Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 6.8.: Weitere Schüsse ins Knie

DIE SANKTIONEN WERDEN BESTEHEN BLEIBEN, AUCH WENN DAS ZUR DEINDUSTRIALISIERUNG EUROPAS FÜHREN SOLLTE

„Sanktionen weg – Rohr auf: Was ist der Kern des „Turbinenstreits“, um dessentwillen Europa ohne Gas dasitzt?
Der Experte Churschudow meint: Gazprom will Garantien dafür, dass die Turbine für Nord Stream 2 nicht unter antirussische Sanktionen fällt“

(Gemeint ist vermutlich die für Nord Stream 1, weil Nr. 2 ist ja sowieso vorerst abgesagt.)

„Her mit dem Gas!
Es scheint, dass auf der Ebene der großen Unternehmen einiges schief läuft gibt. Selbst der Austausch einer einfachen Schraube in der komplexesten Mechanik wird auf Hunderten von Vertragsseiten beschrieben, in denen die Rechte und Pflichten der Parteien detailliert geregelt sind.
Man sollte meinen, dergleichen genaue Vorschriften gibt es erst recht bei Turbinen für Gaspipelines.
Es stellte sich heraus, daß das keineswegs so ist.
Bei der Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream geschehen mysteriöse Dinge. Sie stand bereits an der Station in Portovaja“ (Ausgangspunkt der Pipeline an der russisch-finnischen Grenze), „arbeitete zur Freude der Deutschen plangemäßt und reiste dann zu ebenfalls planmäßigen Reparaturen nach Kanada. Da begannen die Turbulenzen.
Dort saß sie zunächst wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen fest. Daraufhin war Gazprom gezwungen, die Gaslieferungen einzustellen. Als Reaktion darauf trafen Drohungen und Anschuldigungen aus Europa ein, dass Russland Gas als Druckwaffe einsetze. Aber irgendwann einigten sich die Deutschen mit den Kanadiern und sie brachten die Turbine trotzdem … nach Deutschland, wo Bundeskanzler Olaf Scholz sie sogar begutachtete und ein Gutachten erstellte: Die Turbine ist einsatzbereit, man kann sie aufstellen und pumpen.“

Scholz, der technische Experte.

„Angeblich wurde wurden die Sanktionen (für die Turbine) aufgehoben, Kanada, Deutschland, die Europäische Union erlaubten es (– es fehlte nur noch der Segen des Papstes) …
Nur Gazprom hat es nicht eilig, die Turbine zu übernehmen.
Wegen all dieser Streitigkeiten erhält Europa weniger Gas. Statt 167 Millionen Kubikmeter pro Tag sieht die deutsche Seite auf ihren Sensoren klägliche 33 Millionen Kubikmeter. Das heißt, die Gaspipeline arbeitet jetzt nur noch mit 20 % ihrer Kapazität.

Eine Frage der Technik
Also, was ist der Grund? Der russische Konzern bezieht sich auf den Buchstaben des Vertragstextes (d.h., des Gesetzes), gegen den die Kanadier zusammen mit den Deutschen bereits verstoßen haben. Und jetzt nicht ganz begreifen, wie sie wieder aus dem Schlamassel herauskommen sollen.
Gazprom begründet sein Vorgehen wie folgt: »In Ermangelung offizieller Klarstellungen der EU und des Vereinigten Königreichs zur Anwendung von Sanktionen ist nicht klar, ob Reparatur und Transport von Gasturbinentriebwerken für die Station Portovaja CS Exportbeschränkungen unterliegen werden oder nicht«, teilte das Unternehmen mit.
Hinter der raffinierten Sprache von Pressemitteilungen und offiziellen Schreiben bleibt immer noch unklar, warum diese Turbine noch nicht in ein Flugzeug verladen wurde, um nach Russland gebracht zu werden und dort endlich mit voller Leistung Gas in die Röhre zu treiben.

Zur Klärung wandte sich KP.RU an den Experten der Öl- und Gasinformationsagentur, den Kandidaten der technischen Wissenschaften Alexander Churschudov:

ACh: Um es ganz einfach auszudrücken: Gazprom will Garantien, schriftliche Zusagen, daß die Turbine nicht unter antirussische Sanktionen fällt.

KP: Technisch könnte die Turbine von Deutschland aus per Fernzugriff deaktiviert werden?

