Pressespiegel El País, 22.12.: Kolumbien, bedeutender weltweiter Söldnerexporteur

„»DER EINZIGE SCHULDIGE DAFÜR, DASS SO VIELE INS AUSLAND GEHEN, IST DIE REGIERUNG, DIE DEM GLEICHGÜLTIG GEGENÜBERSTEHT«“

Eine eigenartige Schuldzuweisung: Gerade ein Subjekt, das nichts tut, soll für irgendeine Sache verantwortlich sein?
Man merkt an solchen Dummheiten, daß hier erstens die Regierung schlecht gemacht werden soll und zweitens die wirklichen Subjekte nicht gestört werden wollen.

„Tausende ehemalige Militärangehörige werden für große Summen angeheuert, um in Kriegen zu kämpfen oder als private Leibwächter im Ausland zu dienen. Das Netzwerk hinter diesem Geschäft befindet sich im Visier der kolumbianischen Behörden.

Yeison Sánchez war bereit zu sterben, als er seine Reise in die Ukraine antrat. Dieser 31-jährige ehemalige kolumbianische Soldat hatte eine Rückführungsversicherung abgeschlossen und seine Familie vor seinem möglichen tödlichen Schicksal im Krieg gegen die russische Invasion gewarnt.
Seine Hauptmotivation war Geld. Er sah sich auf TikTok Videos von Landsleuten an, die versprachen, dass er als Freiwilliger in der ukrainischen Armee 19 Millionen Pesos (etwa 4.300 US-Dollar) im Monat erhalten würde.“

TikTok hat sich also von einem zunächst bei Kindern beliebten sozialen Medium u.a. zu einer Rekrutierungsplattform für Kriege und Söldner gewandelt.

„So sparte er etwa 2.300 US-Dollar, um einen Flug von Bogotá nach Madrid zu nehmen, von dort aus einen weiteren nach Polen und schließlich auf dem Landweg in die Ukraine einzureisen, um sich an einem Konflikt im Ausland zu beteiligen.
Wie Sánchez, der im letzten Jahrzehnt als Wachmann und Krankenpfleger gearbeitet hatte,“

sehr breites Berufsprofil …

„hat der finanzielle Anreiz Tausende Kolumbianer dazu gedrängt, im Ausland zu kämpfen, in Ländern wie der Ukraine oder dem Sudan. Andere arbeiten lieber als Begleitpersonen oder Sicherheitskräfte in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Mexiko.

Ihre Fälle haben mehrere Gemeinsamkeiten: Es handelt sich um ehemalige Militärangehörige, die früh in den Ruhestand gehen“

– auch eine seltsame Formulierung.
Vermutlich handelt es sich um Berufssoldaten auf Zeit, deren Vertrag endet. Mit „Ruhestand“ hat das offensichtlich nichts zu tun, weil als Pension erhalten sie, wenn überhaupt, eine viel zu geringe, um davon existieren zu können:

„und kaum auf andere Aktivitäten als den Krieg vorbereitet sind. Als Veteranen erhalten sie vom kolumbianischen Staat ein kleines Ruhestandsgehalt, was Angebote, im Ausland bis zu 5x mehr zu verdienen, attraktiv macht.

In der Ukraine hielt Sánchez nicht lange durch. Nach sechs Monaten desertierte er, teils weil die tatsächliche Bezahlung weit unter den versprochenen 4.300 Dollar lag – »Ich fühlte mich betrogen« – teils weil er sich von seinen Vorgesetzten schlecht behandelt fühlte. »Wir blieben eingesperrt. Sie gingen im Morgengrauen mit uns raus, um Liegestütze zu machen, als Strafe dafür, dass einige Kameraden Spanisch mit den Einheimischen sprachen. Das war verboten. Ich habe ihnen gesagt, dass wir Freiwillige und keine Geiseln seien«, sagt er.“

Die Ukrainer wollen zwar Söldner, sie dürfen aber ihre Muttersprache nicht benutzen, zumindest im Gespräch mit Ukrainern?
Das weist auf ein grundlegendes Mißtrauen gegenüber diesen Leuten hin, die die ukrainische Armee zu jedem Zeitpunkt kontrollieren will.
Vermutlich ist davon vor allem Spanisch betroffen, weil Polnisch oder Englisch verstehen die Kommandeure eher.

„Mit ihm seien 40 Soldaten der Internationalen Legion gegangen, sagt er. Jetzt erwägt er mehrere Angebote, etwa nach Mexiko zu gehen, um mit den Kartellen zusammenzuarbeiten, oder »das Projekt« in Afrika, »das gerade viel Aufsehen erregt«.“

Was da wohl gemeint ist?!

