Pressespiegel El País, 9.10.: Krieg in Israel

„WARUM DAS MÄCHTIGE ISRAEL DEN ANGRIFF DER HAMAS NICHT KOMMEN SAH

Analysten erklären den Erfolg der Überraschungsoperation der Gaza-Milizen mit dem Vertrauen der Israelis und dem Mangel an Geheimdienstinformationen, sowie den Vorbereitungen für den jüdischen Feiertag.“

Ganz befriedigend ist diese Erklärungs-Ansammlung nicht, weil gerade der Mangel an geheimdienstlicher Kontrolle ist ja das, was viele wundert. Und Vertrauen in was? In den Geheimdienst?
Die Führung vertraut auf den Geheimdienst und der Geheimdienst vertraut auf was?
Man könnte noch als Erklärungsangebot hinzufügen, daß die israelischen Eliten im vergangenen Jahr sehr mit sich selbst beschäftigt waren, Stichwort Reform des Justizwesens und die Proteste dagegen.

„Als 1973 die arabischen Länder während eines jüdischen Feiertags (Jom Kippur) Israel überraschend angriffen, genau wie die Gaza-Milizen an diesem Samstag das Ende des Sukkot-Festes ausnutzten, brach die sogenannte »Conseptsia« innerhalb einiger weniger Tagen zusammen – die von den Geheimdiensten geteilte Überzeugung, dass die Nachbarn keinen Krieg gegen Israel beginnen würden, weil sie wussten, dass er von vornherein verloren wäre.

Sechs Jahre zuvor war der jüdische Staat in eine euphorische Haltung geraten, nachdem er diese Nachbarn in nur sechs Tagen besiegt und Gaza und den Sinai von Ägypten erobert hatte; Ostjerusalem und das Westjordanland von Jordanien; und die Golanhöhen von Syrien. Und das, obwohl die ägyptischen Streitkräfte mit Rekordgeschwindigkeit die berühmte Bar-Lev-Linie überwunden hatten, eine Reihe von Befestigungsanlagen östlich des Suezkanals, die bis dahin als uneinnehmbar gegolten hatten.

Israel war damals einer Niederlage relativ nahe, bis die USA 93 Kampfflugzeuge und 26.000 Tonnen Ausrüstung schickten, zwei Tage nachdem die damalige Premierministerin Golda Meir das Panorama auf dem Schlachtfeld als „absolut schrecklich“ bezeichnet hatte.

An diesem Samstag, gerade 50 Jahre und einen Tag danach, brach im jüdischen Staat ein weiteres Konzept zusammen: daß die Barriere an der Grenze zu Gaza – in die der israelische Staat Milliarden von Euro investiert hat und die über hochentwickelte Überwachungssysteme verfügt – ebenfalls praktisch unüberwindbar sei. Diese Kontrolle über die Kommunikation und das Netzwerk von Informanten vor Ort würde es ihr ermöglichen, einen Angriff dieser Größenordnung vorherzusehen. Überhaupt sei die israelische Armee, egal an welchem Tag im Jahr, eine der mächtigsten der Welt.
Vor allem aber war es die durchgesetzte Sichtweise, daß die Hamas – die islamistische Bewegung, die den jüdischen Staat nicht anerkennt und seit 2007 den Gazastreifen regiert – mehr daran interessiert sei, die Stabilität im verarmten Gazastreifen aufrechtzuerhalten und die 18.000 Arbeitserlaubnisse in Israel für Palästinenser zu erhalten, als sich an einer neuen Eskalation der Gewalt zu beteiligen – aufgrund der abschreckenden Wirkung der vorhersehbaren Reaktion.“

Aha.
Man dachte beim israelischen Militär und Geheimdienst, daß die Kombination aus Zuckerbrot – der Erlaubnis, sich für israelische Unternehmen nützlich zu machen – und Peitsche – wenn nicht, so werdet ihr plattgemacht! – hinreichend sei, um einen Diktatfrieden aufrechtzuerhalten – während im Westjordanland praktisch täglich neue Territorien erobert werden, die Grenzen Israels erweitert werden und man versucht, die Araber mit einer Mischung aus Siedlungsbau, Provokationen und Repression aus Ostjerusalem zu verdrängen.
Die israelischen Entscheidungsträger meinten also, über die Jahre erfolgreich einen Keil zwischen die von der PLO, also einer säkulären Partei, regierten Araber des Westjordanlandes und die mehrheitlich der islamistischen Hamas ergebenen Bevölkerung des Gazastreifens getrieben zu haben.

