Pressespiegel El País, 19.9.: Elon Musk, die ukrainische Armee und der Pentagon

STARLINK

Die Ukraine verläßt sich auf das Weiße Haus, um Elon Musk davon abzuhalten, die Verbindung seiner Satelliten zur ukrainischen Armee zu kappen

Die Kiewer Streitkräfte haben kaum Alternativen zum Kommunikationssystem SpaceX, einem Unternehmen, das einige Militäraktionen gegen Russland nicht zugelassen hat

Die Existenz der Ukraine hängt weitgehend von Elon Musk ab. Die von seiner Firma SpaceX bereitgestellte Satellitenverbindung sei »das Rückgrat der Kommunikation der ukrainischen Armee«. Diese Worte äußerte Musk selbst (…) diesen September auf einer Konferenz in Paris. Tausende Antennen seines satellitengestützten Datenübertragungsdienstes Starlink befinden sich in jeder ukrainischen Einheit an der Kriegsfront. Wenn diese nicht mehr funktionieren würden, würde die ukrainische Verteidigung zusammenbrechen.“

So ließe sich in der Tat dem Spuk geschwind ein Ende bereiten.

„Die Sicherheit“ (???) „des Landes hängt von Musks eigenen Plänen ab.  Er hat sich bereits öfter versöhnlich gegenüber Russland gezeigt. Er besitzt auch die Macht, die Internetverbindung von Starlink mit der Front einseitig zu kappen.
Kiew sucht nach Alternativen für seine militärische Kommunikation und hat bewiesen, dass sie über diese verfügen, erkennt aber an, dass es unmöglich ist, sich von Musk zu trennen.“

Also was jetzt? Haben sie andere Möglichkeiten oder brauchen sie Starlink?
Was ist eigentlich mit dem Pentagon? Hat er keine Satelliten oder will er die Ukraine nicht reinlassen?

„Ihre größte Hoffnung besteht darin, dass die Regierung der USA garantiert, dass SpaceX sie nicht im Stich lässt.“

Wie eigentlich?
Es ist schon eigenartig, daß die Weltmacht Nr. 1 ihren Verbündeten für derart grundlegende Funktionen von einem privaten Unternehmer betreuen läßt.

„In der Ukraine gibt es etwa 42.000 Starlink-Datenübertragungsterminals. Vor neun Monaten waren es 23.000, wie Michajlo Fedorov, Minister für digitale Transformation der Ukraine, bezifferte. Die meisten davon werden von der Armee eingesetzt.
»Starlink ist das Lebenselixier unserer militärischen Kommunikation«, sagte Fedorov im Juli gegenüber der New York Times. Die Terminals werden überwiegend von privaten Spendern erworben, aber auch von mit Kiew verbündeten Regierungen. Es gibt Foren in sozialen Netzwerken, die auf Tutorials zu ihrer Verwendung und auf die Länder spezialisiert sind, in denen man sie zum besten Preis kaufen kann. Wurde das Terminal beispielsweise in Spanien erworben, kann der Besitzer die Adresse in die Ukraine übertragen.“

Wenn Starlink auf einmal die Übertragung in die Ukraine abschaltet, so stehen diese ganzen Terminals ungenutzt herum, 42.000 Stück.
[Info: Das Starlink-Terminal ist eine kleine Flachantenne, die auf Dächern oder anderen Orten installiert wird. – Der größte Nachteil von Starlink sind die Kosten. Der Service ist nicht billig, da die aktuellen Kosten für ein Starlink-Terminal – einen Router und eine Antenne – auf etwa 500 US-Dollar zuzüglich einer monatlichen Gebühr von 99 US-Dollar geschätzt werden.]

„Starlink-Antennen werden an der Kriegsfront auf vielfältige Weise eingesetzt: Ein Abteilung kann sie zur Kommunikation mit der Familie nutzen, sich mit mobilen Anwendungen ablenken, – vor allem aber werden sie für Kriegszwecke eingesetzt.
Die Verbindung ermöglicht die gemeinsame Nutzung von Befehlen und der Position der feindlichen Koordinaten in den von der Armee genutzten Anwendungen; Die Antennen werden auch in Angriffstruppenfahrzeugen eingebaut, um mit dem Kommando zu kommunizieren, und vor allem werden die Empfänger in Angriffsdrohnen eingebaut, um die Verbindung mit dem Flugzeug über große Entfernungen aufrechtzuerhalten.