„Das Interesse der Kolumbianer am Söldner- und Sicherheitsmarkt ist durchaus berechtigt. Kolumbien verfügt über eine der größten und am besten vorbereiteten Armeen der Welt. »Sie trainieren seit 60 Jahren nach der Doktrin der Aufstandsbekämpfung und kämpfen effektiv. Deshalb sind sie bei ausländischen Armeen und privaten Sicherheitsunternehmen so gefragt«, erklärt Laura Lizarazo, nationale Sicherheitsexpertin beim Beratungsunternehmen Control Risks. Seit dem Jahr 2000 wurde die Anwesenheit kolumbianischer Söldner in Dutzenden Ländern gemeldet, darunter Russland, Jemen, Libyen, Somalia und Afghanistan.

Der berüchtigtste Vorfall, an dem kolumbianische Söldner beteiligt waren, war die Ermordung des Präsidenten von Haiti, Jovenel Moïse, im Jahr 2021.
Aufgrund des Mordes sind in Port-au-Prince weiterhin 17 Kolumbianer inhaftiert. Mehrere behaupten, sie seien angeheuert worden, um den Präsidenten zu entführen und nicht, um ihn zu töten.
Zwei der Anführer der in den USA geplanten Operation wurden von Richtern in Florida zu lebenslanger Haft verurteilt. Für Gesprächsstoff sorgt auch der Fall zweier Söldner der ukrainischen Armee, die nach ihrer Auslieferung aus Venezuela in Russland inhaftiert sind.

»Wir sind wie Fußballspieler«

»Was mit Fußballern passiert, ist dasselbe wie mit dem Militär. Viele Headhunting-Unternehmen kommen nach Kolumbien, um sich Ihre Arbeit anzusehen und Ihnen ein Angebot zu unterbreiten.« So beschreibt Dante Hincapié, der 21 Jahre lang in der kolumbianischen Marine gedient hatte, die Rekrutierungsphase.
Obwohl er den Rang eines Unteroffizier-Kommandanten erreicht hatte, war ihm sein Ruhestandsgehalt zu wenig.
Aus diesem Grund verfiel er 2014 auf das Söldnergeschäft und heuerte in die VAE als Kommunikations-Kommandeur eines Bataillons der emiratischen Armee an, das ausschließlich aus Kolumbianern bestand.
»Wir waren etwa 2.000 Mann, das Unternehmen Global Security Services Group (GSSG) etwa 30 Soldaten pro Woche«, sagt er.“

Unklar. Ein Verb fehlt.
Wurden pro Woche 30 Neue angeworben oder arbeiteten sie in Schichten?

„Einige Zeit später, im Jahr 2018, kam er in den Jemen – »einer der schlimmsten Orte, an denen ich je war« –, um Schiffe aus Europa und den USA zu eskortieren, die den Golf von Aden durchquerten und häufig von Piraten angegriffen wurden.
In den 3 Jahren als Söldner verdiente er fast 70.000 Dollar, während die Summe seiner Ersparnisse und seines Ruhestandsgehalts bei der Marine gerade einmal 15.000 Dollar betrug.
Hincapié, der inzwischen 48 Jahre alt ist, gibt zu, dass einige Unternehmen die Lage ehemaliger Soldaten ausnutzen. Er verweist auf die Fälle Sudan und Haiti, behauptet jedoch, dass dies nicht die Regel sei: »Ich wurde nie zum Narren gehalten. Für viele abgerüstete Soldaten ist das eine Option.«“

Mit einem Wort, viel anderes bleibt ihnen nicht übrig, da sie nur das Kriegshandwerk gelernt haben.
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf das Ausbildungswesen in Kolumbien, wo Soldat bzw. Söldner offenbar der perspektivenreichste Beruf ist.

„Für ihn liegt »die Verantwortung für diese Entwicklung ausschließlich bei der Regierung. … Sie macht nichts, die Soldaten sind ihr egal.«“

Nun ja. Erst werden sie ja einmal angestellt, offenbar eine Art Arbeitsbeschaffungsprogramm der kolumbianischen Regierung.
Für die männliche Jugend gibt es anscheinend dank Land-Vertreibungen der indigenen Bevölkerung und mäßigen Job-Perspektiven in den Städten nur die Option, entweder beim Militär anzuheuern oder bei einer Drogen-Bande oder bei der Guerilla.
Also profiliert sich der Staat als Arbeitgeber und schickt sie nach ein paar Jahren mit etwas Almosen wieder weg.
Natürlich ist so eine Karriere dann vorgezeichnet.

