WER BLECHT FÜR ICESAVES AUSSENSTÄNDE?
Wenn es nach der isländischen Regierung geht, das dortige nationale WIR, also alle Isländer. Denen geht das aber bisher noch nicht ganz ein.
Die Online-Bank Icesave wurde 2006 von der zweitgrößten isländischen Bank, Landsbanki, gegründet. Es war eine Online-Bank, die im Grunde ähnliches machte wie Bernard Madoff, der dafür zu 150 Jahren Haft wegen Betruges verurteilt worden ist: Sie versprach höhere als die marktüblichen Zinsen und zog damit in Großbritannien vom Augenblick ihrer Gründung im Oktober 2006 bis zu ihrem Zusammenbruch zwei Jahre später Einlagen in der Höhe von 5 Milliarden Euro an. Vor allem Leute, die in private Altersvorsorge investierten, vertrauten ihr Geld Icesave an.
In den Niederlanden, wo Icesave nur ein halbes Jahr vor ihrem Zusammenbruch tätig wurde, schaffte die Bank es immerhin, auf 1,7 Milliarden Euro an Einlagen zu kommen. Das Geld verlieh sie offenbar weiter, an andere luftige Projekte des boomenden isländischen Kreditwesens, mit dem privater Konsum und Energiegewinnungs-Projekte ebenso finanziert wurden wie Wertpapiere, die die isländischen Banken schufen.
Als Icesave im Oktober 2008 zahlungsunfähig wurde, fand sich offenbar kein müder Cent mehr in ihren Kassen, und es scheint auch nicht gelungen zu sein, es woanders zu sichten. Die Einlagen der britischen und holländischen Bürger haben sich in Luft aufgelöst.
Großbritannien und Holland gaben den Einlegern ihr Geld aus der Staatskasse zurück und froren isländische Aktiva ein. Seither fordern sie von Island den Ersatz dieser Gelder.
Hier zeigt sich ein Ergebnis der Banken-Liberalisierung, die in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit vor sich gegangen ist und sich als der Wachstumsmotor schlechthin erwiesen hat. Eine isländische Bank kann im Ausland Leuten Geld aus der Tasche ziehen und das Blaue vom Himmel versprechen, ohne daß die isländische Bankenaufsicht nachschaut, ob sie auch die nötigen Rücklagen hat, um diese Versprechungen ordnungsgemäß und termingerecht einzulösen. Gleichzeitig bürgt aber die isländische Regierung über Einlagengarantien dafür, daß sie auch bedient werden.
Großbritannien wiederum erlaubt, daß eine solche Bank bei ihren Bürgern tätig wird, und die dortige Finanzaufsicht wundert sich nicht im Geringsten, daß diese isländische Minibank höhere Zinsen anbietet als sämtliche große britische Banken. Die Frage: Wie zahlt sie das, woher nimmt sie das Geld? hätte doch dem einen oder anderen Bankier oder Finanzbeamten kommen können.
(Bernard Madoff hat gemeint, von seinem Schwindel wußten viele, weil es könne nicht sein, daß niemand sich darüber Gedanken gemacht habe, woher er seine überdurchschnittlich hohen Zinsen zahlt … )
Jetzt ist das ganze schiefgegangen, und ähnlich wie in anderen europäischen Ländern eilt der Staat herbei, um seinen Banksektor zu stützen. Mit dem kleinen Unterschied, daß Island 318.000 Einwohner hat, und für die sind ein paar Milliarden Euro doch eine ziemliche Summe. (GB und die Niederlande haben ihre Forderungen inzwischen offiziell auf 3,9 Milliarden „reduziert“. Es ist aber gar nicht gesagt, daß es über Kleingedrucktes nicht noch mehr werden.) Und Icesave ist nicht die einzige Schuld – auch andere Banken haben Außenstände im Ausland, die dann, sobald das Icesave-Abkommen unter Dach und Fach ist, unauffällig auch noch dazu geschubst werden können.
Das erste Referendum zu der Frage, ob die isländische Bevölkerung für die Rückzahlung dieser Schuld geradesteht, fand im Dezember 2009 statt. Fast 90% der abgegebenen Stimmen stimmten damals für NEIN. Zu den beiden Volksabstimmungen, also auch zur jetzigen, kam es nur, weil der isländische Präsident sich jedesmal geweigert hat, das zwischen den Regierungen Islands und Großbritanniens bzw. der Niederlande bereits abgeschlossene Abkommen zu unterzeichnen. Er hält es für haarig, gegen den Willen der Bevölkerung eine solche Schuldentilgung durchzuführen. Es könnte ja sein, daß es zu Protesten kommt, die die Regierung hinwegfegen und das Abkommen ungültig machen. Bei den Dimensionen Islands ist das durchaus möglich.
Die jetzigen Bedingungen wären gewesen, daß Island diese Schuld bis 2046 mit 3 bzw. 3,3% Zinsen zurückzahlen müßte.
Diesmal haben nicht einmal 60% dagegen gestimmt, und ca 40% dafür. Das zeigt, daß sich bei den Isländern langsam „die Vernunft durchsetzt“, wie es bei Kommentatoren aller Art so schön heißt. Die isländische Regierung jammert zwar über den Ausgang, aber sieht insgeheim bereits Land – bei der nächsten Abstimmung kriegen wir sie dann herum!
(Man kennt das ja. Zeigt sich das liebe Volk unvernünftig, so stimmt man halt so lange ab, bis es zur Einsicht gekommen ist, und setzt dabei die geballte Propagandamaschinerie in Bewegung. Dänemark, Irland … )
Irgendwann muß Island nämlich diese Schuld übernehmen. Ansonsten ist es von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und kriegt nirgends mehr Kredit. Seine Währung ist dann auch nicht mehr konvertibel, und niemand investiert dort. Und für Autarkie ist die Insel aus Feuer und Eis ungeeignet …