Der wirtschaftliche Abstieg des Westens

DIE ERGEBNISSE DER KRIEGSWIRTSCHAFT

Es ist angebracht, zu diesem Thema eine neue Beitragsseite einzurichten, weil sich die Ereignisse hier sozusagen überschlagen und die alte Seite zu den Sanktionen erstens voll und zweitens schon überholt ist.

In Folge der Erklärung des Wirtschaftskrieges ist nämlich eine verschärfte Konkurrenz der alten kapitalistischen Mächte ausgebrochen, die sich in Handels- und Währungsturbulenzen äußert, wobei noch viel Luft nach oben ist.

Die russische Ökonomie orientiert sich Richtung Osten um, die BRICS erstehen wieder auf und werden sich möglicherweise noch erweitern, und der europäische Wirtschaftsraum verliert rapid an Bedeutung.

Pressespiegel El País, 7.7.: Polen, der neue Star der EU

DER KRIEG WERTET POLEN INTERNATIONAL AUF

Die USA werden in dem Land eine Basis einrichten und Brüssel genehmigt den Wiederaufbaufonds

Polen hatte sich wegen seiner autoritären und nationalistischen Tendenzen unter der seit 2015 an der Macht befindlichen ultrakonservativen Regierung der Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) in ein extrem unangenehmes Mitglied der EU verwandelt. Die russische Invasion der Ukraine hat die geopolitische Landkarte Europas umgemodelt und in dieser neu aufgemischten Landschaft nimmt Polen eine Schlüsselposition an der Ostflanke ein. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat sich Polen extrem großzügig gezeigt und sich vom Anfang der Kampfhandlungen an in die erste Reihe gestellt, um Moskau die Stirn zu bieten.

Damit ist das Land so vertrauenswürdig geworden, daß die Regierung kürzlich zwei Erfolge feiern konnte: Die Einrichtung einer dauerhaften US-Militärbasis und grünes Licht zur Auszahlung der Wiederaufbau-Gelder, die die Europäische Kommission wegen der angeblichen Beschädigung des Rechtsstaats bisher blockiert hatte. Die Kritiker der PiS-Regierung fordern, daß diese neue internationale Positionierung Polens die Aufmerksamkeit nicht vom Abbau der Demokratie in Polen ablenken dürfe.

Polen ist besonders besorgt über den Konflikt, der derzeit Europa erschüttert, aus historischen und vor allem geographischen Gründen: Es ist das einzige Mitglied der EU und NATO, das sowohl mit Rußland als auch mit der Ukraine gemeinsame Grenzen hat – und außerdem Moskau gut kennt.

Laut Aleks Szczerbiak, Professor für Politologie an der Universität von Sussex (GB) »warnt Warschau ja schon seit geraumer Zeit vor der Agressivität des Kreml«. Die Zeit hat Polen recht gegeben.
Mit diesem »Ich habs ja gesagt!« hat das Land an Glaubwürdigkeit in dem Ausmaß gewonnen, in dem andere daran verloren haben. Slawomir Debski, Leiter des »Polish Institute of International Affairs«, einer Denkfabrik, die die Regierung berät, meint: »In Washington, London, sogar in Berlin und Paris wurde eingesehen, daß Polen recht hatte und Deutschland sich geirrt hat«. Seiner Ansicht nach ist seit dem russischen Einmarsch Warschau die »moralische Führungsmacht der Freien Welt und der Haupt-Verbündete der Ukraine«.

In dem Land haben sich in den letzten Monaten die wichtigsten europäischen Spitzenpolitiker die Klinke in die Hand gegeben, voller Dankbarkeit für die großzügige Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge und für die Organisation von Lebensmittel- und Waffenlieferungen nach Kiew. Aus den USA kamen zuerst die Vizepräsidentin Kamala Harris und dann, am 26. März, Joe Biden.

