Pressespiegel El País, 28.7.: Rußland und Afrika

„PRIGOZHIN, EIN NOTWENDIGER BAUSTEIN IN PUTINS AFRIKAPOLITIK

Der russische Staatschef versucht auf einem Gipfel in Sankt Petersburg, bei dem Wagners Chef auftrat, afrikanische Länder zu betören
Wladimir Putin will Russland wirtschaftlich, politisch und kulturell zur führenden Weltmacht auf dem afrikanischen Kontinent machen.“

Das ist vermutlich etwas übertrieben.
Es ist sicher, daß Rußland sich stärker ins Spiel bringen und diesen Kontinent auf mehr Zusammenarbeit mit Rußland einschwören möchte. Aber sicher nicht zu Lasten Chinas, das dort sehr präsent ist, sondern in Zurückdrängung des westlichen Einflusses.

 „Der russische Präsident strebt außerdem danach, sein Land an wichtigen geografischen Punkten für eine neue geostrategische Konfiguration zu positionieren, die Moskau einen privilegierten Zugang zum Roten Meer, zum Persischen Golf und zum Indischen Ozean verschaffen würde.
Dies sind einige der Hauptlinien, die Putin in seiner Rede auf dem Russland-Afrika-Forum dargelegt hat, das von diesem Donnerstag (den 27.) an stattfinden und am Freitag (den 28.) in Sankt Petersburg enden wird.
Die Ziele, die Putin sich in Afrika setzt, lassen sich nur anhand der Ergebnisse beurteilen, doch schon heute lässt sich sagen, dass die ehrgeizigen Ziele des russischen Präsidenten im vorangegangenen Forum nicht der Realität entsprechen.
Putin sagte 2019 in Sotschi vor 45 afrikanischen Staats- und Regierungschefs, dass das Handelsvolumen Russlands mit diesem Kontinent im Jahr 2018 20 Milliarden Dollar betrug. Jetzt hat er in Sankt Petersburg versichert, dass das Handelsvolumen im Jahr 2022 18 Milliarden Dollar betragen habe. Das heißt, es wurde in fünf Jahren um 2.000 Millionen Dollar reduziert.
Putin betrachtete die Figur jedoch als Erfolg. »Dies ist eines der offensichtlichen Ergebnisse des Russland-Afrika-Gipfels in Sotschi«, sagte er in St. Petersburg.“

Nun ja. Rußland führt seit einem Jahr Krieg, was natürlich seine Exportkapazitäten etwas geschmälert haben dürfte. Wegen der Sanktionen wurde überhaupt der ganze Außenhandel umgestellt.
Angesichts dessen ist diese Zahl als Erfolg zu betrachten, weil der Rückgang hätte schlimmer ausfallen können.

„Die zentrale Rhetorik des Gipfels 2019 – des ersten seiner Art – war die Rückkehr der ehemaligen Sowjetunion (wiedergeboren durch Russland) nach Afrika in der Rolle einer befreienden, antikolonialen Macht und bereit, den neuen afrikanischen Staaten dabei zu helfen, sich in der Welt zu etablieren.
In dieser zweiten Ausgabe hat sich der Schwerpunkt geändert und Putin hat daran gearbeitet, zu zeigen, dass russisches Getreide (und nicht ukrainisches) Afrika vor einer Hungersnot retten kann.
Der Kremlchef war voller Versprechungen, darunter kostenlose Getreidelieferungen für Burkina Faso, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik. Zu seinen Betörungsplänen gehören Energieentwicklungsprojekte und die Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen durch große russische Unternehmen. Auch der Auf- und Ausbau der russischen Lehre sowie der technischen und militärischen Zusammenarbeit.“

Die Autorin bemüht sich, diese Projekte als reine Luftburgen erscheinen zu lassen.
Aber russische Medien weisen darauf hin, daß die SU ja tatsächlich seinerzeit Staudämme, Bergwerke usw. gebaut hat. Die Kapazitäten dafür hat Rußland. Die Finanzierung wäre noch zu klären, aber es gibt ja die BRICS-Entwicklungsbank.
Was die Getreidelieferungen betrifft, so muß lediglich die Logistik dafür hergestellt werden. Bisher versuchte Rußland, im Rahmen des Getreide-Deals Lockerungen im Zahlungsverkehr zu erreichen. Daraus wurde nichts. Jetzt muß das eben anders gelöst werden.
Es bleibt abzuwarten, wie Russlands Projekte in Afrika mit denen Chinas und des Westens konkurrieren.

„Am St. Petersburger Forum nimmt auch Jewgenij Prigozhin teil, der Architekt der Wagner-Söldnereinheiten, der seit Jahren eine fieberhafte wirtschaftliche und militärische Aktivität in Afrika betreibt. Prigozhin wurde in Begleitung des Vertreters der Zentralafrikanischen Republik fotografiert. Agentstvo, ein Social-Media-Kanal, analysierte das Foto, das offenbar auf den Stufen eines Hotels der Familie Prigozhins in St. Petersburg aufgenommen wurde. Das Treffen mit dem zentralafrikanischen Vertreter wurde vom Sender GreyZone bestätigt, der Wagners Informationen überträgt. Zuvor hatte Prigozhin in einem Interview mit afrikanischen Medien Gerüchte bestritten, dass Wagner Afrika verlassen würde.“

Damit sind alle Spekulationen über ein plötzliches Ende des Söldner-Chefs mehr oder weniger vom Tisch.