»Starlink war ein phänomenaler Gewinn für die Ukraine. Es ist leicht zu transportieren, im Rucksack, Fahrzeuge mit großen Antennen sind nicht mehr nötig«, erklärte der britische Luftmarschall John Stringer am 31. August in einem Dokument des RUSI – dem Referenzzentrum für Verteidigungsstudien des UK.
»Die Ukraine hat gezeigt, dass das, was bis vor ein paar Jahren nur für wenige [Länder] erreichbar war, jetzt für alle zugänglich sein kann, wenn es um militärische Ressourcen aus dem Weltraum geht, von Bildern bis hin zur Kommunikation«, bemerkte der hohe Offizier der britischen Luftwaffe.

Eine Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) vom September dieses Jahres betonte dasselbe: »Der schnelle Einsatz von Starlink-Terminals in der Ukraine zeigt die Vorteile kommerzieller Systeme im Vergleich zu militärischen. Sie sind im Vergleich zu Militär- und Regierungssatelliten günstig und lassen sich schneller herstellen und installieren.«
Der Preis für den Service beträgt beispielsweise in Spanien 65 Euro pro Monat, plus 450 Euro als Einmalzahlung für den Erwerb der Ausrüstung. In der Ukraine betragen die Kosten für die Ausrüstung 560 Euro, zusätzlich zu 70 Euro pro Monat.

Unterbrechung des Signals

Im letzten Jahr wurden jedoch Bedenken hinsichtlich der Gefahr geäußert, die Musk als »das Rückgrat« der Kommunikation der ukrainischen Armee darstellt.
Seit der Offensive im November 2022, die die halbe Provinz Cherson befreite, gab es Warnungen hochrangiger Beamter, dass die Starlink-Satellitenverbindung bei Offensivoperationen plötzlich ausfallen und das Leben von Soldaten gefährden würde.

SpaceX-Präsidentin Gwynne Shotwell bestätigte im vergangenen Februar, dass das Unternehmen über Mechanismen verfügt, um das Starlink-Signal zu unterbrechen.“
Shotwell betonte, dass Starlink »nie dafür gedacht war, als Waffe eingesetzt zu werden«:
»Es gibt Dinge, die wir tun können, um diesen Einsatz einzuschränken (…) und die wir getan haben.« Shotwell kritisierte insbesondere den Einsatz des Produkts zur Steuerung von Angriffsdrohnen.

Bei Kirilo Budanov, Generalkommandant des ukrainischen Geheimdienstes, traf dieser Hinweis am 9. September auf einer Konferenz in Kiew auf taube Ohren: »Starlink hat eine wesentliche Rolle gespielt und wird diese auch weiterhin spielen, insbesondere bei der Drohnenkommunikation.« Budanov sagte, er bezweifle, dass nur Musk die Entscheidung treffe, »einen Knopf zu drücken« und Starlink zu trennen.
Aber der Milliardär selbst bestätigte am 8. September auf X (ehemals Twitter), dem sozialen Netzwerk, dessen Eigentümer er ist, dass er mindestens einmal direkt eingegriffen habe.
Die ukrainische Regierung forderte Musk im September 2022 auf, die Verbindung ihrer Satelliten über der Krim zu aktivieren, um einen Drohnenangriff gegen die russische Flotte durchzuführen. Musk lehnte ab: »Wenn ich die Anfrage angenommen hätte, wäre SpaceX an einer großen Kriegshandlung und einer Eskalation des Konflikts beteiligt gewesen.«

