GRUNDSÄTZLICHES ÜBER GELD UND KREDIT IN DER EU (UND AUSSERHALB)
Wenn heute von der „Corona-Krise“ geredet wird, ist das irreführend, weil die wirtschaftlichen Verwerfungen aufgrund der Lockdowns treffen auf ein Wirtschafts- und Währungssystem, das schon vorher höchst wackelig war. Es geht also nicht um eine neue, zyklische Krise, nachdem die vorige überwunden worden wäre, sondern um die Verschärfung einer sowieso auf die Dauer unhaltbaren Lage.
Wie man auf Spanisch sagt: Llueve sobre mojado – es regnet auf nassen Grund.
1. Die Rolle der EZB
Lagarde hat gleich bei Amtsantritt angekündigt, das Aufkaufsprogramm ihres Vorgängers fortzusetzen, was ja auch schon gewaltige Geldmengen zumindest in die Bankenwelt geleert hat, indem Staats- und Firmenanleihen aufgekauft wurden. Vergessen wir dabei auch nicht die Bankanleihen, zur Vermeidung von Bankencrashes.
Dieses Programm wurde von Draghi kurz nach seiner Übernahme verkündet, nachdem Trichet die EZB mehr schlecht als recht und durch ad-hoc-Aufkäufe durch den Anfang der Euro-Krise manövriert hatte.
Draghi sagte damals sinngemäß: Wir werden alles Nötige tun, um den Euro zu retten.
Diese Maßnahme war zunächst als Überbrückungsmaßnahme gedacht, bis „die Konjunkturlokomotive wieder anspringt“, ein ordentliches Wachstum zustandekommt, usw. usf.
Was nicht eingetreten ist.
Bis zum Wechsel Draghi-Lagarde war bereits klar, daß es sich hierbei um eine Dauereinrichtung handeln wird, weil all die Jubelmeldungen um 1,5%-Wachstümer irgendwo in der EU nicht darüber hinwegtäuschen konnten, daß auch die kreditfinanziert waren und der große Sprung nach vorn nicht mehr passieren wird.
Damit war auch entschieden, daß man dieser Tatsache ins Auge sehen muß und die EZB daher in Zukunft eher mehr als weniger Geld in die Wirtschaft pumpen muß. Das war bereits vor der Coronakrise klar.
Die Klage vor dem deutschen Verfassungsgericht mit dem Anliegen, der EZB die Schuldenfinanzierung zu untersagen, war ebenfalls bereits vorher anhängig und wurde erst jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, entschieden.
(Wer sind eigentlich die Kläger?)
2. Die Rolle der Nationalbanken
Die Notenbanken in der Eurozone haben inzwischen andere Aufgaben als die außerhalb derselben.
Die Notenbanken Ungarns, Polens usw. sind darauf verpflichtet, ihren Wechselkurs zum Euro, an den sie in ausschließlicher Form gebunden sind, durch Anleihen-Emissionen auf Euro-Börsen halbwegs stabil zu halten. Dadurch, daß sie bei ihrem Beitritt die Bindung an andere Währungen in Form von Währungs-Körben aufgeben mußten, stärken sie den Euro, ohne an ihm teilzuhaben, und erweitern sein Spektrum. Sie sind dadurch weitaus abhängiger und schwächer, als es diverse westeuropäische Währungen vor der Einführung des Euro waren. Um das an einem Beispiel zu veranschaulichen: Der heutige Forint ist eine lokal begrenztere Währung als es die Drachme vor der Euro-Einführung war.
Das zeigt sich auch an den großen Unterschieden, die zwischen An- und Verkaufskurs dieser Währungen zum Euro bestehen – mit Ausnahme etwas stärkerer Währungen, wie der schwedischen, dänischen oder tschechischen Krone.
Die NB-Chefs Ungarns, Polens oder Rumäniens usw. sind deshalb im Wesentlichen mit Währungspflege beschäftigt, mit Zinsfuß hinauf und hinunter, um ihre Staatsanleihen attraktiv zu halten. Ein guter Teil ihrer Staatsschuld ist also dem Aufrechterhalten des Wechselkurses geschuldet.
Anders die Notenbanken der Euro-Staaten: Ihre Direktoren sitzen im Aufsichtsrat der EZB und bestimmen den EZB-Kurs mit. Die Staaten mit intaktem Kredit kritisieren schon seit einiger Zeit das Aufkaufsprogramm der EZB und die sich daraus ergebenden Null- und Niedrigzinsen, was auf eine gewisse Kurzsichtigkeit von deren Vertretern hinweist: Der Euro besteht nur solange, als sich auch die auf der Verliererschiene befindlichen Staaten finanzieren können, und auch Deutschlands Export funktioniert nur, indem im EU-Ausland genug Zahlungsfähigkeit existiert.
De facto kreditieren die produzierenden Staaten die konsumierenden, um ihr Zeug loszuwerden. Und das müssen sie auch, um dieses schiefe Verhältnis weiter aufrechtzuerhalten.
Die EZB will mit ihrem Programm diesen Zustand weiter aufrechterhalten und Geld ohne Ende in die Ökonomien der EU oder zumindest Eurozone hineinleeren.
Andere Staaten, so vermute ich, denken schon eine einen möglichen Crash des Euro und wollen sich für die Zeit danach mit möglichst wenigen Verbindlichkeiten belasten. Es ist übrigens auffallend, daß dieser Einwand inzwischen von Regierungschefs und nicht von Notenbankchefs verkündet wird.
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Eine Erinnerung an einen anderen Schauplatz: Argentinien ist de facto zahlungsunfähig. Die einzige Möglichkeit, einen neuerlichen Bankrott zu verhindern, besteht darin, daß der IWF die Schulden übernimmt. Das hieße aber, daß der der IWF praktisch zu einer Stützungsinstitution für US-Banken wird, die die Haupt-Gläubiger Argentiniens sind.
Die Entscheidung darüber wird durch Fristverlängerungen hinausgeschoben, aber das geht auch nicht ewig.
Ginge Argentinien neuerlich bankrott, wäre das als Scheitern des IWF zu verbuchen, mit unabsehbaren Konsequenzen, und würde das US-Bankensystem und das weltweite Währungssystem erschüttern. Diesmal ließe es sich nämlich nicht, wie 2002, als eine kleine Störung im Getriebe handhaben und wegwischen.
Antikapitalismus/Die Marktwirtschaft und ihre Unkosten/Geld & Kredit/Imperialismus/Nationalismus/öffentliche Schulden (Staaten, Länder, Gemeinden)/Postsozialismus
Tippfehler:
“Die Klage vor dem deutschen Verfassungsgericht, der EZB die Schuldenfinanzierung “zu gestatten”, war ebenfalls bereits vorher anhängig und wurde erst jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, entschieden. (Wer sind eigentlich die Kläger?)” (Nestor)
Die Klage ging nicht darauf, dies zu gestatten, sondern es “zu verbieten”. Bitte das gegenteilige Verb austauschen.
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Kläger waren div. Privatpersonen, u.a. der ehemalige CSU-Führungsmann Peter Gauweiler. Weitere Personennamen sind mir bei dieser Klage nicht namentlich bekannt. Zumeist ältere Vertreter diverser parlamentarische Oppositionsparteien aus der zweiten Reihe waren naturgemäß häufiger bei ähnlichen Klagen in Gestalt von Privatpersonen beteiligt. (Wär ja auch blöd, wenn so ein Kläger in der nächsten Wahlperiode ein offizielles Regierungsamt inne hätte, und dann das verkünden dürfte, wogegen er gestern geklagt hat …) – Das Spektrum der diversen bekannt gewordenen Privatpersonen reicht von abgehalfterten Altvorderen aus der Linkspartei bis zu solchen aus FDP und AFD. Jeweils als Privatpersonen. Mal wurde das Kreditvolumen gerügt, mal die mangelhafte parlamentarische Befassung mit ihm. Oder die Unverträglichkeit mit diesen oder jenen sonstigen Gesetzen und Verordnungen oder der Demokratie ganz generell. Dass der deutsche Sparer ein Recht auf hohe Zinsen hätte, und daher seien die EZB-Programme daraufhin zu überprüfen, ob das überprüft worden sei, ist allerdings die allerneuste Variante.
Die Bundesbank-Vertreterin in der EZB ließ daraufhin erklären, dass man das überprüft habe und dankbar für jegliche Denkanregung sei.
Obendrein reagierten die EU-Größen säuerlich auf die “Richterschelte” durch ein untergeordnetes nationales Organ; schließlich läufts gegenüber Polen und Ungarn meist ganz anders herum…
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200505_2bvr085915.html
Bundesbank-Vertreter im Rat der EZB ist immer noch Weidmann.
Vermutlich geht es um das Direktoriums-Mitglied Isabel Schnabel, die aber nicht als Vertreterin der Bundesbank dort ist.
Das Recht des Sparers auf hohe Zinsen, hmmm, steht das im Grundgesetz? 😀
Ja, das stelle ich ja auch immer wieder fest. Bzw. ich wundere mich schon länger, wie lange das läuft, ohne das es kracht. Denn ein perpetuum mobile der Profitmacherei scheint mir auch diese Konstruktion nicht zu sein.
Das Perpetuum mobile der Profitmacherei gibt es eben nicht, das hat sich glaube ich auch für die Verwalter der Profitmacherei herausgestellt.
Es geht seit 2008 eigentlich nur mehr darum, die eigenen Unternehmen irgendwie gegen Konkurrenz und Bankrott zu schützen, die Banken vor dem Crash zu bewahren und hoffen, daß irgendwann wieder Sonnenschein kommt.
Ich kann mir nicht ganz vorstellen, was z.B. den Mitgliedern einer Regierung wie der griechischen oder der französischen anderes durch den Kopf geht.
Dann kommt noch dazu die Aufgabe, die Funktionalität des ganzen Staatsapparates zu wahren und die Zahlungsfähigkeit des Staates aufrechtzuerhalten.
Das Auf und Ab kapitalistischer Konkurrenz
Entkopplung der Finanzmärkte oder: die Spekulation und ihre Basis. – Ein Vorabdruck
Von Stephan Kaufmann und Antonella Muzzupappa
Der Markt beherrscht das ökonomische und weite Teile des gesellschaftlichen Lebens. Für ihn wird produziert, auf ihm wird konkurriert, er entscheidet über Erfolg oder Pleite. Doch gibt es einen Markt, von dem es heißt, er beherrsche alle anderen Märkte: der Finanzmarkt. Denn hier wird ein besonderes Gut gehandelt – Geld, oder genauer: Kapital. Fast alle Unternehmen brauchen es und holen es sich an »den Märkten«, indem sie Kredit nehmen, Aktien und Anleihen ausgeben. So tritt der Finanzmarkt dem Rest der Wirtschaft als Gesamtgläubiger gegenüber: Die Anleger sortieren Unternehmen und Staaten nach deren Kredit- und Kapitalwürdigkeit, sie bestimmen über Finanzierungskosten und damit darüber, welche Geschäfte eine Zukunft haben und welche nicht. Gleichzeitig vollziehen die »Produkte« des Finanzsektors an der Börse ihre eigenen Bewegungen, je nach Geschäftserwartungen steigen Papiere und stürzen ab. Diese Bewegung der Spekulation hat dem Finanzsektor den Ruf eingetragen, er habe sich von der sogenannten Realwirtschaft emanzipiert und sie sich gleichzeitig unterjocht, anstatt ihr zu dienen. Doch das ist nicht ganz korrekt. Realwirtschaft und Finanzmarkt sind sich ähnlicher, als viele denken.
Die Geschäfte der Finanzsphäre bestehen hauptsächlich aus Wetten auf die Erwartungen der Marktteilnehmer. Diese Welt der Spekulation ist heute viel größer als das, was gemeinhin »Realwirtschaft« genannt wird – also als die Sphäre, in der wirkliche Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden. Und die Finanzwelt dehnt sich aus. Entsprach der Wert der weltweit an den Börsen notierten Aktien 1985 noch 17 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, waren es 1990 schon 55 Prozent, Ende 2018 rund 93 Prozent und angesichts der Kurssteigerungen Anfang 2020 wohl deutlich über 100 Prozent. Im Jahr 2019 stieg der Deutsche Aktienindex um ein Viertel, während die deutsche Wirtschaftsleistung um nicht einmal ein Prozent zunahm.
Dieses Auseinanderdriften beider Sphären bewegt viele dazu, sich mit dem Verhältnis von Finanzkapital und Realwirtschaft zu beschäftigen. Daraus resultiert Kritik am Finanzkapital. Im Wesentlichen wird darüber geklagt, dass der Finanzsektor sich von der Realwirtschaft entkoppelt habe, anstatt ihr zu dienen. »Finanzmärkte dienten ursprünglich der Finanzierung von Investitionen«, schreibt das politisch links verortete Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, heute aber seien »die Finanzmärkte weitgehend zu einem Spekulations-, Spiel- und Wettkasino verkommen; die kapitalistische Wirtschaft ist größtenteils zum Kasino-Kapitalismus degeneriert«.
Zunächst einmal ist festzuhalten: »Real« an der Realwirtschaft sind nur ihre physischen Produkte und Dienstleistungen. Nicht ihre kapitalistische Substanz. Die besteht in dem Wert von diesen Produkten und Dienstleistungen beziehungsweise in dem Preis, den sie beim Verkauf erzielen oder mit dem sie in den Büchern stehen. Verkaufen sich diese Güter nicht oder sinkt ihr Preis, so verschwinden sie oder entwerten sich. Damit sinkt nicht nur ihr Wert, sondern auch der der Produktionsmittel. 1998 zum Beispiel kaufte der Autobauer Daimler den US-Konkurrenten Chrysler für rund 30 Milliarden Dollar und verkaufte Chrysler zehn Jahre später für 5 Milliarden Dollar – 25 Milliarden »Realkapital«, einfach verschwunden. Auch wenn Maschinen, Autos und Fabriken eines Unternehmens noch so solide und real erscheinen – ihr Wert ist abhängig davon, ob und inwieweit erwartet wird, dass sie Mittel des Profits sind. Nicht nur an der Börse zählen also Erwartungen. An den Finanzmärkten wiederum ist vielleicht vieles verrückt, aber nichts irreal. Wäre der dort gehandelte Reichtum irreal, wäre es auch kein Problem, wenn er zeitweise verschwindet.
Die Analogie mit dem Kasino hinkt ebenfalls – im Vergleich mit den Finanzmärkten erscheint ein Kasino geradezu bodenständig. Denn das Kasino ist eine reine Geld-Umverteilungsmaschine: Was der eine verliert, gewinnt der andere. 100 Euro sind dort immer 100 Euro, die Einsätze sind fixe Summen und können sich nicht vermehren. Daher gibt es am Roulette-Tisch auch keine allgemeine Hausse, die alle reicher macht, und keinen Crash, der Einsätze vernichtet und alle ärmer macht. Zudem sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten beim Glücksspiel berechenbar: Bei einem Münzwurf ist die Chance immer 50:50. An der Börse dagegen entscheidet die Spekulation selbst, ob die Spekulation auf künftiges Wachstum aufgeht. Das ist keine Frage des Zufalls, sondern schlimmer: eine Frage des Auf und Abs kapitalistischer Konkurrenz.
Zeigt nun die Tatsache, dass Wertpapiere an der Börse ein Eigenleben führen und viel mehr wert sind als die Wirtschaftsleistung, dass das Finanzkapital sich von der Realwirtschaft entkoppelt hat? Es stimmt zwar, die Preise von Aktien und Anleihen basieren auf Erwartungen der Erwartungen, und das ist tatsächlich äußerst dehnbar. Zudem greifen hier Selbstverstärkungsmechanismen: Erwarten viele Anleger, dass ein Aktienkurs steigt, dann steigt er wirklich – die Erwartung wird Realität. Zudem machen steigende Kurse die Anleger real reicher, sie können ihre Papiere zu höheren Preisen verkaufen und mit dem Geld neue Papiere erwerben. Zusätzlich erhalten sie wegen ihres gewachsenen Vermögens auch höhere Kredite von den Banken. Der Börse geht im Aufschwung also nie das Geld aus, es gibt keine objektive, »reale« Grenze, kein festes Geldbudget, das den Kursanstieg irgendwie begrenzt. Diese Grenze führt die Spekulation selbst herbei, indem sie die Kurse fallen lässt. Und dann greift die andere Selbstverstärkung: Wird auf Crash spekuliert, sinken die Kurse tatsächlich, Vermögen verschwinden und viele werden ärmer. Wegen der dadurch entwerteten Sicherheiten streicht auch die Bank ihre Kredite und verlangt Rückzahlung. Das macht Notverkäufe von Aktien zur Kreditbedienung nötig, was den Abwärtstrend verstärkt.
Das Eigenleben der Märkte wird mit steigendem Spekulationsgrad – zum Beispiel bei Derivaten – immer eigener, scheinbar immer unabhängiger von der Realwirtschaft. Das ist zunächst kein Problem, denn die Realwirtschaft muss die weltweit kursierenden Finanzvermögen nicht »decken« und letztlich auch nicht einlösen: Die Masse des Anlagekapitals ist keine Anweisung auf produzierte Güter und Dienstleistungen. Die Investoren werden auch nicht irgendwann all ihre Anleihen, Aktien und Derivate verkaufen, um sich davon Anteile am Sozialprodukt in Form von Autos, Computern und Kuchen zu kaufen. Der Finanzsektor basiert darauf, dass er sich von allen Ansprüchen auf materielle Deckung der gehandelten Summen emanzipiert hat.
Diese Emanzipation hat aber eine Grenze, auch wenn diese äußerst biegsam ist. Denn für die Finanzmärkte besteht die Funktion der Realwirtschaft darin, dass sie permanent das Wachstum glaubhaft versprechen soll, auf das die Märkte getrennt von der Realwirtschaft spekulieren. Das beinhaltet aber, dass die Realwirtschaft irgendwann auch liefern muss. Selbst die wüsteste Spekulation, die den Unternehmen kein Geld bringt und kein Geld wegnimmt, hat die Realwirtschaft als Grundlage und bezieht sich auf sie. Eine gänzliche Emanzipation ist also nicht möglich, auch wenn die Akteure an den Finanzmärkten dies gerne sehen würden. Beide Sphären bleiben aneinander gekoppelt, wobei diese Kopplung eine extrem bewegliche Sache ist. Sicher ist nur eins: Geht ein Unternehmen unter, verschwindet seine Aktie, dann kann auch der Finanzmarkt nicht auf sie spekulieren, weil ihm das Entscheidende verloren gegangen ist – die Zukunft.
Über die Entkopplung der Finanzsphäre klagen häufig jene, die an eine Doppelfunktion des Finanzkapitals glauben beziehungsweise an einen Ursprung, an dem der Finanzsektor nur dafür da war, den Produzenten von Gütern und Dienstleistungen mit Kapital zur Seite zu stehen. Die Position, das Finanzkapital müsse Industrie und Handel dienen, ist in allen politischen Lagern verbreitet. Stellvertretend sei hier der Ökonom Stephan Schulmeister zitiert: »Finanzkapital kann […] auf zwei fundamental unterschiedliche Weisen eingesetzt werden, entweder als ›Mittel zum Zweck‹ der Finanzierung von Unternehmen oder als ›Mittel zum Selbstzweck‹, also für selbstreferenzielle Vermögensvermehrung. Im ersten Fall fungiert Finanzkapital als ›Diener‹ des Realkapitals: Die Rendite auf das Finanzkapital (Zinssatz oder Dividendenrendite) ist kleiner als die Profitrate des Realkapitals, denn der Rentier verleiht ja lediglich ein knappes Gut, der Unternehmer macht hingegen etwas draus […] Im zweiten Fall ›emanzipiert‹ sich das Finanzkapital von seiner ›dienenden‹ Rolle: Seine Besitzer (›Rentiers‹) versuchen, ihren Anteil am Sozialprodukt durch selbstreferenzielle Spekulation (losgelöst von der Finanzierung des Realkapitals) zu steigern.«
Angedeutet wird hier das Bild der profitgierigen Finanzmärkte und der guten Realwirtschaft, die es zu schützen gilt. Nun hat die Realwirtschaft keinen anderen Zweck als die Finanzwirtschaft. Maschinen, Fabrik, Arbeitsplätze, Güter – all dies sind für Industrie und Handel lediglich die Mittel, um einen Profit zu erzielen, der so hoch wie möglich sein soll. Nur weil sie den gleichen Zweck verfolgt wie das Finanzkapital, nimmt die Realwirtschaft Kredite auf und gibt Aktien aus, damit diese ihr »dienen«. Die Profitmaximierung ausschließlich im Fall des Finanzkapitals zu kritisieren und nicht schon bei der Realwirtschaft ist etwas widersprüchlich. Diese Kritik basiert auf der Vorstellung, dass es sich bei Maschinen, Anlagen, Gütern und anderem »Realkapital« nicht um materialisierte Profitansprüche handle, sondern um dauerhafte, nützliche Dinge, die eben der Zweck der Realwirtschaft seien, während das Finanzkapital bloß Profit wolle.
Daher, so die Argumentation weiter, müsse man die zu hohen Finanzmarktrenditen senken, um Investitionen in die Realwirtschaft zu lenken. Liege der Zins unter der Profitrate, so investierten mehr Kapitalisten in VW und andere Produktionsgeschäfte statt zum Beispiel in Derivate. Dies bringe eine steigende Beschäftigung und eine sinkende Ungleichheit mit sich. Liege der Zins auf Finanzgeschäfte hingegen über der Profitrate des Realkapitals, so seien Finanzanlagen für die Investoren attraktiver als »reale« Geschäfte. Der Finanzsektor blähe sich auf, dies bringe Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Sozialabbau mit sich und erhöhe somit die Ungleichheit.
Arbeitslosigkeit, Prekarisierung, Ungleichheit – bloß ein Werk des Finanzkapitals? Nicht ganz. Da die Realwirtschaft ebenfalls nur für Profit arbeitet, zeigt eine steigende Arbeitslosigkeit lediglich, dass viele Jobs aus Sicht der Realwirtschaft für den Profit nicht taugen und daher abgebaut werden. Der daraus folgende Lohndruck, die Prekarisierung und die wachsende Ungleichheit sind nicht allein Werk des Finanzkapitals, auch wenn es – wie die Realwirtschaft – davon profitiert.
Und selbst wenn das Problem darin bestünde, dass wegen der hohen Finanzmarktrenditen alles Geld an die Börse flösse und für Investitionen in neues »Realkapital« daher nicht genug übrig bliebe: In einem Wirtschaftssystem, das auf Profitmaximierung basiert, ist es aus Sicht des Kapitals – auch des »Realkapitals« – gleichgültig, wohin es fließt, Hauptsache, die Rendite stimmt. Insofern ist die Aufblähung der Finanzmärkte nicht systemwidrig, sondern folgt dieser Logik. Dort kann Kapital flexibel investiert werden, man kann von Autoaktien zu Chemieaktien wechseln, von Immobilien zu Staatsanleihen, immer auf der Suche nach Rendite. Die Idee, derartige Geschäfte seien bloßer »Selbstzweck« und widersprächen dem »eigentlichen« Zweck des Kapitalismus – der Produktion von Gütern und Arbeitsplätzen –, beruht auf einer Idealisierung der Marktwirtschaft.
