Pressespiegel Komsomolskaja Prawda 6.11.: Ölpreis

„DER »HUNDERT-DOLLAR-GRENZSTEIN«: WAS WIRD BIS ENDE DES JAHRES MIT DEM ÖLPREIS UND DEM RUBEL-KURS PASSIEREN?
Weltweite Verhandlungen und Prognosen

Ölexportierende Länder haben eine wichtige Entscheidung getroffen. Sie beschlossen, nicht dem Beispiel der Vereinigten Staaten zu folgen, sondern sich in ihrem eigenen Tempo zu bewegen. Die Weltölproduktion wird wachsen, aber langsam. Weder Russland noch Saudi-Arabien wollen plötzliche Bewegungen. Und zwar aus folgenden Gründen:

Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage

Vor der Pandemie betrug die Ölförderung weltweit etwa 100 Millionen Barrel pro Tag. Aufgrund des Coronavirus wurde sie um 10 % zurückgefahren. Und letztes Jahr wurde sie angehoben, aber ohne Eile. Mitglieder des OPEC+-Kartells haben vereinbart, die Produktion jeden Monat um 400.000 Barrel pro Tag zu steigern. Bis September nächsten Jahres wird die Produktion dann auf das Vor-Covid-Niveau zurückkehren.
US-Präsident Joe Biden forderte kürzlich Russland und Saudi-Arabien auf, die Produktion schneller zu erhöhen. Am Markt herrsche Mangel und der Ölpreis steige.“

Das ist schon sehr dreist. Eine Zeitlang – vor der Pandemie – taten die USA alles, um vor allem Saudi-Arabien zu Erhöhung der Prodsuktion zu bewegen, um einen niedrigen Ölpreis hervorzubringen und damit Rußland und Venezuela zu schaden, deren Deviseneinnahmen ganz oder teilweise auf Ölexport beruhen.
Jetzt, wo der Hut brennt, soll gefälligst – auch von Rußland! – die Produktion gesteigert werden, damit die US-nahe G-G’-Maschinerie geschmiert wird.
Es ist also ein großer Triumph für Rußland, wenn Saudi-Arabien sich jetzt auch nicht gleich auf US-Zuruf bewegt.

„Die Grenze von 80 USD pro Barrel wurde überschritten. Dies ist ein Dreijahreshoch, das die Brieftaschen von Importeuren, einschließlich der Vereinigten Staaten, trifft. Aber Exporteure haben ihre eigenen Gründe.
»Es gibt eine Reihe von Unsicherheiten auf dem Markt, die bei der Senkung der Ölpreise eine Rolle spielen könnten«, sagte Alexander Novak, stellvertretender Premierminister und ständiger russischer Unterhändler bei der OPEC.

Unsicherheit 1 – »Der Winter steht vor der Tür«

Im Gegensatz zu Gas sinkt der Ölpreis normalerweise während der kalten Jahreszeit. Der Hauptverbrauch an Mineralölprodukten entfällt auf Autos. Im Winter werden sie seltener benützt, sodass sowohl der Kraftstoffbedarf als auch die Ölpreise sinken. Kessel und Kraftwerke verwenden normalerweise andere Arten von Brennstoffen – Gas, Kohle, Kern- und Wasserenergie.“

Energiewende! Früher wurden mehr Kraftwerke mit Erdölprodukten betrieben, inzwischen wurde – vor allem in der EU – die Stromproduktion auf andere Energiequellen umgestellt.

„Unsicherheit 2 – »Neue Lockdowns«

Mehrere Länder haben sich erneut dafür entschieden, epidemiologische Regeln zu verschärfen. In Russland und Lettland wurden sanfte Lockdowns angekündigt. Bei einem negativen Szenario können in anderen Ländern Beschränkungen eingeführt werden. Und dies wird die Nachfrage nach Öl reduzieren, wie es im Frühjahr letzten Jahres der Fall war.
»Covid-Risiken nehmen aufgrund von Mutationen im Coronavirus und mittelmäßigen Erfolgen bei der weltweiten Impfung zu«, sagt Alexander Pasetschnik, Leiter der Analyseabteilung des Nationalen Energiesicherheitsfonds.