Der polnische Präsident Andrzej Duda hatte eine Zeitlang ziemliche Mühe, die Beziehungen zu den USA wieder herzustellen, die laut Szczerbiak »schrecklich waren, praktisch existierte kein Kontakt«. Biden kündigte vergangene Woche auf dem NATO-Gipfel in Madrid an, in Polen einen ständigen Generalstab für das 5. Armeekorps einzurichten und ein Unterstützungsbatallion zu stationieren.
»Das ist ein sehr bedeutender Fortschritt«, meint Szczerbiak, den er als »außenpolitischen Erfolg« bezeichnet. »Polen ist in der gleichen Situation wie Deutschland im Kalten Krieg«. Die Ankündigung zeigt laut Szczerbiak, daß die USA die Sicherheit für wichtiger einstufen »als andere problematische Themen, wie Rechtsstaat, Abtreibung, LGBT-Rechte …«

Mit einem Wort, der ganze Demokratie-Schmarrn ist unwichtig, wenn es um einen wichtigen Allierten geht – ähnlich wie in Saudi-Arabien.

Diese neue Aufwertung Polens trifft zeitlich zusammen mit der Entscheidung vom 1. Juli, grünes Licht für die Freigabe des Pandemie-Wiederaufbaufonds an Polen zu geben: 35,4 Milliarden an Krediten und Subventionen, die angesichts der Teuerung und der allgemeinen wirtschaftlichen Bewölkung sehr gelegen kommen, angesichts von Parlamentswahlen im nächsten Jahr. Die Regierung von Mateusz Morawiecki hat sich verpflichtet, einige Aufgaben zu erledigen, im Zusammenhang mit Reformen des Justizsystems, die unter anderem die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter garantieren, um diese Gelder zu erhalten. Allerdings ist niemand mit dieser Vereinbarung zufrieden.

… außer offenbar der polnischen Regierung, weil sie das Geld erhält und die Verpflichtung wurscht ist.

Ein Teil der Opposition und der Zivilgesellschaft sind unzufrieden, weil sie meinen, die Reformen seien oberflächlich. Auch in Regierungskreisen, wo der noch rechts der PiS stehende Koalitionspartner, die Partei Solidarisches Polen, die den Justizminister Zbigniew Ziobro stellt, einige der Kompromisse mit Brüssel in Frage stellt.
In der EU sehen einige Parlamentsmitglieder die rechtlichen Abänderungen als ungenügend an und fordern, die Gelder erst freizugeben, wenn Polen wirklich den rechtlichen EU-Standards entspricht.

Diese Meinung der Parlamentarier interessiert offenbar niemand, was der Verfasserin dieses Artikels etwas unangenehm ist. Das Füllhorn ist nämlich anscheinend ohne irgendwelche Sperrklauseln über Polen ausgeleert worden.

Das allgemeine Wohnwollen hat zu einem guten Teil auch mit den fast 4 Millionen Flüchtlingen zu tun, die in Polen aufgenommen wurden, unter ganz anderen Umständen als die von der Regierung angeschlagenen fremdenfeindlichen Töne angesichts der Flüchtlingswelle von 2015. Als im Februar Hunderttausende begannen, die Grenze zu überqueren, waren keine Notquartiere erforderlich, weil die Bevölkerung sie in ihre Häuser aufnahm. Das hat auch das internationale Image von Polen verbessert.

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Das internationale „Image“ hängt natürlich nicht an den Flüchtlingen, die in Privathäusern aufgenommen wurden. Die Flüchtlinge kommen nur so ins Spiel, daß die Rest-EEU froh ist, wenn die Flüchtlinge in Polen bleiben und nicht in die restlichen EU-Staaten weiterreisen.

Es ist der Autorin sichtlich unangenehm, die Waffenlieferungen und die Kriegsgeilheit in Polen als Grund seiner sich ständig steigernden Bedeutung anzuerkennen.

Da kündigt sich eine neue europäische Großmacht an, die die alten Mächte gerne mit Rückendeckung aus den USA vom Podest stoßen möchte.  

