Pinnwand zu heißen Themen

IMPERIALISMUS, NATIONALISMUS UND PROPAGANDA RUND UM DEN UKRAINE-KRIEG

Es ist wieder einmal nötig, zu diesen Themen eine Pinnwand zu erstellen, da es offenbar viel Interesse daran gibt und auch genug Material.

Ich werde mich hier wenig einbringen, aber ich bin überzeugt, andere werden das schon übernehmen.

Vor allem, da der Blog von Neo jetzt verschwunden ist, bleibt sein Fanclub offenbar mir. 🙂

Was hat Rußland in der Ukraine eigentlich vor?

UNKLARES KRIEGSZIEL

Putin hat in seiner Rede vom 24. Februar das Ziel seines Einmarsches angegeben:

„Russland kann sich unter der Bedrohung durch die moderne Ukraine nicht sicher fühlen. Die Umstände erfordern entschlossenes Handeln. Die Volksrepubliken Donbass baten um Hilfe. (…)
Und dafür werden wir die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine anstreben. Sowie diejenigen vor Gericht zu bringen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen Zivilisten begangen haben, darunter Bürger der Russischen Föderation. Gleichzeitig beinhalten unsere Pläne nicht die Besetzung ukrainischer Gebiete.“

Das ist im Grunde ein widersprüchliches Unterfangen. Man muß sich vor Augen halten, was die angestrebte „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ bedeuten würde, nämlich das Auswechseln der gesamten Verwaltung, des Sicherheitsapparates, der Militärführung usw. usf., was ohne Besatzung gar nicht zu machen wäre. Ein Land von der Ausdehnung der Ukraine dauerhaft zu besetzen, liegt jedoch aus verschiedenen Gründen außerhalb der Möglichkeiten Rußlands.
Als Putin diese Kriegsziele formulierte, ging er offenbar davon aus, daß die „gute“ Bevölkerung der Ukraine von einer „bösen“ Nazi-Clique beherrscht wird(*1), die sie lieber heute als morgen abschütteln würde, und deshalb die russische Armee als Befreier betrachten würde.
Da hat aber der FSB sehr schlecht gearbeitet, wenn er dem Chef dieses Bild vermittelt hat. Und einiges an Wunschdenken dürfte hier auch unterwegs gewesen sein, aber auch die realsozialistische Erziehung, die immer von einer guten, aber verführten Bevölkerung ausging, einem klassenbwußten Proletariat, das von bösen Führern fehlgeleitet wurde und wird. Und natürlich, Verrätern und 5. Kolonnen im eigenen Land, die es zu vernichten gilt.

Bald zwei Monate und gewaltige Zerstörungen und viele Tote später dürfte sich herausgestellt haben, daß dieses Kriegsziel nicht zu erreichen sein wird, weil es auf falschen Voraussetzungen beruht hat.

Seither toben offenbar Kämpfe innerhalb des Kreml, was mit dieser „Spezialoperation“ eigentlich zustande kommen soll?

Die russische Führung muß sich nämlich darüber im Klaren sein, daß erobertes Gebiet so aussehen wird wie Mariupol, d.h. einiges an Wiederaufbau nötig sein wird, falls sich die russische Macht dauerhaft dort festsetzen wird.
Sie muß sich ebenfalls darüber im Klaren sein, daß alle Gebiete, aus denen es sich zurückzieht, von den ukrainischen Streitkräften einer Säuberung unterzogen wird, wo dortige Verräter und 5. Kolonnen ausfindig gemacht, und vertrieben oder liquidiert werden.

Man erinnere sich an die Jugoslawienkriege und die bis damals größte Vertreibungsaktion seit 1945, die 200.000 Vertriebenen aus der Krajna.

Alle Gebiete, die Rußland erobert und aus denen es sich nachher wieder zurückzieht, würden also weitere Flüchtlingswellen zur Folge haben. Bereits jetzt ist nach russischen Angaben mehr als eine halbe Million Menschen nach Rußland geflüchtet, oder mußte aus zerstörten Gebieten nach Rußland evakuiert werden.

Weiters muß sich die russische Führung in Betracht ziehen, daß der Westen nie die Eroberung von Odessa zulassen würde, weil dieser Hafen das einzige Ausfallstor für die inzwischen sehr beträchtliche landwirtschaftliche Produktion der Ukraine ist. Durch Land-Grabbing und Investitionen von europäischem Agrarkapital hat sich hier eine sehr profitable Geschäftsshäre entwickelt, die die ganze Welt mit Nahrungsmitteln versorgt. Odessa hat dadurch die Rolle zurückerhalten, die es in zaristischen Zeiten gespielt hat.
Da es eine mehrheitlich russisch bewohnte Stadt ist, ist im Falle eines Verbleibes bei der Ukraine mit einer Vertreibungswelle durch die ukrainischen Behörden zu rechnen.