„»Der Hamas ist es gelungen, Israel mit einer Ablenkungsstrategie über Monate hinweg zu täuschen, während sie die Operation vorbereitete«, sagt Uzi Rabi, Direktor des Mosche Dajan Zentrums für Nahost- und Afrikastudien an der Universität Tel Aviv, der die Ereignisse als strategisch-militärisches »Fiasko« definiert. »Es ist sowohl ein Triumph für die Hamas als auch ein Misserfolg für Israel. Es kam zu vorher nie dagewesenen Zahlen [von Toten und Entführten]. Der 7. Oktober 2023 wird ein historisch ebenso bedeutsames Datum wie der 6. Oktober 1973 sein«, fügt er hinzu.

Die Zahl der Toten auf israelischer Seite beläuft sich nach offiziellen Angaben auf mindestens 700, und die Anzahl der Entführten wird auf Dutzende geschätzt.
Dies ist das erste Mal seit demjenigen Krieg, der auf seine Gründung im Jahr 1948 folgte, dass der Feind in israelisches Territorium eindringt. Dort befänden sich immer noch palästinensische Milizionäre, stellte der Sprecher des israelischen Militärs Daniel Hagari an diesem Sonntagnachmittag fest.

Wie konnte Israel mit seinen personellen und technologischen militärischen Ressourcen und Informanten in einem seit mehr als einem Jahrzehnt blockierten Gazastreifen eine seit Monaten vorbereitete Aktion nicht vorhersehen? »Es war ein großes Versagen der Nachrichten- und Vorbereitungsdienste, aber auch ein konzeptionelles Problem: Man ging davon aus, dass die Hamas keine Eskalation wollte«, sagt Rabi.“

Worauf gründete sich diese Einstellung? Daß die Unterlegenen ein Einsehen haben würden, daß sie keine Chance haben?
Und das nach Jahren des Auftretens des IS im Nahen Osten, der Kämpfe gegen ihn und verschiedene Nachfolgeorganisationen der Al Kaida, der Selbstmordattentate durch Muslime in der ganzen Welt – die zeigen, daß die Menschen, denen jede Perspektive genommen wird, eben auch nichts mehr zu verlieren haben.

Man erkennt in den – sicherlich richtigen – Einschätzungen der von El País interviewten Personen die Arroganz der Macht, in der sich die ganze westliche Welt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs selbstbespiegelt und sozusagen einzementiert hat: Die Überzeugung, daß sich die Unterlegenen in ihr Schicksal dreinfinden und in ihrer aussichtlosen Lage allen Widerstand aufgeben würden.

Die Hamas scheint dagegen auf eine Art Endkampf zu setzen, und ein Blutopfer darbringen zu wollen – ähnlich wie die irischen Republikaner mit dem Osteraufstand 1916.

Die Hamas nimmt in Kauf, daß die Palästinenser des Gazastreifens vernichtet werden und will damit nicht nur die arabische, sondern die ganz islamische Welt aufrütteln, sich ihre zweitrangige Stellung in der Welt nicht mehr gefallen zu lassen.
Die Adressaten dieses Aufstands sind die Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens und der restlichen Golfstaaten, aber auch Pakistan, Indonesien usw.: De te fabula narratur! Wenn ihr heute zuseht, wie wir vernichtet werden, so werdet ihr morgen den Preis dafür zahlen und der Westen wird weiter voranschreiten in der Niederwerfung und Zerstörung des Nahen und Fernen Ostens.

Im Grunde sind auch die aufstrebenden neuen Weltmächte ebenfalls im Visier der Hamas – was werden sie tun?