Unsicherheit 3 – die »Iran-Deals«

Zuerst Sanktionen aussprechen, und dann wieder die Friedenspfeife rauchen. So ungefähr verhalten sich die Amerikaner gegenüber dem Iran. Viele Jahre lang konnte er den Weltmarkt nicht mit Öl beliefern. Die USA glaubten, Teheran entwickle Atomwaffen und bestrafte es auf diese Weise. Dann kam Tauwetter, aber nicht auf lange. Ein paar Jahre später kündigte Donald Trump den Deal mit dem Iran und verbot ihm erneut, sein »schwarzes Gold« zu verkaufen. Jetzt ist wieder Tauwetter. Ende November findet in Wien ein Treffen statt, bei dem die Verhandlungen über die Aufhebung der Sanktionen wieder aufgenommen werden. Dies wird es dem Iran ermöglichen, 4 Millionen Barrel mehr Öl als bisher zu verkaufen. Eine gesteigerte Produktion wird die Ölkosten senken. Eine schnelle Entscheidung ist jedoch unwahrscheinlich.

Unsicherheit 4 – »Energiewende«

In westlichen Ländern wird immer mehr über die Energiewende gesprochen. In Europa wollen sie auf Kohlenstoff-Energieträger (Kohle, Öl, Gas) verzichten und auf umweltfreundliche Kraftstoffe umsteigen. Natürlich ist dies kein schneller Prozess. Aber große Unternehmen bereiten sich bereits auf die Energiewende vor, sie reduzieren Investitionen in die Erschließung neuer Felder. Was bringt es, etwas zu besorgen, wenn es bald nicht mehr nachgefragt wird?!

Es stimmt, es gibt hier Nuancen. Die Wünsche europäischer Politiker sind nicht immer durchdacht. So hat beispielsweise die übermäßige Abhängigkeit von Wind- und Solarenergie bereits in diesem Sommer zu einem starken Anstieg der Erdgaspreise geführt. Daher gehen Experten davon aus, dass Öl auch in Europa noch mindestens 10 Jahre nachgefragt sein wird.“

Eine sehr freundliche Art, auszudrücken, daß die ganze Energiewende ein Haufen Wahnvorstellungen sind, sowohl was die Durchführbarkeit als auch was die Folgen betrifft. Und auch die Beobachtung, daß Wind- und Sonnenenergie eben witterungsabhängig sind und großen Bedarf an traditionellen Energieträgern erzeugen können, wenn der Wind nicht geht und die Sonne nicht scheint, sollte man sich merken.

„»Die Wachstumsraten der grünen Energie sind so, dass sie auf lange Zeit die Produktion von Kohlenwasserstoffen notwendig machen wird«, sagt Georgij Vaschtschenko, Operationsleiter für den russischen Markt bei IC Freedom Finance.

Wie geht es mit dem Ölpreis weiter?

Es gibt viele Unsicherheiten, aber es gibt weitere relativ sichere Faktoren, die den Ölpreis beeinflussen. Daher sind die meisten Experten sicher, dass er bis Ende des Jahres die 100 Dollar pro Barrel überschreiten wird. So viel kostete Öl übrigens schon vor einigen Jahren, es ist kein unüblicher Preis. Und der derzeitige Dollar wird viel billiger. Die Inflation in den USA übersteigt bereits 5,4%. Das heißt, die aktuellen hundert Dollar sind nicht gleich.“

Hier wird etwas verkürzt angedeutet, daß der Dollar Kursverluste einstecken muß, u.a. gegenüber dem Rubel. Der Hinweis auf die Inflation versucht das sozusagen als Automatismus hinzustellen, was in Wirklichkeit ein Zeichen der ökonomischen Schwäche der USA ist.

„In diesem Zusammenhang gehen Analysten der globalen Investmentbank Goldman Sachs davon aus, dass der Ölpreis bis Ende des Jahres 90 Dollar pro Barrel erreichen wird.“

Zweckoptimismus?

„Und die Bank of America richtet den Blick noch weiter. Sie gehen davon aus, dass ein Barrel „Schwarzes Gold“ bis Mitte 2022 auf 120 Dollar steigen könnte. Ihre Experten prognostizieren, dass dies durch eine steigende Nachfrage nach Flugbenzin (es wird mehr Flüge geben) sowie durch fehlende Verarbeitungsanlagen für Rohstoffe verursacht werden könnte.

Wie wird der Rubel reagieren?