So ist also die Lage: Das globale Vermögen, die weltweiten »Ersparnisse« bestehen heute vor allem aus Einlagen bei Banken, aus Aktien, Immobilien und aus verzinslichen Investments wie Anleihen, Sparbriefen oder Lebensversicherungen. All dies sind nichts weiter als Zahlungsansprüche. Aktionäre wollen Dividenden, Sparer wollen Zinsen. Was Sparer auf ihren Konten, Anleger in ihren Anleihe-Depots, Aktionäre in ihren Portfolios und Banken in ihrer Bilanz als Vermögen verbuchen, das sind nichts anderes als Schulden anderer. »Sparen, statt Schulden zu machen« – diese Aufforderung ist daher eine falsche Gegenüberstellung. Wer sparen und daran verdienen will, der muss verleihen. Wer deutsche Staatsanleihen kauft, der kauft Schuldscheine des deutschen Staates. Wer spart, ist Gläubiger – und kein Gläubiger ohne Schuldner. Selbst was auf unseren Girokonten liegt, ist bloß eine Summe, die die Bank uns schuldet.
Die Vermögenswerte basieren darauf, dass sie per Zins, Dividende oder Miete bedient werden. Geschieht dies nicht oder kommen daran Zweifel auf, schwinden diese Werte dahin, sei es bei US-Hypothekenpapieren, bei Griechenland-Anleihen oder bei Häusern in bester Innenstadtlage. Der finanzielle Reichtum der Welt besteht also aus vorweggenommenen Renditen, die zwar erst in Zukunft anfallen, aber heute schon als Guthaben existieren. Man könnte es auch so ausdrücken: Als Wert gilt heute nicht das, was produziert worden ist, sondern das, was noch produziert werden soll. In der Weltwirtschaft herrscht heute also ein gewisses Maß an Irrsinn, der darin besteht, dass künftiges Wachstum bereits fertig vorliegt in Form von Vermögenswerten, die eine Spekulation auf dieses Wachstum sind, das niemals enden soll. Im Kapitalismus ist die Zukunft immer schon verpfändet, und diese Zukunft zeitigt große Folgen in der Gegenwart, da die erwarteten Erträge schon an den Börsen notiert sind.
Da das an den Finanzmärkten gehandelte und in Bilanzen verbuchte Vermögen auf Erwartungen beruht, können sich Milliardensummen einfach in Luft auflösen. Daher hängen Unternehmen, Staaten und ganze Währungsräume heute an dem, was allgemein »Vertrauen der Märkte« genannt wird. Doch das Finanzvermögen ist damit nicht bloß eine hoffnungsfrohe Erwartung. Es ist ein Anspruch. Ein Anspruch an den Rest der Welt, die erwarteten Renditen zu erwirtschaften und damit die als Weltfinanzvermögen vorliegenden billionenschweren Erwartungen in ihrem »Wert« zu bestätigen.
Im Kapitalismus fungiert der Reichtum als permanenter Zwang, ihn zu vermehren. Davon profitieren die Eigentümer. Die große Mehrheit dagegen haftet als Arbeitnehmer, Mieter oder Bürger letztlich dafür, dass die kombinierten Ansprüche von Unternehmen und Anlegern aufgehen. Als Arbeitnehmer müssen sie ihren Arbeitgebern einen Gewinn einbringen, als Mieter ihren Grundeigentümern die Miete und als Bürger ihren Regierungen die Steuern. Aus dieser Sicht mag die wiederkehrende Warnung beunruhigend sein, die Welt habe zu viele Schulden. Denn dies ist gleichbedeutend mit der Warnung, es existierten global zu viele Finanzvermögen mit dem Anspruch der Verwertung. Und die gerät ebenso regelmäßig wie notwendig in die Krise.
Vorabdruck aus: Stephan Kaufmann und Antonella Muzzupappa Crash Kurs Krise. Wie die Finanzmärkte funktionieren. Eine kritische Einführung. Bertz & Fischer, Berlin, 2020. Ca. 120 Seiten. 8 Euro. ISBN 978-3-86505-756-3. Erscheint im Juni 2020.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137841.finanzmaerkte-das-auf-und-ab-kapitalistischer-konkurrenz.html?sstr=Stephan%20Kaufmann
Zu dem Gedanken, dass der finanzielle Reichtum in Erwartungen dieses Reichtums existiere, verlinke ich noch einmal einen journalistisch-feuilletonistischen Text, der das nur der Form nach etwas anders formuliert hat:
http://NestorMachno.blogsport.de/2020/03/18/419/#comment-38846
Sicher ein interessantes Buch, was ich bewerben werde, wenn es heraußen ist.
Dieser Satz ist allerdings falsch:
„Denn das Kasino ist eine reine Geld-Umverteilungsmaschine: Was der eine verliert, gewinnt der andere.“
Das kann ja irgendwie nicht sein, sonst würde sich der Betrieb eines Kasinos nicht rentieren.
So ehrlich geht es beim Glücksspiel nicht zu. Natürlich wird immer mehr verloren als gewonnen.
Abgesehen davon, daß Spielhöllen und Ähnliches – zumindest bei uns in Österreich – Orte von Geldwäsche und illegaler Parteienfinanzierung sind.
Das ginge ja auch nicht, wenn die so grundehrlich und uneigennützig wären, wie es der obige Satz unterstellt.
“„Denn das Kasino ist eine reine Geld-Umverteilungsmaschine: Was der eine verliert, gewinnt der andere.“”
Doch, bis auf den Hausvorteil. Beim Roulette gewinnt das Casino eben nur wenn die Null fällt also 1/37 der Einsätze über den ganzen Abend. Das ist ganz “ehrlich”. Die Spieler versuchen zu betrügen, zumeist bei Kartenspielen, und werden deshalb mit riesigem Aufwand überwacht und kontrolliert. Aber Casinos sind kein Hütchenspiel, wo der Mensch mit den Hütchen tatsächlich die Mitspieler betrügt, indem er Taschenspielertricks anwendet.
Wieso Casinos der Geldwäsche dienen, verstehe ich auch nicht richtig. Man geht da hin und kauft für X Euro Chips, dann spielt man, und bekommt im Schnitt etwas weniger zurück. Liegt der Clou in der Quittung, die man bei der Rückgabe der Chips bekommt, die “beweist”, daß man mit Null Einsatz einen Riesengewinn gemacht haben will? Denn ohne Quittung ist es doch egal, ob die Polizei einen filzt, eh man ins Casino geht und fragt, wo man das viele Geld her hat oder nachher.
Ich bin über folgenden Satz gestolpert:
Nein, Immobilien sind eben nicht Ansprüche, sondern konkrete Dinger, ein Haus, ein Laden, eine Wohnung. Daß da regelmäßig doch “Ansprüche” mit im Spiel sind, merken viele Eigentümer, die den Anspruch haben, daß eine Immobilie doch nur ihnen gehören würde, sie sind schließlich Eigentümer, wenn es nicht mehr so läuft mit dem Wert, den der Immobilienmarkt der Immobilie zuschreibt (z.B. weil die Mieteinnahmen sinken, oder die Gegend unbeliebt wird, wo das Teil liegt), Dann gehört das Teil nämlich schnell denen, deren Ansprüche ins Grundbuch eingetragen sind, weil sie den Kauf kreditiert haben oder sie als Sicherheit für andere Kredite halten und sie sind raus, auch aus dem Grundbuch als Eigentümer.
@Neoprene
Ich versteh den Satz mit dem 1/37 und der fallenden Null nicht.
Es ist doch wurscht, wie das Kasino genau funktioniert, aber die Betreiber desselben müssen einen Reibach machen, sonst wäre niemand so scharf auf eine Spielkasino-Konzession. Also müssen per se die Gewinne der Spieler kleiner sein als das zirkulierende Betriebskapital der Kasinobetreiber.
Auch die Geldwäsche funktioniert nicht so, daß klein oder groß Maxi ins Kasino marschiert und dort Geld wäscht, sondern daß die Unternehmer des Kasinos, ähnlich wie bei Fußballklubs, jede Menge Geld hineinstecken und herausziehen können, was aufgrund des Zufallscharakters von Gewinnen und Verlieren nicht überprüfbar, d.h. als Geldwäsche dingfest zu machen ist.
“Durch das Zéro sichert sich das Casino seinen Bankvorteil.
Da die Gewinnquoten für die Wetten auf die mehrfachen Chancen so berechnet sind, als ob das Zéro nicht vorhanden wäre, d. h. als ob es nur 36 statt 37 Zahlen gäbe, beträgt der Bankvorteil bei den mehrfachen Chancen 1⁄37 = 2,70 %. Die Ausschüttungsquote beträgt somit 97,30 %.
Für die einfachen Chancen gilt Folgendes: Beim klassischen französischen Roulette mit Prison-Regel beträgt der Bankvorteil 1⁄37 · 1⁄2 = 1,35 %; die Ausschüttungsquote beträgt daher 98,65 %. Ohne Prison-Regel ist der Bankvorteil doppelt so hoch und beträgt dann 2,70 %, so wie auch auf allen mehrfachen Chancen.
Gewinnt ein Spieler mit einem Einsatz auf eine volle Nummer, ist es üblich, dass er mit den Worten „Pour les employés“ ein Stück dem Tronc (fr. Opferstock) zukommen lässt. Somit verringert sich die Gewinnquote für Einsätze auf Plein von 35 : 1 auf 34 : 1 und der mittlere Verlust des Spielers verdoppelt sich bei dieser Wettart auf 2⁄37 = 5,40 %.”
Und ja, bei Casinos können nicht nur die Spieler Geld waschen, sondern die Betreiber auch. Geldwäsche funktioniert immer so, daß einerseits jemand Geld annehmen darf, daß er nicht auf seine Herkunft prüfen muß (z.B. im Casino beim Kauf der Jetons), z.B. beim Autokauf, was bei Banken mittlerweile ja gesetzlich vorgeschrieben ist, und im großen Stil, wenn man ein Unternehmen betreibt, bei dem der Staat schwer beurteilen kann, ob alle angegebenen Einnahmen wirklich aus dem offiziellen Geschäftszweck stammen. Deshalb kamen ja Capone und Lansky auf Waschsalons. Und deshalb ist heutzutage Deutschland und insbesondere Berlin ein El Dorado der Geldwäscher, weil man hier Immobilien kaufen kann mit Bargeld oder Überweisungen einer zypriotischen Firma, ohne daß da auch nur ein einiger Notar nachfragen würde, wo das denn wrklich herkommt. Schätzungen gehen davon aus, daß so mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr in der BRD gewaschen werden.
A) Der Vergleich mit dem Casino – war von Kaufmann vermutlich auch nur als ein solcher getätigt. Also eine bildhafte Verdeutlichung. Mag sein, dass das Bild nicht alle Facetten verkörpert, – wie das bei bildhaften Vergleichen eben meistens so ist.
Dass es sich beim Finanzkapital um ein Casino handele, sagen vermutlich Hunderprozent der Linken. (Glückspiele, Wetten, Cssinos werden übrigens in der BRD in legale und illegale unterteilt, was der Findigkeit von Wett-Ambietern im Zeitalter des Internet nur ein Anreiz zu kreativer Gestaltung ist). Mehr als eine bildhafte Verdeutlichung des Treibens des Finanzkaptals (und eine ironische Zurückweisung der moralischen Beschuldigung von Casinos) war bei Kaufmann gar nicht gemeint.
[Dass man, getrennt von diesem Verweisungscharakter auf die Modalitäten des Finanzkapitals, sich mal Klarheit über Lotto, Glückspiel, Wetter, Casinos etc verschaffen will, sei explizit gar nicht kritisiert. Das wäre ein großes Thema – mit u.a. der Ideologie, jeder sei seines Glückes Schmied bis hin zu diversesten staatlichen Reglementierungen; in manchen Ländern gibt es staatliche Weihnachtswetten, auf die das ganze Jahr lang hingefiebert wird. Ganze Ministaaten leben – anscheinend – von ihren Casinos – dann werden die vermutlich schon noch eine weitere Funktionlität haben…]
B) Wenn das Eigentumsrecht einer juristischen Person erloschen ist, oder gar die Sache bzw. das ökonomische Verhältnis des Ausschlusses und berechtigten Benutzens, auf das sich das Eigentumsrecht bezieht, zerstört ist, – dann mag es vermutlich neue Eigentumsrechts-Regelungen geben (oder auch Neoprenes Beispiel mit Hypetheken auf Immobilien etc).
Ggf. regelt ein Gericht Streitfälle innerhalb der Eigentumsrechts-Ordnung.
Übrigens unterstreicht Kaufmann selber, dass es letztlich darum ginge, dass ‘wirkliches’, ‘reales’ ‘Wachstum’ stattfinden solle, weil letztendlich sich dann – irgendwie – doch darauf bezogen würde…
C) Interessenten am Thema Finanzkapital finden Aufklärendes zu diesem Gegenstand:
https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/buchangebot/finanzkapital
https://www.contradictio.de/blog/archives/7685
zu a)
Ja, wenn Kaufmann schreibt:
“das Kasino ist eine reine Geld-Umverteilungsmaschine: Was der eine verliert, gewinnt der andere.”
dann stimmt das (bis auf das bißchen Gewinne der Casinos, damit konnte man natürlich in Vegas oder Macau schon zum Milliardär werden, weil halt Millionen von Menschen dort immer wieder ihr Glück versuchen). Und die Zockerwelt der Finanzer ist was anderes. Da sind “wirklich” Billionen aus dem Nichts geschaffen worden und genauso wieder zerronnen. Insofern ist die Zurückweisung der allseits beliebten Bezeichnung Casino für deren Treiben doch daneben und trifft den Kern dieser Aktivitäten nicht.
Zu b)
Das Wiederaufleben der kapitaistischen Gewinnemachereien aus der Krise heraus beruht in der Tat auf dem Erlöschen der Eigentumsrechte juristischer Personen. Also ganz primitiv darauf, daß die Firmen, die die bisherigen Kapitale hinakkumuliert hatten, pleite gehen, weil all die Kredite, die sie aufgenommen hatten, und die bis dato gutes Geld wert gewesen sind, all die Aktien, die sie an die Börsenwelt verkauft hatten, sich als wertlos erwiesen haben, weil es so wie eingeplant, einfach nicht weiter ging. Dann werden mit der offiziellen Pleite auch noch die letzten Eigentumsansprüche ausgestrichen, die Kredite gehen unter (und bekommen im besten Fall eine mehr oder weniger lausige Quote zugeteilt, wenn da noch etwas zu verwerten war an all den nützlichen Dingen, die eine Firma so ausmachen), die Aktie erlischt.
Und es geht wieder neu los, denn die Fabriken stehen ja noch genauso da, wie vorher, die Arbeiter, die entlassen worden sind, stehen ja weiterhin für neue Unternehmungen bereit. Wenn dann neue Firmen, die alten Fabriken oder auch nur Teile davon billig aufkaufen können (jedenfalls ohne den Berg Schulden mit übernehmen zu müssen, die die alte Firma in den Ruin getrieben hatten), dann kann das Gewinne machen wieder losgehen. Für dieses Procedere gibt es in allen kapitalistsichen Gesellschaften die ganze Latte von Insolvenzregelungen, mit denen der Staat dafür sorgt, daß nicht nur fiktive Kapitalien unterwegs sind, sondern den Überhang per drastischem “Haircut” (manchmal eben bis auf Null) immer wieder korrigiert.
Ja, diese Idee, daß „nach der Krise“ alles wieder so weitergehen wird wie bisher, stehen alle möglichen linken Krisentheorien Gewehr bei Fuß.
Sie haben sich allerdings an der letzten Krise gründlich blamiert, weil sie zu einer Dauereinrichtung geworden ist, für die es kein „nachher“ gibt.
Es sind ja nicht einfach Eigentumstitel verschwunden, und es sind auch nicht jede Menge Schulden gestrichen worden, weil das moderne Kreditgeld eben genau dieses nicht verkraften würde. Es beruht nämlich auf diesen Schulden.
Angesichts diser Tatsache ist es also etwas abgeschmackt, dieses Blabla der zyklischen Krisen herzubeten.
Es ist ja nun alles andere als eine frohe Zukunfstversprechung, wenn ich auch wieder darauf hingewiesen habe, daß es per se keine Endkrise des kapitalistischen Wirtschaftens geben wird, wo “Alles” sein gerechtes Ende finden wird und voila einer sozialistischen Zukunft Tür und Tor geöffnet sein wird.
Es stimmt schon, daß die letzte Finanzkrise nicht wirklich schon vorbei ist, weil der typische Verlauf einer Krise, daß es eben zu fürchterlichem Zerplatzen von all den bis dato aufgeblähten Werten kommt, koste es was es wolle zu verhindern versucht wurde. Aufgeschoben ist hier halt auch nur aufgehoben. Von daher mag es vielleicht stimmen, daß das “moderne Kreditgeld” die nächste brutale Weltwirtschaftskrise nicht überstehen wird, aber bloß deshalb den Kapitalismus schon an seinem wohlverdienten Ende zu sehen ist auch ganz schön abgeschmackt.
Es verwundert mich zudem, daß du zwar dem Weltgeld keine großen Chancen mehr einräumst, aber den Weltimperialismus ohne steigende Kriegsgefahren weiterwurtschteln siehst.
Es hat ja niemand den Kapitalismus zu Grabe getragen, aber auch diese Stehaufmandl-Theorie hat etwas sehr, wie soll ich sagen, Abgedroschenes an sich.
Immerhin haben den Kapitalismus 2 Weltkriege „gerettet“ und seither setzt sich eigentlich jede Krise auf eine vorherige drauf und macht die ganze Angelegenheit immer instabiler.
Das Beunruhigende ist, daß die Kritik der politischen Ökonomie sehr unmodern geworden ist und kaum Leute dastehen mit einer Vorstellung: Wie weiter? – sollte z.B. der Euro krachen.
Man hat ja die allgemeine Ratlosigkeit der Politiker sowohl in der Finanz- und Euro-Krise als auch beim Auftreten des Coronavirus gesehen.
Ich weiß nicht so recht, worauf du eigentlich raus willst: Gehörst du nun zu den Untergangspropheten, die seit Jahrzehnten rufen, “Das Ende nahet! Entsaget dem Teufel und findet endlich zu Gott!” was auch immer dann kritisiert werden soll und wohin dann auch immer die gesellschaftliche Reise gehen soll?
Die “Stehaufmandl-Theorie” ist ein gut belegter marxistischer Terminus und historisch ja auch durch die letzten 200 Jahre hinlänglich belegt.
Ob schon der erste Weltkrieg als Rettung des Kapitalismus gelten kann, ich weiß nicht so recht. Zudem nicht der Kapitalismus an irgendwelche Grenzen gekommen war (außer du glaubst Rosa Luxemburg), sondern nur die imperialistischen Gegnerschaften nicht mehr weitermachen wollten wie bisher. Und auch die These, daß z.B. die Krisen der Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg die Angelegenheit, also die kapitalistische Staatenwelt und Weltwirtschaft “immer instabiler” gemacht hätten, sehe ich nicht. Da ging es doch in den imperialistischen Zentren jahrzehntelang aufwärts (Nun gut, nicht überall gleichmäßig und im Rest der Welt eh nicht sonderlich.)
Es ist übrigens falsch, daß “kaum Leute dastehen mit einer Vorstellung: Wie weiter? – sollte z.B. der Euro krachen.” Frag doch mal einen x-beliebigen AfDler der alten Schule, oder meinetwegen auf der etwas linkeren Seite Varoufakis.
Ratlos sind die Politiker nur, wenn man sie fragt (und das fragen sie sich selber ja auch), wie die kapitalistische Welt insgesamt oder wenigstens die EU oder die USA da wieder rauskommen sollen ohne den in der Tat schon länger drohenden richtig weitgehenden Crash.
Bei Corona waren die Politiker übrigens gar nicht durchgängig “ratlos”. Von der VR China über Korea bis Singapur haben die recht bald eine wirksame Strategie der Bekämpfung/Zurückdrängung entwickelt und umgesetzt. So blöd wie Bolsonaro, Johnson oder Trump waren nicht alle Vertreter der herrschenden Klassen.
Ich verstehe das Problem nicht.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals irgendwo vom Ende des Kapitalismus geschrieben zu haben. Wieso also diese Frage?
Ich glaube Krim war das, der mich immer aufforderte, etwas zu belegen, worauf ich geantwortet habe,: Belegen tu ich nur Brote.
So geht korrekte Wissenschaft nicht, daß man eine These aufstellt und die dann „belegt“. Es mag gebräuchlich sein, aber es kommt nix Gscheites dabei heraus.
Also weiß ich jetzt auch nicht, was ein „gut belegter marxistischer Terminus“ sein soll.
Es erinnert mich an Kondratjew mit seinen Zyklen und Varga, der für die Komintern ausrechnen sollte, wann eine Krise kommt, damit man dann günstigere Bedingungen für den Klassenkampf vorfindet.
Was mich nervt ist, daß man Krise und Konjunktur als sozusagen Naturereignisse auffasst und sich dann in Prophezeiungen ergeht, wie denn dann weitergehen wird, in Art eines Wetterberichtes.
Noch dazu mit falschen Behauptungen über Kapitalvernichtung in der Krise, die dann ein bereinigtes Feld für einen neuen Aufschwung schafft.
Da wird wirklich etwas nachgeplappert, was vielleicht in irgendwelchen Büchern steht, wovon beim Verlauf der derzeitigen Krise nix zu merken ist. Und damit meine ich die 2008 ff.-Krise, in der wir nach wie vor stecken.
Im Fernen Osten haben die bei SARS einiges gelernt, was dann zur Anwendung gekommen ist. Da geht es aber um die gesundheitspolitische Abwicklung der Corona-Krise.
Was die Ökonomie betrifft, weiß ich nicht, ob dort alles paletti ist. In China zumindest werden solche Sachen ganz anders gemanagt, von einer Staatspartei, die gegebenenfalls auch einmal die Richtung ändern kann und entgegen der Unkenrufe und Störgeräusche hierzulande eine ziemliche Einheit von Staat und Volk erreicht hat.
Ich redete von den Hanswursts diesseits und jenseits des Atlantiks, und die sind ja immer noch die, die den weltweiten Kapitalismus wollen und zu befördern versuchen. Und die sind ziemlich mit ihrem Latein am Ende. Der IWF, die EZB, die EU- und USA-Politiker. Und auch die in Lateinamerika.