„Reserveleutnant Colonel Kobi Lavie, ehemaliger Leiter der Abteilung für palästinensische Angelegenheiten im israelischen Verteidigungsministerium, das zivile Angelegenheiten in Gaza und im Westjordanland verwaltet (COGAT), wo er auch für die Geheimdienste verantwortlich war, ist anderer Meinung“ (als die bisherigen Gesprächspartner von El País, die dem Mossad und dem Militär Unwissenheit oder Vertrauensseligkeit zusprechen): „»Es ist unmöglich, eine Operation dieser Größenordnung in Gaza zu organisieren, ohne dass Israel davon weiß. Die Geheimdienstinformationen existierten. Was gescheitert ist, ist die richtige Interpretation dieser Informationen. Seit drei, vier Monaten ist von einem Krieg die Rede. Aber es ist unmöglich, dass eine Armee dauerhaft auf etwas vorbereitet ist, von dem sie nicht weiß, wann es passieren wird.«“

Dieser Referent meint also, die Informationen wurden nicht richtig eingeschätzt. Im Grunde ist es aber die gleiche Arroganz der Macht, wo diejenigen, die über Informationen verfügten, dachten: Das trauen sich doch diese Leute nicht!

„Als Beispiel nennt Lavie den Raketenschild »Eiserne Kuppel«, dessen Batterien je nach Gefahrenwahrnehmung eingesetzt werden. In nur wenigen Stunden feuerten die Gaza-Milizen eine beispiellose Anzahl an Raketen ab: 3.000 nach Angaben der israelischen Armee; 7.000, laut Hamas.“

Die „Eiserne Kuppel“ bzw. der „Eiserne Schutzschild“ – auf den eine Zeitlang auch die ukrainische Führung hoffte – ist aber nur begrenzt tauglich gegen die Kombination von hausgemachten und auf dem internationalen Waffenmarkt erstandenen Raketensysteme, die die Hamas eingesetzt hat.
Auch eine unangenehme Einsicht für das westliche Militär.

„Es war aber vor allem ein Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Ziel: dem Durchbruch“ (der palästinensichen Kämpfer) „nach Israel. Die Milizionäre griffen zunächst die Militärposten der Grenzsperre an, dabei entstanden Bilder, die so beispiellos waren wie das des Baggers, der eine Bresche darin öffnet.
(Palästinensern ist die Annäherung an diese Grenzsperre verboten – bei den sogenannten Rückkehrmärschen 2018 und 2019 erschossen Schützen der israelischen Armee bei Massenprotesten vor dem Zaun mehr als 300 Palästinenser.)

Die Kämpfer der Hamas nutzten“ (bei ihrem jetzigen Durchbruch) „auch Lücken in der Barriere aus, überflogen sie mit Gleitschirmen oder gelangten über das Mittelmeer, das wenige Kilometer entfernt von der Marine bewacht wird,” (auf israelisches Staatsgebiet). „In Israel“ (befindlich,) „trieben sie das Töten und Entführen von Zivilisten, Polizisten und Soldaten voran, nahmen Videos auf, gingen spazieren und riefen Parolen ohne großen Widerstand, als wären sie nicht in einem der Länder der Welt mit den höchsten Militärausgaben pro Kopf.

»Aus militärischer Sicht gab es trotz der Unterschiede ein ähnliches Vorgehen wie 1973. Es war so, dass die Hamas den Status quo nicht ändern wollte, außer ein bisschen Ärger zu machen, und um Katar [zu zwingen, seine wirtschaftliche Unterstützung zu erhöhen], aber sie bereitete nichts Großes vor«, sagt Lavie. »Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Hamas selbst von der Leichtigkeit überrascht war, mit der sie eindringen konnte«, fügt er hinzu.“

In dieser Frage wiegt sich der Reserveleutnant wahrscheinlich ein wenig in Illusionen und unterschätzt die Ernsthaftigkeit und vor allem den Einsatz, mit dem die Hamas sich in diese Auseinandersetzung begeben hat.
Die Hamas steht auf dem Standpunkt: Alles oder nichts! Sie wird keine Ruhe geben, solange nicht eine grundlegende Änderung im Verhältnis des israelischen Staates zu der palästinensischen Bevölkerung Gazas und des Westjordanlandes eingetreten ist.

Dazu kommt die politische Lage in Israel selbst:

„Es gibt auch die Frage der Justizreform. Es ist der Elefant im Raum, den nur wenige in einer Zeit der nationalen Einheit erwähnen, in der die Führer der beiden größten Oppositionsparteien, Jair Lapid und Benny Gantz, die der Reform kritisch gegenüberstehen, dem Premierminister Benjamin Netanjahu den Vorschlag gemacht haben, angesichts des bevorstehenden Krieges eine Notstandsregierung bilden.