Viele Faktoren beeinflussen den Kurs unserer Währung. Der Ölpreis ist nur einer davon, aber ein wichtiger. Steigt der Ölpreis, steigt auch der Rubel. Außerdem wird er von einem weiteren wichtigen Faktor beeinflusst – dem Leitzins der Zentralbank. Sie ist auf 7,5 % pro Jahr gestiegen und wird voraussichtlich weiter wachsen. Die Inflation in Russland hat bereits 8% überschritten. Und das Ziel der Zentralbank ist es, sie zu Fall zu bringen. Dazu muss die Regulierungsbehörde den Zinssatz auf ein Niveau anheben, das über dem Preisanstieg liegt.“

Die Wirtschaftswissenschaft und ihre Weisheiten sind auch in Rußland allgegenwärtig. Allerdings können solche Maßnahmen dort eher von Erfolg gekrönt sein, da dort immer noch ein großer Teil der Wirtschaft staatlich gelenkt ist bzw. viele Betriebe im Laufe der letzten 2 Jahrzehnte wieder verstaatlicht wurden.

„Dies macht Investitionen in Rubel-Anlagen rentabler und erhöht dementsprechend die Rubel-Notierungen. Daher besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Dollar bis Ende des Jahres wie vor einer Woche unter 70 Rubel fällt und dort Fuß fasst.“

Der Rubel als sicherer Hafen für anlagewilliges Kapital, wer hätte das noch vor 2 Jahren gedacht!
Natürlich gibt es auch Faktoren, die dagegen sprechen, daß jetzt die Investorenschar Richtung Rubel aufbricht, aber zumindest Kapital aus den Staaten Asiens könnte sich schon dort umschauen. Eine andere Frage ist, ob diese Investitionen für die russische Wirtschaft brauchbar wären oder nur spekulativ auf Kursgewinne abzielen. Es wäre auch interessant, zu beobachten, wie sich der Kurs des Rubels zum Euro entwickelt.

Es läßt sich auf jeden Fall derzeit ein gewisser Aufwind für Rußland feststellen.

Die Energiefrage auf der Iberischen Halbinsel

JENSEITS VON NORD STREAM

Portugal und Spanien beziehen ihre fossilen Energieträger vor allem aus Afrika. Sie selber verfügen weder über Gas noch über Erdöl.

Gas beziehen sie auch über Frankreich, das es seinerseits aus Rußland und der Nordsee einführt.

Die längste Zeit wurde Gas lediglich in Form von Gasflaschen verteilt, die in den Raffinerien der spanischen Erdölgesellschaft befüllt wurden, mit aus importiertem Erdöl erzeugten Bhutan- und Propangas. Für die meisten Haushalte Spaniens ist es nach wie vor die einzige Möglichkeit, an Gas zu kommen, hauptsächlich zum Betrieb von Gasherden. Nur in einigen Regionen wurden Gasleitungen verlegt, um auch Haushalte über Rohre versorgen zu können. Ansonsten wird das inzwischen importierte Erdgas für die Industrie bzw. in Gaskraftwerken für die Stromerzeugung verwendet. Ähnliches gilt für Portugal.

Die erste Gas-Pipeline wurde 1993 von der französischen Grenze durch Navarra gebaut. Die Maghreb-Europa-Pipeline von Algerien nach Spanien wurde 1996 fertiggestellt. 1998 wurde der spanische Energiemarkt gesetzlich neu reguliert und definiert, mit der Hoffnung, daß damit neue Energiequellen erschlossen werden sollten. .

2006 folgte eine weitere Gas-Pipeline aus Frankreich in das spanische Baskenland. Die Medgaz-Pipeline aus Algerien trat 2009-2011 in Betrieb. Die Maghreb-Europa-Pipeline geht jedoch über Marokko, das sich seinerzeit auch an dem Bau beteiligt hat und erreicht Spanien über die Straße von Gibraltar, wo sie in Córdoba mündet. Die Medgaz-Pipeline führt am Meeresboden direkt von Algerien nach Spanien und mündet an der Küste in Almería in die Erstauffangstation.

Ein weiteres Projekt der Verbindung mit Frankreich über Katalonien wurde auf Eis gelegt.

Seit dem Bau dieser Pipelines, also erst so richtig in diesem Millenium, wurde das Leitungsnetz in Spanien ausgebaut, das auch Portugal über die Grenzstationen Badajoz und Tuy versorgt. Spanien ist also ein Gas-Transit-Land, und Versorgungsengpässe in Spanien wirken sich auf Portugal aus.

Die Steigerung des Gasverbrauchs – und auch der Erdölprodukte – ist in dem Maße fortgeschritten, in dem die Kohleproduktion in Spanien schrittweise zurückgefahren und eingestellt wurde. Statt einem einheimischen Energieträger ist Spanien also mehr denn je auf Energieimport angewiesen.