ACh: Ja, es wäre möglich, aber die Folgen sind schwer vorhersehbar. Wenn eine solche Möglichkeit in die Steuerungsautomatisierung gelegt würde, wäre der Reputationsverlust für Siemens enorm. Das Hauptproblem liegt also woanders.

KP: Und zwar wo?

ACh: Im Rahmen des Vertrags mit Siemens hat Russland diese Turbine direkt nach Kanada zu der Siemens-Tochtergesellschaft geliefert. Dazu kam eine Fehlerliste mit 15 Positionen. In Kanada sollte sie repariert werden und russische Spezialisten wurden hinzugezogen, um die Reparaturarbeiten zu überprüfen. Unsere Experten sollten dort ihr Einverständnis geben und gemeinsam mit den Kanadiern die Turbine direkt nach Russland verschiffen.
Aber die kanadischen Behörden machten keine Ausnahmen von den Sanktionen.“

Sie betrachteten also die Rückführung der Turbine als E x p o r t.
Das ist ebenso eine reife Interpretationsleistung wie die der litauischen Behörden, die den Warentransit nach Kaliningrad als Export betrachteten.
Man sieht, die Sanktionen lassen sich durchaus schöpferisch auslegen, wenn es einer Regierung gerade so lustig ist.

„Und die kanadische Siemens-Tochter konnte das im Vertrag vorgeschriebene Verfahren nicht einhalten. Daraufhin schickte sie die Turbine nach Deutschland – das ist nämlich nicht durch Sanktionen verboten.
Was soll unsere Seite“ (also Gazprom) „jetzt machen? Die Übernahme nach Deutschland erfolgte vertragswidrig. Es steht klar geschrieben: »Sie ist dort (von Gazprom) zu übernehmen, wo sie repariert wurde.« Was nützt es, wenn wir uns an Deutschland wenden? Die deutsche Siemens beantwortet unsere Fragen nicht – nicht sie war es, sondern eine Tochtergesellschaft, die die Revision und Reparatur durchführte.
Jetzt will Deutschland die Turbine loswerden.
Nehmen wir an, sie kommt nach Russland, wir installieren sie, aber sie funktioniert nicht. Was wäre dann zu tun? Es gibt niemanden, bei dem man sich beschweren könnte. Weil die im Vertrag vorgeschriebene Reihenfolge der Übernahme und Rückführung verletzt wurde.
Sowohl aus technischer als auch aus rechtlicher Sicht ist es also korrekt, ohne die vorgeschriebene Abnahme keine Zustimmung zur Überstellung nach Russland zu geben.

Streit in Europa
Gazprom will Garantien, erklärt Stanislav Mitrochovitsch, ein führender Experte beim Nationalen Fonds für Energiesicherheit und der Finanzuniversität der Russischen Regierung.

KP: Was möchte der Westen erreichen?

StM: Der Streit um die Gazprom-Turbine ist eines der Rädchen im großen Spiel gegen Russland. Die westliche Welt versucht weltweit, Russland in einem Wirtschaftskrieg zu besiegen, und niemand verbirgt dies. Was die Situation mit der Turbine selbst betrifft, so gibt es in Europa eine grundlegende Spaltung. Deutschland sagt, dass Russland diese Turbine jetzt akzeptieren und die Nord Stream mit einer höheren Kapazität starten muss, als die, mit der es sie derzeit betreibt. Aber gleichzeitig gibt es innerhalb Europas Stimmen aus Polen, aus den baltischen Staaten, die vorschlagen, den Kauf von russischem Gas zu verbieten und es in das neue Sanktionspaket aufzunehmen. Es gibt also Zwietracht in Europa.

KP: Wie werden diejenigen leben, die komplett auf russisches Gas verzichten wollen?

StM: Sie hoffen, dass es möglich sein wird, von ihren Nachbarn zu kaufen, sie hoffen, daß sie LNG (verflüssigtes Erdgas, Anm. d. Red.) erhalten können, sie hoffen auf Hilfe der Europäischen Kommission … Sie hoffen auf alles.

KP: Vielleicht sind es nur schöne Worte?

StM: Das ist auch so. Zu behaupten, dass sie kein russisches Gas kaufen wollen, ist nicht dasselbe, wie tatsächlich ganz darauf zu verzichten.
Aber es klingt gut.
Auf jeden Fall wollen sie weiter unser Gas. Das gleiche Polen wird es immer noch aus Deutschland oder anderen Nachbarländern kaufen. Aber wir für unseren Teil hören öffentlich: »Dein Gas wird bald verboten.« Gut, gut, euer Wunsch wird verwirklicht.