Militärkommandeure und ehemalige Chefs der Geheimdienste warnten seit Monaten vor der Fragilität, die Israels Feinde in der tiefen politischen und sozialen Spaltung wahrnehmen, die die umstrittene Reform ausgelöst hat. Nicht nur wegen der Spaltung und der massiven wöchentlichen Demonstrationen seit Januar, sondern auch wegen der Dienstverweigerung von Reservisten.“

So so, das für den Einsatz ohne Wenn und aber ausersehende Menschenmaterial zeigt sich unwillig …

Und dann gibt es noch Verbündete, die ohne Wenn und Aber zur Hamas stehen und sich auch in den letzten Jahren sehr bewaffnet haben – in Syrien, mit Hilfe des Irans und auch mit Waffen aus der Ukraine:

„Der Anführer der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, faßte es im vergangenen Juli in Worte, als das Parlament das erste Schlüsselgesetz der Reform verabschiedete. »Die israelische Gesellschaft – die glaubte, dass ihre Armee nicht besiegt werden würde und dass ihr Staat sich vom Nil bis zum Euphrat erstrecken sollte und dass Israel eine regionale Macht sei – hat begonnen, sich in Bezug auf Glauben, Gewissen und Selbstvertrauen zu verschlechtern. Es ist das, was Israel auf den Weg zum Zusammenbruch, zur Fragmentierung und hoffentlich zum Verschwinden bringt«, sagte er in einer Fernsehansprache.
Amit Segal, einer der wichtigsten politischen Kommentatoren Israels, twitterte diesen Samstag: »Wir haben vergessen, Brüder zu sein und haben einen Krieg erhalten.«

Gedemütigt durch Hunderte von Männern, die auf 365 Quadratkilometern gefangen sind,“

– gemeint sind vermutlich die Geiseln, die die Kämpfer der Hamas nach Gaza verschleppt haben, wobei es sich nicht nur um „Männer“ handelt –

„konzentriert sich Israel nun auf eine Reaktion, »die ohne Einschränkungen und Ruhe fortgesetzt wird, bis die Ziele erreicht sind«, wie Netanyahu es ausdrückte. »Es wird eine Zeit für schwierige Fragen und schwierige Ermittlungen geben, aber jetzt befinden wir uns im Krieg«, sagte Hagari, der Sprecher der Armee, an diesem Sonntag.

1973 untersuchte eine Kommission namens Agranat die Fehler, die den Zangenangriff Syriens und Ägyptens zu Beginn des Jom-Kippur-Krieges ermöglichten. Als ihre ersten Schlussfolgerungen bekannt wurden, trat Golda Meir zurück.“

Damit ist angedeutet, daß dieser Krieg bzw. diese Auseinandersetzung ein Köpferollen innerhalb Israels auslösen könnte.

Israel steht am Scheideweg. Wenn es mit aller Härte gegen Gaza vorgeht und Tausende oder Hunderttausende Tote dabei in Kauf nimmt – im Gazastreifen leben fast 2 Millionen Menschen – und damit auch den Tod der israelischen Geiseln, die nach Gaza verschleppt wurden, so hat es sich nicht nur international, sondern auch im eigenen Land kompromittiert.
Vor allem aber ist nicht klar, was die Reaktion der arabischen Staaten des Nahen Ostens wäre. Jordanien und Ägypten wollen keine Flüchtlingswellen, sie sperren mit großer Wahrscheinlichkeit die Grenzen ab. Wenn aber die Palästinenser vor ihrer Nase plattgemacht werden, so könnte das zu Unruhen im eigenen Land führen.
Wenn Israel jedoch klein beigibt, so hat es damit eingestanden, daß es seine Bürger nicht mehr gegen die Feinde schützen kann, die es in Jahrzehnten der Zurückdrängung und Unterwerfung der Palästinenser selbst geschaffen hat.

Das ganze Staatsprojekt Israels steht auf dem Spiel.

Innerhalb Israels gibt es daher vermutlich scharfe Auseinandersetzungen darüber, wie weiter vorzugehen ist.
Außerdem wird auch sicherlich international nachgefühlt werden, wie denn die arabischen Staaten und das ganze Ausland überhaupt dazu steht.