„Und er scheut sich nicht, den kolumbianischen Staat zu kritisieren, weil er das Gefühl hat, dass das Militär schlecht gemacht wird: »Wir sind keine Terroristen. Soldat zu sein ist gleichbedeutend mit Tapferkeit.«“

Auch seltsam.
Erst werden sie angestellt und nachher schlecht gemacht?
Die Arbeitsmarktpolitik der kolumbianischen Regierung erscheint widersprüchlich, aber die Abwanderung als Söldner scheint beabsichtigt zu sein.

„Ein komplexes Unternehmensnetzwerk

Die Zunahme des Söldnertums, das große menschliche Verluste mit sich bringt – das Außenministerium schätzt, dass 300 Kolumbianer im Krieg in der Ukraine ums Leben kamen –,“

– will heißen, bisher

„hat die Regierung dazu veranlasst, ein Gesetz zum vollständigen Verbot dieser Tätigkeit – im Einklang mit einer UN-Konvention aus dem Jahr 1989 – einzuführen, da dadurch die Organisationen verboten werden, »die die pensionierten Soldaten instrumentalisieren«.”

Die kolumbianische Regierung rekrutiert also Soldaten auf Zeit, um sie von anderen Ttigkeiten fernzuhalten, und meint, daß das „Ruhestandsgehalt“ hoch genug sei, um sie ruhigzustellen – da täuscht sie sich offenbar.
Und jetzt hat sie das Problem des eigenartigen „Exports“, der von einigen Staaten der Welt genutzt, von anderen ungern gesehen wird.
Die kolumbianischen Söldner haben sich offensichtlich zu einem außenpolitischen Problem entwickelt.

Jovana Ranito, Präsidentin der Arbeitsgruppe der UNO für Söldnerwesen, begrüßt diese in Angriff genommene Maßnahme. »Die internationale Gesetzgebung ist der Ausgangspunkt, aber wenn sie nicht intern umgesetzt wird, ist es sehr schwierig, sie zur Bekämpfung dieses Phänomens anzuwenden«, erklärt er aus Genf.“

Ein Schicksal vieler UNO-Resolutionen und -Konventionen …

„Die Expertin hofft, daß die Länder, die dem Abkommen beitreten, ihrer Abteilung bei der UNO dabei helfen werden, die Personalvermittlungsunternehmen, den Hauptakteur auf diesem Markt, zu bekämpfen.
»Es gibt ein breites Spektrum an Unternehmen, die in unterschiedlichen Ländern und unter unterschiedlichen Namen registriert sind, und daher ist es schwierig, den Überblick zu behalten.«

Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stehen Länder des globalen Südens, die sich meist in einer fragilen Wirtschaftslage befinden und aus einer Konfliktsituation hervorgegangen sind.

In diesem Unternehmensnetzwerk ist Jaime Henao, ein 40-jähriger ehemaliger Sergeant der kolumbianischen Armee, seit mehr als einem Jahrzehnt beruflich tätig.

Er wurde von Blackwater – heute Academi, einem der größten privaten Sicherheitsunternehmen der Welt – ausgebildet und zusammen mit mehreren Dutzend Kolumbianern mitten im Krieg nach Afghanistan entsandt.
Dort arbeitete Henao als Wachmann im US-Konsulat in der Stadt Herat, dem Schauplatz eines Selbstmordanschlags der Taliban im September 2013. Nachdem sein Vertrag einige Monate nach dem Anschlag endete, kehrte er nach Kolumbien zurück und war dort weiterhin im privaten Sicherheitsgeschäft tätig.

Im Jahr 2021 erhielt er einen Anruf von der Firma A4SI, als Escort in Abu Dhabi, der Hauptstadt der VAE, zu dienen. »Sie boten mir einen Vertrag mit der Firma GSSG im Wert von 2.300 US-Dollar an. Wir waren 8 Kolumbianer und sie machten bis zum letzten Moment ein Geheimnis daraus, für wen ich zuständig sein würde“, sagt er. Sein Schützling war schließlich ein ehemaliger afghanischer Präsident, dem in den VAE Asyl gewährt wurde.“

Offenbar Aschraf Ghani, weil Karzai lebt nicht in den VAE.