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda 27.6.: Welternährungskrise 2022

„WER IST SCHULD UND KANN SIE VERMIEDEN WERDEN?

Diese Themen wurden auf der der Ernährungssicherheit gewidmeten Sitzung des St. Petersburger Wirtschaftsforums diskutiert

Nach UN-Schätzungen konnte sich im vergangenen Jahr einer von zehn Menschen auf der Erde nicht vollständig ernähren. Das heißt, entweder hungert er richtig, oder er wird nicht satt.

In diesem Jahr hat sich die Situation weiter verschlechtert: Zu den durch das Coronavirus verursachten Schwierigkeiten kamen die Wirtschaftssanktionen. Der Lebensmittelpreisindex erreichte ein Rekordhoch. Was dagegen zu tun ist und welchen Platz Russland bei all diesen Problemen hat, diskutierten Beamte und Experten auf der Sitzung des St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums „Ernährungssicherheit: Globale Herausforderungen und Chancen“.

Wie es überhaupt zu der Ernährungskrise kam

Die Probleme begannen nicht im Jahr 2022, die Welt erlitt bereits 2020 eine Art Schock auf dem Lebensmittelmarkt.

Unternehmen sperrten zu, die Saisonarbeiter mußten zu Hause bleiben. Die gewohnten Lieferketten wurden unterbrochen. All dies führte dazu, dass das Angebot an Lebensmitteln auf dem Weltmarkt reduziert wurde. Außerdem begannen Länder, sich mit Nahrungsmitteln einzudecken und Vorräte anzuhäufen. Beispielsweise hat China seine Käufe von Mais während der Pandemie um das Sechsfache erhöht. Dies führte zu einer Destabilisierung auf dem Weltmarkt für Lebensmittel, – sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Viktoria Abramtschenko, die auf der Sitzung sprach. Zu den Faktoren der Pandemie gesellten sich Faktoren wegen der Verhängung von Sanktionen.

Obwohl Lebensmittel formell von Sanktionen ausgenommen sind, besteht tatsächlich eine fast vollständige See- und Luftblockade Russlands, dessen Rolle auf dem Weltmarkt für Lebensmittel inzwischen sehr bedeutend ist. Das heißt, man kann zwar schon etwas verkaufen, aber man muß es erst einmal schaffen, Lebensmittel dorthin zu liefern, wo sie gebraucht werden. Außerdem gab es Probleme mit zwischenstaatlichen Zahlungen. Aber das sind bei weitem noch nicht alle Unannehmlichkeiten.

Die Kosten für Gas sind exponentiell gestiegen. Das bedeutet, dass es in manchen Ländern einfach nicht möglich ist, Düngemittel herzustellen. Russische oder belarussische Düngemittel wären immer noch in einigen wichtigen Getreideanbaugebiete notwendig“, sagte Abramtschenko.

Andrej Gurjev, Präsident des Russischen Verbandes der Düngemittelhersteller (RAPU), sagte, dass heute 40% der bisher weltweit gehandelten Düngemittel ausfallen. Nicht nur Russland und Weißrussland als Produzenten, sondern auch ein weiterer wichtiger Lieferant – China. In Europa ist die Pandemie fast vergessen, während die Chinesen weiterhin Lockdowns haben.

Wenn wir heute nicht im Sommer mit dem vollständigen Verkauf von Mineraldünger für die nächste Saison beginnen, wird die Saison 2022-2023 nicht nur Kälte bringen, sondern auch Hunger. Weil es keine Ernte geben wird, – sagt Andrej Gurjev. Jetzt sprechen wir über den Feldzug in der Ukraine und über die Krise, die gerade passiert. Aber das ist eine Momentaufnahme. Wenn nicht überall auf der Welt die notwendige Menge an Mineraldünger auf die Erde ausgebracht wird, bekommen wir eine globale Welternährungskrise, die alles Bisherige in den Schatten stellen wird.