Ich gebe zu, daß mein Lob der Staatsreaktionen auf Corona rein gesundheitspolitisch gedacht waren, was diese Staaten jeweils ökonomisch bisher gemacht haben und noch machen wollen, weiß ich gar nicht.
Noch mal zum Stehaufmandl: Entweder Kapitalismus “muß” aus irgendwelchen immanenten Gründen an sein Ende kommen, was auch immer dabei Ende dann bedeuten soll, bzw. wie es “danach” dann weitergehen soll, oder die Klassenverhältnisse bleiben auch nach Krisen, Kriegen und sonstigen Katastrophen grundsätzlich die gleichen wie vorher und dann geht das eben kapitalistisch weiter.
Ja bisher hat niemand den Kapitalismus zu Grabe getragen. Weiß der nur noch nicht, daß er schon tot ist oder geht es eben irgendwie weiter, wenn ihn tatsächlich niemand zu Grabe trägt?
Ja Kondratjev und Varga haben vor hundert Jahren viel Pseudowissenschaft betrieben und alles Mögliche berechnet. Machen bürgerliche Ökonomen ja bis auf den heutigen Tag. Beide Fraktionen machen sich dabei zu Nutze, daß wirtschaftliche Entwicklungen nicht nur zufällige Zick-Zacks irgendwelcher Indikatoren sind, sondern daß dem die berühmt/berüchtigten “Gesetzmäßigkeiten” zugrunde liegen. Damit sind Marxisten aber noch nie die besseren Anlageberater oder Gewerkschaftsberater gewesen.
“Was mich nervt ist, daß man Krise und Konjunktur als sozusagen Naturereignisse auffasst und sich dann in Prophezeiungen ergeht, wie denn dann weitergehen wird, in Art eines Wetterberichtes.”
Für den typischen Menschen, der in irgendeinem kapitalistischen Staat lebt, sind Krise und Konjunktur ja in der Tat auch genauso unbeeinflußbar, unvorhersehbar wie das Wetter. Da bist du doch in genau der gleichen Position wie jeder andere auch. Wie sollte man den diese Entwicklungen/Ereignisse deiner Meinung nach “auffassen”?
Was ist falsch an der Behauptung, daß Kapitalvernichtung in der Krise die Basis legt für einen neuen “Aufschwung” schafft. War das schon immer falsch, seit der Kapitalismus vorherrschend war oder ist das deiner Ansicht nach was Neues, was wohlmöglich erst seit 2008 gilt?
Na ja, unsere Gesellschaft wird von Menschen gemacht und kann von Menschen verändert werden.
Deswegen hat mir dieses Gerede von „Gesetzmäßigkeiten“ nie so besonders gefallen.
Es war ja auch ein Leiden des Realsozialismus, daß seine Macher ständig auf irgendwelche Gesetzmäßigkeiten aufspringen wollten, auf den Zug der teleologischen Geschichte, und dann dort Rambazamba machen wollten, als Hüter des „wissenschaftlichen Sozialismus“.
Bezüglich der Kapitalvernichtung in der Krise hat sich m.E. eine Tendenz entwickelt, wo eben die politische Gewalt diese verhindert bzw. den schwächeren Konkurrenten umhängt.
In Südeuropa wurde schon seit der Wende und EU-Gründung 1991 jede Menge Kapital niederkonkurriert, aber andere Staaten konnten verhindern, daß sie von der Entwicklung 2008 eingeholt wurden. Siehe Deutsche Bank, von der du ja schon vor längerer Zeit geschrieben hast, sie sei ein lebender Leichnam.
Schon seit den 80-er Jahren lief eine Kapitalvernichtung in Lateinamerika, was Märkte erst für die EU und USA und später für China geschaffen hat. Und in den ex-sozialistischen Staaten wurde ebenfalls ein großer Teil der produktiven Basis systematisch ruiniert, um dort Märkte zu schaffen.
Aber 2008 wurden eben große Pleitewellen verhindert und dafür noch größere Schuldenberge angehäuft.
Es gilt als marxistisch, sich um die Ausbeutung und den Profit zu kümmern, aber der Salto mortale der Ware wird da als theoretischer Gegenstand eher geringgeschätzt.
Irgendwer muß das ganze Graffl ja auch kaufen, und mit welchem Geld?
Es ist eine Binsenwahrheit, daß unsere Gesellschaft von Menschen gemacht und von Menschen verändert werden kann. Das passiert eh tagein tagaus. Und auch wenn es Idioten gab, die ernstlich rausposaunt haben, daß mit dem erfolgreichen Kapitalismus das Ende der grundsätzlichen Entwicklung und Geschichte erreicht worden sei, so ist natürlich auch unsere jetzige Gesellschaftsstruktur nicht in Stein gemeißelt. Wenn wir hier davon nicht überzeugt wären, würden wir hier ja keine Sekunde rumhängen.
Und es stimmt natürlich auch, daß es die ehernen Gesetze der kapitalistischen Entwicklung nicht gibt, aber man kann der Entwicklung der kapitalistischen Konkurrenz schon das Eine oder Andere grundsätzlicher Natur entnehmen, auch ohne Malthus und Lasalle bemühen zu müssen.
Wenn du, viele, z.B. der GSP schreibst,
dann kann ich dir da nur das entgegenhalten, was ich dazu schon immer gesagt habe: Die Staaten *wollen* die Krise verhindern, ob sie das überhaupt können, ist aber noch nicht raus, bzw. meiner Meinung nach auch unmöglich. Wenn ein Unternehmen pleite geht, ist immer die Klage, daß es doch bis zum Schluß gut gelaufen wäre und noch ewig so wie bisher hätte weiter gehen können, wenn da nicht die bösen Banken und andere Kreditgeber gewesen wären, die alles kaputt gemacht haben mit ihrer völlig überraschenden und unnötigen Beendigung der andauernden Kreditierung. Und genauso wird seit Jahren die staatliche Krisenbewältigung verkauft: Man muß nur immer mehr Geld in die Wirtschaft pumpen, dann geht das schon irgendwie weiter.
Ja deskriptiv stimmt die Momentaufnahme, “2008 wurden eben große Pleitewellen verhindert und dafür noch größere Schuldenberge angehäuft.” Sow wie beim Pleiteladen bis zum Tag der Anmeldung der Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit und obendrein noch totaler Überschuldung.
Es verwundert mich, wenn du in diesem Zusammenhang meinst, auf die Außerachtlassung des nun wirklich zentralen Punkts, der Notwendigkeit der “Versilberung”, wie es GSPler in ihrer altmodischen Art häufig nennen hinweisen zu müssen. Das brauchst du weder Marxisten noch dem Finanzminister sagen, insbesondere der Scholz und die Merkel wissen das offensichtlich auch. Oder der Diess von VW. Von daher ist die Antwort auf deine rhetorische Frage, “Irgendwer muß das ganze Graffl ja auch kaufen, und mit welchem Geld?” ja offensichtlich: Wenn das Geld nichts mehr wert sein wird, wird es auch aus dem Verkaufen und schnell aus der Produktion nichts mehr werden. Und umgekehrt, solange Maßnahmen Erfolg haben, die die Nachfrage anschieben sollen, solange die Verkäufer meinen gutes Geld für ihr Zeugs zu kriegen, solange geht das eben weiter. Nur eben nicht auf Dauer.
@Neoprene
Auf der anderen Seite geschieht es doch dauernd, wenn man unter „Krise“ eben die massenhafte Entwertung von Kapital versteht. Schulden werden sozusagen tiefgekühlt und am Verderben gehindert.
Was dabei nicht herauskommt, ist das heiß ersehnte Wachstum. Aber auch darauf kann man sich einrichten, mit staatlicher Unterstützung im Hintergrund.
Soweit ich mich erinnere, läuft Japan schon geraume Zeit in diesem Modus.
Die Frage ist, ob der Begriff „Kapitalismus“ für diese Art von Wirtschaftsform noch angemessen ist?
“Auf der anderen Seite geschieht es doch dauernd, wenn man unter „Krise“ eben die massenhafte Entwertung von Kapital versteht.”
Ob “dauernd”, also eben nur die letzten paar Jahre, wirklich ein überzeugendes Argument sein kann, dagegen habe ich ja oben schon Einwände gebracht. Insofern ist Japan auch kein schlagender Beweis, daß “man” sich da schon keine Sorgen machen muß.
Ob und wo “massenhaft” Kapital “entwertet” wurde, ist hingegen eine wirklich interessante Frage: Zumindest im Finanzsektor war ja der Zweck und auch das Ergebnis der Staatsinterventionen der letzten Jahre, genau diese Entwertung zu verhindern.
Wie man unsere Welt nun nennen soll, ist mir dann eigentlich wurscht. Die Mühsal des Lebens der Lohnabhängigen wird ja offensichtlich in Zukunft nicht geringer als früher ausfallen. Hat sich denn wirklich irgendwas Wesentliches am Kapitalismus geändert, wenn die Staaten noch mehr versuchen, ihn über Wasser zu halten?
Bei der Entwertung geht der Kampf darum, dass sie woanders stattfinden solle, aber nicht jeder Staat hat genügend Macht und Geld aufzubieten, um solche Entwertung überhaupt verhindern zu können. Also gibt es Streit um Eurobonds etcpp…
Oder wieso sollte das unwesentlich sein?
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/krise-gewalt#section3
Natürlich, meine Frage war nur, ob sie überhaupt schon in großem Umfang stattgefunden hat oder ob das noch bevorsteht, wie ich denke, weil die große Krise erst angefangen hat und noch nicht durch ist. Im Übrigen wird sie auch nicht nur “woanders” staatfinden, sondern in jedem betroffenen Staat zu ernormen Verwerfungen und Verlierern der Krise führen. Roubini hat gerade geunkt, daß in den USA alle Restaurants am Ende pleite sein werden, nur McDonald & Co. würden das Massaker überleben. Das mag nicht ganz richtig sein, trifft die Situation ansonsten aber recht gut.
Das hatte niemand kommen sehen: Ein ziemlich ausländisches und ziemlich tödliches Virus breitet sich gegen jede marktwirtschaftliche Vernunft und gegen jedes Erfordernis der deutschen Konkurrenzposition am Standort D aus und veranlasst die Obrigkeit zu einem Shutdown. Der sorgt für einen Wirtschaftseinbruch, der alles übertrifft, was das an periodische Wirtschaftseinbrüche gewöhnte, insofern abgebrühte kollektive Gedächtnis aus den letzten 100 Jahren so gespeichert hat.
https://www.contradictio.de/blog/archives/8449
Ach komm! Die ökonomischen Spatzen haben es doch schon eine ganze Weile vom Dach gepfiffen, daß da wohl irgendein “schwarzer Schwan” im Busch ist. Diesen Virus und diesen Absturz hat zwar keiner auf der Platte gehabt, aber das dieses Desaster so völlig unvorhergesehen über eine perfekte ökonomische Welt hereingebrochen sei, das ist eine glatte Publikums- und Selbstverarschung gewesen.
Als inhaltliche Erläuterung des Themas der weltweiten Krisenkonkurrenz der imperialistischen Staaten mit- und gegeneinander empfehle ich zwei Artikel aus GSP 3/2016 zur Lektüre.
Als Einstieg eignet sich m.E. gut ein Artikel über das Treffen der G7 (damals in Japan), die sich als eine Art von ökonomischer Weltregierung instaliert haben und sich, so die Betitelung eines Punktes des Artikels, darin auch um die Weltkonjunktur besorgt zeigten.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/g7-gipfel-japan
Zu dem zweiten GSP-Artikel, einem “Riemen”, habe ich auf diesem Blog bereits vor kurzem Infos über SWAPs gepostet. Der Artikel spricht ansonsten für sich und erklärt die – bisherigen – gemeinsamen wie konkurrierenden Krisenbewältigungs-Verabredungen der imperialistischen Mächte:
“Im Jahr 9 nach Amerikas „Hypothekenkrise“
Weltkapitalismus im Krisenmodus”
Der GegenStandpunkt analysiert in fünf Kapiteln die Fortschritte und Widersprüche der globalen Krisenkonkurrenz, also die ökonomischen und politischen Gegensätze der Staaten, die mit Macht um ihren nationalen kapitalistischen Erfolg ringen:
Wie die Staaten mit ihren Zentralbanken den Zusammenbruch des finanzkapitalistischen Geschäfts verhindern – um den Preis, dass die Krise des Geldkapitals zum Dauerzustand wird.
Mit einem Zusatz: Die EZB erklärt ihre Krisenpolitik;
wie sie mit ihrer Krisenpolitik einen Kapitalismus ohne Kapitalwachstum stiften und fördern;
wie ihre Konkurrenz ums Geld der Welt zum erbitterten Kampf um die Monopolisierung des Nutzens aus dem Weltgeschäft gerät;
so dass die Führungsmächte ihre Abhängigkeit von den in Anspruch genommenen Konkurrenten nicht mehr gut aushalten;
und alle und schon gleich die potenten Kapitalnationen entdecken und daran leiden, dass es ihnen an Macht über ihre Verhältnisse, also über die anderen, fehlt.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/weltkapitalismus-krisenmodus
@Neoprene
Also ob es das Besondere des Kapitalismus ist, daß es den meisten Leuten dort schlecht geht, wage ich zu bezweifeln. Das wäre ja eine Art Generalabsolution für andere europäische oder sogar asiatische vorkapitalistische Wirtschaftssysteme.
Das mit den „Lohnabhängigen“ ist auch zu überdenken in einer Zeit, wo jede Menge 1-Mann-Unternehmen froh sind, wenn sie in irgendein Lohnverhältnis kommen, was zumindest Restbestände von sozialem Netz für sie bietet.
Und ja, geändert hat sich tatsächlich etwas, wenn Staaten mit dem von ihnen mit Unterstützung des Finanzkapitals aus dem Nichts geschöpften Geld versuchen, die Entwertung von Kapital zu verhindern.
Das ist doch die Debatte hier, oder?
Crisis, what Crisis?!
Die gute alte Krise, wo eine Menge Kapital ruiniert wird und dann alles wieder von Neuem losgeht, gibt es eben nicht mehr – und übrigens eigentlich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, oder sogar seit 1945 nicht mehr in dieser Reinform.
Ich weiß nicht, wer „man“ ist, der/die sich da Sorgen macht – um was eigentlich? Darum, daß der Kapitalismus oder wie immer man dieses heutige System nennen will, kracht?
Also diese Sorge habe ich nicht.
Was die Regierenden und Unternehmer betrifft, die das ganze aktiv betreiben, so warne ich davor, sich deren Sorgen zu machen.
@Leser
Lange funktionierte das ja auch gut für die Heimatländer des Kapitals, mit Hilfe des IWF.
Das war auch das Anschauungsmaterial für das einstmals recht populäre Wallersteinsche Weltsystem, demzufolge die Zuspätgekommenen der imperialistischen Konkurrenz niemals zu den Platzhirschen aufschließen können.
Da wurde vor allem in Lateinamerika massenhaft Kapital entwertet und dadurch Märkte geschaffen für Waren aus Europa und den USA.
Jetzt, wo dieses System die Alte Welt selber erreicht, zeigen sich seine Grenzen – noch dazu, wo die abschiffenden und die noch florierenden Staaten mit der Zwangsjacke einer Gemeinschaftswährung aneinander gefesselt sind.
Dieses Problem,
@Peer
war schon vor dem Auftreten des Coronavirus da. Der hat es nur verschärft.
Nein, natürlich gibt es die Mühsal derer, die den jeweiligen Reichtum ihrer Gesellschaften produzieren müssen, solange es Klassengesellschaften gibt. Das ist aber lange her, heute sind in den meisten Staaten die meisten Arbeitenden eben lohnabhängig. Dass es zudem überall Milionen von modernen Tagelöhnern gibt, die sich als “Mono-Selbstständige” durchschlagen müssen, kommt als Elend noch glatt obendrauf.
Nochmal, es geht darum, ob die erfolgreichen Staaten jetzt nicht nur “versuchen”, den Laden wieder flott zu kriegen, das ist ja nun wirklich offensichtlich, sondern ob sie das überhaupt können. Bloss, weil es “die gute alte Krise” in der Tat jahrzehntelang nicht mehr gegeben hat, beweist das nicht, dass die auch zukünftig nicht mehr kommen kann bzw. wird.
Japan hast als Beleg dafür gebracht, dass Staaten eben doch “ewig” so weitermachen könnten mit ihrem Giganto-Keynesianismus. Nur halt ohne Wachstum. Es ist nicht meine Sorge, ob das klappt, sondern dass Fragen sich alle Apologeten des Kapitalismus. Selbst von denen bezweifeln das ja einige.
Ich glaube nicht, daß die Ich-AGs, die inzwischen sehr zahlreich die Welt bevölkern, mit „Tagelöhner“ richtig beschrieben sind.
Der klassische Tagelöhner hatte irgendwo eine Keusche und vielleicht auch einen Gemüsegarten und ging dann auf Tagelohn dahin und dorthin, um sich oder seine Familie zu ernähren. Im Grunde waren das die freigelassenen Leibeigenen, die es zu keinem eigenen Ackerland gebracht hatten.
Die modernen Selbständigen haben weder einen sicheren Platz zum Wohnen noch andere, wenn auch noch so bescheidene Subsistenzmittel. Das Kapital braucht sie nicht und sie müssen sich irgenwelche Nischen suchen, wo sie ihre Dienstleistungen anbieten können.
Ich bin gar nicht sicher, ob das für die EU noch gilt, aber für außereuropäische Länder wohl kaum. Und unter „lohnabhängig“ faßt du hier alle unselbständig Beschäftigten zusammen, obwohl viele davon im staatlichen Sektor anfallen und zwar ein Gehalt beziehen, aber eben nicht eines, das sie für Mehrwertproduktion erhalten.
Und dann noch die vielen Leute, die irgendwie am sozialen Tropf hängen, und zwar arm sind, aber deshalb nicht produktiv arm, wie eben der Lohnarbeiter.
Diese Frage ist heikel, weil gestandene Marxisten ohne lohnarbeitendes Proletariat gar nicht mehr weiter wissen, sich also ein solches immer noch massenhaft vorstellen müssen, auch wenn es gar nicht mehr so zahlreich da ist.
Und das, obwohl es auch bisher die in es gesetzten hohen Erwartungen nicht erfüllt hat.
In Sachen Krise, so mein Eindruck, reden wir aneinander vorbei.
Sie kann schon deshalb nicht kommen, weil wir seit mehr als einem Jahrzehnt im Krisenmodus laufen. Die Krise ist da, um zu bleiben, weil eben die früher übliche Kapitalentwertung staatlicherseits unterbunden wird.
Ob das „ewig“ gehen kann, weiß ich genausowenig wie du. Ich habe es auch nicht behauptet.
Ich erinnere wieder einmal an meinen alten Beitrag mit den Bemerkungen der 2 argentinischen Ökonomen, als die Eurokrise gerade losging:
Ein großes Pyramidenspiel?
Nein, ich rede nicht vom klassischen Tagelöhner von meinetwegen 1780 sondern von den Schwarzarbeitern, die frühmorgens irgendwo rumstehen und auf den Minibus warten, der 4 kräftige Männer für gefährliche Arbeiten sucht oder der Kassiererin auf Abruf, die immer nur für die paar Stunden bezahlt wird, die sie zum Einsatz kommen “durfte”. Und in diese jämmerliche Reihe gehören eben auch “die modernen Selbständigen”.
Und ja, “unter „lohnabhängig“ faßt du hier alle unselbständig Beschäftigten zusammen”. Die Frage, wer von diesen Vielen nun ein produktiver Arbeiter ist, die hat zwar noch den jungen Huisken und Altvater interessiert, aber seitdem zu recht niemand mehr. Ich würde schätzen, daß in der BRD vielleicht nur noch 10 % aller Beschäftigten Mehrwert produzieren. Es ist für Firmen übrigens völlig wurscht, ob die Menschen, die sie für Lohn arbeiten lassen, nun “produktiv” in deinem Sinne sind oder nicht. Die sollen nur zum Gewinne machen beitragen.
Deshalb ist deine Frage für mich auch nicht “heikel”, sondern obsolet. Die wird erst wieder halbwegs sinnvoll, wenn die Profitemacherei abgeschafft sein wird. Dann braucht es nämlich all die FIRE-Arbeitsplätze nicht mehr und die Menschen können statt dessen was Vernünftiges machen.
Nein, wie reden nicht aneinander vorbei, sondern wir widersprechen uns. Es ist eben falsch zu behaupten, “Die Krise ist da, um zu bleiben”. Da bleibt nichts sondern da kracht demnächst (eher früher als später) was fürchterlich zusammen. Die Krise ist sozusagen nur das Omen an der Wand der Börsencharts und Tagesschau-Einblendungen.
An deine alten Ponzi-Artikel habe ich natürlich auch immer wieder mal gedacht.
Ob was kracht und wann, kann ich nicht sagen. Es ist jedenfalls gelinde gesagt mißverständlich, wenn du mir unterstellst, ich würde prophezeien, es geht ewig so weiter.
Was ich mit „bleiben“ meinte, ist, daß es keinen kleinen lokalen Crash und nachher Aufschwung geben wird.
Ob es einen großen Crash geben wird, weiß ich genausowenig wie du. Das hängt von den Maßnahmen der Regierenden ab und vor allem davon, wie sehr sie noch zusammenarbeiten oder sich gegeneinander stellen.
Ich gebe zu bedenken: Alle – sogar die „Linken“, also Keynesianer – wollen ein Maß der Werte, Zirkulations- und Zahlungsmittel. Deshalb werden alle Lösungsversuche darauf hinauslaufen, irgendein Geld entweder aufrechtzuerhalten oder neu einzuführen.
“Was ich mit „bleiben“ meinte, ist, daß es keinen kleinen lokalen Crash und nachher Aufschwung geben wird.”
Woraus hast du den abgelesen, daß ich nur einen “kleinen lokalen Crash” erwarten bzw. prophezeien würde, vielleicht nur in Irland oder Argentinien wohlmöglich? Nein ich rede von Great Depression Mark II slightly improved. Und wann danach ein “Aufschwung” passieren wird, ist mir dann auch schon egal angesichts der enormen Verwüstungen, die bis dahin zustande gekommen sein werden.
Gegenfrage, was meinst du denn dann mit “bleiben”?
Wenn das mit einem nigelnagelneuen und natürlich diesmal vertrauenserweckenden Fiat-Geld so einfach ginge, warum gibt es das denn deiner Meinung nach noch nicht? Da glaube ich eher an den “Wert” von Krügerrands als dieses “irgendein Geld”.
Die zusätzliche Ausstattung deutscher Unternehmen mit dt. Staatsknete soll deutschen Unternehmen einen Teil ihrer weggefallenen Einnahmen kompensieren, damit die sich trotzdem auf dem Markt besser als die auswärtigen Konkurrenten, die so nicht von ihrem Staat gepampert werden können, durchsetzen können.
