„WER IST SCHULD UND KANN SIE VERMIEDEN WERDEN?
Diese Themen wurden auf der der Ernährungssicherheit gewidmeten Sitzung des St. Petersburger Wirtschaftsforums diskutiert
Nach UN-Schätzungen konnte sich im vergangenen Jahr einer von zehn Menschen auf der Erde nicht vollständig ernähren. Das heißt, entweder hungert er richtig, oder er wird nicht satt.
In diesem Jahr hat sich die Situation weiter verschlechtert: Zu den durch das Coronavirus verursachten Schwierigkeiten kamen die Wirtschaftssanktionen. Der Lebensmittelpreisindex erreichte ein Rekordhoch. Was dagegen zu tun ist und welchen Platz Russland bei all diesen Problemen hat, diskutierten Beamte und Experten auf der Sitzung des St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums „Ernährungssicherheit: Globale Herausforderungen und Chancen“.
Wie es überhaupt zu der Ernährungskrise kam
Die Probleme begannen nicht im Jahr 2022, die Welt erlitt bereits 2020 eine Art Schock auf dem Lebensmittelmarkt.
Unternehmen sperrten zu, die Saisonarbeiter mußten zu Hause bleiben. Die gewohnten Lieferketten wurden unterbrochen. All dies führte dazu, dass das Angebot an Lebensmitteln auf dem Weltmarkt reduziert wurde. Außerdem begannen Länder, sich mit Nahrungsmitteln einzudecken und Vorräte anzuhäufen. Beispielsweise hat China seine Käufe von Mais während der Pandemie um das Sechsfache erhöht. Dies führte zu einer Destabilisierung auf dem Weltmarkt für Lebensmittel, – sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Viktoria Abramtschenko, die auf der Sitzung sprach. Zu den Faktoren der Pandemie gesellten sich Faktoren wegen der Verhängung von Sanktionen.
Obwohl Lebensmittel formell von Sanktionen ausgenommen sind, besteht tatsächlich eine fast vollständige See- und Luftblockade Russlands, dessen Rolle auf dem Weltmarkt für Lebensmittel inzwischen sehr bedeutend ist. Das heißt, man kann zwar schon etwas verkaufen, aber man muß es erst einmal schaffen, Lebensmittel dorthin zu liefern, wo sie gebraucht werden. Außerdem gab es Probleme mit zwischenstaatlichen Zahlungen. Aber das sind bei weitem noch nicht alle Unannehmlichkeiten.
Die Kosten für Gas sind exponentiell gestiegen. Das bedeutet, dass es in manchen Ländern einfach nicht möglich ist, Düngemittel herzustellen. Russische oder belarussische Düngemittel wären immer noch in einigen wichtigen Getreideanbaugebiete notwendig“, sagte Abramtschenko.
Andrej Gurjev, Präsident des Russischen Verbandes der Düngemittelhersteller (RAPU), sagte, dass heute 40% der bisher weltweit gehandelten Düngemittel ausfallen. Nicht nur Russland und Weißrussland als Produzenten, sondern auch ein weiterer wichtiger Lieferant – China. In Europa ist die Pandemie fast vergessen, während die Chinesen weiterhin Lockdowns haben.
Wenn wir heute nicht im Sommer mit dem vollständigen Verkauf von Mineraldünger für die nächste Saison beginnen, wird die Saison 2022-2023 nicht nur Kälte bringen, sondern auch Hunger. Weil es keine Ernte geben wird, – sagt Andrej Gurjev. Jetzt sprechen wir über den Feldzug in der Ukraine und über die Krise, die gerade passiert. Aber das ist eine Momentaufnahme. Wenn nicht überall auf der Welt die notwendige Menge an Mineraldünger auf die Erde ausgebracht wird, bekommen wir eine globale Welternährungskrise, die alles Bisherige in den Schatten stellen wird.