Der beste Freund Israels, die USA, sind selber an einem Scheideweg: Ihre Verschuldungsfähigkeit ist nicht mehr unbegrenzt, die Ukraine will unterstützt sein, obwohl sie den von ihr gewollten und angezettelten Krieg nicht gewinnen kann, und die arabische und islamische Welt wartet auf die Entscheidung aus Washington, um dann selber Entscheidungen zu treffen.

Neue Pinnwand: Ukraine – Kriegshandlungen und die festgefahrene Offensive

ABNUTZUNGSKRIEG? IM OSTEN WENIG NEUES …

Hier ist genug Platz für die Meldungen von der steckengebliebenen Offensive der Ukrainischen Streitkräfte, Siegesmeldungen aus westlichen Medien, Waffenlieferungen, die zugesagt werden, usw.

Oder aber, Bedenken von Thinktanks und YouTubern, halbherzige Rufer in der Wüste, Forderungen nach mehr und besseren Waffen von ukrainischer Seite, usw.

Pressespiegel El País, 12.6.: Russische Freischärler in ukrainischen Diensten

„»DAS BÜNDNIS ZWISCHEN DEN UKRAINERN UND DEN SIE UNTERSTÜTZENDEN RUSSEN IST AUF BLUT GEGRÜNDET«

Pilar Bonet

Denis Sokolov rekrutiert über die Plattform des Bürgerrats Freiwillige aus dem Land der Invasoren, die bereit sind, auf der Seite Kiews zu kämpfen

Die obenstehende Überschrift ist die Aussage von Denis Sokolov, der für die Rekrutierung kampfbereiter Russen zuständig ist – unter der Aufsicht der »Generaldirektion für Aufklärung« (die Abkürzung auf Ukrainisch ist GUR) des Verteidigungsministeriums der Ukraine.
Russische Kämpfer behaupten, an den jüngsten Angriffen auf Belgorod, einer russischen Provinz an der Grenze zur Ukraine, teilgenommen zu haben.“

„Teilgenommen“ weist darauf hin, daß sie nicht die einzigen waren, die in diese Aktion einbezogen waren, und sie haben sie auch nicht geleitet. Das waren ukrainische Militärs, und auch die Ausrüstung stammte von den Streitkräften der Ukraine.
Außerdem sollen sich auch Soldaten/Freiwillige aus Polen und englischsprachigen Ländern daran beteiligt haben, was weiters darauf hinweist, daß diese russischen Kämpfer nicht sehr zahlreich und auch nicht sehr professionell sind. Allein kann man sie nicht losschicken.

„Sokolov stammt aus Sankt Petersburg und arbeitete als Anthropologe im Kaukasus, bevor er ins Exil ging. Heute operiert es von einer Plattform namens Bürgerrat (Citizen Council, CC) aus, wo es die Aufnahme und Verbringung in die Ukraine derjenigen Russen organisiert, die sich der sogenannten Internationalen Legion der Ukraine anschließen wollen.
Sokolov unterhielt sich mit der Verfasserin dieses Artikels aus Warschau über ein soziales Netzwerk, das das CC offen für die Rekrutierung nutzt. Die Aussagen dieses Aktivisten für den bewaffneten Kampf geben einen Einblick in die internen Beziehungen der Freiwilligengruppen und ihre Verbindungen zur GUR. Die Daten über die Zahl der Angehörigen der bewaffneten russischen Kontingente und die Befehlsübertragungskette, in die sie eingefügt werden, sind schwer zu überprüfen. Auch die Bezeichnungen »Bataillon«, »Regiment« oder »Korps« erlauben es nicht, auf die Anzahl der Personen zu schließen, die diesem Ruf von CC und GUR gefolgt sind.“

Hier wird elegant ausgedrückt, daß sich diese Organisation über ihre tatsächlichen Erfolge bei der Rekrutierung sehr bedeckt gibt.
Es ist nämlich eine Sache, sich gegen den Krieg Rußlands in der Ukraine zu empören und eine andere, dafür auch seinen Kopf hinzuhalten.
Das Zentrum für die Anwerbung von Freiwilligen für die Ukrainische Fremdenlegion befindet sich also in Polen. Das ist zwar nicht überraschend, sollte aber dennoch festgehalten werden. So erklärt sich auch die vergleichsweise große Anzahl an polnischen Freiwilligen bzw. Vertragssoldaten in dieser Fremdenlegion.

