dass die verschiedenen Panzer, die die Ukraine erhält, in einigen wenigen Regimentern konzentriert werden sollten, um die Lieferketten von Komponenten, Treibstoff und Munition aus Polen zu rationalisieren. Außerdem sollten diese Versorgungsleitungen auch auf denselben geografischen Bereich gerichtet werden.
Für die lang erwartete Frühjahrs-Gegenoffensive – dieses Ziel wurde vom Pentagon selbst gesetzt, aber auch vom Kommandanten der ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienste, Kirilo Budanov, in diesem Januar veröffentlicht –, wird die Ukraine auch über hundert Anti-Minen-Raupenfahrzeuge aus Deutschland und den USA verfügen, abgesehen von 70 neuen modernen selbstfahrenden Artilleriegeschützen amerikanischer, britischer, schwedischer und französischer Artillerie. Diese würden zu den fast 240 Kanonen hinzukommen, die 2022 bereits eingegangen sind, so die Zählung des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (Deutschland).“
Irgendwie wirkt das so, als wären diese vieldiskutierten Panzer ein Furz im Wald, die wirklich wirkungsvollen Waffen sind sowieso schon längst Richtung Ukraine unterwegs.
Oder aber, so kann man ebenfalls folgern, waren die bisherigen Waffen zwar wirkungsvoll darin, den Widerstand der Ukraine zu ermöglichen, haben sich aber sich nicht als kriegsentscheidend erwiesen.
„Daß Saporoschje der neue Brennpunkt des Krieges sein könnte, würde die Tatsache zeigen, dass Russland in diesem Januar eine Reihe kleinerer Offensiven in der Provinz startete, die es ermöglichten, einige Kilometer vorzurücken. Wenn die Ukraine in diesem Frontabschnitt Fortschritte machen würde, wären die russischen Versorgungslinien an der Asowschen und der Schwarzmeerküste noch näher an der Raketenreichweite von HIMARS, der stärksten Artillerie in diesem Krieg, mit einem Aktionsradius von 80 Kilometern.
Die ukrainische Diplomatie fordert Washington auf, Langstreckenraketen zu liefern, aber das Weiße Haus hat dies bisher vermieden, wegen der Befürchtung, dass sie verwendet werden könnten, um russischen Boden und die Krim zu treffen, eine rote Linie für Moskau
Der Ukraine, die das Winterfenster zum Angriff bereits verpasst hat, läuft die Zeit davon. Die kältesten Monate mit gefrorenem Boden wären die besten für Panzer-Offensiven. Im Frühjahr hingegen ist das Gelände sumpfig und die Raupenketten kommen langsamer von.
Ein weiteres Problem ist, wie lange es dauern kann, bis NATO-Panzer in der Ukraine einsatzbereit sind. Die Vereinigten Staaten haben angekündigt, 31 ihrer Abrams-Panzer zu transferieren, obwohl sie bis letzte Woche offiziell argumentierten, daß es sich um eine ungeeignete Waffe handele, weil sie technisch komplexer sei im Vergleich zu den deutschen Leopard, viel Kraftstoff verbrauche und das Fahren schwieriger zu erlernen sei. Die New York Times berichtete am Mittwoch, dass die Abrams Monate brauchen könnten, um kampfbereit zu sein.
Sollte Russland seine Gegenoffensive früher starten – die ukrainischen Geheimdienste rechnen in Donezk damit – und Saluschnij zwingen, seine Pläne zu ändern, seien diese Panzer auch optimal für Verteidigungsaufgaben, betont Tarocinski.
Fest steht, dass General Robert B. Abrams – dessen Vater diesen amerikanischen Panzerfahrzeugen ihren Namen gab – gegenüber der New York Times »sicher ist, dass diese Panzer die meisten sowjetischen Modelle zerstören werden«: »Sie werden ein Loch in alles reißen, was sie wollen«.“