Dass deutsche Unternehmen so mit ihrer subventionierten Kapitalmacht Konkurrenten aus Europa vom Markt verdrängen können, das ist die Kalkulation des deutschen Finanzministers hinter all den Milliardensummen in Deutschland.
Dass dieses intendierte Verdrängen vom Markt gleichzeitig die Krise andernorts weiter verschärft, ist sowohl logisch als auch gewusstes Resultat der Kalkulation eines jeden Standortes, die Entwertung möglichst im Ausland stattfinden lassen zu wollen.
Kein Wunder, dass andererseits dann immer weitere gigantische Summen zwecks Stützung der europäischen Konkurrenten (und intendierter Abnehmer deutscher Waren), deren Finanzierungsbedarf so durch die Folgen der deutschen Schuldenaufnahme grad noch einmal vergrößert wird, von der EU-Kommission in die Konkurrenz eingebracht werden sollen…
Was Fit-Machen für die Zukunft Europas beinhaltet,
das erläutert tagespolitik.de am Beispiel
Lu f t h a n s a:
9 Mrd. staatliche Kapital- und Kreditstütze + 22.000 angekündigte Massenentlassung
– ein Paradebeispiel gelungener Kombination von Staatsrettung eines Global Players und
kostenmäßiger ‘Ausmistung’ für den Fortbestand einer Luftfahrtschmiede, aus der Corona-Krise herausführend und für eine neue strahlende Zukunft des Konzerns nach Corona!
Aufgrund der seuchenbegründeten Stornierung des weltweiten Luftfahrtgeschäfts stellt sich selbst für erfolgsverwöhnte Konzerne wie Lufthansa die Frage der geschäftlichen Weiterexistenz. Der Staat gibt sich deshalb großzügig und stützt mit Mrd.-Kapital- und Kreditspritze die prinzipielle Funktionstüchtigkeit, das kommerzielle Überleben eines Luftfahrtkapitals von Weltbedeutung.
Wenn ein Luftfahrtexperte auf NDR-Info, 11.6.20, klarstellt, der Kreditteil der Hilfe sei kein ‘Schongeld’, weil auf Heller und Pfennig mit Zins rückzahlbar – und dies angesichts der Mauheit in den Kasssen des Konzerns-, so wird neben dem allgemeinen krisenhaften Absturz dies als zusätzlicher Sachzwang hingestellt, deswegen den Luftfahrtladen mal kräftig von den Arbeitskosten her, also darin den Überlebensmitteln von Beschäftigten, zu bereinigen.
Das Geldvermehrungsinteresse auf die schlechtere Geschäftslage in Corona-Zeiten auf die Weise einzustellen, tarnt sich wie gehabt als Sachzwang, an dem man nicht vorbeikäme. Den lieben Mitarbeitern wird eingebläut, dass die Einsparung der schönen Arbeitsplätze, auf die Mittellose existenziell angewiesen sind, auch wie geläufig das Mittel ist, sich so auch für den Konkurrenzkampf auf geschrumpfter Geschäftsbasis nach Corona zu wappnen.
Wie hieß noch mal der Spruch von ‘unserem’ Wirtschaftsminister Altmaier: möglichst jeden Arbeitsplatz zu retten mit seinen Unternehmerhilfen – damit ist offenbar die angekündigte Massenentlassung von 22.000 bei Lufthansa gut zu vereinbaren, wie “sozialverträglich” diese auch immer abgewickelt wird.
Wer von den Freunden der Arbeitnehmer wieder mal vermisst, dass mit den Rettungsmilliarden letztere kaum vorkämen in Form von Auflagen an den Konzern, will eins ums andere mal nicht kapieren, dass kapitalistisches Geschäft und die Belange der Abhängigen sich nun mal nicht miteinander vertragen bzw. allenfalls so, dass und insoweit deren Benutzung und Bezahlung der Vermehrung von Kapitaleigentum nützen.
http://tages-politik.de/Wirtschaftspolitik/Lufthansa-Staatshilfe-Juni_2020.html
@Leser
Es ist nicht der Witz der Lufthansa, daß sie ein „Luftfahrtkapital von Weltbedeutung“ ist, und daß deshalb ihr „kommerzielles Überleben“ gesichert werden muß.
Sie ist ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur des Standorts Deutschland, genauso wie diverse deutsche Flughäfen, die europäische Drehkreuze sind. Gibt ein Land seine nationale Fluglinie auf, erleidet es einen empfindlichen Konkurrenznachteil (siehe Ungarn => MALÉV).
In Österreich ist es etwas ähnliches mit der AUA, die mit der Lufthansa über Beteiligungen zusammengeschweißt ist – die Bedeutung des Flughafens Wien und des Standorts Österreich hängt an ihr.
Diese Unternehmen sind nicht nur wichtige Kapitale, sondern haben volkswirtschaftliche Bedeutung, müssen daher gestützt werden, auch wenn gar kein großes Geschäft mehr mit ihnen zu machen ist.
@Neoprene
Ich weiß nicht, was man mit diesen Prophezeiungen und Zusammenbruchstheorien anfangen soll.
Marx dachte, der Kapitalismus ist ein derartiges Nest von Widersprüchen, daß er dran früher oder später zugrunde gehen muß. Er hatte auch wirklich nicht einfach von der Hand zu weisende Argumente dafür.
Geschehen ist es nicht.
Ich meine mit „bleiben“, daß die Stützung von Krediten aller Art permanent ist und eine Schuldenstreichung nicht vorgesehen ist.
Ob das das Geld oder die Währungen aushalten und wie damit umgegangen würde, wenn sie es nicht tun, weiß ich nicht.
Das ist ja gerade jetzt jetzt ignorant gegenüber der Tatsache, daß die “Weltbedeutung” der Luftfahrt insgesamt im Augenblick eher gegen Null geht. Und höchstwahrscheinlich noch länger, vielleicht sogar auf Jahre daran laborieren wird, aus diesem Zusammenbruch wieder heraus zu kommen. Und das ist nur mit Regierungsmilliarden eben nicht zu bewerkstelligen.
Du betonst, daß “eine Schuldenstreichung nicht vorgesehen ist.” Wer hätte das auch behauptet. Natürlich setzen alle Regierungen alles, was sie überhaupt haben an Kredit dafür ein, das zu verhindern.
Du sagst, “Ob das das Geld oder die Währungen aushalten und wie damit umgegangen würde, wenn sie es nicht tun, weiß ich nicht.” Ich meine hingegen, daß das die Weltgelder *nicht* aushalten können. Deshalb weiß ich natürlich auch noch nicht, wie dann damit umgegangen wird, wenn es kracht.
Krachen tuts vermutlich, wenn Panik einkehrt, und nach dem Motto ‘Rette sich wer kann’, allenthalben ein noch stärkerer Niedergang als sicher erwartet wird – und so dann ganz schnell eine generelle Abwärtsspirale sich fortpflanzt …
Weil man das Geld oder die Gelder aus Anleihen – stattdessen dann nämlich – lieber – wo genau – anlegt?
Oder weil alles an einem oder dem nächsten Spruch eines untergeordneten deutschen Gerichts hängen wird, wie Stephan Kaufmann das ausgerechnet als Grund für ein einreißendes Misstrauen mutmaßt?
https://www.fr.de/meinung/corona-krise-zentralbanken-wirtschaft-retten-13786038.html
Oder was meint “krachen” mehr [oder anderes?] als ein generelles Misstrauen “des” Geldmarktes – gegen sich selber? Und zwar nicht gegen einzelne ihrer Produkte: sondern gegen die gesamte Materie ihrer kompletten Zweckhaftigkeit?
Die diversen abstrakten Wertarten, die so zirkulieren, sind laut attac doch sowieso schon längst das xfache jeglicher realer Gebrauchswerte (um das mal so begriffslos gegeneinander zu stellen). Jetzt werden da noch ein paar Nullen hinten drangehängt. Und das bewirkt dann dadurch was genau?
Ist, wenn die “Schuldentragfähigkeit” eines Landes zur Disposition steht, und das Land dann von den Rating-Agenturen heruntergerated wird und irgendwelche Triple AAA verliert – das nicht immer damit verbunden, dass gleichzeitig alternative Finanzanlagen stattdessen empfohlen werden? Und welche sollten das Anno 2020 sein? Geld verbrennen? Kapitalismus stürzen?
Auch der gern genannte Run aufs Gold – würde ernsthaft unterstellen, dass der komplette Kapitalismus aus Sicht der Geldanleger incl. Kredit und aller sonstiger Scheiß solle erhalten bleiben, allerdings die Materie des abstrakten Geldzeichens solle einzig verändert werden in ein haltbares Edel-Metall – zwecks Kapitalismus Machen wie bisher?
Ich halte es für eine glatte Verharmlosung der zu befürchtenden wirtschaftlichen Verwerfungen, nur auf die Finanzer zu schauen und voller Schadensfreude schon jetzt festzustellen, dass aus all den schönen Anlagen von denen dann wohl die Luft raus sein wird. Als wenn nicht eh schon an deren ökonomischem Wohlergehen die ganze Welt hängt. Es ist ja zudem auch schon offensichtlich, dass die realwirtschaftliche Entwicklung erstens schon vor Corona zu knirschen angefangen hat und vor allem jetzt weithin nun wirklich darnieder liegt wie eigentlich noch nie seit der Grossen Weltwirtschaftskrise.
Nochmal zur Erinnerung: Die gesamte bisherige Entwicklung des Kapitalismus war immer krisenbehaftete fast schon zyklische. Und auf einmal sollen die Herren und Frauen der kapitalistischen Regierungen den Stein der Weisen gefunden haben, sodass nunmehr und für alle Zeiten die Profitemacherei stetig weitergehen können soll. Never ever!
Der spekulative Alltag in der Entwicklung der Produktivkräfte: Regie des Kreditgewerbes über eine Konkurrenz, die Auslese bewirkt. Konkurs & Bankrott
(…) Wenn alle Beteiligten Verluste zu verbuchen haben, wird die Bank ermittelt, der die Gemeinde der Geldkapitalisten am wenigsten traut, die benötigte Liquidität vorenthält, die sie also mit ihrer fehlgeschlagenen Wachstumsstrategie auffliegen lässt. So findet in der Konkurrenz um die kreditwürdigste Kapitalproduktivität auch zwischen den Finanziers, deren Kredit da als Kapital produktiv wird – oder eben auch nicht –, eine Auslese statt. Mit der kommen die Geld- und Kredithändler – in normalen Zeiten – dann doch immer wieder um eine insgesamt negative Antwort auf die Frage herum, die sie mit ihrem jedes gegebene Maß überschreitenden Geschäftsgebaren beständig aufwerfen und die ein jeder für sich in aller Bescheidenheit rücksichts- und bedingungslos positiv beantwortet: inwieweit die Akkumulation von Schulden überhaupt noch das Wachstum von produktiv angewandtem Kapital ausdrückt…
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/konkurrenz-kapitalisten-iii#section30
Auch bisher schon ließ sich in “normalen” wie in “weniger normalen” Zeiten zu den Krisen des Kapitalismus mehr sagen, als dass es sie irgendwie schon immer gab …
Eine Verharmlosung ist es nicht, wenn über die Rolle des Kredits nachgedacht wird. Den Kredit als Bestandteil des Kapitalismus, den soll man eher unwichtig für den Kapitalismus erachten? Wieso denn?
Leser, du musst dich schon entscheiden, ob die Akkumulation von Schulden tatsächlich immer noch das Wachstum vom produktiv angewandtem Kapital ausdrückt, oder ob da jetzt doch mal wieder eine “negative” Antwort fällig ist. Können sich die Finanzer wirklich immer um die Beantwortung ihrer Frage herumdrücken?
Was soll “Wachstum” als Ziel von Akteuren im Kapitalismus mehr sein – als die Beschwörung (!) von Wachstum? Und solche Beschwörungen hauen sie jetzt doch raus: Europa solle Wachstum hinkriegen bei Medizintechnik, Digitalisierung, Grünkapitalismus. Selbst die heutige FDP-Kritik an den Geldausgabeprogrammmen hält das Ideal von (eigentlichem) kapitalistischem Wachstum hoch, das die Regierung leider vergeigen würde, indem sie stattdessen Geld an wachstumsunwillige Südländer spendiere.
Die Parole “Wachstum” bedeutet im Rahmen der deutschen Parteienkonkurrenz also die Zurichtung Europas für Weltmarkteroberungsvisionen in und für Europas Weltmacht-Wachstum. Erst einmal als ideologische Vision. Und dann legt eine laut Nestor extra dafür gegründete EU-Bank dafür Anleihen auf, die Geldanleger aufkaufen, und so den EU-Ländern Gelder zufließen lassen, damit deren Finanzierungsbedarfe unter dem Titel Wachstum mit Geldern ausgestattet wird. Finden sich nicht genügend Banken oder Fonds, die in diese Anleihen investieren wollen, dann kauft irgendeine EZB-Behörde diese Papiere selbst auf, oder eben vermittelst irgendeiner Bank, die damit dann auch ihren Schnitt macht.
Die Kreditheinis können dann sagen: so geht Wachstum. Oder sie finden ihre Ideologien vom Wachstum lieber stattdessen andernorts. Aber schaunmermal, was die Finanzer denn nun wirklich sagen werden…
@Neoprene
Die Finanzer haben sich doch schon längst von der biederen Mehrwertproduktion emanzipiert, indem sie sie für ihre luftigen Spekulationen zwar benützen, sich aber gar nicht darum scheren, ob dort wirklich noch eine Ware hergestellt und verkauft wird, wenn sie ihre Aktien oder Derivate schaffen und herumschieben.
Es hat sich auch herausgestellt, daß im Falle eines bevorstehenden Crashes die Staatsgewalt herbeieilt und diesen verhindert.
Ich weiß nicht, was dieses tantige „Das kann doch nicht gutgehen!“-Getue soll.
Man muß doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Gewalt eine ökonomische Potenz ist, gerade in der heutigen Dauerkrise.
Was das für ein Getue sei, scheint mir weniger wichtig als die erstaunliche Umdrehung, derzufolge die Länder bzw. auch die Kapitale, die nicht über Kredit verfügen, – angeblich am besten dastehen müssten – was hiesigen Linken zwar einleuchten mag – darin aber trotzdem kein Beitrag zur Erklärung des Kapitalismus ist. Denn der basiert weitgehend auf Kredit. Und die Konkurrenz zwischen den Kapitalen wie zwischen den Staaten verläuft darüber, wer Zugang bekommt zu Kredit.
Der oben angedruckte Vorabdruck aus dem Buch von Stephan Kaufmann sagt zu dieser linken Tradition, ausgerechnet den abstrakten Wert beim Kapitalismus als unwichtig zu betrachten, bereits einiges Zutreffendes.
Zu dem Gedanken, dass der finanzielle Reichtum als Geld vor allem in der Erwartung dieses Reichtums als Kredit existiere, so bekommt das Geld seine Funktionalität als Kapital, verlinke ich einen journalistisch-feuilletonistischen Text, der das nur der Form nach etwas anders und nicht nur in dieser Textstelle formuliert hat:
“Es zeigt sich, dass zumindest einige Ökonomen wunderliche Vorstellungen von der Ökonomie haben: Sie glauben tatsächlich, dass die [kapitalistische!] Wirtschaft vor allem der Aufgabe diene, Menschen mit den Gütern zu versorgen, die sie für ihre niederen oder höheren Zwecke benötigen.”
http://NestorMachno.blogsport.de/2020/03/18/419/#comment-38846
Eine der Schranken, die der Kredit auch hat, ist die, dass die Geldanleger selber nicht mehr an die Werthaltigkeit ihrer Anlagen glauben. Sondern erwarten, dass die sich in Nichts auflösen, also als Reichtum bzw. als Ansprüche an Reichtum vernichtet werden.
Stattdessen ziehe es sie – dann – wohin?
Leser, wo hast du denn deine schräge These her, daß es “hiesige Linke” gäbe, die ernstlich behaupten würden, daß Länder bzw. auch Kapitale, die nicht über Kredit verfügen, am besten dastehen?? Danach müßten ja die Obdachlosen die Supergewinner der Krise sein.
Gemeint war dieses Zitat:
Doch gibt es einen Markt, von dem es heißt, er beherrsche alle anderen Märkte: der Finanzmarkt. Denn hier wird ein besonderes Gut gehandelt – Geld, oder genauer: Kapital. Fast alle Unternehmen brauchen es und holen es sich an »den Märkten«, indem sie Kredit nehmen, Aktien und Anleihen ausgeben. So tritt der Finanzmarkt dem Rest der Wirtschaft als Gesamtgläubiger gegenüber: Die Anleger sortieren Unternehmen und Staaten nach deren Kredit- und Kapitalwürdigkeit, sie bestimmen über Finanzierungskosten und damit darüber, welche Geschäfte eine Zukunft haben und welche nicht. Gleichzeitig vollziehen die »Produkte« des Finanzsektors an der Börse ihre eigenen Bewegungen, je nach Geschäftserwartungen steigen Papiere und stürzen ab. Diese Bewegung der Spekulation hat dem Finanzsektor den Ruf eingetragen, er habe sich von der sogenannten Realwirtschaft emanzipiert und sie sich gleichzeitig unterjocht, anstatt ihr zu dienen. Doch das ist nicht ganz korrekt. Realwirtschaft und Finanzmarkt sind sich ähnlicher, als viele denken.
Die Geschäfte der Finanzsphäre bestehen hauptsächlich aus Wetten auf die Erwartungen der Marktteilnehmer. Diese Welt der Spekulation ist heute viel größer als das, was gemeinhin »Realwirtschaft« genannt wird – also als die Sphäre, in der wirkliche Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden. Und die Finanzwelt dehnt sich aus. Entsprach der Wert der weltweit an den Börsen notierten Aktien 1985 noch 17 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, waren es 1990 schon 55 Prozent, Ende 2018 rund 93 Prozent und angesichts der Kurssteigerungen Anfang 2020 wohl deutlich über 100 Prozent. Im Jahr 2019 stieg der Deutsche Aktienindex um ein Viertel, während die deutsche Wirtschaftsleistung um nicht einmal ein Prozent zunahm.
Dieses Auseinanderdriften beider Sphären bewegt viele dazu, sich mit dem Verhältnis von Finanzkapital und Realwirtschaft zu beschäftigen. Daraus resultiert Kritik am Finanzkapital. Im Wesentlichen wird darüber geklagt, dass der Finanzsektor sich von der Realwirtschaft entkoppelt habe, anstatt ihr zu dienen. »Finanzmärkte dienten ursprünglich der Finanzierung von Investitionen«, schreibt das politisch links verortete Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, heute aber seien »die Finanzmärkte weitgehend zu einem Spekulations-, Spiel- und Wettkasino verkommen; die kapitalistische Wirtschaft ist größtenteils zum Kasino-Kapitalismus degeneriert«.
Zunächst einmal ist festzuhalten: »Real« an der Realwirtschaft sind nur ihre physischen Produkte und Dienstleistungen. Nicht ihre kapitalistische Substanz. Die besteht in dem Wert von diesen Produkten und Dienstleistungen beziehungsweise in dem Preis, den sie beim Verkauf erzielen oder mit dem sie in den Büchern stehen.
[Dass jetzt wieder die Rechthaberei losgehen wird.
Ist jedenfalls von mir nicht intendiert.]
Dein Zitat handelt von der in der Tat bei Linken weitverbreiteten These von der Emanzipation des Finanzsektors von der Realwirtschaft. “Diese Welt der Spekulation ist heute viel größer als das, was gemeinhin »Realwirtschaft« genannt wird – also als die Sphäre, in der wirkliche Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden.” Da werden dann immer die schönen Beispiele mit irgendwelchen Zigfachen gebracht. Als wenn die automatisch dadurch emanzipierter wäre, weil sie größer wird.
Nur, wo kommt da deine These vor “derzufolge die Länder bzw. auch die Kapitale, die nicht über Kredit verfügen, – angeblich am besten dastehen müssten”?
@Leser
Die Diskussionskultur ist schon eigenartig.
Erst führst du eine These ein, die hier keiner vertreten hat – ich wüßte auch nicht, wer sie sonst vertritt – um dann dagegen zu polemisieren.
Ich finde es einfach eigenartig, irgendwelche Bücher und Artikel zu bewerben, indem du dir etwas ausdenkst, wogegen die doch so brilliant argumentieren.
Diese Art von Rezension ist hier fehl am Platz.
Die Frage, ob oder wie weit die Finanzwelt sich von so was wie “der realen Akkumulation” nicht nur abgelöst hat, sondern ggf. sogar davon ein Stück weit “emanzipiert” habe, wird von Stephan Kaufmann mit zwei kritischen Antworten bedacht: a) am langen Ende zahlt der Prolet all diese Schulden nämlich später dann doch, deswegen solle man vor allem stattdessen und nun für höhere Steuersätze von den Reichen sorgen (Linkspartei-Programm), b) sieht er zwar schon auch die politische Gewalt als Garantiemacht hinter den Kreditprogrammen, aber sieht sie aktuell darin in dieser Funktionalität ‘bedroht’ dadurch, dass ein entsprechendes Urteil des BVerfG über die EU-Finanzierung gefällt worden ist.
Gegen beide Vorstellungen [bzw. deren Funktion für Kaufmanns Überlegungen] habe ich in diesem Blog bereits etliche Male argumentiert.
Nestor hatte eine Rezension des oben angekündigten sehr aktuellen Buches von Kaufmann für den Zeitpunkt nach dem Erscheinen angekündigt. Das Buch ist jetzt erhältlich.
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Das “Hebeln” der Einnahmen durch den geplanten Verkauf von EU-Kommissions-Papieren ist übrigens auch so eine Art, den Kredit weiter von seiner Grundlage “emanzipieren” – zu wollen…
Meine These nach wie vor ist, dass es nicht die von Kaufmann genannten Schranken a) und b) sind, sondern die der internationalen Konkurrenz der Weltfinanzmächte, wegen derer diese Kredite zu wackeln beginnen könnten…
edit: Die Besonderheit des EU-Kredites ist übrigens dann schon, dass zur Beglaubigung ihrer Stabilität solche Prozeduren wie das “Hebeln” überhaupt als notwendig erachtet worden sind.
Darin sieht man, dass das Weltgeld Euro einerseits am Vertrauen der Anleger in das Weltgeschäft und dessen Eingebettetsein der EU darin wesentlich hängt, incl. auch darin, dass auch amerikanisches Geschäft innerhalb von Europa in Euro stattfindet und vice versa europäisches Geschäft auch weltweit auf Dollar-Basis.
Andererseits ist die Basis des Euros also das Geschäft, das mit ihm gemacht wird. Und zwar in sehr weitestgehendem Ausmaße ist es die Ökonomie, die die Basis des Euros ausmacht, Basis meint: das Vertrauen der Weltfinanzmächte auf die Solidität des Euro.
Übrigens – ein wenig anders schaut es mit den Machtgrundlagen des US-Dollars aus – wesewegen von solchen Prozeduen wie dem “Hebeln” dort nie was vernommen wird.
Die z.B. heutige Dt.-Frz. gemeinsame “Machtdemonstration” als “Schulterschluss” von D und F – soll so gleichfalls dafür stehen, dass hier – mindestens – diese zwei zentralen europäischen Mächte dahinter stehen. Und wenn, wie Nestor berichtet hat, von Merkel offensiv Weltordnungsfragen ohne die USA zum Thema gemacht werden, so soll auch dieses “Pfeifen im Walde” davon zeugen, dass solches SZ-Interview [oder solches Dt-Frz. Meeting] mehr sein soll. Als es ist. Und für solches “mehr” an Weltmacht soll es dann genommen werden. Wiewohl es faktisch doch nur Pläne sind; – angeblich auch wirkliche mögliche Pläne sogar. – Aber doch … auch nur mal wieder – auch nur Pläne …
Leser, ich finde man sollte “Pläne”, also Sachen, die jemand tatsächlich machen will und kann, unterschieden von Wünschen, wo häufig noch nicht mal klar ist, ob derjenige, der sich was wünscht, das überhaupt ernst meint und wo sowieso die Fragen unterbleiben, ob der Wünscher es in der Hand hat, daß seine Wünsche wahr werden.
Dass es ein europäisches Programm wg. Corona – und wg. anderem auch – geben wird – das pfeifen allerdings nicht nur die Spatzen von den Dächern …
Und dass es so was wie europäische Macht gibt oder geben soll, das geben sie auch jetzt schon regelmäßig nicht nur so zu Protokoll:
https://www.jungewelt.de/artikel/381646.eu-verl%C3%A4ngert-sanktionen-gegen-russland.html
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Europäische Macht und europäischer Größenwahnsinn angesichts der Pandemie – das liegt allerdings ziemlich nah beieinander, meint kritische Tages-Politik.de …
http://tages-politik.de/Europapolitik/Corona-dt._EU-Ratspraesidentschaft-Juni_2020.html
Das ist ja auf allen Kanälen zu vernehmen. Aber dir wird doch wohl auch aufgefallen sein, daß es weder über den quantitativen Umfang schon eine Einigung gibt und vor allem in der viel grundsätzlicheren Frage, ob es eher Kredite oder mehr Geschenke geben soll noch recht unvereinbar erscheinende Positionen gibt. Zudem die angestrebte “europäische” Eingiung ja auch noch von allen EU-Staaten abgesegnet werden muß, ja sogar durch die jeweiligen Parlamente muß.
Angesichts dieser politischen Gemengelage sehe ich mich außer Stande, einzuschätzen, wie das diesmal ausgehen wird und wie lange die zu einer eventuellen Einigung noch brauchen werden.
Weniger vorsichtig ist ja diese Einschätzung von dir:
“Sicherlich hat ein Teil des Corona-Pakets den Charakter von symbolischen Aktionen, die belegen sollen, daß die Regierung doch immerhin „was“ macht. Für solche Maßnahmen ist es in der Tat deshalb auch nicht besonders wichtig, ob sie wirtschaftliche überhaupt einen ins Gewicht fallenden Effekt haben, denn der Effekt soll ja im Massenbewusstsein erzielt werden.”
a) Ist für vor allem symbolische Aktionen nicht sinnvoller, gegen Corona zu beten und machtvolle Menschenketten gegen das böse Virus zu bilden? Oder sonst noch ein weiteres heiliges Wort zum Sonntag vom Staatsoberhaupt zu verbreiten?
b) Aber angesichts der Massenaufstände gegen die Regierung und angesichts der Massenunzufriedenheit mit der Politik der Herrschenden ist dir vermutlich einleuchtend, dass die Regierung das revolutionäre Feuer lieber schon, bevor es es überhaupt gibt, auszutreten bestrebt ist …
c) Und wer kommt auf die Idee, die Regierung wolle die Botschaft verbreiten, dass sie irgendetwas mache, denn die Leute würden ihr ausgerechnet Untätigkeit vorwerfen? (Wo es seit 4 Monaten doch anscheinend gar keine andere Tätigkeit der Regierung gibt als ihre Krisenpolitik?)
Unsere Differenz ist zweigestalt:
1. Wird die zeitweilige Mehrwertsteuerdenkung “Wumms” entwickeln, wie Minister Scholz das allen versprochen hat, oder wird das Programm für die konjunkturelle Wiederbelebung bedeutungslos bleiben?
2. Was bedeutet Symbolpolitik?
Zur Konjunkturentwicklung ist meine Prognose ungefähr auf IWF-Linie: Das wird dauern, bis auch nur das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird. Und das scheint mir schon extrem blauäugig zu sein. Werden wir halt wie immer sehen, wie es wirklich kommt.
2. Noch eine Differenz: Du denkst, es müsse eigentlich um Corona gehen und da würden rein symbolische Maßnahmen nichts helfen (selbst die Regierung hat da bekanntlich nicht zu symbolischen Maßnahmen gegriffen, sondern mehr oder weniger drastische Schritte gemacht, wie kommst du also auf die schräge Idee, irgendjemand oder gar ich hätten sowas behauptet?). Darum geht es Scholz und Merkel (und mir in der strittigen Frage) aber hier gar nicht. Denen geht es um die angeschlagene Wirtschaft und wie die endlich wieder “normal” werden kann. Und da ist die Nachricht an die Bevölkerung für mich eben, ja, da muß man schon was tun, aber viel kann das nicht sein, man muß schließlich an die zukünftigen Generationen denken usw. Aber seht her, ganz tatenslos schauen wir dem Desaster auch nicht zu.
zu b) Symbolpolitik beruht ganz im Gegensatz zu deiner Auffassung gerade nicht auf “Massenunzufriedenheit” sondern auf grundlegender Zufriedenheit. Nur wenn die Menschen eh schon denken, die Regierung macht “es” grundlegend richtig, kann man der weitverbreitenen Frage, da muß man doch jetzt was machen können gegen die Krise, es muß doch ganz scnell wieder normal werden wie immer, mit symbolischen Antworten genüge tun.
c) Ja, die Regierungen haben auch schon seit dem Lockdown manche Maßnahmen ergriffen, um die zum Teil ja von allen als katastrophal angesehenen wirtschaftlichen Folgen “abzufedern”. Aber eben für einzelne Berufsgruppen nicht für die Wirtschaft insgesamt. Da haben sie eben erst jetzt dieses 57(!!)-Punkte-Programm aufgelegt. Denn mittlerweile ist ja auch Allgemeingut, daß es nicht nur Hoteliers und anderen Diensteleistern an den Kragen geht. Von der Regierung kam jedenfalls nicht der Hinweis an die Öffentlichkeit, daß sie schließlich schon vier Monate durchgängige Krisenpolitik abgeliefert habe und jetzt nun wirklich genug sein muß.
“a) Ist für vor allem symbolische Aktionen nicht sinnvoller, gegen Corona zu beten und machtvolle Menschenketten gegen das böse Virus zu bilden?” LOL. Nette Idee. Im Mittelalter hätte man das tatsächlich gemacht, aber bei einem Volk das ungefähr zur Hälfte aus ungläubigen Heiden und zur anderen Hälfte aus aufgeklärten Christen besteht, würde das eben sofort durchschaut werden. Frei nach dem Song von BAP: Wenn et bedde sisch lohne däät, wat meenst du wohl, wat isch dann bedde däät, bedde däät.
Dagegen wird der Lockruf des Geldes bei Leuten, die tatsächlich auf jeden Cent angewiesen sind, nicht als hohle Geste wahr genommen. Immerhin spart man ja wirklich ein paar Cent und das ist mehr als der sonntägliche Segen des Pfarrers in der Kirche wert ist.
“b) Aber angesichts der Massenaufstände gegen die Regierung”
Die Massenaufstände gibt es nicht, weil die meisten eben wenigstens z.T. weiterbezahlt werden. Das Kurzarbeitergeld wurde erhöht. Die Massen sind heutzutage ja keine Subsistenzkleinbauern mehr, die sich noch irgendwie selbst ernähren könnten. Wenn wegen eines von der Regierung beschlossenen Lockdowns die Leute von heute auf morgen kein Einkommen mehr hätten (Reichtuümer kann man als Arbeiter nicht anhäufen), dann hätten diese Leute keine andere Möglichkeit als Randale zu machen. Meinst du die würden still verhungern? Und das ist den Politikern klar. Das wäre auch für die Eindämmungsmaßnahmen kontraproduktiv. Das Volk muss eben in der großen Mehrheit freiwillig machen, was die Regierung sagt. Man kann nicht hinter jeden einen Polizisten stellen. Hinter einzelne schon.
Die Regierung will sich eben als Krisenmanager profilieren, die mit Augenmaß die Wirtschaft und die Sorgen der Leute gleichermaßen im Blick hat. Für das Volk werden die Preise günstiger und gleichzeitig soll deshalb der Umsatz steigen.
Kehrer, du glorifizierst die Neuzeit leider unverdienterweise: Auch heute sind symbolische Aktionen ja unheimlich verbreitet. Erst dieser Tage wieder all die BLM-Poster-Träger, die sich allenthalben versammeln. Und auf Regierungsseiten natürlich alle naselang, da brauchst du nur irgendeinen Grünen oder Linksparteiler fragen.
Zur Frage der Symbolpolitik kann ich nur berichten, daß in Österreich mit dem Lockdown ein großes Versprechen losging, allen durch die Krise betroffenen Unternehmen würde „unbürokratisch“ geholfen.
Niemand von den vielen Kleinunternehmern, mit denen ich geredet habe, hat davon je einen Groschen gesehen. Was mir einer gesagt hat, waren damit vor allem Garantien für Überbrückungskredite bei Banken gemeint, im Sinne einer Ausfallshaftung.
Jetzt wird groß verkündet, der Mehrwertsteuersatz würde gesenkt, bis Jahresende.
Das wäre für die Unternehmen mit einem solchen Aufwand verbunden – Umprogrammierung der Registrierkassen, Umstellung der Buchhaltung – daß die meisten darauf verzichten werden.
Das ist Symbolpolitik: Zur Vermeidung von Panik und um zu zeigen, Wir denken an euch! – etwas machen, was praktisch nix bringt, aber auch den Staat nichts kostet.
Was sonst an Maßnahmen ergriffen wird, werden wir sehen. Das oben angeführte „Wumms“ klingt ja sehr ambitioniert. 😀
Wenn jemand Regierenden vorwirft, nur Symbolpolitik zu machen, statt was “Richtiges”, dann hat das zwei Aspekte:
Einmal ist das häufig der interessierte Vorwurf, das von irgendwas “mehr” gemacht werden müsse. Bei Mindestlohn, Grundrente, CO2-Steuer kommt sowas regelmäßig.
Nicht ganz so affirmativ ist die pure Feststellung, daß in irgendeiner politischen Frage nichts gemacht wird, was Änderungen hervorbringen würde. Dann sollte man natürlich auch Gründe anführen können, warum es bei der “Symbolpolitik” bleibt.
Die paar Flüchtlingskinder z.B., die ein paar EU-Staaten aus dem Horror der griechischen Lager holen wollten (wollen sie das eigentlich überhaupt noch?) sind einerseits ganz offensichtlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ebenso offensichtlich auch drastischer Beweis dafür, daß am mörderischen Grenzregime der EU im Prinzip nichts geändert werden soll. Die Bevölkerungen nehmen beides hin, die Beruhigungspille fürs moralische Gemüt genauso wie die Sicherheit vor der angeblichen neuen Flüchtlingswelle, die sie bedrohen soll.
Man muß bei den Coronamaßnahmen und überhaupt viel von der Wirtschaftsförderung auch unterscheiden, was öffentlichwirksam verkündet und dann in den Medien durchgekaut wird, und dem, was dann wirklich „unbürokratisch“ passiert: also daß erstens irgendwelchen Banken ohne großes Aufsehen Geld hinübergeschoben wird, und die das dann auch ohne große Wellen weiterschieben an systemwichtige Betriebe, usw.
“Kehrer, du glorifizierst die Neuzeit leider unverdienterweise: Auch heute sind symbolische Aktionen ja unheimlich verbreitet.” Darf ich auch erfahren, wodurch ich die Neuzeit glorifiziere? Habe ich irgendwo geschrieben, dass es heute keine symbolischen Aktionen mehr gibt? Ich habe geschrieben, dass Gebete Richtung Herrgott im Allgemeinen heute nicht mehr als echte Hilfsmaßnahme durchgehen.
Dadurch, daß du extra betonst, daß religiöser Symbolismus “heutzutage sofort durchschaut würde.” Wird er leider nicht: Weder ist mit dem Rückgang der Kirchenzugehörigkeit ein dementsprechender Rückgang an religiösem Denken verbunden gewesen, das wurde nur diffuser und beliebiger, nur in Ostdeutschland mögen die Atheisten vergleichsweise häufiger sein. Noch ist dem Symbolismus im Politischen abgeschworen worden, du hast selber die Menschenketten angeführt, die nun wirklich etwas durchweg “Modernes” sind. Von daher ist dein Hinweis, daß es heutzutage weniger religiös daherkommenden Symbolismus gibt nur ein geringer Trost.
Ich sagte doch gar nicht, dass mit dem Rückgang der Kirchenzugehörigkeit ein Rückgang der Religiosität verbunden sei. Ich sagte nur, dass Gebete an den Herrgott nicht mehr wirklich als Maßnahmen gegen wirtschaftliche Not durchgehen.
Es glaubt auch niemand mehr, dass um Vergebung für die eigenen Sünden bitten, gegen Corona hilft. Bei der Pest war das aber noch so, dass man geglaubt hat, diese sei eine Strafe Gottes für die Sünden der Sünder. Beten und Messen lesen waren für die wirklich eine ernst zu nehmende Maßnahme. Im Gegensatz zu heute, wo so Zeug von der Mehrheit nicht mehr geglaubt wird. Aus der Sicht des Mittelalters wären die heutigen Christen wahrscheinlich alle Ketzer, die auf den Scheiterhaufen gehören.
Für kluge religiöse Ideologen galt übrigens schon sozusagen von Anfang ihres unseligen Wirkens an, daß Gebete an den Herrgott in der Tat keine Erfolg versprechenden Maßnahmen gegen irdische Nöte versprechen. Schon im Alten Testament haben die Autoren der Geschichte von Hiob das eindrucksvoll dargelegt. Denn das wußten kluge religiöse Ideologen ja auch damals schon, daß die Schicksalsschläge des Lebens die Gottesfürchtigen genauso treffen wie die Ungläubigen oder vom Glauben Abgefallenen oder die Sünder. Gegen medizinisch nicht zu bekämpfende Krankheiten oder Naturkatastrophen half und hilft Beten ja wirklich nicht. Auch wenn es seit Hiob immer wieder viele religiöse Menschen gegeben hat und sicherlich heutzutage auch noch gibt, die das anders sehen. Beten für den Frieden z.B. hilft nur dem eigenen Seelenfrieden, dem Frieden hilft es Null.
“Gegen medizinisch nicht zu bekämpfende Krankheiten oder Naturkatastrophen half und hilft Beten ja wirklich nicht.”
Jetzt ebne doch nicht jeden Unterschied ein zwischen einem mittelalterlichen Weltbild und einem modernen. Ein Weltbild ist doch nicht damit charakterisiert was die Wahrheit ist, sondern damit was für wahr gehalten wird. Was galt denn früher als “medizinisch nicht zu bekämpfen”? Was galt überhaupt als medizinisch? Als Wissenschaft gab es die Medizin schlicht überhaupt nicht. Es gab studierte Ärzte die haben die antike Viersäftlehre gelernt und das was einfach dummes Zeug – völlig verkehrt. “Chirurgie” wurde vom Bader oder vom Feldscher ausgeübt. Und dann gab es noch Kräuterkundige. Die haben eben gar nicht gedacht, dass eine medizinische Bekämpfung nicht möglich sei, sondern sie haben gedacht sie ist möglich und zwar durch gottesfürchtiges Betragen oder durch Ärtze, die dich dann eben zur Ader gelassen haben.
Welche klugen religiösen Ideologen sollen denn das gewesen sein, die wussten, dass Schicksalsschläge Gottesfürchtige und Ketzer gleichermaßen treffen. Und was ist ein kluger Ideologe? Das ist ein schwarzer Schimmel, ein contradictio in adjecto, weiß ich noch aus der Schule. Die verbreitete Ansicht war, dass Krankheit eine Strafe Gottes ist. Und wer das glaubt, der glaubt natürlich auch, dass beten und Demut und Reue und Unterwerfung unter Gottes Gebote was bringt.
Heutzutage glaubt niemand, dass Großmächte abrüsten, weil man am Sonntag in der Kirche für den Weltfrieden gebetet hat.
Interessante Ausführungen über EZB, Euro und Währungssysteme überhaupt …
Und darüber, ob es ‘überhaupt’ ‘in der Moderne’ dies oder jenes so alles ‘gibt’ oder nur als Denkgebäude ‘gibt’ …
Die Real-Abstraktion des Werts mag dem, der sie nicht durchschaut, zwar wie ein religiöser Wahn erscheinen. Dem ist entgegenzutreten mit Aufklärung. Über z.B. EZB, Euro und Währungssysteme überhaupt. Wieso sollte das erst dann möglich sein, wenn endgültig klar ist, welche der zwei bis fünf Varianten beschlossen werden? Für welche Variante eurer Kritik soll das denn wichtig sein?
Kritik an so etwas wie einer Währung ist erkennbar entweder sowieso eure Sache nicht. Oder, falls doch, falls das mit der Symbolpolitik euer Beitrag zur Kritik der bürgerlichen Gesellschaft ganz generell und überhaupt sein soll, dann wären eure Überlegungen zu Mittelalter und Moderne vermutlich besser im Thread “Off Topic” im Blog Walgesang anzusiedeln.
Ich mag mich täuschen: Aber so ziemlich das “Erhellendste”, was ich über Währungsfragen bisher mal von Neoprene oder von Krim gehört habe, waren diese drei Antwortvarianten: a) dazu kann man nix sagen, es ist ja noch nicht beschlossen, es wird noch verändert, das gibt es doch also noch gar nicht. Oder b) irgendwie leuchtet doch vor allem ein, dass es auch bei dem artifiziellsten Finanzprodukt einen, irgendeinen, aber irgendwie zwingenden, Zusammenhang zur materiallen Produktion geben muss. Irgendwie. Auch hier: den Gegenstand Finanzkapital gibt es anscheinend gar nicht.
C) Deswegen, oder aus anderen Gründen, ist eh vorab immerzu schon klar, das Funktionieren des Finanzkapitals kann es eigentlich gar nicht geben. W a s das ist – interessiert nicht. Mindestens muss man immer sagen, das kann nicht funktionieren, spätestens morgen wird es sich zeigen…
Drei Varianten, überhaupt den Gegenstand Finanzkapital zu leugnen.
Das ist, angesichts dessen, dass der Kapitalismus nicht zufällig auch ein bisschen was mit Kredit zu tun hat, schon auch ein bisschen erstaunlich …
Aber, wie gesagt, ich mag mich ja täuschen …
Und ja, für eure Retourkutschen, ich mache auch Fehler. Aber eben andere.
Leser du warst doch derjenige, der gefragt hat: “Ist es für vor allem symbolische Aktionen nicht sinnvoller, gegen Corona zu beten und machtvolle Menschenketten gegen das böse Virus zu bilden?“ Meine Antwort war: Nein, ist es nicht, weil beten heute eben noch nicht mal als gutgemeinte Geste durchgeht.
“falls das mit der Symbolpolitik euer Beitrag zur Kritik der bürgerlichen Gesellschaft ganz generell und überhaupt sein soll, dann wären eure Überlegungen zu Mittelalter und Moderne vermutlich besser im Thread „Off Topic“ im Blog Walgesang anzusiedeln.” Na wenn dir die Antworten auf deine Fragen nicht gefallen, dann darfst du sie eben nicht stellen. Und wenn meine Antwort “off Topic” ist, dann deine Frage erst recht. Sie gehören aber zum Thema.
“Drei Varianten, überhaupt den Gegenstand Finanzkapital zu leugnen.” Das denkst du dir aus.
Ja Leute, hier geht wirklich alles mögliche durcheinander.
Obwohl ich nicht mehr nachvollziehen kann, wie ihr von der Währung auf die Religion gekommen seid, so muß ich doch bemerken, daß die Evangelikalen mit „Beten gegen Corona“ Politik machen (Bolsonaro, Áñez, und auch viele Gurus und Politiker in den USA selbst). Schon deswegen, weil in allen 3 Staaten der Glaube ein halbwegs funktionierendes Gesundheitswesen ersetzen muß. Immerhin wurden in Bolivien und Brasilien die kubanischen Ärzte davongejagt, und in den USA liegt im medizinischen Sektor auch einiges im Argen.
Ob sie damit durchkommen, ist eine andere Frage. Aber es wird als Richtlinie ausgegeben, also diese lateinamerikanischen Idioten verordnen es sozusagen ihrem Volk.
Die Frage, ob „die Menschen“ heute noch religiös sind und so ticken, daß Gebete was helfen, ist damit hinfällig, weil es handelt sich ja nicht um eine im Volk verankerte, sondern um eine demselben aufgenötigte Sichtweise.
Auch der Streit, ob irgendwelche Maßnahmen „bloß“ symbolisch oder doch „ernstgemeint“ seien, ist irgendwie scholastisch, also eine Art Streit um des Kaisers Bart.
Wenn die Politiker den Kapitalismus auf ihrem Boden, also in nationalem Gewande verwalten wollen und die ganze Profitmaschinerie sehr ins Stocken geraten ist, ist es wirklich schwierig, Maßnahmen zu setzen, die dem abhelfen sollen, und da haben viele eben eher einen Placebo-Effekt.
Das “Beten” fing mit einer provozieren wollenden Frage von Leser an:
“Ist für vor allem symbolische Aktionen nicht sinnvoller, gegen Corona zu beten und machtvolle Menschenketten gegen das böse Virus zu bilden?”
Ja, es gibt überall auf der Welt mehr oder wenige Menschen, die wirklich glauben, daß Beten hilft. Politiker sicherlich weniger, die sind halt zumeist zynisch, weil Beten ihnen billiger erscheint als effektive gesundheitspolitische Maßnahmen, teils weil sie dafür kein Geld ausgeben wollen, teils, weil sie in ihrem Staat eh keine effektiven Maßnahmen hinkriegen würden, weil es vorn und hinten an den dafür notwendigen Mitteln und Einrichtungen fehlt, darauf weißt du ja auch hin.
“Die Frage, ob „die Menschen“ heute noch religiös sind und so ticken, daß Gebete was helfen, ist damit hinfällig, weil es handelt sich ja nicht um eine im Volk verankerte, sondern um eine demselben aufgenötigte Sichtweise. ”
halte ich für falsch: Das Aufnötigen im Sinne von übernehmen und annehmen funktioniert nur dann und da, wo religiöses Denken tatsächlich in der Bevölkerung verankert ist. Religion ist noch nie nur Opium für das Volk gewesen, sondern immer auch Opium des Volkes.
Es ist sicher grundsätzlich richtig, daß es wirklich schwierig ist, Maßnahmen zu setzen, die dem Stocken der Profitmaschine abhelfen sollen. Aber eben aus zweierlei Gründen, einerseits ob bestimmte Maßnahmen dazu überhaupt objektiv geeignet wären und zweitens ob ein Staat sie sich angesichts der Risiken, die damit verbunden sind, überhaupt meint, sie sich leisten zu können. Und da kann man schon feststellen, das z.B. die deutsche zeitweilige MwSt-Senkung um ein paar Prozentpunkte sicherlich nicht den Megaaufschwung anschieben können wird und deshalb eher zu den Placebo-Maßnahmen des staatlichen Gesundbetens gehört.
@Neoprene
Ich habe halt bisher nur die Empfehlung mancher Politiker gelesen, fleißig zu beten – ob das auch wer macht, weiß ich nicht.
Deswegen habe ich auch geschrieben, man weiß nicht, ob diese Aufforderung auch angenommen wird. Also ob das wirklich „funktioniert“.
“Merkel warnte nach der Videokonferenz mit von der Leyen, die
https://www.n-tv.de/politik/Merkel-EU-koennte-vor-dem-Nichts-stehen-article21887447.html
Schaun mer mal, dann sehn mer scho, wie ein berühmter Prognoseexperte mal (nun gut nicht dazu) gemeint hat.
Es ging aber gar nicht um die USA oder Brasilien, sondern um die Mehrwertsteuersenkung in der BRD und dazu sagte Leser, wenn es sich um eine Geste der Politik handelt, die bloß einen guten Eindruck machen soll, dann könnte man auch beten oder Menschenketten veranstalten. Menschenketten sind bei Corona sowieso ein blöde Idee und beten, nimmt in Deutschland niemand (und falls jetzt wieder Korinthen gekackt werden, niemand bedeutet nicht null, sondern zu wenige um einen politischen Unterschied zu machen) mehr als eine echte politische Maßnahme von Politik, die was bringt für die Erholung der Ökonomie. Das glauben noch nicht mal die Anhänger der christlich sozialen Union. (Warum muss ich eigentlich um jeden Scheiß Nebengedanken eine dreitägige Debatte führen?) Da wird so lange drumrum gelabert bis die bekannte Demenz einsetzt und dann die Frage kommt worüber eigentlich gestritten wird.
Ja, Kehrer, Leser ist wohl ein unverbesserlicher Fan von Merkel Co. Auf jeden Fall hält er es für völlig abwegig, diesen super effizienten Machern völlig unberechtigter Weise anzuhängen, daß die es mal nicht bringen, mit dem was sie jetzt so machen. Wenigstens ist er nicht auch noch blöd religiös, so sehr wie er das Bild der Moralapostel ins Spiel gebracht hat. Deshalb wurde aber nicht nur “herumgelabert”, denn der Streit darum, ob bürgerliche Politik immer wirklich das anstrebt, was sie offiziell so macht, ist ja nicht unerheblich.
Nein, eine Mehrwertsteuersenkung ist keine symbolische Poliitik, die deswgen nötog sei, um das Vertrauen der Massen wiederherzustellen.
Der gehässige Rest, der hier so dazu geäußert wurde, sagt manches aus. Über den jeweiligen Schreiber.
Finanzkapital als Thema, auch Kredit, interessiert hier einzig Nestor. Diskussionen darüber scheut ihr, dann wirds vor allem bei neoprene gleich persönlich, Fan von merkel und Pressereferent der Regierung ist der, der es versucht, eines der Kreditinstrumente überhaupt nur kritisch darzustellen. Aber böse ist es, das ‘Hebeln’, das reicht ja für eure Auffassungsgabe und euer revolutionäres Einsortierungsbedürfnis.
Fans von euren Stattdessen-Debatten um euer Weltbild:
sucht sie euch woanders.
Leider kann man denen nun nicht mehr entgehen, nachdem Krim und Neoprene damit anstatt nur ihren eigenen Blog diesen hier vollpflastern.
Höhepunkt eurer Kritik: “dass die es mal nicht bringen, mit dem was sie jetzt so machen”. Das ist er dann wohl, der Maßstab für euer revolutionäres Einsortierungsbedürfnis. (Schaut auch mal, wer solche Maßstäbe ansonsten noch so alles an die Regierungspolitik anhefttet, vielleicht wird euch wenigstens dann mal schlecht.)
Leser, da du bekanntlich des verstehenden Lesens nicht immer mächtig bist, hier nochmal ein Klarstellung:
Das Zitat stellt nicht meine Auffassung zu Merkels Politik dar, sondern beschreibt (nicht nur) ironisch, wie ich denke, daß du tickst. Aber deshalb wird dir noch lange nicht schlecht werden, befürchte ich.
Psychologie statt Kritik. Meinetwegen kannst du es auch so zusammenfassen. Dass du einfach mal mit den Beleidigungen aufhörst, ist wohl deswegen nicht zu erwarten, – weil…?
Ich habe sicherheitshalber erstmal gegoogelt, um herauszukriegen was eine Beleidigung überhaupt ist:
Die Beleidigung ist ein Tatbestand des deutschen Strafrechts. Sie zählt zu den Ehrdelikten. Die Strafnorm schützt die persönliche Ehre. Hierzu verbietet sie Handlungen, welche die Ehre eines anderen verletzen, etwa herabwürdigende Äußerungen. Speziellere Tatbestände stellen die üble Nachrede und die Verleumdung dar, die sich auf das Äußern oder Verbreiten herabwürdigender Tatsachenbehauptungen beziehen. Die üble Nachrede ist ein Ehrdelikt, bei dem im Gegensatz zum Werturteil bei einer Beleidigung das Behaupten und öffentliche Verbreiten ehrenrühriger Tatsachen unter Strafe steht. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn der Wahrheitsgehalt der Äußerung objektiv geklärt werden kann, wenn also ein Beweis möglich ist. Für die Strafbarkeit wegen übler Nachrede ist entscheidend, dass die Tatsachenbehauptung „nicht erweislich wahr“ ist, d. h. kein Wahrheitsbeweis vorliegt. Ist die Tatsachenbehauptung hingegen „erweislich unwahr“ und weiß der Täter um deren Unwahrheit, so handelt es sich nicht um eine (vermeintliche) üble Nachrede, sondern um eine Verleumdung. Es ist erforderlich, dass eine Mitteilung zu einer Tatsache gemacht wird. Das ist jeder Umstand, der dem Beweis zugänglich ist. Den Gegenbegriff zu einer Tatsachenbehauptung stellt das Werturteil dar. Die behauptete Tatsache muss ehrenrührig sein.
Wenn Leser also meint Ehre sei eine wichtige Kategorie der Kritik, dann kann ich mir das umgekehrt eigentlich auch nur mit Psychologie erklären. Denn einen “Tatsachenbeweis” zur strittigen Frage der Intention und Wirksamkeit der deutschen MwSt-Senkung hält er ja schon mal nicht so wichtig wie seine Ehre.
@Neoprene
Ich denke nicht, daß das der Streitpunkt oder die heikle Frage ist.
Sondern es geht darum, ob das, was angekündigt wird, sich 1. auch durchziehen läßt – immerhin haben wir eine Parteienkonkurrenz, Handelskammern und Industriellenvereinigungen, Staatenbündnisse usw., also es gibt zu vielen Maßnahmen auch eine Menge Dissens, an dem selbige schon im Vorfeld scheitern können.
Denken wir doch z.B. an Obama, der gegen sein Parlament regierte und weder seine Gesundheitsreform noch die Sperre von Guantánamo durchziehen konnte. Und was wurde aus dem „Pivot to Asia?“ Eine Bruchlandung.
Und wenn es sich durchsetzen läßt, ob es dann 2. den gewünschten Erfolg bringt, oder womöglich auf lange Sicht eher das Gegenteil des Erwarteten bewirkt.
Ich plädiere seit geraumer Zeit dagegen, die vollmundigen Erklärungen von Politikern aus den oben genannten 2 Gründen für bare Münze zu nehmen, und versuche damit den demokratischen Personenkult zu bekämpfen. Da sollen nämlich Lichtgestalten alles gut machen und Bösewichte alles verderben, und dann werden in den Medien die Wähler beschimpft, weil sie den Falschen an die Macht gebracht haben.
Trump mag ja wirlklich eine seltsame Besetzung des Präsidentenamtes zu sein, aber den Krieg gegen Syrien, die Besetzung Iraks und Afghanistans haben seine Vorgänger angezettelt, Obama hat Venezuela als Bedrohung der USA eingestuft, und Kuba als Stachel im Fleisch der US-Weltpolitik überdauert jetzt schon viele Amtsinhaber im Weißen Haus.
Oder nehmen wir Merkel. Eine Zeitlang konnte sie nix falsch machen, und seit der Flüchtlingskrise kann sie nichts mehr richtig machen, was immer sie auch verkündet.
Die EU-Probleme sind ihr über den Kopf gewachsen.
Also, nach diesem Exkurs wieder einmal zurück zum Thema: Mir wäre entgangen, daß sich in Sachen Geschenke oder Kredite etwas Wesentliches bewegt hat, also bleibt daweil einmal alles beim alten und die EZB finanziert die Eurozone über den Ankauf von Staatsanleihen.
Ja, bei bürgerlicher Politik, erst recht wenn es um Auseinandersetzungen mit anderen Staaten geht, kann man regelmäßig zuschauen, daß die auch ganz ohne Kommunisten, die ihnen zur Zeit leider so gar keine Steine in den Weg legen, ihr Programm trotz großartiger Ankündigungen doch nicht so durch ziehen können, wie anfangs angekündigt.
Es ist aber ein damit eben nicht zusammen fallender Punkt, was die Politik überhaupt anstrebt, wenn sie irgendwas machen will.
Beim Konjunkturpaket der deutschen Regierung wäre es z.B. ein blödes Argument gewesen, zu prognostizieren, daß Merkel sowas nie und nimmer durch den Bundestag bekommt. Bei der MwSt.-Senkung war jedermann von Anfang an klar, wenn die beiden Regierungsparteien das wollen, dann kostet das nur einen Federstrich und dann gilt das.
Sowas gilt aber offensichtlich nicht immer: Was z.B. auf europäischer Ebene diesen Sommer (ich meine, daß der Juli-Gipfel da noch nichts endgültiges bringen wird) passieren wird, ist bei allen Ankündigungen immer noch offen. Da hat sich noch nichts “Wesentliches bewegt” und gerade deshalb ist für mich nicht wirklich raus,, ob auch diesmal gilt, es bleibt “alles beim alten und die EZB finanziert die Eurozone über den Ankauf von Staatsanleihen.” Aber der Sommer ist ja noch lange nicht vorbei.
“Der Konjunktureinbruch infolge der Corona-Pandemie könnte eine Bankenkrise in Deutschland auslösen, prognostiziert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Wegen des Lockdowns im März und April würden in den nächsten Monaten zahlreiche Firmen pleitegehen oder Kredite nicht bedienen können, sagen die IWH-Forscher voraus. Das könnte zahlreiche Sparkassen sowie Privat- und Genossenschaftsbanken in Schieflage bringen, die zusammen Darlehen in dreistelliger Milliardenhöhe in den Büchern haben.
Selbst wenn sich die Konjunktur rasch erholt, sind der Analyse zufolge rund sechs Prozent der Geldhäuser in Gefahr. Hält die Flaute monatelang an, würden sogar 28 Prozent der Kreditinstitute in Not geraten. Weil der Anteil ihrer Eigenmittel unter die gesetzliche Mindestmarke von sechs Prozent der Kreditsumme rutsche, müssten Dutzende oder gar Hunderte Institute abgewickelt, fusioniert oder vom Staat gerettet werden. Zugleich würden viele Banken weniger Kredite an Unternehmen vergeben, um die Risiken in ihrer Bilanz zu reduzieren. Das könnte die Konjunktur weiter schwächen.”
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/corona-folgen-oekonomen-rechnen-mit-bankenkrise-a-00000000-0002-0001-0000-000171875113#ref=rss#rssowlmlink
“Nein, eine Mehrwertsteuersenkung ist keine symbolische Poliitik, die deswgen nötog sei, um das Vertrauen der Massen wiederherzustellen.” Und was ist es dann deiner Ansicht nach? Bist du auch der Ansicht, dass die Mehrwertsteuersenkung so richtig “Wumms” entwickeln wird, dass es der Zündfunke ist, der den Wirtschaftsmotor wieder in Gang setzt?
@Kehrer
Also, um auf diese leidige Mehrwertsteuersenkung zurückzukommen:
Wenn eine Regierung verkündet, sie senke den Mehrwertsteuersatz, so sagt sie damit erst einmal: Ich verzichte auf einen Teil meiner Einnahmen. Und ich tue das deswegen, weil ich hoffe, daß sich dadurch Unternehmen derfangen und nachher wieder als Einnahmequellen sprudeln können.
Damit eine Regierung so einen Schritt machen kann, muß ihr Kredit intakt sein. Sie muß also die Gewißheit haben, daß sie dieses Loch in ihrem Budget durch Kredit stopfen kann.
So einen Schritt können z.B. Griechenland oder Italien nicht setzen.
Vor der Überlegung, ob das auch den gewünschten Erfolg haben kann, sagt diese Maßnahme also etwas über die wirtschaftliche Verfaßtheit des betreffenden Staates aus.
Für die Staatskasse ist dieser Schritt auf jeden Fall nicht symbolisch.
@Neoprene
„Bleibt alles beim alten“ bezieht sich nur auf die Verfahrensweise. Die stille segensreiche Tätigkeit der EZB ermöglicht einfach, jenseits von Hickhack zwischen Staaten und Regierungen den Staaten die nötige Liquidität zuzuführen, damit sie weiter funktionieren, also der Staatsapparat intakt bleibt.
Was nicht gleich bleibt, sind die Quantitäten. Immer höhere Summen sind zur Stützung dieser Staaten notwendig.
Was die sonst angestrebten Konjunkturpakete mittels EU-Kredit betrifft, so gibt es berechtigte Zweifel, ob diverse staatliche Anschiebeprogramme auch tatsächlich einen Aufschwung herbeiführen werden, oder ob da womöglich Tote am Leben erhalten werden.
Vorstellbar wäre eine Art Staatsfinanzierung, die mir bisher nur aus Fernost bekannt ist: Dauersubventionierung defizitärer Betriebe, die für die Volkswirtschaft und den Gewinn anderer Unternehmen unabdingbar sind.
Das Problem dabei wäre: Da schießen die EU-Staaten zu und dann kommen US-Firmen und Chinesen und streifen die Gewinne ein.
Die Schuldenberge wachsen auf jeden Fall immer mehr an.
“Und ich tue das deswegen, weil ich hoffe, daß sich dadurch Unternehmen derfangen und nachher wieder als Einnahmequellen sprudeln können.” Das ist nur so, wenn die Unternehmer die Mehrwertsteuersenkung nicht weitergeben würden. Teilweise tun sie das aber schon, was ich mitgekriegt habe. Die Begründung war auch, dass durch die günstigeren Preise der Umsatz steigt.
Und das wage ich doch sehr zu bezweifeln.
“oder ob da womöglich Tote am Leben erhalten werden.” Das weiß man im Kapitalismus doch eh nie. Wahrscheinlich sind der EU lebende Tote lieber als tote Tote.
Sogar das Inflationsziel von 2 Prozent, das immerzu für die so genannte “Konjunkturpolitik” der EZB legitimatorisch herhalten soll, denn derertwegen würden die Kreditpakete angeblich auf den Weg gebracht, das sieht die tagesschau in Gefahr …
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/kuenstliche-deflation-101.html
Was wirklich dabei herauskommt, wer soll das wissen, die tagesschau prognostuoziert ja auch bis ins kommende Jahr, und da wirds gänzlich vage, und da gibts dann auch historische Beispiele, die man stattdessen dann hervorholt.
Wieso die EZB ihre Maßnahmen mittels des 2 Prozent – Inflations-Zieles (v)erklärt, das findet sich in einem Absatz (Exkurs) hier
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/weltkapitalismus-krisenmodus
Teil 1 des Arguments ist sowieso völlig abwegig, diese Mehrwertsteuersenkung müsste man deswegen beschließen, oder sei deswegen auf den Weg gebracht worden, um den Unmut der Massen zu befrieden. Noch nie seit ca. 30 Jahren standen deutsche und österreichische Massen so beinhart hinter den Maßnahmen ihren Regierungen….
—
Dass kapitalistische Regierungen auch “Symbolpolitik” betreiben können, mag übrigens schon sein. Falls ich das mal anders formuliert habe, dann war es ein Fehler.
Als solche “Symbolpolitik” erscheint mir da eher die nun beschlossene Grundsicherung für bettelarme Rentner, wobei der Symbolgehalt auch auf das Bild einer starken Regierung (inkl. SPD) zielte: Seht her, wir können uns auch noch in diesen Punkten einigen. Denn das sei nämlich eine geradezu allmächtige Regierung, und davon abgleitet kommt dann vor, dass sie sich deswegen auch einigen könne im Sozialbereich. Und dass sie kein aufgescheuchter Konkurrenz-Haufen sei, sondern eben, vom Prinzip, vom ‘Symbol’, her, supereinig und supermächtig. Auf dieses Symbol scheint die SPD bestanden zu haben, und sich dadurch bessere Chancen in Puncto des Images von Führungsfähigkeit versprechen zu wollen.
Um irgendwelche neuen Sachinformationen oder treffende Beurteilungen geht es übrigens nicht, wenn jemand als Übermittler von Merkel-Botschaften tituliert wird. (Denn der so Scheltende übermittelt anschließend selber wirkliche Merkel-Botschaften. Und verlinkt kommentarlos ein Merkel-Interview.) Sachlich sieht er selber also darin nicht das geringste Problem, Hinweise oder Infos von Frau Merkel zu übermitteln.
In ein schlechtes Licht tauchen soll es eine andere Person, wenn der unterstellt wird, seine Tätigkeit auf diesem Blog sei identisch mit Propaganda für Frau Merkel. Da will jemand, zumindestens wenn es auf eine andere Person zielt, Denunzation und Kritik nicht auseinander halten. Denn er will so die Person treffen. Der Sachgehalt wird dann dabei ein bisschen zweitrangig.
Das ist ein Verfahren, das ich schon mehrere Male an Neoprene kritisiert habe. Normalerweise funktioniert es so, dass er mir blinde, typische, schafsfromme GSP-Gefolgschaft unterstellt. Der Maßstab dürfte da wohl sein, sich als autonomer Linker mit, wer hätts gdacht, eignem Kopf, selber abfeiern zu wollen. Wird jemand als Merkel-Anhänger denunziert, so feiert man sich als Merkel-Gegner.
Einen Merksatz dazu habe ich auch noch: wenn jemand so auf die Person mit seiner Kritik zielt, liegt der Verdacht nahe, dass es ihm um persönliche Moralität vor allem geht. Um seine eigene nämlich.
Was Kritik bedenken sollte, dazu gibt es neben diversen älteren Artikeln auch einen ganz neuen von gestern. Und weder von Merkel, noch vom …
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138676.rassismus-kritik-aber-in-der-ddr.html?sstr=Stephan%20Kaufmann
Über kleine und große Schulden
Für die kleinen Leute ist das Schulden-Machen die Konsequenz einer Notlage. Das Geld, das sie für das zum Leben Notwendige brauchen, reicht nicht. Wenn die kleinen Leute Schulden bei einer Bank oder Sparkasse machen, können sie ihrer Notlage abhelfen. Doch das kommt sie teuer zu stehen, denn zu ihren sonstigen Zahlungsverpflichtungen kommen die gegenüber der Gläubigerbank hinzu. Ihre Notlage, die für den Moment behoben war, wird auf Dauer nur noch ärger. Das verdiente Geld, das zum Leben nicht reichte, reicht nun erst recht nicht, da es sich mit den Abzahlungen an die Bank vermindert hat.
Ganz anders ist es um das Schulden-Machen bei den großen Leuten bestellt. Diejenigen, die dem Beruf nachgehen, aus Geld mehr Geld zu machen, verschulden sich nicht, weil sie in einer existentiellen Notlage sind. Sie brauchen mehr Geld, als sie momentan zur Verfügung haben, um durch erfolgversprechende Geschäfte ihren Geldreichtum weiter wachsen zu lassen. Hier sind die Zahlungsverpflichtungen an die Bank kein in Kauf zu nehmendes Unglück, sondern der glückliche Umstand, mit Hilfe der Verschuldung den Umfang der Geschäftstätigkeit zu erweitern.
„Man sollte also immer darauf achten“, sagte Herr Keiner, „über welche Leute man redet, wenn man auf das Schulden-Problem zu sprechen kommt. Die alte Volksweisheit, nach der man das Schulden-Machen tunlichst vermeiden soll, gilt jedenfalls nur für die kleinen Leute. Die Großen können mit ihren Schulden gut leben, mehr noch: Sie sind in der Regel der willkommene Hebel, aus ihrem Geld noch mehr Geld zu machen.“
Diese und 34 neue weitere Keiner-Geschichten wurden gerade neu veröffentlicht; darunter auch eine weitere zur Krise:
http://www.herrkeiner.com/geschichten/wirtschaftliche-krise/
Gesamt: http://www.herrkeiner.com/fundstuecke/
@Kehrer
Heute möglicherweise.
Das war nicht immer so.
Früher hieß es: unrentable Betriebe schließen, weil sonst ist das Wettbewerbsverzerrung!
Dann, seit der Finanzkrise, als der Markt kleiner wurde, hieß es: Der Nachbar (lies: andere Mitgliedsstaaten) muß zusperren, damit ich meine Stellung halten kann!
So wurde Südeuropa weiter unter Wasser gedrückt.
Also, ich bin ja neugierig, wie die Subventionswirtschaft jetzt weitergeht.
Nicht möglicherweise sondern definitiv: Seit der Rettung des Finanzwesens unter anderem durch die Abschaffung von Zinsen für Kredite und Einlagen sind natürlich auch reihenweise normale Unternehmen mitgerettet worden, die ansonsten mit in die Pleite gegangen wären. Deshalb war ja die Bankenrettung alternativlos, denn die waren und sind ja wirklich systemisch relevant.