SpaceX begann 2021 mit der Vermarktung des Starlink-Internetdienstes und erweiterte schrittweise die Länder, in denen er genutzt werden könnte. Im Februar 2022, als die Invasion der Ukraine begann, wendete Russland die Strategie an, die Telefonie in den besetzten Gebieten und an der Front abzuschneiden. Damals forderte Kiew Musk auf, den Starlink-Dienst in der Ukraine zu aktivieren, was er akzeptierte.
Musk und Shotwell haben bekräftigt, dass Starlink diesen Dienst für zivile Zwecke aktiviert hat, obwohl sie im Laufe der Zeit, wie sie öffentlich zugegeben haben, davon ausgegangen sind, dass er auch für militärische Kommunikation, jedoch nicht für Angriffsaktionen, genutzt werden könnte.“

Hmmm. Sie sind davon ausgegangen … er könnte genutzt werden … aber bitte doch nicht für Angriffe!
Man merkt, ganz angenehm ist Musk & Co. dieses Hineingezogenwerden in den Konflikt nicht.
Sie sind dadurch Parteigänger einer Seite und können von der anderen sowohl strafrechtlich belangt als auch Embargos unterworfen werden.

„Die Grenze zwischen dem, was erlaubt ist und was nicht, ist unklar. In der Starlink-Facebook-Gruppe gibt es mehrere Beispiele für die Ukraine. Dies ist eine der größten Communities in diesem sozialen Netzwerk, die sich der Beantwortung von Fragen und dem Erhalten von Terminals widmet.
In einem kürzlich erschienenen Kommentar erklärte ein Soldat eines Bataillons der Territorialverteidigungskräfte, dass er ein Terminal in Spanien erworben habe, bei der Übermittlung der neuen Adresse in die Ukraine jedoch angegeben habe, dass es sich um ein Terminal für um eine Militäreinheit handele. Daraufhin habe der Anbieter ihm mitgeteilt habe, dass die Lieferung storniert worden sei – mit der Begründung, daß im Vertrag mit Starlink festgelegt sei, dass die Nutzung nur zivilrechtlich erfolgen dürfe.
Andere Forumsmitglieder kritisierten den Soldaten dafür, zu viel Information preisgegeben zu haben.

»Nichts zu machen«

Musks Bestätigung, dass er einen Anschlag auf der Krim verhindert habe, löste eine heftige Debatte in der Facebook-Gruppe Starlink für die Ukraine aus.
»Es ist unmöglich, diesen Krieg mit den Waffen anderer Leute zu gewinnen«, sagte pessimistisch ein Offizier, der in den Streitkräften dient.“

Wenn man diese Aussage ernst nimmt, so hätte die Ukraine den Krieg nie beginnen dürfen.

„Dieser Soldat, der die Initialen S.D. hat, lieferte auch Informationen über den Betrieb einer der Ressourcen, die SpaceX zur Deaktivierung des Dienstes benötigt, Geofencing.
Das besteht darin, die Nutzung von Terminals in einem bestimmten Gebiet zu deaktivieren. »Dagegen kann man nichts machen«, erklärt S. D., »jedes Terminal hat seine IP-Adresse und ist mit seinem Standort verknüpft. Überschreitet das Gerät die Grenze des Gebietes, so wird es vom Netzwerk getrennt.«

Alternativen zu Starlink sind rar, aber es gibt sie, wie der Hauptmann der ukrainischen Streitkräfte Viktor Tregubov gegenüber EL PAÍS behauptet. Der Beweis dafür ist, dass es regelmäßig ukrainische Drohnenbombenangriffe auf russisches Territorium und auf der Krim gibt, Gebiete, in denen SpaceX nicht operiert.
Welche Technologie nutzt Kiew in diesen Fällen? Es ist ein Staatsgeheimnis. »Natürlich gibt es Alternativen, es gibt Projekte in den USA und der Ukraine, Regierungen verbündeter Länder könnten uns helfen«, sagt Tregubov, »aber ohne Starlink wäre alles viel schwieriger.«“

Mit einem Wort, der Pentagon und andere NATO-Militäreinrichtungen und deren Satelliten und Technologie können die Starlink-Übertragung nur ergänzen, aber nicht ersetzen.