Putin wäre also gut beraten, bei einer Neuformulierung seiner Kriegsziele die militärischen und ökonomischen Mittel Rußlands in Betracht zu ziehen.

Bevor aber keine Entscheidung gefallen ist, was Rußland dort erreichen will und auch erreichen kann, gibt es nichts, worüber es mit der ukrainischen Führung verhandeln könnte.

——————

(*1) Natürlich gab und gibt es viel Unzufriedenheit in der Ukraine wegen der Armut und des Elends, die dort teilweise herrscht (=> Leihmütter) und den korrupten Eliten, die sich schamlos die Taschen füllen.
Aber diesbezüglich ist ja die Lage in Rußland nicht so viel besser, daß die russischen Truppen deshalb als Retter begrüßt werden würden.

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 26.2. – Wieso der Einmarsch?

WAS PASSIERT IN DER UKRAINE: ANTWORTEN AUF 10 HAUPTFRAGEN

Der Sonderkorrespondent von kp.ru Aleksandr Kots erklärt, warum Russland diese Variante der Spezialoperation gewählt hat und was als nächstes mit der Ukraine passieren wird.

1. Warum ist dies eine Spezialoperation und kein Krieg?

Erstens, weil Krieg in der Regel um Territorien, Wasserflächen und Ressourcen geführt wird. Dafür, nicht nur einer fremden Macht, sondern auch einem fremden Volk den eigenen Willen aufzunötigen. Zweitens werden im Laufe des Krieges Besatzungsbehörden eingerichtet, die ihre Politik ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bewohner des eroberten Staates vorantreiben. Drittens besteht der Zweck des Krieges darin, das Land vollständig zu unterordnen, ihm faktisch die Eigenstaatlichkeit zu entziehen.

Wladimir Putin hat nichts davon angekündigt. Mehr noch, er betonte, dass Moskau das Territorium der Ukraine nicht besetzen und etwas mit Gewalt aufzwingen werde. Der Spezialeinsatz ist begrenzt und hat bestimmte Ziele. In erster Linie geht es um den Schutz der Zivilbevölkerung des Donbass, die, wie der Präsident sagte, „seit acht Jahren der Erniedrigung und dem Genozid durch das Kiewer Regime ausgesetzt ist“.

Zweitens handelt Russland im Rahmen des in der UN-Charta unterschriebenen Rechts auf Selbstverteidigung. Denn die Osterweiterung der NATO bedroht unsere Sicherheit.

2. Könnte man auch darauf verzichten?

Wir wurden zu diesem militärischer Sondereinsatz genötigt, weil sowohl im Fall von Donezk als auch im Fall der Sicherheitsgarantien alle möglichen diplomatischen Methoden zur Problemlösung ausgeschöpft wurden. Der Westen hat unsere Hauptansprüche offen und grob zurückgewiesen. Im Übrigen: Selbst wenn wir uns hypothetisch vorstellen, dass die NATO sich geweigert hätte, die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen und versprochen hätte, keine Raketenwaffen auf ihrem Territorium zu stationieren, hätte nichts Kiew daran gehindert, dies im Rahmen bilateraler Abkommen mit Großbritannien, der Türkei oder Polen zu tun.

Die Minsker Vereinbarungen sind ein völlig totgeborenes Projekt, das nur entstanden ist, um der ganzen Welt das Versagen der Ukraine bei ihren „friedenserhaltenden“ Bemühungen zu zeigen. Sieben Jahre lang sabotierte sie ihre Umsetzung und sättigte die Kontaktlinie mit Waffen, Ausrüstung und Lebendmaterial. Es ist ziemlich offensichtlich, dass jede Macht, die in Kiew vorhanden ist, unter dem Druck der nationalistischen Minderheit gezwungen sein wird, zu versuchen, den Donbass mit Gewalt einzunehmen. Die Bedrohung würde also nicht verschwinden.

Nicht ohne Grund ist eines der Ziele der von Wladimir Putin angekündigten Operation die Entnazifizierung der Ukraine.