„Die der GUR unterstellte Internationale Legion der Ukraine besteht aus Einheiten unterschiedlicher Herkunft, darunter aus den Ländern der ehemaligen UdSSR wie Georgien oder Weißrussland. Diejenigen aus Russland haben sich größtenteils dem Russischen Freiwilligenkorps (russische Abkürzung: RDK) angeschlossen.
Aber »das RDK hat den Bürgerrat im gegenseitigen Einvernehmen verlassen, weil sie sich nicht an die Grundsätze des Manifests gehalten hat, das wir (d.h., das CC) unterzeichnet hatten (das betrifft die Respektierung der Europäischen Menschenrechtskonvention)«, sagt Sokolov, der sich nicht näher mit den diesem Beschluß zugrundeliegenden Unstimmigkeiten befassen möchte. Er räumt jedoch ein, dass diese »mit der Haltung dieser Gruppierung gegenüber Muslimen, gegenüber anderen Nationalitäten und gegenüber sexuellen Minderheiten«“ zu tun hätten.
Der Gründer der RDK ist Denis Kapustin (auch Denis Nikitin genannt), ein rechtsextremer Aktivist, der in den Schengen-Raum nicht einreisen darf.“

Mit einem Wort, dieses Russische Freiwilligenkorps hält nichts von Menschenrechten, Schwulen und Lesben, und nationalen Minderheiten.
Diese Personen haben also nichts anderes vor, als im Rahmen dieses Krieges möglichst viele russische Zivilpersonen und Militärs umzubringen, ohne sich dabei von irgendwelchen humanitären Überlegungen bremsen zu lassen.
D.h., die „Kriegsverbrechen“, deren die russische Seite in einem fort bezichtigt wird, sind bei diesem Korps selbstverständiche Momente der Kriegsführung.

„Aufgrund seiner Ideologie lehnte das RDK Vladislav Amosov ab, einen ehemaligen Offizier der russischen Streitkräfte, der jakutischer Herkunft (= der vorwiegend in der Sibirischen Republik Sacha-Jakutien lebenden Volksgruppe/Minderheit) ist, erklärt Sokolov. Daher wurde das »Sibirische Bataillon« unter der Führung von Amosov gebildet, zu dem auch Ildar Dadin gehörte, der erste Aktivist, der 2015 in Russland wegen Verstoßes gegen die Regeln für Kundgebungen und Streikposten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.“

Aus dem ganzen Artikel wird nicht klar, in welchem Verhältnis diese Mörderbande RK und das Sibirische Korps zu der Ukrainischen Fremdenlegion stehen.
Gehören sie dazu, stellen sie eine Untereinheit derselben dar oder sind sie direkt dem Ukrainischen Verteidigungsministerium unterstellt? Welche Institution verpflegt und behaust sie, versorgt sie mit Waffen, wer koordiniert ihre Aktionen?

„»Die rechtsextreme Haltung der RDK ist abschreckend, selbst für rechte Freiwillige, ganz zu schweigen von Liberalen«, meint Sokolov. »Der russische Faschismus hat den russischen Nationalismus an den Rand gedrängt und verhindert die Bildung einer nationalen und regionalen Identität, die für die Mehrheit der russischen Gesellschaft akzeptabel ist.«“

Es ist nicht klar, welche Art von russischem Nationalismus hier angesprochen ist?
Russische Nationalisten, Vaterlandsverteidiger, stehen doch offenbar auf der Seite der russischen Regierung und unterstützen deren Politik, wie in verschiedenen anderen Medien und sogar im El País wiederholtermaßen beklagt wird.
Es ist also nicht klar, was diese russischen Rechtsradikalen eigentlich bewegt. Oder auch, welche Art von Freiwilligen das CC anwirbt und anwerben will – was ist deren Perspektive?
Was will das „Sibirische Bataillon“? Die Unabhängigkeit Sibiriens? Ist das ein populärer Gedanke in Sibirien selbst oder soll er erst durch die Heldentaten dieses Korps populär gemacht werden?
Was streben die Nazis vom RK für Rußland selbst an? Die Unterdrückung aller Minderheiten, die Russifizierung des Vielvölkerstaats – ähnlich dem Programm, das die ukrainischen Regierungen seit dem Majdan verfolgen?