„Es gibt zehn große kommerzielle Unternehmen“ (offensichtlich weltweit nur 10), „die Satelliteninternet anbieten, aber keines kann mit der Servicequalität, dem Preis und der massiven Nutzung von SpaceX mithalten.
Das schwedische Unternehmen Satcube hat dieses Jahr 100 Terminals seines Dienstes gespendet, auch für den Transport und die einfache Inbetriebnahme, aber die Größe des Unternehmens, das viel kleiner als SpaceX ist, macht es unrentabel, Starlink zu ersetzen.
Die größte Hoffnung besteht darin, daß die US-Regierung die Durchsetzung von Musks Vorstellungen zugunsten einer Beendigung des Krieges durch die Überlassung eines Teils der Ukraine an Russland verhindert.“

Auch interessant, wie ein privater Unternehmer über Krieg und Frieden entscheiden will – und vielleicht auch kann?
Man sieht hier, wie sich im Westen das private Kapital und die Staatsgewalten vom Standpunkt der Entscheidungen immer mehr annähern bzw. überschneiden.
Das ist das Ergebnis des Überlassens der Infrastruktur an das private Kapital, das die Staaten der westlichen Hemisphäre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die Wege geleitet haben.

„Der Gründer von SpaceX selbst hat zugegeben, unter der Last zu leiden, Kriegsakteur sein zu müssen.
Aus diesem Grund wurde Ende 2022 ein neuer Dienst namens Starshield geschaffen, der den Streitkräften der USA – und theoretisch auch denen anderer Regierungen – die Kontrolle über bestimmte Starlink-Satelliten und bestimmte Terminals ermöglicht.
Im Anschluss an diese Initiative hat das Pentagon laut der New York Times in diesem Jahr 500 Starlink-Terminals bereitgestellt, in die SpaceX nicht eingreifen kann.

Aber sowohl Tregubov als auch andere für diesen Artikel interviewte Soldaten haben Zweifel daran, das das klappt. Tregubov und ein hochrangiger Offizier einer Artilleriebrigade an der Front in der Provinz Donezk behaupten, dass mehrere Starlink-Terminals an der Front letzten Mittwoch in der Nacht für zwei Stunden den Betrieb eingestellt hätten, genau zu dem Zeitpunkt, als die ukrainischen Luftstreitkräfte einen Angriff auf die russische Flotte auf der Krim durchführten.
Sowohl die Pressestelle des ukrainischen Generalstabs als auch das Oberkommando der Südfront haben dieser Zeitung gegenüber bestritten, dass sie ein Problem festgestellt hätten, ukrainische Medien wie die Prawda veröffentlichten jedoch, dass es sich bei der Verbindung um einen weitreichenden Fehler handelte, einen Irrtum. Laut SpaceX wurde versichert, daß es sich um einen internationalen Ausfall auf mehreren Märkten gehandelt habe.

Alexander Rose ist Mitglied der Spezialeinheit Tora und dient an der Zaporozhje-Front. Starlink ist für Tora ein grundlegendes Werkzeug, das sie zur Steuerung ihrer Drohnen und sogar bei Angriffsoperationen auf russische Stellungen nutzen. »Ich bin davon überzeugt, dass die Regierung der USA Argumente hat, um Elon [Musk] zu überzeugen«, sagte Rose am vergangenen Donnerstag dieser Zeitung, wenige Tage nachdem US-Außenminister Antony Blinken in einem Interview im CNN betont hatte, dass seine Regierung »will und erwartet, dass diese Technologie für die Ukrainer weiterhin voll funktionsfähig bleibt.«
Rose weist darauf hin, dass sie immer über rudimentärere, aber sicherere Kommunikationssysteme verfügen werden, etwa Funksender oder Mobiltelefone, die ohne Dateninternet funktionieren – intelligente Mobiltelefone sind für den Feind leicht zu orten. »Wir haben acht Jahre lang ohne Starlink“ (im Donbass) „gegen Russland gekämpft«, fügt Tregubov hinzu, »und wir können es wieder tun.«“

Da setzte allerdings Rußland auch nicht sein Arsenal ein, sondern überließ es den Milizen der Donbass-Republiken, sich mit den ebenfalls eher milizartig organisierten ukrainischen Einheiten auseinanderzusetzen.