Die Ernährungslage in Rußland selbst
Gemäß den Schlüsselindikatoren der Doktrin der Ernährungssicherheit – Getreide, Fleisch-, Öl- und Fettprodukte, Fischprodukte – decken wir mehr als den Bedarf des Landes, den Bedarf des Binnenmarktes. Alle diese Lebensmittel haben für uns zusätzlich Bedeutung für den Export. Wir können solche Lebensmittel auf die Weltmärkte liefern, – sagt Viktoria Abramtschenko.
Ihr zufolge stiegen die Exporte von Agrarprodukten aus Russland trotz aller Risiken und Schwierigkeiten in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 16 %. In manchen Ländern auf das Mehrfache. Zum Beispiel nach Indien 3,6-mal soviel.
Wir werden die Lebensmittelexporte steigern, sagte die Ministerin. Wir werden die Probleme mit der Logistik und den internationalen Zahlungen lösen.
Russland hat potenziell die Voraussetzungen für das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion und den Export dieser Produkte. Wir haben den ersten Platz in der Welt in Bezug auf die Fläche der Landressourcen – 17 Millionen km². Laut Viktoria Abramtschenko werden in naher Zukunft 13 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen zusätzlich am landwirtschaftlichen Umsatz beteiligt sein. Die Behörden werden den Bauern mit Maßnahmen helfen, damit diese Ländereien bewässert werden. Glücklicherweise haben wir den zweiten Platz in der Welt (nach Brasilien) in Bezug auf Süßwasserreserven, wir können uns bewässertes Ackerland leisten.
Wie könnte man die Probleme lösen?
Die Welt braucht einen Schiedsrichter für Welternährung, sagt Viktoria Abramtschenko. 1954 wurde die FAO, die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation, bei der UNO gegründet. Diese Organisation wurde gegründet, um den Hunger auf dem Planeten zu bekämpfen. Und ich fordere Kollegen bei der UNO und Kollegen bei der FAO auf, ein solches internationales Rotes Kreuz für Lebensmittel zu schaffen, das die Probleme lösen würde, die Folgen illegaler Sanktionen, die die Logistik lahmlegten, die Folgen der Beschränkungen, die für Finanztransaktionen zwischen Ländern auferlegt wurden. Und die letztendlich allen Ländern einen gleichberechtigten Zugang zum Lebensmittelmarkt sichern würde.“
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Heilige Einfalt! – ist das erste, was einem zu dieser Idee eines Welt-Schiedsrichters einfällt. Erstens wollen sich ja die USA selbst zum Schiedsrichter oder überhaupt Weltenrichter aufschwingen, oder streben dies zumindest an. Sie würden sich deshalb keinem anderen unterstellen.
Aber zweitens begann die Problematik des Hungers ja nicht erst 2020. In einem fort werden wir mit Hungerkatastrophen über die Medien konfrontiert und zu Spenden aufgefordert. Der Hauptgrund dafür heißt M a r k t w i r t s c h a f t. Vielen Staaten ist ihre Volksnahrung abhanden gekommen, weil die Böden für Exportprodukte genützt werden. Lebensmittel sind Ware, um an sie dran zu kommen, muß man Geld hinlegen.
Dazu kommen Naturkatastrophen und Kriege sowie Flüchtlinge aller Art. All dies hat die UNO und gerade die FAO zu einem der größten Lebensmittelkunden der Welt gemacht. Diese UNO-Organisationen – auch die UNHCR gehört dazu – betteln ständig die UNO-Mitgliedsländer, doch ihre Quoten einzuzahlen, was die meisten säumig tun, vor allem die USA.
Die Vorstellung, diese völlig von den USA und anderen westlichen Staaten abhängige Organisation könnte sich sozusagen vom Diener zum Herrn erheben und den Großmächten sagen, wie sie ihre Handels- und Außenpolitik handhaben sollten, ist doch etwas abgehoben.
Es ist allerdings auch die Form, wie Rußland für sich A n s p r u c h a u f W e l t m a c h t anmeldet.