„Die Anwesenheit des als Kreml-Koch bekannten Mannes beim St. Petersburger Forum zeigt, dass er eine für die russische Politik in Afrika notwendige Persönlichkeit ist und dass sein praktischer Wert für Moskau seine Verantwortung für die Meuterei im vergangenen Juni bei weitem übertrifft. Die Meuterei hatte Putin in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu diesem Thema noch als „Verrat“ bezeichnet. Der Wert von Wagner wiegt offenbar auch mehr als das Leben von fünfzehn russischen Piloten und den abgeschossenen Flugzeugen, als sie über die Kolonnen der Meuterer flogen.
Prigozhin ist auch zu wichtig, als daß seine Methoden zur Aufrechterhaltung der Disziplin in seinen Reihen gegen ihn in Anschlag gebracht würden. Einer davon ist z.B. ein Hammerschlag auf den Schädel.

Der russische Staat finanziert Wagners Aktivitäten, wie Putin nach Jahren der Unklarheit zu diesem Thema einräumte,

– es war aber praktisch jedem bekannt –,

„obwohl der Anführer der Söldnerkompanie in afrikanischen Ländern bereits als Teil dieses Staates angesehen wurde.
Nach der Meuterei im Juni erklärte Außenminister Sergej Lawrow, dass neben der Firma Wagner auch die Regierungen der Zentralafrikanischen Republik und Malis »offizielle Regierungskontakte mit unseren Führern unterhalten«. Der Chef der russischen Diplomatie erinnerte daran, dass »mehrere hundert Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik als Ausbilder arbeiten«.
Verschiedene westliche Medien haben über Reisen russischer Beamter nach Mali berichtet, die als Versuch angesehen werden, die Lage im Land zu beruhigen.
Russland plant den Aufbau einer Basis für technische Hilfe für seine Schiffe vor der Küste Sudans“

– liegt im Augenblick auf Eis, aufgrund der dortigen Kämpfe –,

„und verfügt neben der kostenlosen Lieferung von Getreide an Somalia auch über eine intensive militärische und technische Zusammenarbeit mit Eritrea.

Zu den Projekten, die Russland näher an Afrika bringen sollen, gehört auch die Entwicklung des Eishockeys, ein Vorschlag, der vom stellvertretenden Chef des Moskauer Eishockeyverbandes, Boris Rotenberg kam. Er ist einer aus der Familie von Putins Jugendfreunden, die die Brücke über die Straße von Kertsch gebaut haben, die die Krim mit Russland verbindet.“

Aus klimatischen Gründen wird das möglicherweise nicht der Hit der Saison …

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Der österreichische Korrespondent in Moskau wies darauf hin, daß diesmal nur 17 afrikanische Staatschefs nach Moskau gekommen sind, zum Unterschied von 31 in Sotschi.

Wie die Offensive Rußlands in Afrika aufgenommen wird, ist also noch völlig offen.
Vor allem Südafrika macht sich für Rußland – und China – stark, in einem Versuch, mit deren Rückendeckung so etwas wie eine Führungsrolle auf dem afrikanischen Kontinent einzunehmen, was sicher auch auf Rivalitäten in Afrika stoßen wird.

Außerdem sind die Staaten Afrikas teilweise sehr hoch verschuldet, es ist unklar, wie diese Angelegenheit weitergehen wird. Viele Staaten Afrikas wurden bei Abstimmungen und Beschlüssen zum Ukraine-Krieg mit Drohungen über Kreditstopp seitens IWF und Weltbank unter Druck gesetzt.

15 Gedanken zu “Pressespiegel El País, 28.7.: Rußland und Afrika

  1. So, jetzt habe ich nachgeschaut.

    Anwesend sind die Präsidenten von:

    Ägypten
    Senegal
    Südafrika
    Eritrea
    Burkina Faso
    Simbabwe
    Mali
    Zentralafr. Rep.
    Burundi
    Uganda
    Kongo
    Libyen (!) – und zwar von der EU-gepäppelten Regierung in Tripoli
    Mosambik
    Kamerun
    Guinea-Bissau
    Komoren (insges. 16)

    sowie die Regierungschefs von:

    Algerien
    Äthiopien
    Tansania
    Marokko
    Mauretanien (insges. 5)

    In Form von Stellvertretern oder Ministern waren vertreten:

    Angola
    Benin
    Gabun
    Gambia
    Ghana
    Guinea-Conakry
    Dschibuti
    Sambia
    DemRep Kongo (ehemals Zaire)
    Elfenbeinküste
    Madagaskar
    Malawi
    Namibia
    Nigeria
    Ruanda
    Seychellen
    Somalia
    Sudan
    Südsudan
    Togo
    Tunesien
    Tschad
    Äquatorialguinea
    Swaziland (insges. 24)

    10 Staaten waren nicht vertreten.

    (Wikipedia, Gipfel Rußland-Afrika)

    Man sieht, wenn man sich nur auf die Präsidenten beschränkt, wird das Ausmaß der Beteiligung nicht sichtbar.

    Dergleichen Herunterspielen und Heruntermachen gehört jetzt zur Vorgangsweise der westlichen Medien, denen diese Offensive Rußlands gar nicht gefällt.

  2. Gegenüber den Überschriften diverser deutschsprachiger Zeitungen:

    „Afrikanische Staatschefs dringen bei Putin auf Ende des Ukraine-Kriegs“ (rnd, 28.7.), „Afrikanische Staaten fordern Russland zur Wiederaufnahme des Getreideabkommens auf“ (Standard, 28.7.), „Entwicklungsministerin: Schulze nennt Afrika-Gipfel »PR-Show Putins«“ (ZDF, 27.7.), „Zustrom zu Russland-Afrika-Gipfel ist enden wollend“ (Kleine Zeitung, 26.7.) und der ORF-Meldung von gestern in den Abendnachrichten, nach der „Afrikas Staaten lehnen Gratis-Getreidelieferungen ab“ – ist inzwischen die Hetz-Community schon etwas ausgenüchtert.