Her mit Garantien!
KP: Was versucht Gazprom zu erreichen?

StM: Klare Garantien zu erhalten, dass es in Zukunft keine neuen Sanktionen (bezüglich des Gasimports) geben wird, weder von Amerika noch von sonst jemandem. »Geben Sie uns Garantien, daß wir auf Dauer ohne Sanktionen zusammenarbeiten können!« – so können Sie ihre Position formulieren.

KP: Aber solche Garantien will niemand geben.

StM: Genau. Daher haben wir es unsererseits auch nicht eilig, Europa entgegenzukommen und ihnen bei der Wintervorbereitung zu helfen.

KP: Die These ist mittlerweile weit verbreitet, dass Russland, Gazprom und Putin persönlich Gas als Waffe einsetzen.

StM: Diese Meinung, das ist wichtig, wird von Leuten geäußert, die von Rußland 300 Milliarden Dollar Gold und Devisenreserven gestohlen, schwerste Wirtschaftssanktionen verhängt, ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt, den Handel mit Rußland und den Import russischer Kohle verboten haben (letzteres Verbot tritt am 10. August in Kraft – Anm. der Redaktion). Sie verhängten ein Verbot der Einfuhr von russischem Öl auf dem Seeweg (tritt am 5. Dezember 2022 in Kraft, – Anm. der Redaktion).
Und diese Leute sagen uns, dass Handelsbeschränkungen nicht als politisches Instrument eingesetzt werden sollten?
Es ist sehr naiv, zu erwarten, dass Rußland nicht versuchen würde, seinerseits die vorhandenen Möglichkeiten im Handel als Instrument zu nutzen.

Nord Stream 2 läßt sich nicht mit einem Satz in Betrieb nehmen
KP: Es gäbe einen sofortigen Ausweg aus der Situation mit der Turbine: Den Start von Nord Stream 2. Wäre das möglich?

StM: Aus technologischer Sicht gibt es keine Probleme mit dem Start von Nord Stream 2. Wladimir Putin sagte das sogar zu Gerhard Schröder, der nach Moskau geflogen war. Mit anderen Worten, wir könnten diese Pipeline sogar jetzt einschalten.

KP: Aber es gibt offenbar keine politische Einigung.

StM: Nord Stream 2 ist aus politischer Sicht ein sehr schwieriges Thema. Ich sehe daher derzeit nicht, daß Europa dem zustimmen könnte. Schauen Sie, wie lange sie gebraucht haben, um das Problem mit der gewöhnlichen Turbine für Nord Stream 1 zu lösen: Um Kanada zu überzeugen, mussten sie eine Entscheidung treffen, abstimmen und so weiter. Es dauerte mehrere Wochen. Und das ist, könnte man sagen, angesichts der Problematik um Nord Stream 2 eine Frage von ein paar Cents.

Versöhnlicher Schröder
KP: Warum ist Gerhard Schröder nach Russland geflogen?

StM: Offiziell sagte seine Frau, dass er über Energiefragen und Energiepolitik gesprochen habe.

KP: Als Unterhändler?

StM: Man muß sich darüber im Klaren sein, dass er darüber nur als Privatperson sprechen konnte. Es ist unwahrscheinlich, dass er der Abgesandte von Herrn Scholz war. Obwohl Schröder viel für die Beziehungen zwischen Russland und Europa getan hat (auch die Nord-Stream-Gaspipelines waren seine Idee), ist die Einstellung ihm gegenüber zu Hause äußerst negativ. In der deutschen Presse wird er in einem fort durch den Kakao gezogen.

KP: Kann er überhaupt eine Einigung erreichen?

StM: Ich glaube nicht. Außerdem würde es überraschen, wenn er nicht auf juristischer Ebene zu einer Art Agenten Putins erklärt wird. In der allgemeinen Propaganda wird er schon lange als solcher gehandelt.

Industrie kaputt
KP: Wie wird das alles enden?

StM: Ich denke, je mehr so Sätze wie »Wir brauchen kein russisches Gas«, »Wir werden Russland besiegen und zerstören«, »Wir werden bald das russische Gas aufgeben« (– ich habe mir das nicht ausgedacht, sie sagen das tatsächlich seit März auf allen Regierungsebenen) in Europa ausgesprochen werden, desto mehr wird sich in Russland der Standpunkt durchsetzen, dass es notwendig ist, die Lieferungen nach Europa einzustellen. In diesem Fall wird Europa mit einer vollständigen Reduzierung der Lieferungen konfrontiert sein, und dies wird eine sehr belastende Situation für sie sein.

KP: Und wenn wir das Ventil nicht bis zum Ende drehen?

StM: Selbst wenn es nicht zu einem vollständigen Lieferstopp kommt und die aktuelle Situation anhält (wir liefern um ein Vielfaches weniger Gas als im Vorjahr), wird es für Europa sehr schwierig, seine Industrie zu erhalten. Wegen teurer Energieressourcen wird es immer mehr Betriebe schließen müssen.

KP: Europa steht ein harter Winter bevor.

StM: Es geht nicht um den Winter. Im Winter werden die Schwierigkeiten ihren Höhepunkt erreichen. Aber es geht um viel mehr.
Ich denke, in Europa wird diese Krise die Deindustrialisierung und den wirtschaftlichen Niedergang durch den Verlust eines Teils der Industrie, durch den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Ländern der Welt zur Folge haben. Die Türkei zum Beispiel wird möglicherweise einen Teil des industriellen Potenzials Europas übernehmen.

KP: Wie wird sich dies auf Russland auswirken?

StM: Wir müssen zunächst darüber nachdenken, wie wir den europäischen Markt ersetzen, wann wir Verträge mit den Chinesen für neue Pipelines abschließen, schließlich, wann wir neue eigene Industrialisierungsprojekte starten werden, und so weiter.

Pressespiegel El País, 30.7.: Zwangsrekrutierung in der Ukraine

„DIE UKRAINISCHEN MÄNNER FLÜCHTEN VOR DER EINBERUFUNG

Unter den Nachrichten vom vergangenen Dienstag erregte eine besondere Aufmerksamkeit: Es ging um eine Razzia gegen Personen, die falsche medizinische Zeugnisse ausstellten. Diese Bande aus der Region Kiew stellte angeblich ärztliche Attests aus, die ihre Empfänger vor dem Militärdienst befreiten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Kiew bot das Netzwerk auch an, ihre Klienten ins Ausland zu bringen. Je mehr sich die Zeichen zu einer verpflichtenden Einberufung verdichten – mit mehr Kontrollen zur Registrierung als Wehrpflichtiger – um so mehr Männer versuchen, mit falschen Angaben das Land zu verlassen.
Männer zwischen 18 und 60 dürfen die Ukraine nicht verlassen und müssen sich in den Registrierungsbüros der Streitkräfte melden. Die Verpflichtung zur Registrierung wurde bis vor ca. einem Monat lax gehandhabt. Dann verkündete Selenskij jedoch, daß die ukrainische Armee eine Mannstärke von einer Million erreichen müßte, um die Provinz Cherson zurückzuerobern. Die Eroberung dieser Region an der Schwarzmeerküste durch Rußland wird von ukrainischer Seite als der größte Fehlschlag in diesem Krieg betrachtet.“

Erst in jüngerer Zeit ist die Provinz Cherson so zum Thema geworden, da die Russen seit dem Rückzug von Kiew und dem Norden auf allen Fronten vorrücken. Dadurch muß die Führung in Kiew ihre strategischen Ziele neu definieren und hat Cherson als möglichen Angriffspunkt entdeckt.

„So kommt es seither in der ganzen Ukraine flächendeckende Polizeiaktionen, wo Männer aufgefordert werden, sich in diesen Rekrutierungsbüros zu melden. Eine Frau aus Dnepropetrowsk, die es vorzieht, ihren Namen nicht zu nennen, erzählt von ihren diesbezüglichen Erlebnissen: An einem Wochenende in diesem Sommer mietete sie mit ihrem Partner ein Bungalow, in einem Gelände außerhalb der Stadt, wo Leute ihre Freizeit verbringen. In diesem Villenkomplex wohnen Leute der Oberschicht aus Ortschaften derjenigen Gebiete aus den Provinzen Donetsk und Lugansk, die von Rußland besetzt sind. Eines nachts kamen Lastwagen der Polizei und nahmen die Männer zwecks Registrierung mit. »Da ich das Haus auf meinen Namen gemietet hatte, merkten sie nicht, daß mein Freund auch da war. Allerdings fragten sie mich, ob ich nicht zufällig eine Krankenschwesterausbildung hätte?«“

Man muß hier hinzufügen, daß die solchermaßen mitgenommenen Männer nicht einfach „registriert“ und dann wieder freigelassen wurden. Sie wurden eingezogen. Die „Registrierung“ ist inzwischen gleichbedeutend mit der Zwangsverpflichtung.

