Euro-Länder mit Schuldenproblemen

STAATSKREDIT ALS DAUERKRISE
Da ja auf der Welt derzeit einiges los ist, gerät die Eurozone ein bißl ins zweite Glied. Aber was ist eigentlich mit dem Euro los?
Während Portugal jetzt an der Frontlinie für eine Art Zwangsernährung steht, hört man von den zwei anderen bisher Gestrauchelten der Staatsschuldenkrise auch nichts Gutes: Griechenland besteuert zwar, was nur geht, und streicht Ausgaben, wo es nur kann – was ja zu seinen „Hausaufgaben“ gehört und in dem „Hilfspaket“ explizit vorgeschrieben war. Dadurch ist jedoch die Wirtschaftsleistung und der Konsum, wie nicht anders zu erwarten, deutlich zurückgegangen und Griechenland stellt fest, daß es seine Defizit-Ziele auch für 2010 nicht wird einhalten können.
Ähnlich mit Irland, wo die Regierung weiter Geld in den Banksektor pumpen muß, der sich mit Immobilienspekulationen so übernommen hat, daß dort offenbar weiterhin Not am Mann ist, und sie ungefähr noch einmal so viel brauchen wie Ende vorigen Jahres, als 25 Mrd. Euro fällig waren. Und es ist nicht garantiert, daß damit dann der Geldbedarf gedeckt ist. Man führe sich also vor Augen: Die irischen Banken haben jede Menge Hypothekarkredite vergeben und dadurch die Immobilienpreise in Irland in die Höhe getrieben. Dann ist die ganze Sache geplatzt, sie sind zum Staat gelaufen und haben sich ihre Verluste aus der Staatskasse irgendwie begleichen lassen, und die irische Regierung war auf einmal pleite und mußte zur EU gehen und sich dort Geld ausborgen. Angeblich hat sie auch eigene Euro-Banknoten gedruckt, aber das wurde nicht an die große Glocke gehängt. Das könnte den Euro in Mißkredit bringen. Aber auch ohne das: Der EU-Kredit wird also jetzt – in nicht geringem Maße – dafür strapaziert, um irischen Banken über ihre mißlungene Immobilienspekulation hinwegzuhelfen. Eine sehr vergangenheitsbezogene und wenig zukunftsreiche Perspektive.
In Portugal ist gar nicht viel schiefgegangen. Es hat allerdings auch wenig geklappt. Als Portugal 1986 der EG beitrat, wollte es sich als Billiglohnland attraktiv machen und darüber eine Industrialisierung hinkriegen, die bis dahin unterblieben war. Die Chancen standen gar nicht schlecht, aber dann kollabierte der Ostblock und auf einmal war Europa voll mit Billiglohnländern, die einander unterboten und auch etwas günstiger lagen als das doch etwas in Randlage befindliche Portugal. Dann wurde Portugals Infrastruktur mit jeder Menge EU-Förderungen aufgepäppelt, mit der allgemeinen und gern geglaubten Illusion, dann würden sich die Investoren schon einstellen. Um diese EU-Förderungen zu erhalten, muß ein Land aber immer auch einen gewissen Anteil an Eigenmitteln aufweisen. Diese wurden durch Staatsverschuldung aufgestellt. Die portugiesischen Regierungen haben wirklich nichts unterlassen, um sich in den Blickpunkt des Interesses zu begeben: Eine Weltausstellung in Lissabon 1998, eine Fußball-Europameisterschaft 2004 – alles Investitionen, die darauf abzielen, daß das Land vom Kapital entdeckt und aus seinem agrarischen Dornröschenschlaf wachgeküßt wird. Für den Ausbau des Tourismus wurde ebenfalls viel getan: fast die ganze Südküste ist eine einzige durchgehende Mauer aus Hotels, und im letzten Jahrzehnt setzte auch eine heftige Bautätigkeit ein, wobei niemand allzu genau nachschaute, woher das investierte Geld stammte.
Auch Portugals Zahlungsnöte waren schon voriges Jahr Thema. Jetzt steht jedoch das als „Umschuldung“ bezeichnete Ereignis vor der Tür, bei dem alte Staatsanleihen auslaufen – „abreifen“ – und ausgezahlt werden müssen. Und um die zu bezahlen, muß Portugal neue Anleihen ausgeben. Die werden aber von den Akteuren der Geldmärkte als so riskant eingestuft, daß sie immer höhere Zinsen versprechen müssen, um Käufer zu finden.
Als Retter in der Not präsentieren sich unter anderem Brasilien und China, die hier ihre Chance gekommen sehen, ihre Devisenreserven durch Euro-Anleihen aufzustocken, damit ihre Währungen zu stützen und sich gleichzeitig in der Eurozone breitzumachen.
Auch über den EU-Krisenfonds sollen von der EZB portugiesische Anleihen gekauft werden. Außerdem gibt die EU als politisches Statement die Garantie ab, daß portugiesische Anleihen weiter gültig bleiben, also bezahlt werden. Das heißt, genauso wie bei Griechenland und Irland, daß diese Papiere zeitlich bis ins Unendliche gestützt werden. Der EU-Kredit wird damit sozusagen unbegrenzt ausgeweitet. Das ist bedenklich, da der Trend in der Eurozone nach weiterer Zahlungsunfähigkeit aussieht, also immer weniger solvente Staaten mit immer weniger Produktion eine steigende Anzahl von zahlungsunfähigen Staaten stützen, und das innerhalb einer Währungszone, die sich einst angeschickt hatte, ihr Gemeinschaftsgeld zur Weltwährung Nr. 1 zu machen.
Den Währungshütern und Politikern derjenigen Euro-Staaten, die den Kredit gewähren, ist diese Spirale, auf die sich eingelassen haben, nicht entgangen. Deswegen haben sie sich für diese jeweiligen nationalen Rettungspakete Bedingungen hineingeschrieben, die bedeutende Eingriffe in die Fiskalpolitik eines Staates darstellen. Diese Staaten bzw. ihre Budgets sollen „gesundgeschrumpft“ werden, was sie zusehends als Märkte und überhaupt funktionierende Nationalökonomien in Frage stellt, da verringerten Ausgaben notgedrungen auch verringerte Einnahmen gegenüberstehen. Auch diese Maßnahme des Eingriffs in die Souveränität, so bitter sie für die Bevölkerung der betroffenen Staaten sein mag, ist kein Mittel zum Erreichen des angestrebten Zwecks, den Euro wieder solide zu machen. Es verhindert nur seinen Crash, oder schiebt ihn hinaus.
Und in der Warteschlage stehen schon die nächsten Kandidaten für Kredithilfe: Spanien hat angeblich uneinbringliche Hypothekarkredite, die die Höhe des jährlichen BIP überschreiten, einen Sparkassensektor, der bisher praktisch ohne Eigenkapital funktioniert, aber sich eifrig im Immobiliengeschäft herumgetrieben hat, und in den Kellern der spanischen Banken kugeln große Mengen portugiesischer Staatsanleihen herum.

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