    „Putin kündigt beim Gipfeltreffen in St. Petersburg Militärabkommen mit 40 afrikanischen Ländern an“ (El País, 28.7., mit Berufung auf Agenturmeldungen. Es ist selten, daß bei einem Artikel in El País kein Autor genannt wird.)

    Ägypten hat die Wiederaufnahme des Getreideabkommens gefordert, und einige andere Staaten drangen auf Friedensverhandlungen.
    (Dazu muß man bemerken, daß Zelenskij vor einiger Zeit die Devise ausgegeben hat, daß alle Aufrufe zum Frieden die Forderung beinhalten müssen, daß Rußland sich von allen ukrainischen Gebieten einschließlich der Krim zurückziehen müsse. Damit wurde allen Friedensinitiativen eigentlich der Boden unter den Füßen entzogen.)

    Algerien ist etwas sauer auf Rußland, weil es wegen des Krieges einige vertraglich zugesagte Löschflugzeuge nicht bekommen hat, weil Rußland die Kapazitäten für deren Produktion derzeit nicht hat.

    Südafrika, Simbabwe, Eritrea und einige andere Staaten haben sich für weitere Kooperationen ausgesprochen. Das sind derzeit Rußlands wichtigste Fans in Afrika.

    Die „multipolare Ordnung“ kommt voran, inklusive Rivalitäten.
    Die umfassenden Waffenlieferungen Rußlands, die sicher keine Papiertiger sind, beunruhigen jedenfalls die westliche Welt.

  3. Der Putsch in Niger beunruhigt die Medien und die Politik.

    Erstens ist die alte Kolonial- und jetzige Ordnungsmacht Frankreich langsam überhaupt abgemeldet in Westafrika. Zweitens kann sie sich jetzt Sorgen machen wegen ihrer Uranminen, die dort mehr oder weniger von AREVA selbst betrieben werden.

    Man erfährt am Rande, daß bis vor nicht allzulanger Zeit dort irgendwelche Demokratien mit EU-Waffen abgesichert wurden.
    Inzwischen scheint es damit zumindest in Westafrika vorbei zu sein.

  4. Während Frankreich sich Sorgen um seinen Uran-Nachschub, führt eine Tochterfirma von Rosatom – Uranium One – in Namibia Probebohrungen durch. Namibia hat nämlich, so viel ist schon heraußen, die zweitgrößten Uranvorkommen der Welt, nach Kasachstan.

    Als nächstes planen sie dort den Bau von AKWs, weil Namibien bisher den größten Teil seiner Energie (Kohle, Strom) aus den Nachbarstaaten importiert.

    (Moszkvater, 26.7.)

  5. Waffen, Mineralien, Fehlinformationen …: die Eckpfeiler des russischen Einflusses in Afrika

    Russland ist der wichtigste Waffenexporteur des Kontinents und sein großes diplomatisches Gewicht wird in einigen Ländern durch das umstrittene Vorgehen der Söldner der Wagner-Gruppe noch verstärkt (…)

    Russland ist der wichtigste Waffenexporteur nach Afrika und unterhält enge Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern wie Südafrika, Sudan, Ägypten, Simbabwe und Mali. Das Interesse Moskaus an diesen Ländern ist mit dem Krieg in der Ukraine und der Isolationspolitik des Westens gestiegen, die dazu geführt hat, dass Moskau nach alternativen Einflussmöglichkeiten sucht.

    Die Neutralität, die die Hälfte der afrikanischen Nationen bei der ersten Abstimmung vor der UNO zur Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine an den Tag legte, zeigt die Stärke dieser Beziehungen. Afrika verfügt nicht nur über eine wachsende Bevölkerung, sondern ist auchFundstätte natürliche Ressourcen – wie malisches und burkinisches Gold oder Uran aus Niger.

    Russland versucht, eine gewisse Nostalgie gegenüber der Sowjetunion, die die afrikanischen Befreiungsbewegungen unterstützte, auszunutzen, um die USA und den Westen zu diskreditieren. (…)

    Das Wagner-Unternehmen … ist ein paramilitärischer Arm, mit dem der Kreml Einfluss sucht und befreundete Regime unterstützt, ohne sich dafür etwas vorwerfen zu lassen, da es sich offiziell um ein privates Unternehmen handelt, die praktisch in Russland legal nicht existierte.“

    Eben deshalb inzwischen in Weißrußland.

    „Das in mehrere afrikanische Länder exportierte Modell ist dasjenige, das in Syrien angewendet wurde: ein Schutzabkommen mit einer verbündeten Regierung im Austausch für deren Unterstützung für Russland. Weiters Einfluss, die Möglichkeit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und manchmal auch die Erlaubnis, das Territorium als Basis für Desinformationskampagnen gegen den Westen zu nutzen.“

    Hier bedarf es der Ausführung, wie das mit dem „Territorium“ in diesem Zusammenhang gemeint ist. Das Internet ist ja exterritorial.
    Es handelt sich offensichtlich um das Betreiben von Radiosendern, und das Einrichten von Firmen und Servern, um so etwas wie Russia Today für den afrikanischen Kontinent einzurichten.
    Allerdings scheint das auch teilweise von Prigozhins Firmennetzwerk betrieben zu werden.

    „Das beste Beispiel für diese Strategie ist die Zentralafrikanische Republik (ZAR).