Neue Pinnwand: Ukraine – Kriegshandlungen und die festgefahrene Offensive

ABNUTZUNGSKRIEG? IM OSTEN WENIG NEUES …

Hier ist genug Platz für die Meldungen von der steckengebliebenen Offensive der Ukrainischen Streitkräfte, Siegesmeldungen aus westlichen Medien, Waffenlieferungen, die zugesagt werden, usw.

Oder aber, Bedenken von Thinktanks und YouTubern, halbherzige Rufer in der Wüste, Forderungen nach mehr und besseren Waffen von ukrainischer Seite, usw.

Pressespiegel El País, 7.9.: Rumänien und der Ukraine-Krieg

„RUMÄNIEN, DER STILLE VERBÜNDETE, DER NICHT IN DEN KRIEG IN DER UKRAINE HINEINGEZOGEN WERDEN WILL

Bukarest untersucht Überreste einer mutmaßlichen russischen Drohne, die auf seinem Territorium abgestürzt ist, versucht jedoch, nach den Angriffen nahe seiner Grenze einen vorsichtigen Ton gegenüber Moskau beizubehalten

Der Lärm von Flugabwehrsirenen, ein Nachthimmel voller Explosionen und riesige Feuerbälle, die plötzlich auf der ukrainischen Seite der Donau auftauchen, tun kund, daß nur wenige Meter von Rumänien entfernt eine tödliche Schlacht tobt.

Seit dem Scheitern des Abkommens im Juli, das der Ukraine erlaubte, ihr Getreide über das Schwarze Meer zu exportieren, hat die russische Armee die Bombardierung von Getreidesilos in den ukrainischen Häfen Ismail und Reni, die zur letzten Möglichkeit für den Transport übers Meer von Millionen Tonnen Getreide geworden sind, verstärkt. Diese Orte sind auch zu einem potenziell gefährlichen Szenario geworden, da sie direkt an der Grenze zu Rumänien, einem NATO-Mitgliedsland, liegen und daher unter dem Schutz des Bündnisses für die kollektive Sicherheit stehen.

Der jüngste Vorfall ereignete sich am frühen Montagmorgen. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums berichtete, dass ihnen ein Bild vorliegt, das die Explosion einer im Iran hergestellten Shahed-Drohne auf rumänischem Boden zeigt.“

Beachtlich, welche genaue Überwachung rumänischen Bodens der Ukraine zugänglich ist. Die Ukraine ist nicht in der NATO, und sie hat vermutlich keine eigenen Satelliten, die solche detaillierten Aufnahmen ermöglichen.
Die andere Möglichkeit ist, daß die Drohne von der Ukraine selbst dorthin geschossen und dabei aufgenommen wurde.

„Das rumänische Verteidigungsministerium gab schnell eine eigene Erklärung ab, in der es die Informationen kategorisch dementierte. Es war das zweite Mal in diesem Jahr, dass Bukarest eine Aussage dieses Kalibers gegenüber Kiew dementierte.

Das Beharren der Ukraine auf ihrer Aussage sorgte bei den rumänischen Politikern für Verärgerung: Sie wollen verhindern, daß ihr Land in den Propagandakrieg hineingezogen wird.“

Nicht nur in den Propaganda-, sondern vor allem in den tatsächlichen Krieg.

„»Es wurden Angriffe registriert, die nachweislich 800 Meter von unserer Grenze entfernt stattgefunden haben; mit anderen Worten: sehr nahe«, erklärte der rumänische Präsident Klaus Iohannis am Dienstag bei einem Besuch auf dem Militärstützpunkt Cincu im Zentrum des Landes. »Es gab keine Teile, keine Drohnen oder Komponenten eines anderen Geräts, die in Rumänien heruntergefallen sind. Wir haben die vollständige Kontrolle über unseren Luftraum«, sagte Iohannis, der besorgt war, dass die Bombenanschläge »so nah an der rumänischen Grenze« stattfanden.