„Spanien hat seit Montag eine Bezugsquelle weniger für das Erdgas, das es für Industrie, Heizung und vor allem für die Stromversorgung eines weitgehend von Gas- und Dampf-Turbinen-Anlagen abhängigen Stromnetzes benötigt. Die Entscheidung Algeriens, die Gaspipeline Maghreb-Europa zu schließen, die Marokko und 45 Kilometer des Mittelmeeres durchquert, um über Zahara de los Atunes (Cádiz) nach Spanien zu gelangen, wird Spanien zwingen, zur Abwehr von Engpässen die Einfuhren von Flüssiggas zu erhöhen. Noch vor wenigen Monaten wäre das relativ einfach und vor allem deutlich günstiger gewesen. Aber heute, da die wichtigsten Mächte der Welt um die Dienste von Flüssiggas-Tankern kämpfen, wird das Unternehmen komplizierter und deutlich teurer. Mehrere Experten schließen jedoch Abschaltungen im Winter kategorisch aus.“ (El País, 2.11.)

Na ja, wenn die Energie so teuer wird, daß sie sich kaum mehr wer leisten kann, so werden Abschaltungen in der Tat unwahrscheinlich.

Einer der Hintergründe ist, daß Algerien und Marokko wieder einmal über Kreuz sind und Algerien deshalb die Gaslieferungen eingestellt hat, da obendrein der Vertrag mit Spanien Ende Oktober ausgelaufen ist.

Algerien kann sein Gas auch nach Italien liefern, es ist auf den spanischen Abnehmer nicht angewiesen.

Spanien muß also jetzt Flüssiggas importieren, was nicht einfach ist:

„»Die Alternative besteht in mehr Schiffen, um dasselbe Gas aus Algerien selbst oder aus Amerika, dem Nahen Osten oder Nordeuropa zu transportieren«, sagt Pedro Mielgo, ehemaliger Präsident von Red Eléctrica de España (REE). »Aber das sollte kein Problem sein: 60 % des Gases, das wir verbrauchen, kommen über diese Route zu uns, es werden ständig Schiffe gemietet.«“ (ebd.)

Das heißt, daß die Pipelines sowieso nicht einmal die Hälfte des Bedarfes decken, und das Gas deshalb eine ziemlich teure Energieform ist, Tendenz steigend:

„Mit einem Nachteil: dass dieses Gas teurer ist als das, das per Gaspipeline transportiert wird. Und darüber hinaus wird Spanien mit einem sehr angespannten internationalen Markt zu kämpfen haben. Die Beförderung von Gas per Schiff und nicht per Rohr erfordert drei zusätzliche Kosten: Verflüssigung, Transport und Rückvergasung. »Und mit den jüngsten Engpässen werden wir den größten Anstieg beim Transport haben.«
Algerien hat sich verpflichtet, den Gastransit durch die andere Röhre, die Medgaz-Pipeline, zu erhöhen, die seine Förderfelder mit der Iberischen Halbinsel verbindet, durch den jährlich 8.000 Millionen Kubikmeter fließen. Aber auch nach Abschluss der laufenden Ausbauarbeiten – hoffentlich noch vor der härtesten Winterphase – könnte diese Infrastruktur maximal 10 Milliarden Kubikmeter transportieren, es würden also noch 4000 weitere fehlen zur Deckung des Bedarfs, für den Spanien mehr Gas auf dem Seeweg importieren muß.“ (ebd.)

Schlechte Zeiten: Der Engpaß im Energiesektor „hat nicht nur den Erdgaspreis in Europa verteuert – der heute viermal so hoch ist wie zu Jahresbeginn –, sondern auch die Frachtkosten explodieren lassen: Die über 600 Transportschiffe für Flüssiggas, sind bereits über ihre Kapazitäten vertraglich gebunden. So können sich die Transportkosten für Flüssiggas in heißen Phasen wie jetzt verdoppeln.“ (ebd.)

Die Energie-Experten beteuern, daß es genug Reserven gibt – das klingt nach Beschwichtigung, da das langjährige große Projekt Castor für einen submarinen Gasspeicher 2015 gescheitert ist und seither kein neues in Angriff genommen wurde.

Dazu gesellt sich ein sehr trockener Sommer, der die Stauseen zur Stromgewinnung auf ziemliche Niedrigstände hat fallen lassen, und auch da ist in nächster Zeit wenig Verbesserung zu erwarten. Die Solarindustrie ist sowieso – trotz hoher Investitionen – ein ziemlicher Flop, der der Subventionen bedarf.