    Im Jahr 2017 beantragte Russland bei der UNO eine Ausnahme von dem Waffenembargo, das 2013 gegen die ZAR verhängt worden war. Nach dessen Genehmigung“ (warum eigentlich?) „schickte Moskau Waffen und Personal, die als »5 militärische und 170 zivile Ausbilder« bezeichnet wurden, deren Zweck angeblich die Ausbildung von zentralafrikanischen Soldaten und  Polizisten wäre. Gleichzeitig wurden dort zwei russische Unternehmen registriert. Die erste, Lobaye Invest, erhielt vom zentralafrikanischen Präsidenten Faustin-Archange Touadéra eine Genehmigung zum Abbau von Gold und Diamanten. Die zweite, Sewa Security Services, ist als privates Sicherheitsunternehmen registriert. Es handelt sich um Wagners lokale Marke. Die Besitzer beider waren Frontmänner von Jevgenij Prigozhin.

    Während rund 2.000 Söldner im Land stationiert wurden und mit der Ausbeutung dieser Mineralien begonnen wurde, kaufte Lobaye Invest Artikel in zentralafrikanischen Medien, finanzierte einen Radiosender und drehte sogar einen Film. Die Botschaft bestand darin, die russische Präsenz zu preisen und westliche Länder, insbesondere Frankreich, zu verunglimpfen. Das Prigozhin-Unternehmensnetzwerk verfügt außerdem über verschiedene »Trollfarmen«, Zentren zur Verbreitung falscher Nachrichten in sozialen Netzwerken, in der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan.“

    Die Wagner-Söldner entziehen sich jeder Kontrolle, beklagt der Artikel, und morden, vergewaltigen usw. wie es ihnen paßt.
    Klagen, die über die französischen Truppen in Afrika nie zu hören waren. Ob das an ihrem vorbildlichen Benehmen gelegen ist?

    In welchen anderen afrikanischen Regionen haben Russland (und Wagner) noch an Bedeutung gewonnen?
    Nach Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan siedelte sich die Wagner-Gruppe in der Sahelzone an. Sie zog Russland wegen seiner Bodenschätze und seiner starken antifranzösischen Stimmung in dieser Region an, was zum Teil darauf zurückzuführen war, dass die französische Militäroperation Barchane die Dschihadisten nicht aufhalten konnte.“

    In den Sahel-Staaten gibt es sogar den Verdacht, daß Frankreich und andere westliche Staaten die Dschihadisten selbst finanzieren und sie den Vorwand darstellen, um militärisch präsent zu sein.
    Diese Gerüchte werden dadurch genährt, als der Dschihadismus im Sahel mit dem von Westen inszenierten Sturz Ghaddafis begann, nach dem eine Menge Dschihadisten und Waffen in den Sahel eindrang.
    Wer diese islamistischen Truppen heute finanziert, ist unklar.

    „Das Militär, das in den Jahren 2020 und 2022 zwei aufeinanderfolgende Putsche in Mali durchgeführt hatte, wandte sich mit der Bitte um militärische Unterstützung an Moskau. Während Russland ihnen Flugzeuge und Hubschrauber schickte, landeten 1400 Wagner-Söldner im Land. Die Barchane-Operation wurde 2022 eingestellt und Ende dieses Jahres wird es die Mission der UNO sein, die ihre Koffer packt.
    In Burkina Faso hat Ibrahim Touré, ebenfalls Putschist, die Beziehungen zu Russland gestärkt, das ihn mit reichlich Kriegsmaterial versorgt.“

    (El País, 29.7.)

    Was den Sudan betrifft, so hat Rußland derzeit  wahrscheinlich kein Militär stationiert, weil es sich in den dortigen Machtkampf nicht einzumischen gedenkt. Russische Politiker und auch Prigozhin warten ab, wie sich die Sache entwickelt.

  6. Der Putsch in Niger sorgt im französischen Atompark für Besorgnis

    Das afrikanische Land ist vor Kasachstan und Russland der Hauptlieferant des von der EU verbrauchten Urans. Frankreich ist der größte europäische Importeur dieses wichtigen Rohstoffs für die Atomenergie

    Frankreich sieht die fragile politische Lage in Niger nach dem Militärputsch letzte Woche beunruhigt. Nicht nur wegen seiner mehr als offensichtlichen historischen Verbindungen – die kolonialen Bindungen dauerten bis in die 1960er Jahre –, sondern auch wegen seiner engen wirtschaftlichen Verflechtungen.
    Die zweitgrößte europäische Macht ist nach Angaben der Weltbank nicht nur das Hauptziel nigerianischer Exporte, sondern diese konzentrieren sich insbesondere auf einen Rohstoff, Uran, der für den Betrieb seiner Kernkraftwerke unerlässlich ist. Die Kernenergie ist für Frankreich von entscheidender Bedeutung: Sie deckt allein etwa 70 % des jährlichen Stromverbrauchs des Landes.

    Angesichts dieser Sachlage ist die Besorgnis, die der »gefährliche« Aufstand gegen Präsident Mohamed Bazoum in den Worten von Präsident Emmanuel Macron hervorgerufen hat, mehr als verständlich. »Uran ist natürlich Teil der Rechnung. Deshalb beobachten wir sehr genau, was passiert«, bekannte Sylvain Maillard, der neue Chef von Macrons Partei (Renaissance) in der Nationalversammlung, am Donnerstag in Erklärungen gegenüber dem Fernsehsender France Info.

    Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und der Kernenergiebehörde (AEN, eine Organisation der OECD) verfügt Niger über die viertgrößten Reserven dieses Rohurans weltweit.“

    Laut Wikipedia handelt es sich aber dabei nur um diejenigen, die derzeit erschlossen sind. Stille Reserven gibt es auch in anderen Staaten.

    „Und es ist auch die Hauptquelle für den Uranverbrauch der EU, vor Kasachstan und Russland. Frankreich wiederum ist der größte europäische Importeur dieses Rohstoffs, der – sobald er behandelt und in Atombrennstoff umgewandelt wird – für den Betrieb seines riesigen Atomparks unerlässlich ist.

    Seit dem Militärputsch kam es nach Angaben der Agentur Reuters sowohl in Niger als auch im Rest der Sahelzone zu einer »Lawine antifranzösischer Rhetorik und Desinformation«. Die britische Nachrichtenagentur bringt diese Welle direkt mit Russland in Verbindung, das angeblich »den Zorn gegen Paris wegen seiner Aktivitäten in dem afrikanischen Land schüren will«.“

    Das ist offenbar auch nicht schwierig, die Franzosen dürften nicht sehr beliebt sein.

    „Der Vorwurf, Uran geplündert zu haben, um seine Kernreaktoren anzutreiben, ist eine der häufigsten Waffen dieser Strategie.
    Das französische öffentlich-private Unternehmen Orano, an dem der französische Staat 45 % des Kapitals hält und das einen Großteil der Uranlagerstätten im Norden des afrikanischen Landes betreibt, übt seine Tätigkeit jedoch vorerst weiterhin normal aus, ohne irgendwelche Störungen durch den Putsch. Nach seinen Angaben stammen 10% des von den französischen Atomkraftwerken verbrauchten Urans aus deren Minen im afrikanischen Land.“

    Wenn das stimmt, geht der größte Teil des nigerischen Urans an andere Staaten, oder aber es produziert sehr wenig. Aber die Zahl scheint untertrieben, weil woher bezöge Frankreich dann die restlichen 90%?

    „Die ersten Uranvorkommen in Niger wurden 1957 entdeckt. In den folgenden Jahrzehnten gerieten die riesigen Vorkommen des Niger in den Blickwinkel Frankreichs und anderer großer Atommächte wie China. Das Interesse an diesen Lagerstätten stieg vor 15 Jahren auch aufgrund des Preisanstiegs dieses Minerals auf den internationalen Märkten exponentiell an.

    Der „Russland-Faktor“

    Wachsende Zweifel an der unmittelbaren politischen Zukunft Nigers verstärken die vielen Unsicherheiten rund um Russland, ein weiteres wichtiges Land in der Uranlieferkette zu westlichen Kernkraftwerken.“

    A ja.
    Von Sanktionen auf diesem Gebiet hat man bisher nichts gehört, Rußland liefert also weiter Uran in die EU. Vermutlich auch nach Deutschland.

    „Die gute Nachricht sowohl für Frankreich als auch für die übrigen westlichen Länder, die sich der Atomenergie verschrieben haben (unter anderem die USA, das UK, die Tschechische Republik und Finnland), ist, dass die beiden Nationen mit den größten nachgewiesenen Reserven (Australien und Kanada) enge Verbündete sind.

    »Die Mehrheit der Länder mit Kernreaktoren sind auf importiertes Uran angewiesen«, räumt die Internationale Energieagentur (IEA, ebenfalls eine Organisation der OECD) in ihrer neuesten Studie zu dieser Technologie ein.
    Ohne auf ein bestimmtes Land hinzuweisen, ist es natürlich, dass ein großer Teil der Aufmerksamkeit auf Frankreich gerichtet ist, das Land in Europa, das bisher am stärksten auf die Atomenergie gesetzt hat und weiterhin setzt. Die Abhängigkeit ist 100%ig: Die letzte französische Uranmine wurde 2001 geschlossen.

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    Ein Angriff auf die Botschaft wurde verhindert

    Demonstranten, die den Militärputsch in Niger befürworteten, versuchten am Sonntag erfolglos, in die französische Botschaft in Niamey einzubrechen. Es gelang ihnen, unter Rufen gegen Frankreich und zugunsten Russlands und der Putschisten das Schild von der Tür abzureißen.
    Das Büro des französischen Präsidenten Emmanuel Macron antwortete mit einer Warnung: »Der Präsident wird keinen Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden« und erklärte, dass Paris auf jeden Angriff gegen seine Diplomaten, Streitkräfte oder Unternehmen reagieren werde.“

    Womit bzw. wie? fragt man sich. Erstens ist Frankreich offenbar in Westafrika ziemlich abgemeldet und zweitens braucht es das Uran.

    „Auch die Führer der Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft stellten den Putschisten gestern ein einwöchiges Ultimatum zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Ansonsten schließe man »die Anwendung von Gewalt« nicht aus, hieß es.“

    Diese Gemeinschaft, mit internationaler (englischer) Abkürzung ECOWAS, ist in Nachfolge der Kolonie Französisch-Westafrika entstanden. Mali wurde nach dem Putsch suspendiert. Burkina Faso hat ebenfalls kürzlich einen Putsch hinter sich.
    Es scheint so zu sein, daß Frankreich diese Regierungen zu einer Intervention drängen will, weil es sich wenig Chancen beim Einsatz eigener Streitkräfte ausrechnet.
    Angesichts wahrscheinlicher russischer Waffenhilfe für die Putschisten werden sich diese Nachbarstaaten einen Einsatz genau überlegen.

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    (El País, 31.7.)

  7. Luftgrenzen fast gänzlich wieder offen

    Unterdessen hat Niger die Land- und Luftgrenzen zu fünf Nachbarstaaten wieder geöffnet. Einer der Putschisten erklärte am Dienstag im nationalen Fernsehen, dass die Grenzen zu Algerien, Burkina Faso, Libyen, Mali und dem Tschad "ab heute" wieder offen seien. Alle Land- und Luftgrenzen des Landes waren am Abend des Putsches geschlossen worden. Zudem ernannte die Junta neue Gouverneure für die acht Regionen des Landes.

    Die Grenzen zu den Ecowas-Staaten Benin und Nigeria blieben zunächst jedoch geschlossen. Die westafrikanische Staatengemeinschaft hatte den Putschisten am Sonntag ein Ultimatum gestellt, mit dem sie die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger gefordert und mit einem gewaltsamen Eingreifen gedroht hatte.

    Eine nigerianisch geführte Delegation der Ecowas befindet sich derzeit in Niger, um mit den Putschisten zu verhandeln, sagte Abdel-Fatau Musah, Ecowas-Kommissar für politische Angelegenheiten, Frieden und Sicherheit, am Mittwoch. Alle Optionen seien auf dem Tisch, auch die militärische. Ein militärisches Eingreifen sei die letzte Möglichkeit, man sei aber auch darauf vorbereitet, sagte Musah in Nigerias Hauptstadt Abuja. "Wir müssen zeigen, dass wir nicht nur bellen, sondern auch beißen können."

    Am Sonntag läuft das Ultimatum der Ecowas aus, welche die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger gefordert und mit einem gewaltsamen Eingreifen gedroht hat. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Nigers Nachbarstaat Nigeria die Stromlieferungen an Niger über die Birnin-Kebbi-Übertragungsleitung gestoppt habe. Alle 15 Ecowas-Staaten stoppten einstweilen alle finanziellen Transaktionen und kommerzielle Flugverbindungen mit Niger.

    (Standard, 2.8.)

    In Afrika gibt es inzwischen auch eine gewisse Konkurrenz zwischen größeren und potenteren Staaten, wie Nigeria, Ägypten, Südafrika – jeder mit einer Rückendeckung durch irgendwelche wichtigen Mächte.

  8. Westafrika droht nach Putsch in Niger ein großer Krieg

    Das Ultimatum des Ecowas-Staatenbunds läuft in wenigen Tagen ab. Lenkt die Junta nicht ein, könnte es zur Eskalation kommen

    Showdown in der Sahelzone: Das diplomatische Tauziehen um den Militärputsch in Niger könnte sich bereits in den nächsten Tagen in einen blutigen Konflikt verwandeln. Gibt die nigrische Junta nicht bis Anfang nächster Woche ihre Macht wieder ab, wird dem Staatenbund Ecowas kaum etwas anderes übrigbleiben, als seine Drohung einer Intervention wahrzumachen – sonst verliert das Bündnis vollends seine Glaubwürdigkeit.

    Doch für den Fall eines ausländischen Einmarschs hat nicht nur die nigrische Junta einen "Krieg" angekündigt: Auch die drei anderen vom Militär regierten westafrikanischen Staaten Mali, Burkina Faso und Guinea wollen sich dann an die Seite der nigrischen Putschisten stellen.

    Neuer Auftrag für Wagner-Söldner?

    Die Folge könnte ein Regionalkrieg werden, wie ihn Westafrika noch nie erlebt hat: der "Erste Weltkrieg Westafrikas", wie Guineas Regierung sagt. Noch bleiben vier Tage, um die explosive Lage zu entschärfen – doch die Chancen dafür stehen schlecht, auch wenn Ecowas am Mittwoch eine Verhandlungsdelegation nach Niger entsandte. Und im Hintergrund lachen sich die russischen Wagner-Söldner ins Fäustchen: Sie rechnen damit, von Nigers Junta zu Hilfe gerufen zu werden.

    Womöglich hat Nigers Junta-Chef Abdourahamane Tiani die Stimmung falsch gedeutet. Nach den Staatsstreichen in Mali, Guinea und Burkina Faso hatte Ecowas lediglich obligatorische Strafmaßnahmen eingeleitet: deren Mitgliedschaft suspendiert und mehr oder weniger harte Sanktionen erlassen. Mit einem militärischen Eingriff wurde in keinem der Fälle gedroht.

    Neuer Ecowas-Vorsitzender

    Inzwischen hat sich jedoch etwas Wesentliches geändert: In Nigeria wurde Bola Tinubu Anfang dieses Jahres zum Präsidenten gewählt, der im Juli auch noch den Ecowas-Vorsitz übernahm. Der 71-jährige Politiker war in den 1990er-Jahren als Demokratie-Aktivist vom nigerianischen Militärdiktator Sani Abacha in den Kerker geworfen worden. Seitdem ist seine Sympathie für Putschisten begrenzt.

    "Es gibt keine gute Regierungsführung, keine Freiheit und keinen Rechtsstaat ohne Demokratie", sagte Tinubu schon vor dem jüngsten Coup in Niger: »Wir werden nicht akzeptieren, dass Westafrika einen Coup nach dem anderen erlebt.«

    Bei der Interventionsdrohung des nigerianischen Präsidenten handle es sich keineswegs nur um einen Bluff, ist Alex Vine, Afrika-Direktor der Londoner Denkfabrik Chatham House, überzeugt: »Tinubu ist allergisch gegen Putschisten.« Werde Nigers Militär nicht gestoppt, könnten sich immer mehr Generäle in Westafrika ermuntert fühlen, ihre Panzer vorfahren zu lassen.

    Als Grund für den Coup hatte Tiani eine sich verschlechternde Sicherheitslage und ökonomischen Stillstand angegeben. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er nur seiner Absetzung als Chef der Präsidentengarde durch Präsident Mohamed Bazoum zuvorkommen wollte. Jedenfalls hat sich die Lage sowohl in Mali als auch in Burkina Faso nach der Machtübernahme der Militärs gewaltig verschlechtert.

    Wenig Unterstützung

    Allerdings wird Tinubu unter seinen Ecowas-Kollegen womöglich keine aktiven Teilnehmer für eine Intervention finden. Vor allem die Staatschefs frankophoner Länder müssen befürchten, dass der Schuss für sie nach hinten losgeht und sich ihre Bevölkerung gegen eine Rehabilitierung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich wehrt. Denn Tiani wusste seinen Staatsstreich als antikolonialen Befreiungsschlag zu verbrämen – ein bewährter Trick afrikanischer Autokraten.