Am Mittwoch schlug der rumänische Präsident jedoch andere Töne an. Er tat dies, nachdem Verteidigungsminister Angel Tilva dem rumänischen Sender Antena 3 bestätigt hatte, dass nach dem russischen Angriff »Stücke gefunden wurden, die Elemente einer Drohne sein könnten«.“

Vorher wurde die Verteidigungsministerin vorgeschickt, um alle Behauptungen der ukrainischen Seite kategorisch zu dementieren.

„Ein großes Gebiet wurde abgesperrt, die wenigen dort lebenden Bewohner jedoch nicht evakuiert, da man davon ausging, dass die gefundenen Überreste keine Bedrohung darstellten.

Tilva bemerkte außerdem, dass die gefundenen Stücke analysiert werden, um ihre Herkunft zu bestätigen.

Angesichts der Enthüllungen des Ministers forderte Iohannis noch am selben Nachmittag »eine dringende Untersuchung … Wenn bestätigt wird, dass diese Elemente von einer russischen Drohne stammen, wäre das völlig unzulässig, eine schwere Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Rumäniens, eines NATO-Verbündeten«, fügte der Präsident hinzu, der bekräftigte, dass das Land in höchster Alarmbereitschaft sei und die Überwachung seit Wochen verstärkt wird.“

Man merkt, in der rumänischen Führung gibt es unterschiedliche Sichtweisen, wie dieser Vorfall handzuhaben sei.

„Der Experte für den postsovjetischen Raum Armand Gosu hält es für möglich, dass eine Drohne den rumänischen Luftraum überquert hat oder in Zukunft durchqueren wird. Ein möglicher Einmarsch birgt das Risiko einer Aktivierung des Atlantischen Bündnisses. »Die Gefahr«, sagt dieser ehemalige BBC-Korrespondent in Moskau, »besteht darin, dass Russland die Grenzen des Erlaubten austesten kann.«“

Aus all den Dementis und sonstigen Aussagen geht nicht hervor, wie die Drohne nach Plauru gekommen ist: Wurde sie direkt dorthin geschossen? Wurde sie von einem ukrainischen oder rumänischen Abwehrsystem zu Fall gebracht und schlug deshalb in Rumänien ein?
Es gibt in Rumänien auch keine Einigkeit darüber, ob diese Drohne Sprengstoff transportiert habe oder lediglich eine Aufklärungsdrohne gewesen sei.

„Der NATO-Artikel 4

Sollte ein Angriff auf rumänischem Boden stattfinden, so wisse die Armee des Landes, was zu tun ist, sagen Quellen aus dem Verteidigungsministerium. Bukarest ist imstande, mit der Situation umzugehen, falls eine russische Drohne oder Rakete versehentlich abstürzt. Wäre dies der Fall und gäbe es keine verheerenden Auswirkungen, hätte Rumänien kein Interesse an einer Eskalation der Spannungen.

Bukarest kann jedoch die Anwendung von Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragen, wonach die Mitgliedstaaten des Bündnisses »gemeinsame Konsultationen abhalten, wann immer einer von ihnen der Ansicht ist, dass seine territoriale Integrität, Unabhängigkeit, Politik oder Sicherheit beeinträchtigt sind«.“

Die rumänische Führung behält sich sehr nachdrücklich die Entscheidung über weiteres Vorgehen vor, das haben verschiedene Politiker klargestellt. Daß die NATO entscheidet, wann in Rumänien Krieg ist, das will wirklich niemand in Rumänien.

„Rumänien ist zu einem wichtigen Verbündeten der Ukraine an der Ostflanke geworden.“

Es handelt sich um die Südflanke.

„Diese ist zu einem echten Flaschenhals für den Export unter anderem von ukrainischem Mais, Raps und Hirse geworden. Aber auch für den Transport von Waffen und Kriegsmaterial.“

Und nicht nur für den Transport, sondern auch den Einsatz derselben.
Vor allem deshalb hat Rußland das Getreideabkommen aufgekündigt. Die Wasserdrohnen gegen die Krim-Brücke wurden von Schiffen aus dem Getreidekorridor abgeschickt. Vom Festland her wäre die Strecke zu weit gewesen.