All diese Probleme erhöhen sich noch in Portugal, das einen guten Teil seiner Energie aus oder über Spanien importiert und wo mit einem Benzinpreis von 2 Euro zu Jahresende gerechnet wird – mit den entsprechenden Folgen: Teuerung, Kaufkraftverlust, Rezession und Elend.

Die europäische Variante der Schuldenbegrenzung

NULLZINSEN UND SPARMASSNAHMEN

In Europa gibt es das Theater um Schuldenobergrenzen nicht. Da läuft das anders. Die EZB leert zwar in großen Mengen Geld in den Kreislauf, oftmals zu Null- und Negativzinsen, und oftmals, ohne daß das an die große Glocke gehängt wird. Welche Betriebe z.B. im Anleihen-Aufkauf-Programm der EZB sind, weiß niemand, aber man kann getrost annehmen, daß diverse große Player wie die Deutsche Bank oder andere nationale Flaggschiffe regelmäßig mit Geldspritzen bedacht werden, wenn es bei ihnen nicht so rund läuft.

Geht es jedoch um Staaten, die mit Schulden-Refinanzierung kämpften, so tritt die gestrenge Oberaufsicht in Brüssel auf den Plan. Da muß man dann jeden Cent umdrehen und schauen, ob damit nicht womöglich „Sozialzuckerl“ ausgeteilt werden oder „marode“ „Zombie“-Betriebe mit Kreditspritzen am Leben gehalten werden. Die Zombies gibt es nämlich nur auswärts, bei uns zuhause – sprich: Deutschland, Niederlande, Österreich, Skandinavien u.a. – wird nämlich solid gewirtschaftet!

Es hat sich also eine gewisse Kultur der verdeckten Subventionen neben einem „Was Jupiter erlaubt ist, darf der Ochse nicht“-Prinzip eingebürgert. Was sich die einen Staaten als selbstverständlich herausnehmen, wird bei den anderen als Unzulässigkeit gebrandmarkt.

Das alles neben der inzwischen mehr oder weniger eingebürgerten Nullzinspolitik, von der die EZB trotz steigender Inflation in den Eurostaaten und Händeringen ebendort nicht abgehen will.
Sie weiß schon, warum.
Zinserhöhungen für Anleihen aller Art würden unabsehbare Effekte für die Schuldenlast der Eurozone zur Folge haben. Es könnte sich herausstellen, daß viel mehr Staaten ihre Schuldenlast nicht mehr stemmen können, als bisher angenommen.

Diese Sparaufrufe gegenüber den Staaten Südeuropas erfolgen, obwohl sich vom Standpunkt der Schuldenlast durchaus positive Effekte der Nullzinspolitik zeigen. Die gleiche Zeitung, die leicht geschockt über die Fast-Bruchlandung des US-Haushalts berichtet, vermeldet nämlich:

„Spanien senkt Zinszahlungen trotz steigender Schulden
Das Budget für 2022 sieht eine Senkung der Finanzierungskosten um 1.500 Millionen vor. (…)
Wie sind solche Einsparungen möglich? Nun, dank der von der EZB getätigten Ankäufe von Staatsanleihen, die die Zinsen auf historisch niedrige Zinsen sinken lassen, sogar ins Negative. Unter diesen Marktbedingungen ist das spanische Finanzministerium in der Lage, seine Schulden zu deutlich geringeren Kosten zu refinanzieren und Einsparungen zu erzielen, selbst wenn die Schulden in einer Höhe gestiegen sind, die nur mit derjenigen der letzten Finanzkrise vergleichbar ist.“ (El País, 9.10.)

Aber die von Brüssel verordneten Sparprogramme haben einen durchaus beabsichtigten Effekt. Sie wirken ähnlich wie die IWF-Vorschriften für Lateinamerika und ähnliche IWF-geschädigte Weltgegenden: Sie helfen Produktion zu vernichten und damit einen Markt für diejenigen Betriebe und Standorte zu schaffen, wo der Schornstein noch raucht. Sie sind also ein Moment der inneren EU-Konkurrenz, wo man sich an gestrauchelten Partnerstaaten schadlos hält, um gescheiterte Exportprojekte zu kompensieren (Iran, Nordafrika, Naher Osten).

Wie ist der Ausblick für die nahe Zukunft?
Weiter wie bisher.