    Bazoum pflegte tatsächlich ein enges Verhältnis zu Paris: Er duldete als – beinahe – letzter Sahelstaat französische Soldaten im Land und belieferte französische Kernkraftwerke mit Uran. Vor zwei Tagen begann Frankreich damit, seine rund 600 Staatsbürgerinnen und -bürger außer Landes zu bringen.

    Ein italienischer Sonderflug beförderte 36 Italiener, 21 Amerikaner, vier Bulgaren und zwei Österreicher aus Niamey nach Rom. Zuvor war schon ein Österreicher in Sicherheit gebracht worden. Die rund 1.500 französischen, 1.100 amerikanischen und knapp 100 deutschen Soldaten bleiben dagegen vorerst im Land.

    Aber selbst wenn Nigeria keinen Partner findet, könnte die afrikanische Großmacht eine Intervention alleine stemmen. Ihre Armee verfügt über mehr als 230.000 Soldaten, die nigrische über 5.200. Allerdings hofft Tinubu wie der Rest der Ecowas-Staaten, dass ein Truppeneinmarsch im letzten Moment noch abgewendet wird: wenn sich die nigrische Armeeführung im letzten Moment wieder von General Tiani distanziert, dem sie nach dem Putsch nur zögerlich ihre Unterstützung zusprach.

    (Standard, 3.8.)

    Die Ausgangslage ist somit: Ein ehrgeiziger Staatsmann mit westlicher Rückendeckung und einer starken Armee, westliche Interventionstruppen und russische Söldner, die ihre Wichtigkeit für die russische Außenpolitik beweisen wollen.

  9. Nach uns der Flächenbrand

    Berlin, Paris und die EU unterstützen im Kampf gegen die Putschisten in Niger die ECOWAS, die mit einer militärischen Invasion droht. Niger ist letzter Stationierungsort der Bundeswehr im Sahel.

    Die westlichen Staaten, auch Deutschland, stärken im Kampf gegen die Putschisten in Niger dem westafrikanischen Zusammenschluss ECOWAS den Rücken, der mit einem militärischen Einmarsch in das Land droht. Die ECOWAS hat am Sonntag umfassende Sanktionen gegen Niger verhängt und eine bewaffnete Intervention für den Fall in Aussicht gestellt, dass sich die Putschisten nicht bis zum kommenden Wochenende zurückziehen. Die Gewaltdrohung erfolgt, obwohl Niger schon seit Jahren von jihadistischem Terror erschüttert wird und endgültig in blutigem Chaos zu versinken droht, sollten auch noch ECOWAS-Truppen gegen die nigrischen Streitkräfte in den Krieg ziehen.
    Beobachter mutmaßen, Paris könne der ECOWAS seine Luftwaffenbasis in Niamey zur Verfügung stellen. In Niger selbst protestiert die Bevölkerung mit den größten Demonstrationen seit langer Zeit gegen eine mögliche Militärintervention der ECOWAS. Die Bundesregierung sieht durch den Putsch den letzten Stationierungsort der Bundeswehr im Sahel bedroht und nimmt mit der Unterstützung für die ECOWAS in Kauf, dass deren Militärintervention den Sahel in einen beispiellosen Flächenbrand stürzt.

    (…)

    (German Foreign Policy, 2.8.)

  10. Eine Landkarte aus dem „Standard“, die die Wichtigkeit der angeblichen Demokratie im Niger unterstreichen soll.
    Obwohl aus der Graphik hervorgeht, daß bisher weder die nigrische Regierung noch die französischen Truppen etwas dagegen machen konnten oder wollten, daß Niger zu einem wichtigen Transitland für Migranten auf dem Weg nach Europa geworden ist, soll die Lage doch dafür sprechen, auf dem Staat die EU-Hand drauf zu haben.

    Daß Nigeria jetzt im Alleingang dort einmarschiert – aufgestachelt und assistiert von der EU – ist keine gute Perspektive.
    Und dann vielleicht noch ein Showdown mit der Wagner-Truppe …

    Auffällig ist das Schweigen der USA.

  11. US-Vizeaußenministerin Nuland zu Gesprächen mit Putschisten im Niger

    Victoria Nuland pocht auf eine Verhandlungslösung. Die Putschisten ernannten unterdessen einen neuen Premierminister

    Angesichts der drohenden militärischen Eskalation im Niger ist US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland überraschend in die Hauptstadt des westafrikanischen Landes gereist. Sie halte sich in Niamey auf, sagte Nuland am Montagabend in einem telefonischen Briefing. Sie sei mit Spitzenvertretern der Junta zusammengetroffen und habe "klargemacht, was in unserer Beziehung zum Niger auf dem Spiel steht". Die USA würden auf eine Verhandlungslösung im Niger drängen.

    Die Gespräche seien "außerordentlich offen und teilweise schwierig" gewesen, sagte Nuland. Sie sei mit der Armeeführung zusammengetroffen. Ein Treffen mit dem selbsterklärten Präsidenten Abdourahamane Tiani sei ihr aber ebenso verweigert worden wie eines mit dem abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum. Die Treffen hätten aber "die Tür geöffnet für weitere Gespräche". US-Außenminister Antony Blinken sagte dem französischen Senders RFI, Diplomatie sei der bevorzuge Weg, die Situation zu lösen. Das sei der Ansatz der Ecowas. "Das ist auch unser Ansatz", betonte Blinken.