Die Ernährungslage in Rußland selbst

Gemäß den Schlüsselindikatoren der Doktrin der Ernährungssicherheit – Getreide, Fleisch-, Öl- und Fettprodukte, Fischprodukte – decken wir mehr als den Bedarf des Landes, den Bedarf des Binnenmarktes. Alle diese Lebensmittel haben für uns zusätzlich Bedeutung für den Export. Wir können solche Lebensmittel auf die Weltmärkte liefern, – sagt Viktoria Abramtschenko.

Ihr zufolge stiegen die Exporte von Agrarprodukten aus Russland trotz aller Risiken und Schwierigkeiten in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 16 %. In manchen Ländern auf das Mehrfache. Zum Beispiel nach Indien 3,6-mal soviel.

Wir werden die Lebensmittelexporte steigern, sagte die Ministerin. Wir werden die Probleme mit der Logistik und den internationalen Zahlungen lösen.

Russland hat potenziell die Voraussetzungen für das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion und den Export dieser Produkte. Wir haben den ersten Platz in der Welt in Bezug auf die Fläche der Landressourcen – 17 Millionen km². Laut Viktoria Abramtschenko werden in naher Zukunft 13 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen zusätzlich am landwirtschaftlichen Umsatz beteiligt sein. Die Behörden werden den Bauern mit Maßnahmen helfen, damit diese Ländereien bewässert werden. Glücklicherweise haben wir den zweiten Platz in der Welt (nach Brasilien) in Bezug auf Süßwasserreserven, wir können uns bewässertes Ackerland leisten.

Wie könnte man die Probleme lösen?

Die Welt braucht einen Schiedsrichter für Welternährung, sagt Viktoria Abramtschenko. 1954 wurde die FAO, die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation, bei der UNO gegründet. Diese Organisation wurde gegründet, um den Hunger auf dem Planeten zu bekämpfen. Und ich fordere Kollegen bei der UNO und Kollegen bei der FAO auf, ein solches internationales Rotes Kreuz für Lebensmittel zu schaffen, das die Probleme lösen würde, die Folgen illegaler Sanktionen, die die Logistik lahmlegten, die Folgen der Beschränkungen, die für Finanztransaktionen zwischen Ländern auferlegt wurden. Und die letztendlich allen Ländern einen gleichberechtigten Zugang zum Lebensmittelmarkt sichern würde.“
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Heilige Einfalt! – ist das erste, was einem zu dieser Idee eines Welt-Schiedsrichters einfällt. Erstens wollen sich ja die USA selbst zum Schiedsrichter oder überhaupt Weltenrichter aufschwingen, oder streben dies zumindest an. Sie würden sich deshalb keinem anderen unterstellen.

Aber zweitens begann die Problematik des Hungers ja nicht erst 2020. In einem fort werden wir mit Hungerkatastrophen über die Medien konfrontiert und zu Spenden aufgefordert. Der Hauptgrund dafür heißt M a r k t w i r t s c h a f t. Vielen Staaten ist ihre Volksnahrung abhanden gekommen, weil die Böden für Exportprodukte genützt werden. Lebensmittel sind Ware, um an sie dran zu kommen, muß man Geld hinlegen.

Dazu kommen Naturkatastrophen und Kriege sowie Flüchtlinge aller Art. All dies hat die UNO und gerade die FAO zu einem der größten Lebensmittelkunden der Welt gemacht. Diese UNO-Organisationen – auch die UNHCR gehört dazu – betteln ständig die UNO-Mitgliedsländer, doch ihre Quoten einzuzahlen, was die meisten säumig tun, vor allem die USA.

Die Vorstellung, diese völlig von den USA und anderen westlichen Staaten abhängige Organisation könnte sich sozusagen vom Diener zum Herrn erheben und den Großmächten sagen, wie sie ihre Handels- und Außenpolitik handhaben sollten, ist doch etwas abgehoben.

Es ist allerdings auch die Form, wie Rußland für sich A n s p r u c h a u f W e l t m a c h t anmeldet.