Und seitdem jammern alle Fans einer kernigen Bereingungskrise in den einschlägigen Medien, daß durch die Null-Zins-Politik rund ein Zehntel aller Betriebe weitermachen kann, die ansonsten, bei “normalen” Zinsen schon lange zahlungsunfähig geworden wären. Diese “Zombiefirmen” haben es sogar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht: https://de.wikipedia.org/wiki/Zombiefirma
@Leser
Das ist ja nicht schlimm. Einen Link zu posten, stört weniger als den Kommentar-Thread mit endlosen Texte in GSP-Deutsch vollzumüllen.
Man klickt auf den Link oder läßt es bleiben.
Außerdem hat Neoprene damit ein Service geleistet, weil ich weiter oben auf dieses Interview verwiesen habe, und darauf, wie das in einer russischen Zeitung interpretiert wurde.
Am Anfang publizierten das die verschiedenen Zeitungen, die sich dafür zusammengetan hatten, nur in Auszügen, eklektisch sozusagen.
@Neoprene
Die Zombiefirmen sind natürlich nicht nur für „Fans einer kernigen Bereingungskrise“, sondern auch für die EU-Macher ein Problem, weil sie ebenso wie das EZB-Aufkaufsprogramm zu einer Dauereinrichtung geworden sind und der Propaganda von der aufstrebenden Wirtschaftsmacht EU widersprechen.
Die Coronakrise hat nämlich auch das ganze Blabla ad absurdum geführt, daß die Krise vorbei sei und der Aufschwung um die Ecke wartet.
Zu dem ganzen Blödsinn in dem Tagesschau-Artikel zu Inflation und Deflation verweise ich auf den alten Eintrag:
Der Schrei nach Inflation: GELDVERMEHRUNG ALS WACHSTUMSHEBEL?
Wenn du das Problem ins Absurde verdrehst, ist selbstverständlich auch die Antwort absurd. Nimm doch bitte zur Kenntnis, dass in einer kapitalistischen Welt mit zwei gegensätzlichen Klassen, eine dieser Klassen nichts hat, außer der Haut die sie zu Markte trägt. Falls sie das nicht mehr kann ist ein potentiell tödliches Virus ihr geringstes Problem – die kann noch nicht mal ihre pure Subsistenz sichern. d.h. wenn deren Einkommen von heute auf morgen wegfällt und die Regierung nichts tut, dann bekommt sie es nicht nur mit dem “Unmut” der Massen, sondern schlicht mit ihrem Überlebenswillen! “Unmut” ist, wenn eine Steuer erhöht wird oder ein Urlaubstag wegfällt, oder Überstundenzuschläge. Wenn die Massen aber ohne Reproduktionsmittel dastehen, dann müssen sie sich diese beschaffen und mit 100%iger Sicherheit bricht das Chaos aus – Plünderungen und so.
Dass die Massen beinhart hinter den Maßnahmen ihrer Regierungen stehen ist also die F o l g e dessen, dass es die Regierung nicht so weit kommen lässt und z.B. Kurzarbeitergeld bezahlt. Und zu diesen Maßnahmen gehört auch die Mehrwertsteuersenkung, die allerdings weniger darauf berechnet ist, dass die Leute mehr einkaufen können, sondern eben darauf zu zeigen, dass sie sich kümmert und niemanden im nationalen “Wir” im Stich lässt, sodass Unmut gar nicht aufkommen kann. Ohne solche Maßnahmen würden ganz sicher nicht nur Spinner und Verschwörungstheoretiker demonstrieren.
Ich fand das Merkel Interview auch aufschlussreich, vor allem weil die Kanzlerin bestätigt, dass der Sparkurs wegen Corona zeitweilig verlassen werden soll. Und natürlich betont die Kanzlerin was man von ihr erwartet, dass sie nämlich ausschließlich in deutschem Interesse handelt, bzw , dass der Akt europäischer Solidarität in deutschem Interesse ist: “Es liegt im deutschen Interesse, dass wir einen starken Binnenmarkt haben, dass die Europäische Union zusammenwächst und nicht auseinanderfällt. Was gut für Europa ist, war und ist gut für uns.”
Ich weiß überhaupt nicht, auf welches „Argument“ sich diese Replik bezieht. Es ist jedenfalls absurd, wie viel Energie hier auf diesen Unsinn verwendet wird.
Alle Subventionen und Stimuli, die die Regierungen setzen – soweit sie das überhaupt können, in vielen Staaten geht das aus verschiedenen Gründen gar nicht – zielen darauf, 1. ihre produktive Basis zu erhalten und 2. den Volkskörper funktional zu halten. Also Leute ohne Einkommen aus Lohnarbeit irgendwie mit dem Notwendigsten zu versehen.
Das geschieht nicht aus Angst vor Aufständen, sondern weil massenhaft Bettler und Leichen auf den Straßen, wie in Indien, Bangla Desh usw., oder Kriminalität wie in Mittelamerika und anderswo schlecht für das Geschäft sind. Da investieren wenige Firmen und es kommen keine Touristen.
Ein kapitalistischer Staat will sein Volk benützen und dafür soll es halbwegs fit sein. Deswegen gibt es Bildung, Gesundheiswesen und Soziales wie Hartz IV oder Mindestsicherung.
Sozialstaat ist kein Bestechungs-Unternehmen zur Vermeidung von Volksaufständen.
Dieser Unsinn speist sich aus der immer schon verkehrten Vorstellung, daß das Proletariat dauernd auf Revo aus ist und deshalb mit irgendwelchen Zuckerln befriedet werden muß.
Die europäischen Regierungen sind durch Klima- und Corona-Krise darauf aufmerksam gemacht worden, daß sie 2 Quellen ihres Reichtums und ihrer Macht haben: Territorium (d.h. die innerhalb ihrer Grenzen vorhandene Natur) und Bevölkerung.
Wenn sie die vor die Hunde gehen lassen, ist es aus mit ihrer Herrlichkeit.
Natürlich auf Leser, der ist doch der ungeschlagene Meister hier für solche “Argumente”. Der war ja so abgefahren oder blöd provokant, daß er das tatsächlich unterstellt hat:
http://nestormachno.blogsport.de/2020/06/10/ezb-euro-und-waehrungssysteme-ueberhaupt/#comment-39848
Die zwei Zitate von Krim:
“Man kann es auch mal so betrachten: Wenn eine Mehrwertsteuersenkung widersprüchlich ist, warum dann nicht wirklich mal den Leuten einen Tausender in die Hand drücken? Das scheint irgendwie verpönt zu sein. Und warum ist es verpönt? Weil die neoliberale Denke durchgesetzt ist, also aus ideologischen Gründen. d.h. Ideologie hindert sie daran, das zu tun was funktionell notwendig ist, bzw. das zu lassen was nicht funktional ist.” (Kehrer)
http://nestormachno.blogsport.de/2020/06/04/die-wirtschaftlichen-folgen-der-corona-krise-iii/#comment-39766
Das zweite Zitat ist das mit dem Aufstand im Konjunktiv, den die Leute machen täten würden. Und deswegen, Indikativ, werden sie jetzt mit einer Mehrwertsteuer beruhigt …:
“Wenn wegen eines von der Regierung beschlossenen Lockdowns die Leute von heute auf morgen kein Einkommen mehr hätten (Reichtuümer kann man als Arbeiter nicht anhäufen), dann hätten diese Leute keine andere Möglichkeit als Randale zu machen. Meinst du die würden still verhungern? Und das ist den Politikern klar. Das wäre auch für die Eindämmungsmaßnahmen kontraproduktiv. Das Volk muss eben in der großen Mehrheit freiwillig machen, was die Regierung sagt. Man kann nicht hinter jeden einen Polizisten stellen. Hinter einzelne schon.
Die Regierung will sich eben als Krisenmanager profilieren, die mit Augenmaß die Wirtschaft und die Sorgen der Leute gleichermaßen im Blick hat. Für das Volk werden die Preise günstiger und gleichzeitig soll deshalb der Umsatz steigen.”
(Kehrer)
http://nestormachno.blogsport.de/2020/06/10/ezb-euro-und-waehrungssysteme-ueberhaupt/#comment-39851
Eure Interpretationskünste werden schon noch herausbringen, dass es ganz anders gemeint ist. Sicherlich ganz im Gegentum.
Der Abschlusswunsch, ja dann machts zukünftig mal besser – würde unterstellen, dass die Verdreherei und Verfälscherei irgendwie Zufall oder Ausrutscher wäre. 🙂
Meine Interpretationskünste sind nicht weit her, aber soviel kann ich mit großer Bestimmtheit sagen: Kehrer ist *nicht* Krim!
Könntet ihr euch einmal etwas einkriegen und beim Thema bleiben, anstatt anderen ihre Formulierungen anzukreiden?
Du hattest gefragt, Nestor, sonst wäre mir das keine weitere Silbe wert gewesen.
Die Frage war rhetorisch, ich wollte damit auf die Nichtswürdigkeit des „Arguments“ hinweisen. 😀
Leser, Wenn du Zitate bringst, dann muss du auch endlich mal sagen, was du dagegen anzuführen hast. Wieso du das erste bringst ist mir sowieso schleierhaft, weil es darum gar nicht geht. Das zweite Zitat habe ich jetzt oben nochmal ausgeführt. Aber kommt ein Gegenarguent – nein. Klar gibt es Hungeraufstände ( H u n g e r aufstände, also gegen Hunger – nicht gegen Kapitalismus) und zwar weil die Leute es m ü s s e n, wenn sie nichts mehr zu nagen haben. Und das ist das Chaos, das außer Kontrolle geraten der öffentlichen Ordnung, genauso wie Leichen auf den Straßen, das entgleiten der öffentlichen Ordnung ist. Früher haben sie bei Quarantäne die Häuser von Außen zugenagelt. Und am Ende die Häuser mitsamt den Überlebenden abgebrannt. Das geht heute nicht mehr. – Ihr müsst mal begreifen, dass man die Leute ertmal in die Lage versetzen muss, Lockdown und Quarantäne auszuhalten. Wenn die Regierung das nicht macht, dann kann sie den Lockdown vergessen, weil sich die Leute massenhaft nicht dran halten und sie halten sich nicht dran, weil sie sonst verrecken! Was ist denn daran so unverständlich.
Es geschieht deswegen, weil sonst ein Lockdown nicht geht! Wenn die Leute sich was zu essen organisieren müssen, weil sie sich nichts kaufen können, dann plündern sie Geschäfte, rotten sich zusammen, machen Demonstrationen und auch deine Anmerkung stimmt, sie betteln, verhungern usw. Es geht also um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die für einen disziplinierten Lockdown unumgänglich ist.
“2. den Volkskörper funktional zu halten.” “Ein kapitalistischer Staat will sein Volk benützen und dafür soll es halbwegs fit sein.” Unter Pandemiebedingung geht die Benutzung aber zum Großteil nicht, der Volkkörper ist nicht funktional. Seine Funktion ist zeitweise ausgesetzt. Der Volkskörper soll also nicht “funktional” gehalten werden, sondern er soll überhaupt erhalten werden und nicht wegsterben, weil dieser die Grundlage für die Funktion des ganzen Ladens ist. Nicht seine Funktion sondern seine potentielle Funktion soll erhalten werden. Nicht Benutzung, sondern seine prinzipielle Benutzbarkeit soll erhalten werden.
Na ja, streiten wir uns nicht um Worte.
„Funktional“ heißt auch, daß die Kinder betreut und die Arbeitslosen über Wasser gehalten werden. Funktional heißt ja – was den Staat und sein Wirken angeht – immer nur soviel, daß das Kapital die Leute benutzen kann.
Ob es sie dann benutzt, hängt wiederum nur zu einem Teil von staatlichen Maßnahmen ab.
Die ganze redundant population wird auch irgendwie am Leben gehalten, auch vor Corona, ohne daß sie für Mehrwertproduktion oder Verwaltung „funktioniert“.
Äußerst skeptisch registriert Stephan Kaufmann den derzeitigen Hausse-Trend an den Börsen …
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/sie-pumpen-wieder
Das gehört eigentlich hierher.
Umgekehrt, umgekehrt …
Aus einer ND-Rezension von Irmtraud Gutschke, zu dem seit einem Monat überall erhältlichen Buch “Crash Kurs Krise” (Rezension erscheint am 22.7.) :
(…) Von der Internetblase 2000, der US-Hypothekenkrise 2007, der »Griechenland-Krise« 2009 bis zur Coronakrise werden Abläufe durchschaubar gemacht. Das rational-analytische Herangehen der Autoren ist heilsam als Gegenpart zu verbreiteten moralischen Appellen, birgt aber die Gefahr, den »subjektiven Faktor« auszublenden.
Immer wieder treten Menschen für das als richtig Erkannte ein. Auch der Verleger, der das vorliegende Buch an die Öffentlichkeit brachte. Nicht alles unterliegt dem Profit. Wenn es den »guten Kapitalismus« nicht gibt, wie es am Schluss des Buches heißt, wenn er »bei entsprechenden Machtverhältnissen« ersetzt werden könnte »zugunsten einer anderen Logik«, so sind auch jene zu verstehen, die sich mit einer solchen nebulösen Hoffnung nicht zufriedengeben wollen, sondern versuchen, auch hier und jetzt schon wenigstens partiell etwas zu verbessern.
Stephan Kaufmann/Antonella Muzzupappa: Crash Kurs Krise. Wie die Finanzmärkte funktionieren – eine kritische Einführung. Verlag Bertz + Fischer, 175 S., br., 8 €.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139447.die-logik-des-systems.html
https://fr-bb.org/programm/sendung/46034.html
Als Schmankerl ein Teilabdruck aus dem Buch:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137841.finanzmaerkte-das-auf-und-ab-kapitalistischer-konkurrenz.html
—
Dass es den “guten Kapitalismus” doch bitteschön geben soll – sagt umgekehrt schon mal aus, dass es im Kapitalismus um Kredit, Verwertung, Gewinn geht. Wozu der Rezensentin nur die begriffslose Zuordnung einfällt, dass sie aber unter Kapitalismus sich lieber doch was anderes vorstellen will. Harmonisch im Einverständnis mit den Prinzipien dieser Gesellschaft kann manche/r augenscheinlich nur dann leben, wenn er sich einen besseren blauen Dunst dazu vorstellen kann. (Den kann man sich übrigens zu jedem weltweiten oder historischen Scheißdreck-System vorstellen.)
Oder wieso sonst sollte man dem Buch vorwerfen können, dass es den “subjektiven Faktor” zu wenig wertschätze?
Einstieg in Schulden-Union oder nicht?
(…) Wenn ein Bundeswirtschaftsminister am 21.7.20 in ZDF-Spezialsendung zum EU-Fonds vehement zurückweist, dass es sich bei der Schuldenaufnahme zum Wiederaufbaufonds nicht um Einstieg in die Schulden-Union handele, also nicht um gemeinsame Verschuldung und Haftung dafür durch die EU insgesamt, dann ist dies nicht ganz die Wahrheit. Betonen will dieser wohl, dass vom Prinzip einzelstaatlicher Verantwortung für Schulden nicht generell abgewichen werden soll – das schon immer in Diskrepanz zum Charakter des EU-Geldes als kollektive Währung des europäischen Wirtschaftsblocks steht, in dem sich verschuldet wird. – Halbwegs gefahren mit diesem Widerspruch scheinen sie zu sein: solange sich zu einem Superstaat der EU nicht durchgerungen wird, sollen die unterschiedlichen Resultate der Konkurrenz souveräner Wirtschaftsnationen im gemeinsamen Geld, also auch prekäre Schuldenlage in Einzelstaaten nicht den anderen, v.a. Erfolgreicheren oder gar der gesamten Union angerechnet werden. Der Fall Griechenland hat gelehrt, wie gekonnt die Macher der Union es abwenden konnten, dass das internationale Finanzkapital dessen drohenden Staatsbankrott nicht als Spekulation gegen die Kreditmacht der EU insgesamt wendete.
Zurück zur Natur der Fondskredite: einerseits sollen die Kredite im Namen der EU-Kommission geordert werden, also in Namen der gesamten Union; andererseits wird auch an der Weise der Rückzahlung derselben deutlich, dass diese teils in einzelstaatliche Zuständigkeit fällt, wenn in Abhängigkeit von der Wirtschaftsleistung der einzelnen EU-Mitglieder der Abtrag erfolgen soll; dass Gemeinschaftliche kommt darüber zum Tragen, dass sie nicht vollends nach Maßgabe der Kreditinanspruchnahmen haften sollen. Auch der Umstand, dass die EU-Kommission als Repräsentantin des Gesamtvereins Spezialsteuern für die Kreditbedienung erheben können soll, verweist darauf, dass der Grundsatz einzelnationaler Verantwortung für die Schulden zumindest durchbrochen wird. Aber sei’s drum: es soll wohl ein Sonderfall in einer besonderen Krisenlage sein und nicht für die Zukunft gelten.
—
Eher in die ideologische Ecke gehört auch die Abfeierei des EU-Beschlusses zum EU-Corona-Fonds: es sei ausgezeichnet, wie sich die europ. Nationen “zusammengerauft” hätten und ein “starkes Signal” Richtung ‘Modernisierung’ Europas und so’n Zeug ausgesendet hätten.
Dass sie sich zu einem Ergebnis durchgerungen haben, da ist schon belanglos, welcher Art dieses ist: dass sich in tiefster Krise seit langem jede Nation eher die nächste ist, dass die Modernisierung als konkurrenzlerisches Wirtschaften von EU-Staaten gegeneinander stattfindet, also deren geldlicher Nutzen erst mal rausschaut und von einer gesamteuropäischen Abfärbung v.a. auf das gemeinsame Geld und die darauf lautende Kreditmacht erst mal gar nichts in Sicht ist, was zählt da schon. Wie prekär muss es um diesen EU-Haufen bestellt sein, dass dessen Gerangele um nationalen Gewinn und Schadensverteilung als einvernehmliche formelle Einigung nicht nur von einer Kommissionspräsidentin in höchsten Tönen gelobt wird? Wobei die Chefin durchaus darauf setzen kann: wo da einige Abhängigkeiten von dem Gesamtkunstwerk EU über die Jahrzehnte hinweg eingerissen sind, dürften die Mitglieder ihr Heil darin suchen, so unterschiedlich, gegensätzlich deren Status darin auch ausfällt.
Der Wahrheit kommt es ebenso wenig nahe, wenn etwas über den angeblichen Nutzen für die Bürger erzählt wird: als Beispiel soll u.a. das mit der G5-Technologie gelten; diese neueste Informations- und Kommunikationstechnologie zielt eher auf Revolutionierung kapitalistischer Produktions- und Geschäftsabläufe (Stichwort: Industrie 4.0) oder die Eröffnung ganz neuer Geschäftsfelder (z.B. autonomes Fahren). Dass auch noch der einfache Bürger per Handy-Nutzung davon was hätte, ist eher ein Nebeneffekt davon bzw. ist in erster Linie gefragt als Käufer/Versilberer der schönen Produkte wie G5-Handys oder Autos neuester Generation – aber nicht wegen ihm nehmen Technologie-Champions immensen Forschungs- und geldlichen Aufwand auf sich, um die Informations- und Netztechnik zu revolutionieren.
http://tages-politik.de/Europapolitik/Ideologisches_und_zur_Sache_EU-Streit_Aufbaufonds-Juli_2020.html
Eine Frage der Sichtweise: Das Tohuwabohu um die Einreihung Griechenlands zu einem EU-Dauer-Sanierungsfall als „gekonnt“ zu bezeichnen, zeugt von einem relativ kurzen Gedächtnis.
Daß der Euro vom Finanzkapital weiter als Weltwährung anerkannt und gehandelt wird, liegt jedenfalls am Aufkaufprogramm der EZB und nicht daran, daß Griechenland so elegant am Crashen gehindert worden wäre. Daraus ließen sich nämlich auch genau umgekehrte Schlüsse ziehen bezüglich der Solidität und Kreditwürdigkeit des Euro.
Ansonsten kann ich dem Beitrag nicht recht entnehmen, um was es eigentlich geht:
Da die EU und vor allem die Eurozone als Wirtschafts- und Währungsunion eingerichtet ist, sind die regelmäßigen Dementis, man stehe nicht für die Schulden der anderen gerade, ebenso notwendig wie verlogen. Natürlich muß die Eurozone für die Schulden ihrer Mitglieder geradestehen – der Streit geht nur um das „wie“.
Ist es das, was da gesagt werden soll?
Eine Wellt “voller” billiges Geld – was folgt denn eigentlich daraus? – Das fragt Stephan Kaufmann in der aktuellen Frankfurter Rundschau vom Wochenende …
https://www.fr.de/wirtschaft/eine-welt-voller-billigem-geld-90016138.html
Den derzeitigen Börsen-Hype hatte Stephan Kaufmann bereits vor zwei Wochen charakterisiert …
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/sie-pumpen-wieder
Gold ist genauso ein spekulatives Objekt wie Bitcoin, Aktien oder Immobilien.
Wenn alle hinrennen, steigen die Preise, und wenn alle wegrennen, fallen sie.
Ein „sicherer Hafen“ schaut anders aus.
Die Leute mit großen Vermögen sind in der besseren Position, weil die können ihr Vermögen auf verschiedene Posten aufteilen.
Für die Schulden „geradestehen“ – was soll man sich in Zeiten wie diesen unter diesem Begriff vorstellen?
Daß sie zurückgezahlt werden müssen?
Daß jemand dafür in Schuldknechtschaft genommen wird, so eine große Art von Tellerwaschen wegen nicht bezahlter Zeche?
Daß der IWF kommt und Sparprogramme verordnet? – Der ist doch heute bereits eine lahme Ente und kann nicht einmal das argentinische Schuldenproblem lösen.
Krieg?
Ja, natürlich ist Gold “genauso ein spekulatives Objekt wie Bitcoin, Aktien oder Immobilien”. Bei dir klingt das aber so, als ob Waren (und Gold ist ja nur die Ware per se) eigentlich gar keinen wenn auch mühsam objektivierbaren Wert hätten, sondern man nur wie die Börsenauguren immer wieder feststellen kann, “Wenn alle hinrennen, steigen die Preise, und wenn alle wegrennen, fallen sie.” Als wenn das genauso wertlos werden kann wie eine Wirecard-Aktie oder eine Staatsanleihe des Kaiserreichs.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die “Leute mit großen Vermögen” wirklich in einer besseren Position sind, weil die ihr Vermögen “auf verschiedene Posten” aufteilen können. Auch für die gibt es ja gerade keine “sicheren Häfen” mehr: Immobilien und Aktien sind semiinflationär aufgebläht, Anleihen sind vielleicht demnächst nicht mal mehr annähernd das Geld wert, das aufgedruckt ist. Überteuerte Kunst (was ist da schon wertvoll?), irgendwelche Preziosen (die schon bald keine Sau mehr sehen kann)? Vermögensverwalter möcht ich da jedenfalls nicht sein, nicht umsonst feuern viele Reiche diese Leute alle paar Jahre, weil die es wieder mal nicht gebracht haben. Es kann eben keine Garantie geben, daß Geld oder mit Geld kaufbare Vermögensgegenstände immer werthaltig bleiben, wenn man es nur clever anstellt.
“Wie lange kann das gutgehen, wer muss am Ende für die Schulden geradestehen?”
Das ist wie immer eine gute Frage, wo die Antwort wohl eher schwierig wird. Außer natürlich, daß die meisten Menschen mit dem Zusammenbruch ihrer bisherigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse rechnen müssen, wenn es denn nicht mehr “gut” geht. Geradestehen kann bei Schulden, also vor allem bei den enormen Staatsschulden allenthalben, nur bedeuten, daß die Papiere, die das verbriefen, von den Finanzmärkten, auf denen sie gehandelt werden, weiter als werthaltig angesehen werden. Also müssen die zumindest bedient werden (was bei praktisch Null Zinsansprüchen bei den “soliden” Staaten ja kein Problem mehr ist, Fed und EZB sei dank) und immer fleissig revolviert werden können. Tja, und das wird dem einen oder anderen Staat halt nicht mehr gelingen, nicht nur Argentinien.
“Die Frage nach dem „Debasement“ des Geldes läuft auf die Frage hinaus, wie lange der globale Finanzsektor den großen Währungen Dollar, Euro und Yen vertraut. Handelte es sich bei den USA, der Eurozone und Japan um Entwicklungsländer, so wäre zu erwarten, dass die Anleger angesichts unsolider Schuldenpolitik ihr Geld abziehen und in die sicheren Häfen Dollar, Euro, Yen flüchten. Doch in der aktuellen Situation sind es die sicheren Häfen selbst, die angeschlagen wirken. Zu ihnen gibt es keine Alternative, auch nicht Edelmetalle.” Das genau halte ich für die Zwickmühle des Finanzkapitals. Zwar sind die Weltgelder angeschlagen. Aber was soll das Finanzkapital denn machen? Wenn es eine Alternative gäbe, wäre es dort schon längst. Also ist das Finanzkapital eigentlich von seinem eigenen Vertrauen in diese Währungen abhängig, weil Geschäft entweder mit Dollar Euro und Yen geht oder überhaupt nicht. Also ist es eine Art Zweckoptimismus, der den Laden am laufen hält. Der Glaube, dass das Geschäftemachen weitergeht, denn wenn es nicht weitergeht, wären die Finanzkapitale nicht die letzen, deren Vermögen den Bach runter geht.
“Ich bin mir auch nicht sicher, ob die „Leute mit großen Vermögen“ wirklich in einer besseren Position sind, weil die ihr Vermögen „auf verschiedene Posten“ aufteilen können.” Im Vergleich zu Lohnabhängigen besser. Die Chance, dass überhaupt was übrig bleibt ist halt höher, wenn man was hat, als wenn man nichts hat. Wo nichts ist, kann man auch nichts aufteilen und es kann sich auch nichts entwerten. Das heißt eben, dass die Verluste bei den Reichen natürlich größer sind. Aber die Besitzer der Produktionsmittel bleiben sie, das Kommando über die Wirtschaft haben sie mit dem Vermögen was übrig bleibt immer noch.
Ja nun, daß reiche Menschen, Firmen und wahrscheinlich sogar Staaten es besser haben werden bei einem “Debasement”, das ist ja nun wirklich nichts Überraschendes oder Neues. Die berühmten “kleinen Leute”, Firmen und Staaten haben schon immer die Zeche zahlen müssen für Weltwirtschaftskrisen, das wird das nächste Mal in keiner Weise anders ablaufen.
Nichts zu haben ist in solch einer Krise übrigens kein Plus sondern Rezept für einen besonders harten Crash/Untergang. All die Abermillionen von Menschen, die wie es in den USA heißt, nur einen Lohnscheck von der völligen Armut entfernt zu überleben versuchen, trifft es ja jetzt schon hart. Und bisher ist ja nun wirklich noch nicht viel passiert und kaputt gegangen.
Wer nach einer vermutlich wirklich schrecklichen großen weiteren Crash-Landung noch das Sagen behalten wird über die ökonomischen Trümmer, die dann noch übrig bleiben, das wird man dann sehen. Ja, wenn sich da kein Widerstand ergibt, dann machen sie auf den kleineren Flammen eines “Neubeginns” natürlich einfach weiter wie bisher. Das kann aber auch anders kommen, auch wenn das wahrlich kein Automatismus ist, das sage ich ja auch schon seit vielen Jahren.
@Neoprene
Ja, manche Leute mit Vermögen schlafen heutzutage deswegen auch schlecht.
@Kehrer
Das ist m.E. auch der Grund, warum die Untergangs-Szenarios nicht eintreten.
Das Finanzkapital braucht Währungen, mit und in denen es seine Geschäfte machen kann, und es wird sich sehr hüten, eine fallenzulassen, weil das schränkt seine Bewegungsfreiheit ein. Das gilt sogar für die restlichen kleinen Weltwährungen, Währungen, wie das britische Pfund, die kanadischen & australischen Dollars, den Schweizer Franken usw.
Die Kleinanleger, die bei den letzten paar Krise mehrheitlich durch die Finger geschaut hatten, waren eher Ärzte oder besserverdienende Beamte und Freiberufler.
Die Lohnabhängigen haben wirklich nicht so viel Kleingeld übrig für die Börse.
*Das* Finanzkapital gibt es schon mal gar nicht, sondern eine Vielzahl von erbittert konkurrierenden Konzernen, Banken, Fonds usw. Und da gab es und gibt es immer noch immer einige, die gegen den Strom wetten und auf den Untergang einzelner Konklurrenten, Währungen, Staaten setzen. Wenn die dann wirklich etwas einreißen können, ist es schon fraglich, ob die dann hektisch eingreifenden Staaten und Finanzinstitutionen ein spektakuläres Abrauchen wirklich immer werden verhindern können. Bloß weil die Finanzer Weltgelder brauchen, heißt das nämlich noch lange nicht, daß ihnen das auf ewig zur Verfügung stehen wird.
Na ja – Weltgelder benötigen zunächst einmal alle Kapitalisten, die weltweit Geschäfte machen, und die sollen dann ja auch bezahlt werden können und Gewinn für die Kapitalisten einbringen – das Kapital selber benötigt also Weltgeld, weil und indem es sich über die Grenzen des Nationalstaates hinaus bewegt und so den Weltmarkt schafft. Dabei fallen Gelder in Nationalwährungen an, die umgetauscht werden müssen., will man mit denen auch jenseits der Grenzen des jeweiligen Staates, wo das Geschäft bezahlt wurde, etwas anfangen. Dafür unterhalten die Staaten Banken, die solche Wechsel von Währungen bewerkstelligen. (Heutzutage haben Großfirmen eigene Banken und eigene Spekulationsabteilungen.)
Und die Umtauschbarkeit und Einwechselbarkeit ihrer Währungen untereinander bewerkstelligen und stellen her (und wolen so garantieren) die Staaten der weltweit wirkenden Kapitale, so entstehen neben staatlich garantierten Banken und Geldsystemen auch supranationale Garantien und Absprachen darüber, dass die Staaten ihre Gelder wechselseitig anerkennen, inkl. Absprachen über Krisenszenarien, wie weit man als fremder Staat sich in fremder Währung verschulden darf, etc…
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Aus (Groß-) Anlegersicht dürfte das 2020 doch “sehr komplex” ausschauen, – derzeit …
https://www.fr.de/wirtschaft/ende-rendite-13765030.html
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Weitere Lesetipps auf frühere Debatten hier:
http://nestormachno.blogsport.de/2020/06/10/ezb-euro-und-waehrungssysteme-ueberhaupt/#comment-39663
http://NestorMachno.blogsport.de/2020/04/09/die-wirtschaftlichen-folgen-der-corona-krise-ii/#comment-39271
@Neoprene
Natürlich.
Es ist aber z.B. festzustellen, daß so etwas, wie Soros in den 90-er Jahren unternommen hat, Spekulationen gegen Pfund und Lira, nicht mehr üblich ist.
Erstens hat die Einrichtung des Euro den Spielraum für dergleichen Spekulationen verringert. Man bräuchte ungleich größere Mengen einer Währung, um dann durch plötzliches auf den Markt-Werfen diese zu versenken.
Zweitens ist es die Frage, ob dergleichen Spekulationsakte von den Politikern der USA, der EU oder Japans noch geduldet würden. Es gibt ja auch rechtliche Mittel, gegen Spekulanten vorzugehen, wenn sie gar zu sehr den gewöhnlichen Geschäftsgang stören.
Drittens hat Soros selbst inzwischen kalte Füße bekommen, als der Euro in die Krise geriet, und ein eigenes Wirtschafts- und Währungsrettungsinstitut gegründet.
Dem entnehme ich, daß die Finanzer inzwischen wissen, daß sie sich bei allen Währungsspekulationen auf dünnem Eis bewegen und alles unterlassen werden, das dieses Finanzkartenhaus zum Einsturz bringen könnte. Also z.B. auch eine Flurbereinigung durch Ausschalten eines Konkurrenten, wie es Goldman Sachs mit Lehmann Brothers bewerkstelligt hat. So ein Erdbeben will keiner noch einmal hervorrufen.
Sodaß man inzwischen getrost von „dem“ Finanzkapital reden kann.
Na, dann ist ja alles gut (für die Fans des Kapitalismus jedenfalls): Es gibt niemand mehr, der diese schöne Welt versenken könnte oder auch nur wollte, zudem würde sowas eh verboten werden, weil ja nun wirklich unerwünscht.
Schöne neue Welt!
Na na.
Ich habe nicht behauptet, daß die derzeitige Unterfütterung der Weltwährungen durch staatliche Garantien und Geldschöpfung ewig halten muß.
Aber sie geht nicht an der Konkurrenz der Finanzkapitalisten zugrunde, soviel halte ich für sicher.
Die großen Banken und die Politiker sprechen sich dauernd untereinander ab, davon bin ich überzeugt, um nicht durch eine unachtsame Bewegung den Crash auszulösen, vor dem sie sich sehr fürchten.
Daß dieses ganze Kartenhaus instabil ist, wissen sie nämlich auch alle.
Nun gut, wenn diese schöne Welt des Kapitals schon nicht an der Konkurrenz der Finanzkapitalisten zugrunde gehen wird, dann wohl eher an der Konkurrenz der Staaten. Und die wiederum sprechen sich “dauernd untereinander ab”, davon bin ich auch überzeugt, aber eben jeweils immer zuerst national, wenn es hoch kommt meinetwegen in der EU. Und schon könnte dann eben doch ein popeliger Finanzriese mit seinem kleinen Haufen an Milliarden (und wenn wir schon mal dabei sind, z.B. bei den Derivaten auch mit echten Billionen) “Unachtsamkeiten” anstellen.
Auch das halte ich für möglich.
Aber dann laufen natürlich alle Währungshüter zusammen und holen den mit Geld gefüllten Löschschlauch und versuchen das Feuer zu dämpfen.
Nein, dann laufen nicht “alle” Währungshüter zusammen, sondern die “anderen”. Jedenfalls wenn doch ein einzelner Staat oder eine Staatengruppe ein Fass aufmachen will, was ja nun wirklich auch dieser imperialistischer Tage nicht auf ewig ausgeschlossen ist. Eher andersrum.
Zweifel seien hier angebracht. Woran genau?
Es wird bezweifelt, z.B. von mir, daß allein der Zweckoptimismus der Staaten und der Finanzwelt die ökonomische Welt weiter am Laufen halten kann. (Selbst die Billionen, von denen jetzt allenthalben die Rede sind, können das nicht schaffen.) Dünnes Eis ist halt dünnes Eis, da wird nicht jedem ein Ritt über den Bodensee vergönnt.
Krise der Verwertung, also Entwertung, wird vermutlich durch die Kreditmassen, die die Zentralbanken auf den Markt werfen, in solchen Bereichen/Ländern stattfinden, die an solch werthaltige zusätzliche Geldmittel nicht (leicht) herankommen, z.B. manche der ehemaligen “Schwellenländer”, z.B. Argentinien und Türkei.
Stephan Kaufmann erläutert: “Zentralbanken sind die einzige Institution, die massenhaft Geld ausgeben kann, ohne es vorher einzunehmen.”
https://www.fr.de/wirtschaft/eine-welt-voller-billigem-geld-90016138.html
Wobei hier die Differenz zwischen den paar Weltgeld-Nationen – und dem Rest der Staatenwelt – wichtig ist. Wirft also die türkische Notenbank einfach zusätzliches türkisches Geld in die Zirkulation, so verschlechtert sie dadurch die Werthaltigkeit ihres eigenen Geldes, vergrößert also sogar so noch den Mangel an Weltgeld in türkischer Hand.
Das Finanzkapital bewertet weltweit die diversen staatlichen Schulden gemäß seiner eigenen Kriterien – nach z.B. relativer Schuldenlast-Tragfähigkeit, und das setzt z.B. Italien unter den Stress, nationalstaatlich-italienisch bewertet zu werden, oder gesamteuropäisch-EZBmäßig.
Verschuldung (in und gemäß Weltgeld-Kriterien) ist also auch ein politischer Hebel. Z.B. für EU-Wohlverhalten. Es stiftet zusätzliche Abhängigkeit. Und zwar pur durch Ökonomie.
Zusammenkrachen tut da also manches und mancherorts. Je nachdem, mal mehr, mal weniger.
Das wird durch die staatliche/nationalbankmäßige Zusammenarbeit auch nicht ausgeschlossen.
Sondern von jedem der großen Währungsnationen möglichst so geregelt, dass seine eigenen Zwecke möglichst wenig beschädigt werden. Dafür werden die Zwecke der anderen als schädlich definiert und bekämpft, damit die Entwertung nämlich dann dort stattfinden möge…
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Vgl.: Die Kumpanei der großen Weltgelder
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/weltgeld-gegen-corona-krise#section4
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S o – wird der Kapitalismus am Laufen gehalten. Indem die Krise woanders stattfinden soll.
Die Vorstellung, die Entwertung solle woanders stattfinden, beseelt natürlich die nationalen Währungshüter. Aber das ist nicht so einfach.
Einen Crash Argentiniens will sich erstens niemand leisten, vor allem die USA nicht. Es sind ja die großen US-Banken, die Macri kreditiert haben, damit er erstens Argentinien wieder zu einer melkbaren Schuldenkuh macht, also wieder auf „die Märkte“ zurückführt und zweitens die Altschuld anerkennt.
Ein Crash Argentiniens wäre also eine ziemliche Kapitalvernichtung in den USA. Deswegen tun die USA mit Hilfe des IWF alles, damit es nicht so weit kommt.
Wie es um die Türkei bestellt ist, weiß ich nicht genau, die wäre eher ein Fall für europäisches Finanzkapital und solches aus dem arabischen Raum.
Letztere Geldgeber sind aber zur Zeit auch etwas klamm wegen des niedrigen Ölpreises.
Gerade gelesen, dass sich Argentinien mit einigen Grossgläubigern auf eine 53,5 % Quote geeinigt habe (das wird sicherlich nicht für die ganzen 300 Mrd. gelten, aber auch die US-Fonds haben ja sicherlich rund 60 Mrd im Feuer). Dafür gibt es wieder aufsteigende Sorgen um die Türkei. Nur der Untergang des Libanon scheint nicht gross zu stören.
Zur Antikrisenpolitik.
a) Es gibt den Übergang zum Wirtschaftskrieg, dann werden ökonomische Kontrahenten ziemlich bedingungslos bekämpft, auch, wenn man sich dabei ins eigene Bein hackt. So ist zumindestens ja die Rhetorik von Trump gegenüber China. (Wie ist denn der aktuelle reale Stand?)
b) Der Normalfall kapitalistischer Krisenpolitik ist aber wohl eher, dass der Zugang zu Kredit in Weltgeld für das eigene Kapital deswegen abgesichert wird, damit so hiesiges Kapital irgendein Wachstum soll zukünftig bewerkstelligen können. Dafür werden in anderen Staaten Hindernisse definiert oder festgestellt, die solches Wachstum verbrecherischer Weise verunmöglichen würden. Quasi bedingte Wirtschaftskonflikte, wie sie massenhaft innerhalb der EU ausgetragen werden. Das ist dann Streitgegenstand zwischen Staaten.
c) Dass z.B. kleinere Staaten nur zu hohen Kosten ebenfals Zugang zu Kredit in Weltgeld bekommen, liegt dann daran, dass auf ein positives Geschäftsergebnis bei schlechten Voraussetzungen dort eben nicht spekuliert wird. Streng sachgesetzlich geht das Land daran kaputt, dass es keinen günstigen Kredit mehr kriegt.
d) Aber an den Beispielen Türkei, Libanon. Argentinien wird deutlich, dass das dort keine reine Frage von schlechten Geldgeschäft-Vermehrungs-Vorstellungen ist. Sondern dass da politisch jeweils was stört, ggf. dann auch nicht nur das intendierte Wachstum des hiesigen eigenen Kapitals dort im Ausland betreffend…
e) Falls das gesamte Staatswesen dort ganz prinzipiell und verbrecherisch stört, wie z.B. in Iran oder Cuba, ist die Behandlung der dortigen Staatswesen wie unter a). Zusätzlich wird gemanaged, dass auch andere Staaten und deren Zugang zu Kredit bestraft gehören, wenn sie mit diesen Schurkenstaaten Geschäfte machen. Auch so, bzw. so erst recht, kann Kredit als Waffe wirken.
Verrückt, die Megakonzerne: Die Google-Mutter Alphabet hat dieser Tage für insgesamt 10 Mrd. Dollar Anleihen aufgelegt, die bei 5 Jahren Laufzeit 0,45% Zinsen bringen und bei den Zehnjährigen auch nur 1,1%. Nur die US-Regierung kommt noch ein paar Zehntel besser weg. Natürlich “braucht” der Konzern gar kein Geld, er kann kurzfristig auf 120 Milliarden eigenes Geld zurückgreifen. Ich glaube, Warren Buffet hat zur Zeit auch rund 120 Mrd. in “bar”.
@Neoprene
Bei den Verhandlungen mit den Gläubigern Argentiniens ist es derzeit ähnlich wie zu Zeiten Néstor Kirchners: Damals unterzeichneten über 90 % der Gläubiger (von der Schuldenmasse her), die anderen prozessierten ein Jahrzehntlang und behielten vor dem New Yorker Gericht recht.
Solange verhandelt wird, ist Argentinien nicht insolvent – obwohl es angeblich alle oder die meisten Zahlungen seit Monaten ausgesetzt hat.
Es befindet sich nach wie vor im Schwebezustand.
Für den fühlt sich derzeit niemand zuständig. Im Grunde ist es das Erbe Rafik Hariris, das jetzt den Libanesen auf den Kopf fällt.
Wem sonst noch, wird sich weisen, falls er wirklich insolvent wird.
@Guurd
Abgesehen davon, daßich schon die vorigen Bestimmungen über den Zugang zu Kredit für verkehrt halte – das ist nicht das einzige Kriterium für Prodperität – so ist dieses obige Dementi erst recht verkehrt: „keine reine Frage“ von was? Von Vorstellungen!
Die Geldgeber aller Art gehen nicht nach Vorstellungen vor, sondern nach ihren Interessen und dem Zustand der Schuldner, in diesem Fall der Staaten.
Argentinien erhielt unter Macri Kredit
1., weil es vermutlich von Seiten der US-Administration und der Fed Garantien gab. Die wollten das Land aus den Fängen Chinas wieder in die eigenen holen, und
2. weil Argentinien auf seine Anleihen deutlich höhere Zinsen bot als die meisten anderen Anlagemöglichkeiten.
Der Libanon erhielt unter Hariri Kredit, weil
1. das Land damit aus den Fängen Syriens geholt werden sollte,
2. damals viele an ein Wiederaufblühen der „Schweiz des Orients“ glaubten, und
3. genug Petrodollars dafür da waren.
Heute kann es die Kredite nicht mehr bedienen, die Saudis sind selber knapp bei Kasse, und daß aus dem Libanon noch jemals etwas wird, glaubt niemand mehr. Syrien entreissen muß man den Libanon auch nicht mehr.
Die Türkei wiederum hat sich groß verschuldet, um aufzurüsten. Teilweise flossen Kredite aus dem Land der Rüstungsproduzenten.
Vermutlich war der Zinsfuß auch in der Türkei besser als in EU und USA, aber da wurde zunächst einmal eine Regionalmacht kreditiert, nicht besondere Profit-Perspektiven.
Bei der Überschuldung Argentiniens ist der Umstand, daß Fernández und sein Team vielleicht irgendjemanden stören, doch völlig nebensächlich neben der Tatsache, daß das Land total überschuldet ist und seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Der Wechselkurs krachte schon unter Macri, und das Kapital haute ab, sodaß der IWF einspringen mußte.
Beim Libanon wüßte ich auch nicht, wen was stören sollte, das Land hat einfach keine Freunde mehr, d.h. Regierungen, denen die Existenz des Libanon ein Anliegen wäre.
Syrien ist mit sich selbst beschäftigt, und irgendwie scheint der Libanon langsam unregierbar zu werden. Es findet sich keine Mannschaft mehr, die fähig und willens wäre, diesen Staat zusammenzuhalten.
Die Türkei ist mir jetzt zu mühsam, das kann sich wer anderer anschauen.
Es liegt jedenfalls nicht an der schlechten Wirtschaftslage, daß die Krediteure kalte Füße kriegen.
Kalte Füße allenthalben – wegen der aktuellen politischen Einschätzung der globalen Handelsbeziehungen.
Ausführlicher erläutert dies Stephan Kaufmann in der morgigen Wochenendausgabe des ND:
(…) Die Weltwirtschaftsmächte EU, China und USA versuchen derzeit, ihre gegenseitigen Abhängigkeiten zu reduzieren, indem sie Absatz- wie Beschaffungsmärkte in den eigenen Machtbereich verlagern. Damit verschärft sich ein Trend, der schon vor Corona sichtbar war: »Handelskonflikte sind die neue Normalität«, meldet die Commerzbank. (…)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140193.globalisierung-ab-nach-hause.html?sstr=Stephan%20Kaufmann
Nestor hatte öhnliches als gute Nachricht kommentiert …
http://nestormachno.blogsport.de/2020/06/04/die-wirtschaftlichen-folgen-der-corona-krise-iii/#comment-40132
Korrekt formuiert, hatte ich einen Beitrag gepostet, der das als gute Nachricht auffasst. 🙂
Ich bewerte diese Entwicklung nicht, sondern wollte nur einmal die Sicht der Unternehmer selbst zu diesem Phänomen vorstellen. In dem Bericht des Industriemagazins steht ja auch einiges über die Probleme, die sich hierbei ergeben.