    Ecowas-Ultimatum ausgelaufen

    Nulands Besuch erfolgte wenige Stunden nach dem Auslaufen eines Ultimatums der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas an die Putschisten, die verfassungsgemäße Ordnung wiederherzustellen. Die von Nigeria angeführte Staatengemeinschaft hatte mit einem militärischen Eingreifen gedroht, sollte die Junta der Forderung nicht nachkommen. Die Staats- und Regierungschefs der Ecowas-Staaten sollen nun am Donnerstag in Nigerias Hauptstadt Abuja zusammenkommen, um über die weiteren Schritte zu beraten.

    Die Junta hat die Unterstützung der Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso, deren Mitgliedschaft in der Ecowas suspendiert wurde. Der malische Außenminister Abdoulaye Diop warnte eindringlich vor einer Militäraktion der Ecowas zum Sturz der Putschisten. "Die militärische Gewalt, die in anderen (…) Ländern angewandt wurde, wir sehen die Ergebnisse – es ist eine Katastrophe", sagte Diop am Montag und verwies auf den Irak und Libyen. Auch Algerien hat sich klar gegen eine militärische Intervention im Niger ausgesprochen. Dagegen stellte sich die EU hinter Ecowas.

    Junta ernannte neuen Premierminister

    Unterdessen versuchen die Putschisten ihre Macht durch die Ernennung eines Ministerpräsidenten zu festigen. In einer am Montagabend im Fernsehen verlesenen Erklärung nannte ein Sprecher der Militärjunta den Ökonomen Ali Mahaman Lamine Zeine als neuen Premierminister. Lamine Zeine war früher mehrere Jahre im Kabinett des 2010 gestürzten Ex-Präsidenten Mamadou Tandja Wirtschafts- und Finanzminister und arbeitete zuletzt laut einem nigrischen Medienbericht als Ökonom für die Afrikanische Entwicklungsbank im Tschad.

    In dem Land mit rund 26 Millionen Einwohnern hatte Ende Juli das Militär den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum entmachtet und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Unter Bazoum war der Niger einer der letzten strategischen Partner des Westens im Kampf gegen den Vormarsch islamistischer Terroristen in der Sahelzone. 

    (Standard, 8.8.)

    Eine Konkurrenz zur EU und Rußland zeichnet sich hier ab.
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    Niger military deploys reinforcements to capital after ignoring deadline to cede power (…)

    (CNN, 7.8.)

  12. Uran aus dem Niger
    Hier braut sich das nächste Energieproblem für Europa zusammen

    Der französische Atomkonzern Orano besitzt drei riesige Uranminen im Niger. Darunter das zweitgrößte Vorkommen der Welt. Der Putsch im Land wird die Lieferungen nun wohl kappen. Satellitenbilder zeigen, was auf dem Spiel steht.

    Als sich Ende Juli in der Wüstenrepublik Niger das Militär an die Macht putschte, bescherte es auch der europäischen Energiewirtschaft ein neues Problem. Laut EU-Atombehörde Euratom stammte 2022 mehr als ein Viertel des in die EU importierten Urans aus dem afrikanischen Land. Europas Atomkraftwerke brauchen das spaltbare Metall als Brennstoff.

    (…)

    (Wirtschaftswoche, 5.8.)

  13. Paris sieht keine Befugnis:
    Niger-Junta weist Frankreichs Botschafter aus

    Die Junta im Niger hat den französischen Botschafter zum Verlassen des Landes aufgefordert. Aus dem Außenministerium in Paris hieß es, dazu seien die Putschisten nicht befugt.

    Die Militärjunta im Niger hat den französischen Botschafter Sylvain Itté des Landes verwiesen. In einer Mitteilung des nigrischen Außenministeriums hieß es, Itté habe 48 Stunden Zeit, das Land zu verlassen.

    Zuvor habe sich der Botschafter geweigert, einen Termin mit dem nigrischen Außenminister am Freitagvormittag wahrzunehmen. Bei dem Treffen hätte sich der Botschafter zu den "Handlungen der französischen Regierung, die den Interessen des Nigers zuwiderlaufen", rechtfertigen sollen.

    (…)

    (ZDF, 26.8.)

    Der Typ kann natürlich dortbleiben, aber auf eigenes Risiko. devil
    Es ist eigentlich verwunderlich daß er überhaupt noch dort ist.

  14. Der Abzug der Minusma aus Mali hat begonnen.

    Aus Ber und Goundam (in der Nähe von Timbuktu) zogen im Laufe des August Truppen aus Burkina Faso, Elfenbeinküste und Bangladesch ab, aus Ogossagou im Zentrum Senegalesen, und aus Ménaka sollen die dortigen Soldaten (?) bis Monatsende abmarschieren.

    Ihre Plätze nehmen jetzt maliensische Soldaten (und möglicherweise Wagner-Söldner) ein, was die Tuaregs im Norden stört, weil ihnen im Abkommen von Algier 2015 Autonomie und Regionalwahlen zugesagt wurden.
    Bei der Besetzung von Ber kam es daher zu Toten, als sich die Azawad-Gruppen der Tuaregs widersetzten.
    Außerdem haben Jihadisten in der Region das Sagen und haben Timbuktu und Umgebung sowie wichtige Straßen in der Region für Lebensmittellieferungen blockiert.

    (El País, 28.8.)

    Der Stützpunkt in Ménaka liegt nahe der Grenze zum Niger, also da kann auch noch einiges geschehen.

    Auch in Mali selbst scheint der Krieg wieder loszugehen.

  15. Eigentlich interessant, wie Afrika ganz aus den Nachrichten verschwunden ist:

    „Kein Kontakt mehr zum nigrischen Präsidenten Bazoum

    Die Putschisten lassen keinen Kontakt zum Staatsoberhaupt mehr zu und berichten von einem gescheiterten Fluchtversuch des 63-Jährigen

    (…)

    (Standard, 25.10.)

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