„Ab 1. Oktober müssen sich Frauen mit Ausbildungen, die in Kriegsgebieten als notwendig eingestuft werden, ebenfalls melden und haben ab diesem Stichtag auch eine eingeschränkte Mobilität.
Die Ukraine verfügt über mehr als eine halbe Million Landesverteidiger, nach einer von El País selbst gemachten Aufstellung aus dem Monat März. Das auf geopolitische Analysen spezialisierte Zentrum für Oststudien in Warschau erhöht diese Zahl auf 750.000 Personen. Von denen sind 200.000 reguläre Soldaten und der Rest entweder Veteranen, die seit 2014 an der Donbass-Front im Einsatz waren, oder Freiwillige.“

Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Donbass diente den ukrainischen Streitkräften also als eine Art Live-Ausbildungszone, für den Tag X, wo sie diese Gegenden zurückerobern wollten oder zumindest mit einer Auseinandersetzung mit Rußland rechneten.

„Im Laufe der Zeit ergibt sich die Notwendigkeit, die Kämpfenden der ersten Frontlinie durch frische Truppen aus dem Hinterland zu ersetzen. Außerdem schätzt die Regierung, daß sie die Zahl auf mindestens eine Million erhöhen muß, um die verlorenen Gebiete an der Schwarzmeerküste zurückzuerobern.“

Man merkt bei der ukrainischen Regierung eine gewisse Verschiebung der Akzente. Während bis vor kurzem noch die Eroberung aller ehemals ukrainischer Gebiete einschließlich der Krim als Ziel verkündet wurde, werden jetzt etwas kleinere Brötchen gebacken und einmal die Region Cherson ins Auge gefaßt.
Es kann sich dabei natürlich auch um ein reines Manöver handeln, um Zeit zu gewinnen, die westlichen Verbündeten mit positiven Nachrichten über das Machbare zu füttern und die Waffenlieferungen aufrecht zu erhalten.

„Ob es darum geht, sich durch eine Arbeit im Ausland Einkünfte zu verschaffen, oder aus Angst vor der Front, jedenfalls gibt es immer mehr Männer, die das Ausreiseverbot umgehen wollen. Die Möglichkeiten sind begrenzt und in einigen Fällen riskant. Eine eher schwierige davon ist die grüne Grenze nach Moldawien und Rumänien mit Hilfe von lokalen Schleppern. Auf Telegram gibt es Gruppen, die über diese Möglichkeit informieren. Die Gruppe »Grenzhilfe« gab am Mittwoch bekannt, daß in der Provinz Odessa ein Mann verhaftet wurde, der in seinem Lieferwagen 2 Jugendliche versteckt hatte, die die Grenze nach Moldawien überqueren wollten. Jeder von ihnen hatte mehr als 6500 Euro gezahlt.“

Der Schlepper hatte offenbar nicht genug davon an die Polizei weitergegeben, deshalb der Aufgriff.

„Eine andere Möglichkeit ist, Bestechungsgelder für ärztliche Atteste zu zahlen, mit denen man ins Ausland ausreisen kann. Vergangenen Juni flog – ebenfalls in Odessa – ein Netzwerk auf, das solche Atteste und Transport ins Ausland sozusagen als Paket anbot, für 4100 Euro.“

Man merkt, die Preise erhöhen sich, weil das Risiko steigt und auch damit das Geld, das an Grenzbeamte und Polizisten gezahlt werden muß, damit sie am Checkpoint die Augen zudrücken.

„Ausnahmeregelungen

Es gibt bei dem durch das Kriegsrecht gedeckten Erlaß Selenskijs Ausnahmen. Väter von Mehrkinderfamilien – ab 3 Stück – können die Ukraine verlassen, ebenso solche, die eine Doppelstaatsbürgerschaft besitzen. Aber einige dieser Ausnahmeregelungen können sich auch als Bumerang erweisen.“

Hier kommt keine Erklärung im Artikel.
Offenbar gelten diese Ausnahmen nur, wenn auch ein entsprechender Geldschein beigelegt wird. Ansonsten: Marsch ins Ausbildungslager und an die Front!

„Die Organisationen, die humanitäre Hilfe transportieren, dürfen ukrainische Chauffeure ins Ausland schicken, die aber nicht länger als 30 Tage dort bleiben dürfen. Es gibt Organisationen, die manchmal Personen schicken, die nicht zurückkommen, wie El País aufgrund von Zeugenaussagen feststellen konnte.
Studenten, die an ausländischen Unis inskribiert sind, dürfen auch mit vorheriger Genehmigung der Regierung das Land verlassen. Diese Genehmigungen werden jedoch für die neu Immatrikulierten immer seltener erteilt, vor allem, wenn die Studenten volljährig sind.“

Also immer. Weil für Minderjährige gilt das Ausreiseverbot sowieso nicht.
D.h. das Ansuchen um die Genehmigung wird mit einer sofortigen Einberufung beantwortet.

„Die Polemik um das Ausreiseverbot kam vorigen Mai in die Schlagzeilen, als der Odessaer Anwalt Alexandr Gumirov 27.000 Unterschriften sammelte, um das Ausreiseverbot aufheben zu lassen. Laut geltender Gesetzeslage muß eine Initiative mit mehr als 25.000 Unterschriften vom Präsidenten zur Kenntnis genommen und beantwortet werden. Die Antwort Selenskijs war abweisend. Er fügte hinzu, daß sie ihre Petition den Familien derer schicken müßten, deren Angehörige im Kampf gefallen seien. Die Regierung erinnert regelmäßig daran, daß es bei dem Krieg um die Existenz der Ukraine geht.“

Man möchte nicht wissen, wie es den 27.000 Unterzeichner(inne)n gegangen ist. Vielleicht sitzen die inzwischen alle schon in irgendwelchen Verliesen – oder Ausbildungslagern, sofern es Männer waren.

„Trotz der negativen Antwort Selenskijs ist sicher, daß es einen tendenziellen Wandel gibt.“

Umgekehrt. Die Antwort Selenskijs ist gereizt im Lichte dessen, daß die Verweigerung zunimmt.

„Die Zahlen von Eurostat (der Statistik-Agentur der EU-Kommission) zeigen das. Es kommen zwar weniger Flüchtlinge in die EU, aber der Anteil der Männer unter ihnen steigt. Das beweisen die Angaben einiger Staaten, die ihre Daten bezüglich der monatlichen temporären Aufenthaltsgenehmigungen für ukrainische Flüchtlinge im Juni aktualisiert haben. Polen ist das wichtigste Aufnahmeland für Flüchtlinge aus dem angegriffenen Land. Im März, dem ersten Kriegsmonat, machte der Anteil von Männern zwischen 18 und 64 2,6% der Gesamtmenge an Aufenthaltstiteln für ukrainische Flüchtlinge aus. Im Juni ist dieser Prozentsatz auf 16% gestiegen. In Litauen, einem anderen Zufluchtsland für Ukrainer, ist der gleiche Prozentsatz von 3 auf 24 angestiegen, in Schweden von 7 auf 28. In Rumänien war er bereits im März auf 17% und ist nur schwach auf 18% angestiegen.“

Rumänien galt offenbar ukrainischen Wehrdienstflüchtigen von Anfang an als sicheres Fluchtland.

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Flucht durch Rußland

Die riskanteste Alternative für jene, die sich entschlossen haben, die Ukraine zu verlassen, führt durch Rußland. In den ersten Monaten der Invasion wählten wenige diese Route, aber die Zahlen sind ständig angewachsen. Heute ist es nach Angaben der UNO diejenige Grenze, die am öftesten von Ukrainern überquert wird. 1,8 Millionen Ukrainer sind über die russische und nur 1,2 Millionen über die polnische Grenze emigriert.
Wer sich für diese Variante entscheidet, sind vor allem Familien aus den besetzten Gebieten, obwohl die ukrainische Regierung behauptet, daß Hunderte von ihnen gegen ihren Willen nach Rußland deportiert wurden. Ihre Reise beginnt in den angrenzenden russischen Provinzen von Belgorod, Rostov und Woronjesch und endet an den EU-Grenzen in Estland oder Lettland.
Denis ist ein Unternehmer aus Kupiansk, den El País am 17. aus Charkov interviewt hat. Kupiansk ist eine 30 km von der russischen Grenze entfernte Kleinstadt, die bald nach dem Beginn des Einmarsches von Putins Truppen eingenommen wurde. Dieser 29-Jährige erklärte, daß er plante, über Rußland nach Polen zu gelangen, aber die Erfahrungen eines Freundes brachten ihn davon ab. Dieser wurde von der Grenze in ein sogenanntes »Filtrationslager« gebracht. Dort wurden seine Kontakte in den sozialen Netzwerken untersucht und festgestellt, daß er eine Botschaft der ukrainischen Streitkräfte geteilt hatte. »Sie verprügelten ihn und sperrten ihn einige Tage lang ein. Schließlich ließen sie ihn nach Rußland einreisen. Inzwischen ist er in Polen.«“

Klingt gar nicht so riskant. Eine Tracht Prügel und eine Reise durch Rußland ist sicher billiger und auch ungefährlicher als die Direttissima aus Odessa …

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 18.7.: Schwunghafter Waffenhandel Ukraine-Balkan-Nahost

DAS UKRAINISCHE FLUGZEUG, DAS IN GRIECHENLAND ABGESTÜRZT IST, TRANSPORTIERTE NATO-WAFFEN ZUM VERKAUF AN DIE HISBOLLAH

Der Absturz der An-12 deutet darauf hin, dass Kiew nicht nur Waffen verkauft, die der Westen ihm liefert, sondern die Gewinne auch mit Agenten aus den Vereinigten Staaten teilt

Rund um das ukrainische An-12-Flugzeug, der vor ein paar Tagen in Griechenland abgestürzt ist, sind die Dinge sehr kompliziert. Obwohl serbische Beamte erklärten, Belgrad habe seit mehreren Jahren keine Waffen und Munition mehr an die Ukraine geliefert, und die Route des Flugzeugs aus diesem Balkanland Richtung Jordanien verlief, könnte die ukrainische Spur in dieser ganzen Geschichte sehr bedeutsam sein. Wie die Spur einiger Sonderdienste der Länder der “westlichen Welt”.

Die ukrainische Militärspionage liefert …

Zur Erinnerung: Das Frachtflugzeug An-12 der ukrainischen Fluggesellschaft “Meridian” stürzte am Abend des 16. Juli in Griechenland, etwa 12 Kilometer von der Kleinstadt Kavala entfernt ab. An Bord befanden sich nach offiziellen Angaben etwa 12 Tonnen »wahrscheinlich gefährlicher« Fracht. In jedem Fall durften die am Tatort eintreffenden griechischen Retter sich nicht mehr als einen Kilometer nähern und waren wegen Detonationen und austretenden Substanzen für alle Fälle in luftdichte Anzüge gekleidet.

Griechische Katastrophenhelfer in Schutzkleidung

Das verursachte sowohl bei den Einheimischen als auch bei der Weltpresse Bestürzung. Es konnten jedoch keine Spuren von Resten von Chemiewaffen oder Nuklearmaterial gefunden werden. Was nicht verwundert, denn die An-12 trug keine Massenvernichtungswaffen, auch keine Trainingsminen, wie offiziell verlautbart wurde, sondern eine ganz andere Fracht.

Nach Informationen des gut informierten Telegram-Kanals NEZYGAR beförderte das Flugzeug aus westlichen Ländern an die Ukraine gelieferte Waffen, die die Ukraine weiterverkaufte.

„Mehr als hundert Nlow-Panzerabwehrwaffen, 55 Stinger und etwa hundert weitere panzerbrechende Waffen Typ Javelin sowie 500 Kalaschnikow-Sturmgewehre und Munition für selbige für sie“, schreibt NEZYGAR. Ihm zufolge wurden alle diese Waffen am 28. Juni von einem Vertreter des Militärgeheimdienstes der Ukraine (GUR) auf direkten Befehl des Leiters des GUR, Kirill Budanov, an den Militärflügel der Nahost-Hisbollah verkauft. Der Deal ging über eine serbische kriminelle Vereinigung, die auf Waffenschmuggel spezialisiert ist. Die Kosten dieses Deals, d.h. der Waren selbst, ihres Transports und der Provisionen an serbische Schmuggler, beliefen sich auf 9 Millionen US-Dollar, von denen 3 Millionen bereits als Vorschuss auf Konten in den VAE überwiesen wurden.