„Der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu erklärte im August nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Denis Shmyhal, dass er wolle, daß 60 % des Getreidetransports des Nachbarlandes über Rumänien laufen würden. Ciolacu kündigte an, daß dafür die Kapazität des Hafens von Constanța am Schwarzen Meer und anderen Routen verdoppelt werde, um vier Millionen Tonnen pro Monat verschiffen zu können. »Wir investieren in den Sulina-Kanal«, sagte der rumänische Premierminister und bezog sich dabei auf Rumäniens wichtigste Wasserstraße, die durch das Donaudelta verläuft.“

Das ist nicht richtig. Die „Wasserstraße“, auf die sich der Autor des Artikels bezieht, ist der Sulina-Arm, der mittlere der drei Arme des Donaudeltas.
Ciolacu bezog sich aber vermutlich auf den Kanal Meile 35, der den Kilia- und den Sulina-Arm (genaugenommen über den 3., den St. Georgs-Arm) verbindet und kurz hinter Ismail flußabwärts in den Kilia-Arm mündet. Dieser Kanal wird derzeit vermutlich erweitert und vertieft, um größere Schiffe aufnehmen zu können, da er bisher nicht so intensiv genutzt wurde.
Bis dahin und nach Constanța muß das Getreide jedoch zuerst einmal kommen, und deswegen staut es sich in den ukrainischen Donauhäfen, die von Rußland bombardiert werden.
Es mag sein, daß der Getreideexport dabei behindert werden soll.
Aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß diese Häfen eben in der umgekehrten Richtung für Waffenimporte genutzt werden.
Die Getreidelaster kommen mit Getreide in Reni und Ismail an – fahren sie leer zurück?

„»Bukarest hat enorme Anstrengungen unternommen, um den Export von Getreide aus der Ukraine zu erleichtern«, erklärt Mihai Isac, Experte für internationale Beziehungen, »einschließlich der Modernisierung einiger Eisenbahnlinien in ursprünglich sowjetischer Breitspur, wie der Strecke zwischen Reni (Ukraine), Giurgiulesti (Moldawien) und Galați (Rumänien)«.“

Vor dem Krieg war dort nämlich tote Hose, die Strecke wurde kaum genutzt.

„»Auch die Umsetzung von Sanierungsprojekten des Sulina-Kanals wird beschleunigt, wodurch ab Oktober auch die Nachtschifffahrt möglich ist. Und Kiew kann den Bystre-Kanal ausbaggern, der im Schutzgebiet des Donaudeltas liegt«, fügte der Experte hinzu.“

Dagegen hatte sich Rumänien lange gesträubt und ökologische Gründe vorgeschoben, um sich das Monopol des Zugangs der Donau zum Schwarzen Meer zu erhalten.
Die Ukraine hat jedoch angeblich bereits gehandelt und den Kanal ausgebaggert, nach eigenen Angaben von 3,90 m auf 6,50 m Tiefe. (Wikipedia, Bystre Kanal)

„Wenn größere Schiffe die Donau befahren könnte, so würde das bedeuten, daß die Ukraine die Getreidespeicher weniger in Anspruch nehmen müßte, was die Wahrscheinlichkeit verringern würde, dass sie das Ziel russischer Angriffe wären.“

Das natürlich nur unter der Voraussetzung, daß sich sonst nichts dort befindet, wie z.B. Waffen und Munition

„Der Getreidetransit aus der Ukraine hat jedoch das Misstrauen der rumänischen Landwirte geweckt,“

– eine komische Art, auszudrücken, daß die ukrainische Importkonkurrenz die rumänischen Landwirte zu Widerstand angeregt hat.
Es war eben teilweise kein Transit, sondern das Getreide blieb dort liegen, in rumänischen Getreidespeichern –

„die die Bukarester Behörden gezwungen haben, finanzielle Unterstützung von der EU zu beantragen, um sie zu entschädigen.
Trotz der Spannungen zwischen den beiden Ländern und der Lage der rumänischen ethnischen Minderheit in der Ukraine“