„Michailo Podoljak, ein Berater von Präsident Wolodimir Selenskij, hat sich von den bewaffneten Einfällen in Russland distanziert. Ihm zufolge hätten die teilnehmenden Russen ihre Verträge mit den Streitkräften der Ukraine bereits beendet. Der Berater räumte jedoch ein, dass die Russen für ihre Aktivitäten das Gelände der Ukraine nutzen.“

Man fragt sich, warum Podoljak diese Distanzierung für nötig hält?

Man erinnere sich zurück: Der Einfall dieser, hmmm, angeblich russischen Freischärler in die russische Region Belgorod wurde in den westlichen – zumindest in den englisch- und deutschsprachigen – Medien zunächst als Erfolg und genialer Schachzug der ukrainischen Führung beglückwünscht. Die Ukraine hätte den Krieg nach Rußland getragen und gezeigt, daß sie zu Offensiv-Schlägen fähig ist. Die russischen militärischen Kapazitäten würden dadurch von der Ukraine-Front abgezogen und dadurch würde die ukrainische Offensive auf geschwächte Verteidigungslinien treffen und hätte bessere Chancen.
Einige ukrainische Grenzsoldaten und Bewohner wurden dabei getötet, einige Dörfer durch Bombardements getroffen, dann war der Spuk wieder vorbei. Die Bewohner wurden inzwischen größtenteils evakuiert, die betroffene Region verstärkte den Zivilschutz.

Einige Zeit später ist Katzenjammer angesagt.
Westliche Unterstützer drückten ihre Bedenken aus, daß ihre an die Ukraine gelieferten Waffen für diese Aktion eingesetzt wurden.
Es stellt sich heraus, daß der Überfall militärisch gesehen nullwertig war.
Unter westlichen Militärbeobachtern hat sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, daß der Überfall ein Ablenkungsmanöver gegenüber den westlichen Verbündeten war, um die Schwäche des ukrainischen Militärs zu verbergen.

In der ukrainischen Führung hat offenbar eine Diskussion über die Unterstützung von dergleichen Freischärlern eingesetzt, die inzwischen eher als sowohl militärische als auch ideologische Belastung erkannt wurden.

„Sokolow zeigt sich zurückhaltend gegenüber den sogenannten russischen »demokratischen Kräften«, die sich aus dem Exil gegen den Krieg aussprechen. Er weist darauf hin, dass die Anführer dieser Gruppen mit den im Exil lebenden russischen Oligarchen verbunden sind, die »ihre Beziehungen zu Mitgliedern des Sicherheitsdienstes, zu Beamten des Justiz- und Verwaltungsapparats pflegen und glauben, dass die Zukunft Russlands von der Spaltung der Machteliten abhängen wird.«“

Kurz gesagt, der russische Freischärler-Anwerber sieht die Vorstellung, den russischen Machtapparat zu spalten, als ziemlich perspektivlos an.
Er erkennt damit an, daß die russische Führung einig ist.

„Die Einfälle in Belgorod, die die Evakuierung mehrerer russischer Städte an der Grenze erzwangen, zeigten laut Sokolov, dass »der russische Befehlsmechanismus sehr langsam ist«, dass »es ihm an Humanressourcen mangelt« und dass »ihm die Bombardierung seiner eigenen Städte und Gemeinden gleichgültig ist«.“

Der letzte Satz lautet eigentlich im spanischen Original: „daß es der russischen Führung gleichgültig ist, seine eigenen Städte und Dörfer zu bombardieren“ – als ob es die russische Führung gewesen wäre, die sich diesen Überfall bestellt, oder ihn sogar selber ausgeführt hätte.
Das ist eigentlich eine hilflose Art, auszudrücken, daß dergleichen grenzüberschreitende Überfälle eine Schnapsidee sind, die militärisch nichts ausrichten.