Warum so eine Route, warum linke Hand auf rechtes Ohr? Warum war es notwendig, die gesamte Sendung zunächst per Bodenschmuggel nach Serbien zu bringen und dann von Serbien nach Jordanien zu fliegen, damit dort Hisbollah-Vertreter die gekauften Waffen abholen und durch ihre Korridore nach Palästina schmuggeln konnten? Wäre es für den Militärgeheimdienst der Ukraine nicht einfacher gewesen, das Flugzeug irgendwo im eigenen Land zu verladen, wo man leichter absolute Vertraulichkeit gewährleisten und die Abwesenheit von Interessenten und potenziellen Beobachtern von dritter Seite garantieren könnte?
Die Antwort ist einfach. Ukrainische Flugzeuge können jetzt aufgrund der von Russland durchgeführten Kriegshandlungen das Territorium der Ukraine nicht überfliegen, und dementsprechend wird jeder Start, sogar von einem Flugplatz in der Westukraine, von russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräften in Echtzeit überwacht. Ein Flugzeug einer ukrainischen Firma, wenn es nicht in die Ukraine fliegt, interessiert jedoch niemanden besonders. Fluggesellschaften aus der Ukraine fliegen jetzt in die ganze Welt, außer in ihr Heimatland – aus den oben genannten Gründen versuchen sie, mit allem Geld zu verdienen.

Die lange Hand des Mossad?

Doch was die Stärke des Deals zu sein schien, entpuppte sich als seine Hauptschwäche. Laut dem Telegram-Kanal spielte Bidens aktueller Besuch in Israel eine fatale Rolle für die An-12-Piloten und die Hintermänner des Deals. Sein Team schloss ein strategisches Kooperationsabkommen zwischen CIA und Mossad. Und höchstwahrscheinlich haben die Amerikaner danach (oder dafür) laut NEZYGAR Informationen über diese Lieferung mit den Israelis geteilt. Nun, damit war einer der bestgerüsteten Geheimdienste unserer Zeit am Werk, dessen Hauptanliegen gerade der Kampf gegen die Hisbollah ist.
Wenn dem so ist, dann ist den Israelis etwas schiefgegangen. Es wäre für alle Hintermänner des Deals besser gewesen, wenn das Flugzeug einfach über der Ägäis verschwunden wäre, über der es zum Zeitpunkt einer Fehlfunktion (= Feuer) im Triebwerk flog.
Aber die Crew wollte unbedingt leben und es gelang ihnen fast, sich und das Flugzeug selbst zu retten. Und jetzt, nachdem die “Black Boxes” gefunden wurden, werden die Öffentlichkeit und die Medien die Offenlegung von Informationen, Untersuchungen usw. fordern.

Damit wird ein sehr interessantes Faktum offenbart. Sogar zwei.

Erstens verkauft die Ukraine die Waffen, die sie von der NATO erhält, in industriellem Maßstab weiter. Auf dem Luftweg.

Und zweitens – wenn der amerikanische Geheimdienst solche Informationen mit dem Mossad geteilt hat, dann ist Budanovs Gefolge einfach vollgestopft mit CIA-Mitarbeitern oder Agenten, die Zugang zu den innersten Geheimnissen des ukrainischen Geheimdienstes und des Teams des ukrainischen Präsidenten haben. Und das bedeutet, dass US-Behörden alle Informationen über den Waffenhandel haben, der vom ukrainischen Militär im großen Stil durchgeführt wird.
Übrigens ist es möglich, dass dies mit der Erlaubnis oder dem Segen der amerikanischen Sonderdienste und unter direkter Beteiligung von Vertretern dieser Sonderdienste möglich ist. Vielleicht für einen „kleinen Anteil“ und für sich persönlich ein Geschäft, vielleicht „im Interesse des Staates“.

Immerhin gab es ähnliche Geschichten bereits in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Erinnern wir uns zum Beispiel an den Skandal um den Iran-Contra-Deal. Er verließ die “schwarze Zone”, nachdem im Oktober 1986 ein amerikanisches Militärflugzeug C-123 am Himmel über Nicaragua abgeschossen worden war. In diesen Skandal waren sogar der US-Verteidigungsminister, ein Admiral und der stellvertretende US-Außenminister verwickelt, der für diese Koordinationstätigkeit sogar verurteilt, aber von Präsident Bush begnadigt wurde.
Was die CIA betrifft, waren Dutzende von CIA-Agenten an dem Programm beteiligt.