– die – wie alle anderen Minderheiten auch – ebenfalls im Visier der ukrainischen Nations-Schöpfer bzw. Banderisten sind, weil sie eben keine Ukrainer sind –

„trug Bukarest seit Beginn der russischen Invasion massiv zur Unterstützung Kiews bei. Mehr als eine Million ukrainische Flüchtlinge sind durch Rumänien gereist. Hunderttausende sind geblieben. »Neben der ständigen politischen Unterstützung hat Rumänien die Ukraine auch mit Waffen und Artillerie sowjetischer Produktion und Munition für leichte Waffen beliefert«, erklärt Isac.

Die rumänische Regierung hat nicht öffentlich über die Militärhilfe für Kiew gesprochen. Ciolacu brachte jedoch zum Ausdruck, dass seine Partner wüssten, daß Bukarest weit mehr als humanitäre Hilfe und logistische Unterstützung biete.

Das Land wird sich auch an der Ausbildung ukrainischer Piloten für das Kampfflugzeug F-16 beteiligen und wartet auf die erforderlichen Dokumente, um den Beginn der Ausbildung zu genehmigen. »Ich hoffe, in den kommenden Tagen die erforderlichen Dokumente (für die Pilotenausbildung) unterzeichnen zu können. Es ist das letzte Hindernis, das noch zu überwinden ist«, erklärte der Premierminister.

Weiters gelangte ein Teil des von Bulgarien, der Türkei und anderen Staaten an die Ukraine gelieferten Militärmaterials über rumänisches Territorium.“

Es ist also eher Rumänien, das ausreizt, an welche Grenzen es gehen kann, ohne von Rußland als direkter Kriegsgegner wahrgenommen zu werden.

„»Nächstes Jahr sind in Rumänien eine Reihe von Wahlen (Präsidentschaftswahlen, Europawahlen, Kommunalwahlen und Parlamentswahlen) angesagt, die die Beziehungen zwischen Rumänien und der Ukraine prägen werden«, betont der Experte für internationale Beziehungen. »Die ultranationalistische Kraft Alianza para la Unión de los Rumanos (AUR, was auf Rumänisch Gold bedeutet) nutzt die schwierige Wirtschaftslage bei Wahlen aus und fordert die Einschränkung der Unterstützung für die Ukraine, während die sozialen Netzwerke von extremistischen Medien genutzt werden, um ihr eigenes Image zu stärken und mit Fake News und anderen konspirativen Theorien überschwemmt werden. “, fügte er hinzu. »Rumänien«, so Isac abschließend, »steht an der Front des hybriden Krieges, den die Russische Föderation gegen die EU und die NATO begonnen hat.«“

Das alles weist darauf hin, daß die Unterstützung der Ukraine und die Gegnerschaft zu Rußland in Rumänien gar nicht populär sind, sodaß dieses rumänische Pedant der AfD gute Chancen hat.

„Nebenbei sind verschiedene Konflikte zwischen Bukarest und Kiew zu lösen, einschließlich der Anerkennung der Existenz der moldauischen Sprache durch die Ukraine (…), obwohl Moldawien ohne Vorbehalte die territorialen Integrität und Souveränität des Nachbarlandes unterstützt.“

Mit der Anerkennung von Moldawisch als eigener Sprache würde nämlich noch eine neue offizielle Minderheit in der Ukraine geschaffen. Bisher wurden die ukrainischen Bürger mit moldawischer Muttersprache entweder der rumänischen Minderheit zugeschlagen oder als Ukrainer definiert.

„(Rumänien) hilft auch indirekt der Ukraine durch die wirtschaftliche und politische Unterstützung, die Moldawien gewährt wird“, sagte Isac, »mit dem Ziel, zu verhindern, daß pro-russische Politiker an die Macht kommen.«“

Rumänien stützt also die Regierung von Maia Sandu, obwohl auch in Moldawien die Bevölkerung eher gegen die NATO und deren Politik eingestellt ist und viele zur rußlandfreundlichen Partei Schor oder dem Vorgänger Sandus, Dodon, neigen.