„Das Sibirische Bataillon Das sibirische Bataillon ist bereits »eine vollwertige Kampfeinheit«, die auf »politischen, regionalen und nationalen Grundsätzen aufgebaut ist«, kommentiert er, und »sie wird durch das Eintreffen von Freiwilligen aus den verschiedenen Regionen Sibiriens vervollständigt«. Er werde von »kleinen und mittleren Geschäftsleuten und im Exil lebenden Fachkräften unterstützt, die für Ausbildung und Unterhalt aufkommen«, sagt er. Ihr Modell sei das einer »aus der Bevölkerung rekrutierten Truppe von Freiwilligen, ähnlich den Territorialverteidigungs-Bataillonen, die 2014 in der Ukraine entstanden.
Ursprünglich war die einzige Rekrutierungsmöglichkeit das RDK, aber mittlerweile geht die überwiegende Mehrheit der Rekrutierungsanfragen an das Sibirische Bataillon, das auch Leute aus anderen russischen Regionen aufnimmt. Aus der Sicht eines umfassenden politisch-militärischen Projekts ist das Sibirische Bataillon dasjenige mit den besten Aussichten.«“

Mit anderen Worten, die russischen Freiwilligen wollen inzwischen mit dem RDK nichts zu tun haben und ziehen das Sibirische Batallion vor.

„»Ich kann nicht sagen, wie viele Mitglieder das sibirischen Bataillon hat«, sagt Sokolov. Auf Nachfrage fügt er hinzu, dass das Ziel von 300 noch nicht erreicht sei. Für die »vielen weiteren, die kommen wollen«, erklärt er, »sei das Hauptproblem, wie sie von Russland über Drittländer in die Ukraine kommen. Wenn das gelöst wird, wäre die Zahl der Freiwilligen viel höher.«
Doch es geht nicht nur um komplizierte Transportrouten, sondern auch um das Misstrauen der Ukrainer, die in ihnen ein verdächtiges Kontingent sehen.“

Begreiflich.
Es ist anzunehmen, daß der russische Geheimdienst dort seine Leute einschleusen wird, ähnlich wie mit denen, die sich dem IS in Syrien anschlossen. Auch diese Leute waren völlig vom Geheimdienst unterwandert.
D.h., der ukrainische Geheimdienst hat mit diesen Leuten einen Haufen Arbeit: Sie müssen genau durchleuchtet werden, um sicherzugehen, daß sie nicht die ukrainische Verteidigung hintertreiben.
Im Vergleich dazu ist ihr wirklicher Kampfwert gering, weil ausbilden muß man diese Leute ja auch:

„»Sobald die Freiwilligen als solche akzeptiert werden, erhalten sie Waffen, Ausrüstung und Gehalt, entsprechend ihrem Vertrag«, fügt Sokolov hinzu. »Ihr Vorbereitungsniveau ist unterschiedlich, es gibt diejenigen mit militärischer Erfahrung und andere ohne diese«. Für die im Exil lebenden Liberaldemokraten »ist der Weg von der Couch in den Graben etwas länger, obwohl ihn viele gehen.«“

Really really?
Das erscheint etwas unwahrscheinlich. Wenn wirklich solche Leute sich in das Freiwilligenkorps integrieren, so ist ihr Kampfwert vermutlich sehr gering …

„»Es besteht ein sehr erheblicher Unterschied zwischen denen«, die kämpfen, und den Politikern und Ex-Oligarchen, die »die demokratischen Sektoren im Exil manipulieren und den bewaffneten Widerstand als eine Angelegenheit von Söldnern, Terroristen und Verrätern betrachten«.“

D.h., die Oligarchen geben gerne Geld her für Widerstand, liefern aber – natürlich! – keine Kämpfer.
Diese Spenden für den Widerstand sind offenbar eine Art Ablaßhandel, um ihre eingefrorenen Aktiva freizukriegen und sich als Agenten des freien Westens darzustellen.

„»Die Position der Letzteren (= Oligarchen) besteht darin, »die Ukraine gewinnen zu lassen und dann durch Wahlen eine Demokratie aufzubauen«.“

Diese bewußten Oligarchen versuchen sich also der NATO bzw. USA und EU anzudienen für die „Zeit danach“, wenn die Ukraine bzw. die NATO bzw. der Westen den Krieg gewinnen und sich nach Statthaltern für Rußland unter westlicher Aufsicht in Position bringen wollen.

„»Unsere Freiwilligen sind sehr unterschiedliche, sehr junge Menschen, die ihre Überzeugungen und ihre Freiheit über das Leben und den Komfort stellen«, versichert Sokolov.“

Es ist sehr fragwürdig, daß sich für dieses Programm viele Leute finden.