3. Warum gerade jetzt?

Weil nach Ansicht des Präsidenten der Russischen Föderation der Westen alle roten Linien überschritten hat. In den letzten Jahren machten sich die NATO-Streitkräfte in der Ukraine breit. Das Land wurde buchstäblich mit verschiedenen Arten von Waffen vollgepumpt – von Bayraktar-Angriffsdrohnen bis zu Javelin-Panzerabwehrsystemen, von Raketenbooten bis zu ihrer Bestückung mit NATO-Waffen.
Die Unabhängige (= Selbstbespiegelung der Ukraine) ist buchstäblich überflutet mit Einrichtungen der Nordatlantischen Allianz, die auf ihrem Territorium wie Hausherren agieren. Mehr als ein Dutzend militärischer Basen, wo ausländische Einheiten stationiert werden unter dem Deckmantel, es handle sich um „Ausbildner“.
So waren bis vor kurzem 100 britische Ausbilder für Sabotagetauchen im Seezentrum in Otschakow (östlich von Odessa an der Küste) einquartiert. Für reine Ausbildung ist das zu viel. Für eine Kompanie von Unterwassersaboteuren jedoch genau richtig. Darüber hinaus umfasst ihr Trainingsprogramm in der Regel Aktionen hinter den feindlichen Linien. Das heißt, in Russland. Es wurden sogar Aktionen geübt, die auf die Krim-Gewässer übertragbar waren.
Gleichzeitig schuf Kiew nach und nach eine kritisch große Truppenkonzentration an der Demarkationslinie (zu den Donbass-Republiken), wo es fast seine gesamte Feuerkraft konzentrierte. Die Entscheidung zum Angriff hätte also jederzeit getroffen werden können.

Am Vorabend der Ankündigung der russischen Spezialoperation in der LPR (also am 23. 2.) versuchten ukrainische Truppen, die Frontlinie zu durchbrechen. Der KP-Korrespondent war Zeuge dieses Kampfes. Wenn es den beiden aus taktischen Kompanien bestehenden Gruppen der Streitkräfte der Ukraine, die den Nördlichen Donets überquerten, gelungen wäre, auf der anderen Seite Fuß zu fassen, wäre ein Pontonübergang gebaut worden, entlang dessen die Truppen nach Lugansk gezogen wären. Die gleichen Durchbrüche waren auf dem Territorium der DVR geplant. Es war nicht mehr möglich, weiter zuzuwarten. Die Offensive der Streitkräfte der Ukraine bedrohte die Zivilbevölkerung und hätte zahlreiche Opfer zur Folge gehabt.

4. Warum hat Russland solche Taktiken der Spezialoperation gewählt?

Erstens, weil sie Erfahrung mit solchen Operationen hat, bei denen der militärischen Infrastruktur maximaler Schaden zugefügt wird, während der zivile Sektor nicht betroffen ist. Etwa seit 2015 wird in Syrien eine Militäroperation durchgeführt, bei der die Luftwaffe den Terroristen zunächst die materielle Unterstützung entzog, indem sie ihr Ölgeschäft (in Form von Tanklaster-Konvois) aus der Luft vernichtete. Dann traf sie das Hauptquartier, Lagerhäuser und Versorgungsketten und half den Truppen am Boden, die Militanten zu vernichten.

Im Jahr 2008 lehte es Moskau auch ab, Georgien zu besetzen und die Macht im Land zu ändern, sondern beschränkte sich auf die erklärten Ziele – den Schutz russischer Bürger, die Rettung russischer Friedenstruppen und die Rückgabe der territorialen Integrität an Abchasien und Südossetien.

5. Was wurde getroffen?

Das Verteidigungsministerium betont, dass Raketenangriffe mit hochpräzisen Waffen ausschließlich auf militärische Einrichtungen erfolgen. Der erste Schritt ist die Zerstörung der kritischen Infrastruktur. Russland griff Luftverteidigungseinrichtungen, Flugplätze, Militärarsenale, Militäreinheiten und Kommandantenbüros an.
Die Luftschläge erfolgten in Iwano-Frankiwsk, Chmelnizki, Tschernihiw, Charkiw, Kriwoj Rog, Dnipro, Kiew, Wasilkow, Uman, Odessa, Cherson, Mariupol, Kramatorsk und an der Demarkationslinie im Donbass. In Nikolaew, auf dem Flugplatz, wurden die Bayraktar-Angriffsdrohnen zerstört, ohne Zeit zum Abheben zu haben.
Die Volksmiliz der LDNR startete eine Gegenoffensive entlang der gesamten Kontaktlinie und führte massive Artillerieangriffe auf die Stellungen der Streitkräfte der Ukraine durch. An einigen Stellen wurde die Front durchbrochen und danach vorverlegt.

6. Wie hat die Ukraine reagiert?

Kiew beschränkt sich nach wie vor auf Meldungen von der Front. Zelenskij brach die diplomatischen Beziehungen zu Russland ab, erklärte das Kriegsrecht und die allgemeine Mobilmachung im Land.
Kriegsrecht bedeutet, dass jeder eingezogen werden kann, um Gräben auszuheben. Geländewägen können beschlagnahmt werden. Kundgebungen sind verboten, in den Medien herrscht Zensur. Wahlen werden abgesagt.

7. Wie kann die Operation weitergehen?

Wahrscheinlich werden viele Städte nicht gleich eingenommen werden. Das stark befestigte Mariupol kann vom Meer aus umzingelt und eingeschlossen. Hier sind auch Einheiten von der Krim beteiligt. Die gesamte Donbass-Gruppierung kann durch aus Charkow kommenden Truppen vom Rest der Ukraine abgeschnitten werden. Es ist unwahrscheinlich, dass russische Truppen in Häuserschlachten verwickelt werden, und alles wird von der Loyalität der lokalen Bevölkerung abhängen. Manche Städte werden ihre Tore für die Russen öffnen, andere werden belagert werden, bei Versorgung der Zivilbevölkerung mit nichtmilitärischen Gütern.

Das Schicksal der umzingelten Orte wird in Kiew entschieden. Je früher nette Menschen (= russische Soldaten) an das Dnjeprufer gelangen, desto eher wird der Krieg enden. In dieser Stadt werden wahrscheinlich Vereinbarungen über die neue Weltordnung unterzeichnet werden.

8. Ist es möglich, den Krieg auf russisches Territorium zu verlegen?

Das ist unwahrscheinlich. Die Ukraine hat dafür einfach nicht genug Kräfte, aber es ist mit einem Anstieg der Sabotage zu rechnen. Wahrscheinlich haben diejenigen Agenten (der ukrainischen Regierung bzw. der NATO), die sich bereits auf dem Territorium Russlands befinden, den Befehl erhalten, Terroranschläge durchzuführen.

Westliche Partner Kiews haben wiederholt erklärt, dass sie nicht beabsichtigen, für die Ukraine zu kämpfen. Natürlich werden sie neue groß angelegte Sanktionen gegen Russland verhängen, über die der russische Botschafter in Schweden bereits alles gesagt hat.

9. Was wird aus Donezk und Lugansk?

Die Republiken sprechen offen aus, dass sie sich die Aufgabe gestellt haben, während der Gegenoffensive die Grenzen der ehemaligen Bezirke Donezk und Lugansk zu erreichen. Und sie werden an ihren in der Verfassung definierten Staatsgrenzen festgelegt.
In diesem Falle ist es schon sinnvoll, über die Möglichkeit ihres Beitritts zu Russland nachzudenken. Ohne zwei Drittel der Territorien wäre dies unlogisch gewesen. Und nachdem sie ihre volle Integrität (wieder) erlangt haben, können sich die LDNR-Behörden mit einer entsprechenden Anfrage an die russische Führung wenden.
Vielleicht wollen sich bis dahin auch andere Regionen der Unabhängigen (= Ukraine) selbst bestimmen. Und einen großen Staat namens Neurußland gründen.

10. Und was ist mit dem Rest der Ukraine?

Hier wird der Weg natürlich nicht einfach sein. Laut Putin wird es keine Besetzung geben. Moskau dort auch kein feindliches Regime dulden. Natürlich wird Russland für eine Weile die politischen und sozialen Prozesse in der Ukraine kontrollieren. Denn man darf nicht den nationalistisch Infizierten überlassen, erneut die gesamte Gesellschaft zu vergiften. Deshalb sagt der Präsident der Russischen Föderation, dass auf die Unabhängige Prozesse der Entmilitarisierung und Entnazifizierung warten.
So wird es unter russischer Aufsicht zu einem neuen “Nürnberg” kommen, um “diejenigen, die zahlreiche, blutige Verbrechen gegen Zivilisten begangen haben, darunter auch gegen Bürger der Russischen Föderation, vor Gericht zu stellen”. Hier sprechen wir über Einwohner des Donbass, die Opfer von Odessa und über die auf dem Maidan erschossenen Berkut-Soldaten.
Und natürlich wird Moskau zur Errichtung eines für Russland freundlicheren Regimes beitragen, das mit der Wiederherstellung der bilateralen Beziehungen beginnen wird. Es ist möglich, dass russische Militärstützpunkte auf dem Territorium des Landes verbleiben.