„Das Unternehmen A4SI wurde 2017 von Omar Antonio Rodríguez Bedoya, einem ehemaligen kolumbianischen Armeeoffizier, gegründet, sein Betrieb wird jedoch jetzt von Álvaro Quijano, einem pensionierten Oberst derselben Truppe, geleitet.

Dieses Unternehmen ist in den Mittelpunkt des Interesses geraten, weil es mindestens 300 kolumbianische Söldner angeheuert hat, die in den Sudan geschickt wurden, um dort im Bürgerkrieg zu kämpfen.
Viele berichten, dass sie mit falschen Versprechungen dorthin gelockt worden seien, da sie davon ausgegangen seien, dass sie wie Henao als private Leibwächter in den Emiraten arbeiten würden.
Die in der Angelegenheit befragten Experten geben an, dass diese Täuschungen regelmäßig vorkommen, da die solchermaßen Rekrutierten, sobald sie in einem anderen Land eintreffen, ohne Sprachkenntnisse und ohne eigenes Geld vollständig diesen Unternehmen ausgeliefert sind.

Ein endloser Kreislauf

Die Söldnertätigkeit wird in naher Zukunft nicht aufhören, prognostiziert Alfonso Manzur, Gründer von Veterans for Colombia, einer Organisation, die die Rechte pensionierter Militärangehöriger schützt. Er versichert, dass es Tausende von Kolumbianern gibt, die in diesem Geschäft gearbeitet haben, und dass es aufgrund der wachsenden Nachfrage in Ländern wie der Ukraine und Mexiko, in denen Sicherheitsunternehmen nicht eingreifen, immer schwieriger wird, eine allgemeine Zählung vorzunehmen.“

Auch diese Formulierung ist unklar.
Offenbar gibt es keine legalen oder offiziellen Sicherheitsunternehmen, wie Academi usw., die sich in diese Hotspots begeben wollen, weshalb es mehr Bedarf auf dem grauen Markt gibt.

„»Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre wuchs die kolumbianische Armee um etwa 250.000 Mann, von denen viele derzeit aus dem Dienst ausscheiden.“

Damals wurden offenbar im Rahmen des Aussöhnungsprozesses viele Paramilitärs in die Reihen des offiziellen kolumbianischen Heeres aufgenommen, um ihnen eine berufliche Perspektive zu bieten – was natürlich den Staat einen Haufen Geld kostete und und noch immer kostet, weshalb die „Pensionen“ eher bescheiden ausfallen.

„Deshalb haben wir in den letzten Jahren weltweit eine Explosion kolumbianischer Söldner erlebt«, erklärt er. Auch er beschwert sich: Die Renten sind zu niedrig.
Doch Manzur warnt vor einem weiteren Problem. »Die verschiedenen kolumbianischen Regierungen haben keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um ehemalige Soldaten auf das zivile Leben vorzubereiten. Viele waren arme Menschen, die im Krieg ihren Lebensunterhalt fanden und wenn sie nicht umgeschult werden, in dieser Branche weitermachen werden.«
Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht die Schaffung von Reintegrationsprogrammen für Veteranen und eine Erhöhung ihrer wirtschaftlichen Unterstützung vor.“

Man merkt, daß das Problem von einer kolumbianischen Regierung an die nächste als heiße Kartoffel weitergegeben wurde.
Weil Ausbildung schön und gut, aber für welche Berufe eigentlich?

„Trotz dieser Maßnahmen geben die drei befragten Söldner – die alle diese Berufsbezeichnung akzeptieren – zu, dass sie es vorziehen, auf dem Söldner-Markt zu bleiben.

Sánchez, zurück in Medellín, sagt, er werde sich eine Weile ausruhen, aber das Geld »hält ihn in Bewegung«. Der Plan, der ihn am meisten überzeugt, ist, nach Mexiko zu gehen, wegen der Nähe zu Kolumbien und weil einige seiner Kollegen bereits dort sind.

Henao seinerseits zog es inzwischen nach Libyen, um dort als Militärausbilder zu arbeiten. Obwohl er nicht in direkte Konfrontationen verwickelt ist, verdient er bis zu 4.000 US-Dollar.“

Man fragt sich, wer dort sein Dienstgeber ist?
Die Regierung in Tripoli oder eine internationale Organisation?

Hincapié ist seit mehreren Jahren wirklich im Ruhestand, aber nie zu weit vom Geschäft entfernt und sagt, er sei jetzt ein Aktivist für die Rechte von Veteranen. »Einmal als Soldat auf die Fahne schwören, und man ist bis zum Ende seiner Tage Soldat«, sagt er.“

Die Fahne ist dann ganz wurscht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert