Die EU und ihre Querelen. Wieder einmal: Ungarn

FEINDLICHE BRÜDER

Es ist Zeit, einmal eine eigene EU-Beitrags-Seite zu starten, weil nach vollzogenem und dennoch nicht vollständig abgeschlossenen Brexit tun sich andere Fronten innerhalb der EU auf.
Da es keine Handhabe gibt, um die ungarische Regierung zu einer EU-konformen Haltung in Sachen Homosexuellen-Rechte zu nötigen, besinnt sich die EU auf einen anderen Hebel und wirft ihr Korruption vor.
Das war auch eine Zeitlang auf dem Tisch, als in Rumänien eine den EU-Wächtern nicht genehme Regierung drohte, und ist ein Dauerbrenner, mit dem man jederzeit Regierungen ehemals sozialistischer Staaten drangsalisieren kann, weil dort aufgrund der ökonomischen Entwicklung seit dem Fall des Eisernen Vorhangs notwendigerweise „Seilschaften“ am Werk sind. Die alten Eliten mußten sich ja irgendwie in das neue System integrieren:

„Missbrauch der Gelder vermutet:
EU blockiert Corona-Hilfen für Ungarn
Wegen eines Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität zweifelt die EU an der Rechtsstaatlichkeit Ungarns. Nun gehen beide Parteien erneut auf Konfrontationskurs. Brüssel bemängelt den Plan für die Corona-Hilfen – und blockiert die Milliardenzahlung.
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen legt sich einmal mehr mit der Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban an. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur verweigert die Brüsseler Behörde derzeit dem ungarischen Plan für die Verwendung von EU-Corona-Hilfen eine positive Bewertung. Grund sind nach Angaben aus EU-Kreisen bislang nicht ausreichende Garantien und Vorkehrungen gegen eine missbräuchliche Verwendung der Gelder.
Eine positive Bewertung des Plans für die Mittelverwendung ist Voraussetzung dafür, dass Ungarn Geld aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (RFF) der EU bekommen kann. Für das Land sind nach derzeitigen Berechnungen eigentlich rund 7,2 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kommission hatte sich jüngst bereits wegen eines Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transsexualität mit der Regierung des rechtsnationalen Politikers Orban angelegt. EU-Kommissionschefin von der Leyen nannte das Gesetz eine Schande und will es notfalls sogar vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Sie hält das Gesetz für diskriminierend und damit für unvereinbar mit den Werten der EU. (…)“ (NTV, 6.7.)

Jedes Land muß einen Plan vorlegen, und ausgerechnet bei Ungarn zweifelt die EU an der richtigen Verwendung dieser Gelder. So ein Zufall.

(Nicht, daß das Abzweigen von Geldern in private Taschen in Ungarn unüblich oder undenkbar wäre. Aber eben nicht nur in Ungarn. Die EU-genehme Regierung Bulgariens unter der Führung von Bojko Borissow wirtschaftet mit großem Schwung in die eigene Tasche. Aber diese Regierung ist der Garant für antirussische Politik Bulgariens und will natürlich dafür eine Gegenleistung.
Im Baltikum wird schon gar nicht genau nachgeschaut, wo irgendwelche EU-Gelder landen. Ebenso ist es bei Zypern, Malta und auch Griechenland, seit die Syriza-Regierung abgewählt wurde, oder Italien, seit Draghi am Ruder ist.
Man merkt also, wie sehr der Korruptions-Zeigefinger nach Belieben ausgefahren oder eingezogen werden kann.)

Ähnlich verfährt die EU mit Polen.
Das Hilfspaket für Ungarn wird bis Oktober ausgesetzt, und der polnische Plan wartet ebenfalls seit 3 Monaten auf eine Genehmigung. (El País, 28.7.)

Das Tauziehen um die Corona-Hilfsgelder hatte ein Vorspiel, das der Tagesspiegel gleich in eine deutsche Machtdemonstration verwandelt:

„Ungarn und Polen blockieren Corona-Fonds.
Merkel muss Orban die Grenzen aufzeigen

Vor allem Ungarns Regierungschef Orban hat sich im Brüsseler Machtkampf ins Abseits gestellt. Das muss ihm Kanzlerin Merkel deutlich machen.
Viktor Orban und Mateusz Morawiecki haben die EU mit ihrem Veto in eine schwere Krise gestürzt. Das milliardenschwere Corona-Hilfsprogramm für die EU-Staaten droht zu platzen, weil die Regierungschefs aus Ungarn und Polen sich von Brüssel keine Vorschriften zur Rechtsstaatlichkeit machen lassen wollen. (…)“ (Tagesspiegel, 16.11.)

Die EU-Spitze, vor allem Deutschland und seine Satelliten Holland und Luxemburg, wollten nämlich die Corona-Hilfsgelder ausnutzen, um sich im Kleingedruckten ziemliche, über die bisherigen EU-Vereinbarungen hinausgehende Rechte zum Hineinregieren in mißliebige Mitgliedsländer genehmigen zu lassen. Die sollten gegen Geld Souveränitätsverzicht unterzeichnen.
Da das nicht klappte und das ganze Corona-Paket zu scheitern drohte, wird jetzt eben die Korruptions-Schiene eingesetzt.
Der Ausgang ist noch unklar. Aber dergleichen Verweigerung von Zahlungen hat notgedrungen Auswirkungen auf die Handhabbarkeit von Abhängigkeiten und die Unternehmens-Praktiken in den betroffenen Staaten.

Neben Polen hat sich inzwischen auch Slowenien in den Klub derer eingereiht, die nicht vorhaben, Brüssel Zugeständnisse zu machen.

8 Gedanken zu “Die EU und ihre Querelen. Wieder einmal: Ungarn

  1. Dass Slowenien mit der EU-Führung streitet, hat eine eigentümliche Seite darin, dass Slowenien derzeit ja den halbjährlich wechselnden formellen EU-Ratsvorsitz innehat. Diesbezüglich veröffentlicht die EU aber:

    Die Finanzminister:innen der EU-Staaten haben am gestrigen Montag (26. Juli) die Wiederaufbauprogramme von Kroatien, Zypern, Litauen und Slowenien genehmigt. Damit ist die Gesamtzahl der abgesegneten nationalen Pläne auf 16 der 27 Mitgliedsstaaten gestiegen.  (…)  Nach der Sommerpause dürften Kommission und EU-Rat wohl die meisten der noch ausstehenden nationalen Konjunkturprogramme genehmigen.

    Die Niederlande und Bulgarien sind indes die einzigen zwei Länder, die ihre Vorschläge noch nicht eingereicht haben. Dort haben sich die nationalen Pläne aufgrund von Regierungsneubildungen verzögert.

    Doch auch die Genehmigungen der von Ungarn und Polen eingereichten Pläne stocken aktuell. Die Führung in Warschau hat bereits eine Verlängerung der Prüfung durch die Kommission bis Ende August akzeptiert. Vermutlich muss am ursprünglichen Vorschlag noch nachgebessert werden.

    https://www.euractiv.de/section/europakompakt/news/ueber-die-haelfte-der-nationalen-recovery-plaene-abgesegnet-auszahlung-soll-bald-beginnen/

    Dass die EU-Führung mittels dieser Gelder in die europäischen Staaten hineinregieren will, sei übrigens unterstrichen. Das tut sie bereits dadurch, dass sie zur Inanspruchnahme der Gelder Projektvorschläge vorab einfordert, die die Staaten auf die Großprojekte der EU festlegen sollen: Grünkapitalismus, Erneuerbare Energien, Digitalisierung, “Modernisierung” etcpp.
     

  2. Sehr interessant, daß aus verschiedenen Gründen die Genehmigungen noch für 13 Mitgliedsstaaten ausständig sind.

    In vielen Zeitungen wird das nämlich so kolportiert, als ob Ungarn da eine besondere Ausnahme wäre.

    Was das Hineinregieren betrifft, so ist erstens noch einmal ein Unterschied zu machen zwischen den wirtschaftlichen Projekten, die zentral abgesegnet werden müssen, und den Rechtsstaatlichkeits-Kriterien, die jetzt an Hilfsgelder geknüpft werden sollen.
    Zweitens heißt es aber, wenn es um „Zukunftsindustrien“ geht, daß die traditionellen Industrien dann nur mehr in den Ländern bestehen bleiben, wo sie noch profitabel betrieben, oder aus eigenem Budget finanziert werden – damit werden innerhalb der EU weitere Märkte geschaffen.

  3. "… wenn es um „Zukunftsindustrien“ geht, daß die traditionellen Industrien dann nur mehr in den Ländern bestehen bleiben, wo sie noch profitabel betrieben, oder aus eigenem Budget finanziert werden"…

    Zumindestens sind damit die nächsten Konfliktfelder markiert.

  4. Unter solcher Prämisse verändert sich auch der Stellenwert derjenigen EU-Töpfe, die bisher unter dem Titel "Regionalfonds" oder ‘Kohäsionsfonds’ entweder eine nachholende Entwicklung und Industrialisierung bewerkstelligen sollten, oder aber z.B. unproduktive Teile von Landwirtschaft am Leben erhalten sollten, damit nicht ganze Regionen noch mehr komplett veröden.

    https://www.euractiv.de/section/europakompakt/news/ausschuss-warnt-vor-verstaerkter-regionaler-ungleichheit-in-der-eu/

  5. A) Polen und Ungarn bekommen anscheinend derzeit noch keine Auszahlungen der Corona-Gelder.  Das ganze Prozedere unterstreicht, dass die Staaten der Brüsseler Zentrale [in ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik-Ausrichtung] untertänig sein sollen…

    B) Es sollen generelle Vereinbarungen beschlossen werden, welche Schuldenstände welchen Ländern warum in Zukunft [‘nach Corona’] erlaubt sein sollen.  Das wird forciert von den sog. "Nordländern", die bekanntlich eine "europäische Schuldenunion" ablehnen

    C) Denn Gelder sollen vor allem für Hochtechnologie etc. verausgabt werden.

    https://www.euractiv.de/section/innovation/news/halbleiter-deutschland-kuendigt-milliardenpaket-fuer-technologische-souveraenitaet-an/

    https://www.euractiv.de/section/finanzen-und-wirtschaft/news/eu-minister-genehmigen-irische-und-tschechische-konjunkturprogramme/ 

  6. Elektromobilität
    Baut Samsung ein Batteriewerk für BMW?

    Der Batteriehersteller Samsung SDI erwägt den Bau einer Zell-Fabrik für BMW im Osten Ungarns. Das wäre nicht die einzige Investition in die Region um Debrecen. Ungarn hat es sich zum Ziel gesetzt, ein Zentrum der europäischen Elektromobilität zu werden.

    Der südkoreanische Bildschirm- und Batteriehersteller Samsung SDI will einem Pressebericht zufolge in Ungarn ein Batteriewerk für Elektroautos von BMW errichten. Samsung-Chef Jay Lee habe Überlegungen über einen Ausbau der bestehenden Kooperation im Dezember mit BMW-Chef Oliver Zipse in Südkorea besprochen, berichtete die Zeitung "Chosun Ilbo" am Mittwoch unter Berufung auf ungenannte Quellen.
    Zipse habe die Pläne für das Werk wiederum mit Samsung-SDI-Chef Choi Yoon-ho kürzlich in Las Vegas diskutiert. Ein BMW-Sprecher sagte zu den Informationen, man könne Spekulationen nicht kommentieren.

    Die Samsung-SDI-Fabrik könnte dem Bericht zufolge in der Nähe der bestehenden Werke des Unternehmens in dem Land entstehen. Die Investitionen werden demnach auf etwa eine Billion koreanische Won (rund 750 Mio. Euro) geschätzt. Einem Sprecher von Samsung SDI zufolge prüft die Gesellschaft unterschiedliche Wege der Zusammenarbeit mit vielen Autoherstellern.

    BMW errichtet derzeit in Debrecen in Ungarn ein neues Produktionswerk für die neue vollelektrische Modellreihe unter dem Namen "Neue Klasse", die ab der Mitte des Jahrzehnts an den Start gehen soll. BMW investiert 2 Mrd. Euro in den Standort, darunter auch rund 500 Mio. Euro für die Montage von Hochvoltbatterien. Batteriezellen selbst stellt BMW nicht her, diese bezieht das Unternehmen vorwiegend vom chinesischen Batteriekonzern CATL.

    Ungarn will wichtiges Zentrum für Elektromobilität werden

    Deutsche Autokonzerne und fernöstliche Batteriehersteller bauen Ungarn zu einer Hochburg für Elektromobilität aus – mit satter Hilfe des Staates. Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban lockt die Firmen mit Staatsgeld an und schickt sich damit an, Ungarn zu einem der weltweit wichtigsten Zentren für die Branche zu machen.

    "Kathoden, Anoden, Separatoren, Fertigungsstraßen, die gesamte Wertschöpfungskette der Batterieindustrie ist da", sagt Dirk Wölfer von der deutsch-ungarischen Handelskammer in Budapest. "Das ist ein Fuß in die Tür zu Europa."

    Reuters hat die Daten von 32 Investitionsprojekten untersucht, die in den vergangenen zehn Jahren Geld vom ungarischen Staat erhalten hatten. In 30 Fällen stammten die Unternehmen aus nur drei Ländern – Deuschland, China und Südkorea. Im Schnitt erhielten die Firmen rund 15 Prozent ihrer Investitionen als Zuschuss; davon profitierten unter anderem der Münchner Autobauer BMW oder Mercedes.

    Die Subventionspolitik der Regierung in Budapest zusammen mit der Aussicht, Autowerke in der Nachbarschaft von Batteriefabriken anzusiedeln, machen nach Einschätzung einer Vielzahl von Experten Ungarn als Standort attraktiv. Insgesamt flossen allein in den vergangenen sechs Jahren Direktinvestitionen im Gesamtvolumen von mehr als 14 Mrd. Euro nach Ungarn mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern.

    Ein Netzwerk entsteht weit im Osten Ungarns: In Debrecen baut BMW sein Werk für die Elektroautos der "Neuen Klasse", in der unmittelbaren Nachbarschaft entsteht eine Gigafabrik von CATL, dazu Zulieferer von Bremsenherstellern über Kathodenproduzenten bis hin zu Maschinenbauern. Mercedes-Benz rüstet seine Anlage in Kecskemet für den Bau von Elektroautos, die Volkswagen-Tochter Audi betreibt ein Werk in Györ im Westen des Landes. Für Orban kommen die Investitionen gelegen – er steht derzeit mit einer Inflation von mehr als 20 Prozent erheblich unter Druck, Experten sagen zudem zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten im kommenden Jahr voraus. Dazu kommt der anhaltende Streit mit der EU-Kommission, die wegen mangelnder Fortschritte im Kampf gegen Korruption die Auszahlung von Mitteln in Milliardenhöhe zurückhält.

    Ungarns Energiemix als Problem

    Und doch birgt die Elektroauto-Offensive auch Risiken für Ungarn. Zum einen ist da die Frage nach der Energie – all die neuen Werke benötigen große Mengen Strom. Weil die Autofirmen sich selbst CO2 Ziele gesetzt haben, muss nach Einschätzung der Experten die Energiewende beschleunigt werden, weg vom derzeit noch vorherrschenden fossilen Strom: 2021 wurde 80 Prozent des Stroms in Ungarn in konventionellen Kraftwerken erzeugt, dazu kamen 14,5 Prozent Atomstrom, wie aus dem statistischen Energie-Jahrbuch des Ölkonzerns BP hervorgeht. Solarenergie steuerte nur 3,6 Prozent zum Strommix bei. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto traf sich im November mit Spitzenvertretern von BMW und dem Zulieferer Schaeffler in München, dabei ging es auch um die Frage, wie der Ökostrom-Anteil im Strommix erhöht werden könnte. CATL wiederum will Solarparks zusammen mit örtlichen Partnern bauen.

    Einige Experten verweisen zudem auf den Fachkräftemangel in Ungarn, was insbesondere bei den Batteriefabriken den Kapazitätsaufbau bremsen könnte. Die zuständigen ungarischen Behörden antworten nicht auf eine Reuters-Anfrage zur Autobranche.

    Und dann bleibt die Offenheit Ungarns für Investitionen aus China – zu einem Zeitpunkt, zu dem eine zu große wirtschaftliche Abhängigkeit von der Volksrepublik in Brüssel und Berlin mit Sorge gesehen wird, insbesondere bei Zukunftstechnologien. Csaba Kilian vom ungarischen Auto-Branchenverband verweist darauf, dass die Branche derzeit kaum eine andere Wahl hat. "Ich stimme absolut zu, dass die europäischen Hersteller ihre eigenen Quellen haben sollten", sagte er, "aber es ist ein Wettbewerb, und China hat gute Schritte gemacht."

    Trotz der Risiken präsentiert Ungarn den Investoren ein rundes Paket, sagte Alexander Timmer, Partner bei der Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors, der mehrere Projekte in Ungarn begleitet hat. "Die Kombination von Kostenvorteilen, staatlichen Subventionen und der Nähe zu den Werken der Autobauer lässt Ungarn zunehmend attraktiv für Batteriehersteller werden."

    BMW investiert in ungarisches Werk

    BMW stockt seine Investitionen in sein neues Werk im ostungarischen Debrecen deutlich auf. Bis 2025 werden gut 2 Mrd. Euro für die Anlage ausgegeben, teilte der deutsche Autobauer am Freitag mit. Bisher war von mehr als einer Milliarde Euro die Rede. Jährlich sollen rund 150.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Das Werk ist damit kleiner als die deutschen Fabriken in Dingolfing, Regensburg, München und Leipzig.

    Auf dem Werksgelände entstehe zusätzlich eine Hochvoltbatterie-Fertigung auf einer Fläche von mehr als 140.000 Quadratmetern. Dadurch würden weitere 500 Arbeitsplätze geschaffen. BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic sagte, in Debrecen entstehe das modernste Werk der Welt.

    BMW setzt für die Fahrzeuge, die in Debrecen gebaut werden, auf runde Batteriezellen, die direkt in der Karosserie verbaut werden können. Für die Zellen wurden bereits Milliardenaufträge an die chinesischen Batterie-Hersteller CATL und Eve Energy vergeben. Der Autokonzern verspricht sich davon Einsparungen von 50 Prozent; zudem soll die Leistung deutlich höher ausfallen.

    https://industriemagazin.at/news/baut-samsung-ein-batteriewerk-fuer-bmw/

    Diese Entwicklungen stehen im Hintergrund zu Ungarns Bemühungen, sich weiter den Zugriff auf russische Energieträger zu sichern, und auch dem Ausbau des AKWs in Paks mit russischer Hilfe. Ungarn kann keine große Energiewende hinlegen, es gibt nicht viel einheimische Energiequellen.

  7. Korruption in Ungarn
    „»Unfassbar, was man mitten in der EU vorfindet«

    Ein Besuch des EU-Haushaltskontrollausschusses in Ungarn offenbart, wie drastisch die Orban-Regierung ausländische Unternehmen unter Druck setzt, um Geschäftsanteile für Gefolgsleute zu erpressen.

    Montagnachmittag in Budapest: Abgeordnete des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament treffen vor der EU-Niederlassung ein. Sie haben sich drei Tage genommen, um herauszufinden, wo in Ungarn EU-Gelder nicht ordnungsgemäß verwendet werden. Willkommen sind sie nicht.

    Die EU-Parlamentarier werden von jungen Mitgliedern der ungarischen Regierungspartei Fidesz empfangen. Sie haben Rollkoffer mit EU-Flagge, einem Bild der korrupten griechischen Abgeordneten Eva Kaili und einen Koffer mit Spielgeld dabei. Es ist eine politische Aktion. Dora Hidas, die Sprecherin der Fidesz-Jugend, hat eine klare Botschaft: »In Ungarn gibt es keine Korruption. In Ungarn gibt es die strengste Antikorruptionsbehörde in ganz Europa.«

    Doch die EU-Abgeordneten sind wegen der grassierenden Korruption in Ungarn gekommen. Das Land ist Schlusslicht, wenn es um Korruptionsbekämpfung geht. Daniel Freund, Europa-Abgeordneter der Grünen, sagt: »Jedes Mal, wenn man nach Ungarn kommt, hört man eine noch schlimmere Geschichte. Es ist unfassbar, was man mitten in der EU vorfindet.«“

    An dergleichen Szenen und Äußerungen merkt man, daß es unterschiedliche Auffassungen zwischen Brüssel und Budapest gibt, was eigentlich Korruption ist.

    „Unternehmen berichten von Schikanen

    Die schlimmsten Geschichten hören die Abgeordneten aus dem Mund europäischer Firmenrepräsentanten. Die Manager leiten Niederlassungen deutscher, österreichischer oder französischer Firmen und berichten hinter den Kulissen, wie sie mit Schikanen überzogen und unter Druck gesetzt werden, Firmenanteile an regierungsnahe Oligarchen abzugeben. Das Treffen ist heikel. Weil die Manager Repressionen fürchten, wollen sie nicht gefilmt werden und auch keine Statements abgeben.

    Statt der Manager berichten nach dem Treffen die Abgeordneten. Monika Hohlmeier, CSU-Politikerin und Vorsitzende des EU-Haushaltskontrollausschusses, fühlt sich an kommunistische Zeiten erinnert. Wenn etwa Manager schildern, wie ihnen bewaffnete Geheimdienstleute ein Übernahmeangebot für die Firma auf den Tisch legen. Hohlmeier schildert dabei eine offenbar gängige Praxis: »Es taucht regelmäßig jemand auf, der zunächst mal anfragt, ob er nicht zum Billigpreis das Unternehmen kaufen könnte. Wenn das Unternehmen antwortet, dass es beabsichtigt, weiter hier tätig zu sein und sogar auszubauen, dann beginnen erneute, weitere Drangsalierereien. Die reichen wirklich bis zu Besuchen bei Familien zu Hause.«

    Dazu kommen Inspektionen oder behördliche Anordnungen. Oft werden Genehmigungen zur Teilnahme an Förderprogrammen der EU nicht erteilt. Die Unternehmen sollen mürbe für einen Verkauf gemacht werden. »Und wenn sie immer noch Widerstand leisten«, so die Erkenntnis von Monika Hohlmeier, »dann macht man neue Maßnahmen. Wenn es ein Gerichtsurteil gibt, gibt’s am nächsten Tag ein neues Gesetz, eine neue Verordnung, um sie wieder ins Minus zu treiben. Es waren hier Unternehmen, die jährlich mit einem Minus von 70 Millionen, 80 Millionen, 100 Millionen kämpfen müssen.«

    EU-Abgeordnete sehen gezielte Strategie

    Die Abgeordneten sprechen von einer gezielten Strategie. Es begann damit, die Medien unter staatliche Kontrolle zu bringen. Dann sei es mit Banken weitergegangen. Jetzt kämen Bauindustrie, Einzelhandel, Agrarbetriebe und Telekommunikationsfirmen an die Reihe. Unangetastet sind bislang die großen Konzerne. Damit deutsche Autohersteller wie Audi, Mercedes oder BMW investierten, wurden sogar Arbeitnehmerrechte eingeschränkt. Doch Hohlmeier denkt, dass bald »kein Unternehmen mehr sicher davor ist, in Zukunft auch selbst Schäden zu erleiden. Es wird ein Sektor nach dem anderen angepackt«.

    Die Strategie von Ungarns Regierung heißt Nationalisierung. Das Ziel ist die Kontrolle über wichtige Wirtschaftszweige durch Staat und Oligarchen.“

    Damit ist das Ziel dieser Politik benannt: Es geht um die Re-Nationalisierung der ungarischen Wirtschaft. Es ist bezeichnend, daß das in den Medien unter „Korruption“ angeprangert wird, um sich der Frage um die heilige Kuh Privatisierung nicht stellen zu müssen.

    „EU-Gelder werden dabei gerne genutzt. Sie flossen auch nach Felcsut, ins Heimatdorf von Regierungschef Orban. Hier wurde sogar ein extravagantes Fußballstadion gebaut. Das Wochenendhaus von Viktor Orban, einem erklärten Fußballfreund, liegt direkt am Stadion.

    40 Milliarden Euro wegen Korruption zurückgehalten

    Inzwischen gilt Ungarn als das korrupteste Land in der EU. Auch deswegen hält die EU-Kommission Gelder zurück. Es geht um bis zu 40 Milliarden Euro. Für Experten das einzige Mittel, das die Regierung versteht. »Es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange die Orban-Regierung überleben kann«, sagt Miklos Ligeti von Transparency International Ungarn. Er hofft, dass die EU die Mittel weiter zurückhält.“

    Mit diesen Augurenrufen, daß das System Orbán bald zusammenbricht, tröstet sich die ungarische Opposition seit ca. einem Jahrzehnt über ihre Bedeutungslosigkeit hinweg.
    Es ist Ausweis des Umstandes, daß sie keine Strategie haben, um selbst an die Macht zu kommen und sich nur als Repräsentanten der EU auf verlorenem Posten selbstbespiegeln. Sozusagen die letzten Mohikaner im Feindesland, was für ungarische Mitbürger und Wähler sehr unattraktiv ist, aber Zuwendungen aus Brüssel bringt.

    „Transparency arbeitet inzwischen mit der neuen Anti-Korruptionsbehörde zusammen. Sie wurde auf Druck der EU eingerichtet, doch Ligeti ist skeptisch. Er vermutet, dass Regierungschef Orban auf Zeit spielen könnte und auf einen Wechsel der politischen Verhältnisse nach der Europawahl 2024 spekuliert. »Das befürchte ich«, sagt Miklos Ligeti und meint: »Meine Hoffnung ist, dass die Menschen in Ungarn am Schluss gewinnen.«“

    Ein etwas billiger Trick, sich angesichts seiner isolierten Lage als Vertreter „der Menschen“ zu präsentieren …

    „EU-Parlamentarier fordern mehr Druck aus Brüssel

    Die Besucher aus Brüssel sind jedenfalls entschlossen, dafür zu sorgen, dass am Schluss nicht Orban und seine Oligarchenfreunde gewinnen. Schon jetzt seien der freie Wettbewerb, der ungehinderte Zugang zum Binnenmarkt, Justiz und Pressefreiheit eingeschränkt. Die EU-Kommission, so die Forderung der Haushaltspolitiker, sollte auf jeden Fall weiterhin alle Gelder blockieren und auch Mittel zurückhalten, die Ungarn noch aus der laufenden Haushaltsperiode bekommt. Die Kommission, so Monika Hohlmeier, müsse dafür Sorge tragen, dass die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds nicht freigestellt werden und auch andere Fonds gesperrt werden. Man müsse sich auch ansehen, ob Aufträge vergeben wurden, die nicht den europäischen Regeln entsprachen und man müsse Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten.

    Auch ihr Kollege Daniel Freund fordert noch mehr Druck durch die EU-Kommission. Der Grünen-Abgeordnete würde Viktor Orban und Ungarn sogar das Stimmrecht entziehen. Absurd findet Freund den Gedanken, dass Orban nächstes Jahr die ganz große Bühne bereitet bekommt. Orban wird nämlich im Juli 2024 turnusmäßig den Vorsitz der EU übernehmen. Freund kann sich das nicht vorstellen: »Ich finde, ein Land, das keine Demokratie mehr ist, kann nicht die Europäische Union führen«.“

    (Tagesschau, 17.5.)

    Na, das wird noch heiter, die Sache mit dem Vorsitz.

    Was die Verweigerung von EU-Mitteln betrifft, so löst Ungarn die eben mit Verschuldung in Dollar, was zu einer Zurückdrängung des Euro gegenüber dem Dollar mündet, und vermutlich auch mit anderen Geschäften mit den BRICS-Staaten, Stichwort Umgehung von Sanktionen. Nicht nur die gegen Rußland, sondern auch gegen den Iran, Syrien usw.
    Diesbezüglich gibt es auch sicher Kooperation mit Balkan-Staaten und mit Rumänien.

  8. „Ungarns rätselhafte Expedition nach Afrika

    In der ersten eigenständigen Militärmission des Landes werden bald bis zu 200 ungarische Soldaten nach Tschad geschickt. Offiziell sollen sie die illegale Migration bekämpfen, was Experten nicht für glaubhaft halten. Massgeblich involviert ist Viktor Orbans Sohn. (…)

    (NZZ, 11.3.)

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