Pressespiegel El Pais, 13.6.: Der Krieg in Libyen

DIE NEUE SCHLACHT LIBYENS WIRD IN SIRTE AUSGETRAGEN
Francisco Peregil aus Rabat

„Marschall Hafter zieht sich in den Osten des Landes zurück, um mit Unterstützung Russlands gegen den Vormarsch der Regierung der Nationalen Einheit die Kontrolle über die Ölquellen zu behalten
Der Kampf um die Eroberung von Tripolis, den Marschall Chalifa Haftar am 4. April 2019 begonnen hat, kann als beendet angesehen werden. Am 3. Juni nahmen die Milizen, die die Regierung der Nationalen Einheit (RNE) unterstützen – die ihren Sitz in Tripolis hat und von den Vereinten Nationen anerkannt wird –, den internationalen Flughafen ein, der seit mehreren Jahren nicht mehr genutzt wird, sich jedoch an einem idealen Ort befindet, um die Außenbezirke der libyschen Hauptstadt zu kontrollieren.

Zwei Tage später zogen sich die Truppen, die Haftar ergeben waren, aus der Stadt Tarhuna zurück, die 90 Kilometer südöstlich der Stadt liegt. Damit endete die 14-monatige Belagerung. Der Himmel über Tripolis ist frei von feindlichen Angriffen. Aber der Krieg ist noch lange nicht vorbei.

Während die RNE unter Premierminister Fayez Serrasch in Tarhuna ein Massengrab mit von Haftars Truppen ermordeten Personen entdeckt haben will – Zeitungen schreiben von bis zu 120 Opfern –, berichten dem Rebellenmarschall nahestehende Medien, daß die Truppen aus Tripolis in Tarhuna plündern, Häuser niederbrennen und Menschenrechtsverletzungen begehen.

Das Geschehen scheint sich jedoch inzwischen aus Tripolis oder Tarhuna in die 400 Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt gelegene Küstenstadt Sirte verlagert zu haben. Die Regierungstruppen der RNE, die vor Ort von türkischen Offizieren und von der Türkei rekrutierten syrischen Söldnern unterstützt wurden, starteten diese Woche eine Offensive gegen Sirte, die Stadt, in der Gaddafi geboren wurde, und den Ort, an dem er Zuflucht suchte, bevor er gefangen wurde.

Diese Stadt der einstigen Ghaddafi-Anhänger, der Schlüssel zur Kontrolle der Ölexporte, wurde 2011 von den Tripolis-treuen Misrata-Milizen erobert. Später wurde sie im Juni 2015 vom Islamischen Staat übernommen. Die Misrata-Milizen eroberten Sirte im Dezember 2016 zurück. Im Januar dieses Jahres wurde die Stadt von Haftars Truppen eingenommen, als bedeutender Schritt seines Vormarsches in diesem Teil des Landes.

Jetzt halten Haftars Truppen, unterstützt von 14 im letzten Monat entsandten russischen Jagdflugzeugen, den Angriff der von der Türkei unterstützten Tripolis-Milizen auf. Haftars Soldaten werden zudem von Hunderten russischer Söldner der vom Kreml unterstützten Firma Wagner verstärkt. Wagners Männer kamen im Oktober nach Libyen und schafften es, das Kriegsglück zu Gunsten Haftars zu wenden. Danach bat die RNE den türkischen Präsidenten Erdogan um direkte Hilfe. Und Ankara schickte Waffen, Offiziere und syrische Söldner, als Gegenleistung für einen vorteilhaften Energievertrag. Heute ist die Türkei das einzige Land, das seine militärische Beteiligung am Libyenkonflikt offen anerkennt. Und bis jetzt hat diese Unterstützung ihre militärische Wirksamkeit bewiesen.

Jetzt geht es um die Entscheidung in Sirte und auch um die Ölquellen. Die Regierung in Tripolis gab am 7. Juni bekannt, dass das Scharara-Ölfeld, das größte des Landes im äußersten Südwesten und – bei voller Funktionsfähigkeit mit einer maximalen Produktion von 300.000 Barrel pro Tag – wieder unter seine Oberhoheit zurückgekehrt ist.

Scharara, ein Ölfeld, an dem unter anderem das spanische Unternehmen Repsol beteiligt ist, stand seit Januar unter der Kontrolle von Haftar. Anfang dieser Woche frohlockte Tripolis angesichts der Rückeroberung und gab bekannt, dass es dort wieder Öl fördert. Am nächsten Tag kündigte er auch eine Wiederaufnahme der Produktiont im Ölfeld El Fil an.
Aber es dauerte nicht einmal 48 Stunden, bis sich die wechselhafte Wirklichkeit des Landes wieder durchsetzte. Die Nationale Ölgesellschaft (NOC) berichtete auf ihrer Website, dass beide Felder von Milizsoldaten übernommen worden seien, die die Arbeiter gezwungen hätten, die Produktion einzustellen.

Ein westlicher Beobachter, der die Ereignisse genau verfolgt und lieber anonym bleibt, sagte: »Die Situation auf diesen Ölfeldern ist stets kompliziert. Sie sind weit weg von allen kämpfenden Parteien. Und sie werden gewöhnlich von Warlords kontrolliert, die sich an den Meistbietenden verkaufen.«

In Bezug darauf, wer Sirte und das Öl erobern wird, heißt es von dieser Quelle: »Die RNE hat es mit Hilfe der Milizen von Tripolis geschafft, Haftar aufzuhalten. Und jetzt hält Haftar Tripolis auf dem Weg nach Sirte und zu den Ölfeldern auf. Alles deutet darauf hin, dass beide Parteien versuchen, ihren Einfluß zu steigern, um in den Verhandlungen, die sie jetzt unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen aufnehmen werden, eine starke Position einzunehmen. Es wird einen neuen Versuch zu einem Friedenschluß geben. Aber der wird nicht einfach sein, weil es in Libyen keine soliden Institutionen gibt.«

Hafter kontrolliert weiterhin den Osten und Süden des Landes und einen Großteil der ruhenden Ölproduktion. Der Marschall wird von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland und Frankreich unterstützt. Und die Regierung von Tripolis hat die diplomatische Unterstützung Italiens, die wirtschaftliche Katars und die militärische der Türkei.
Hunderte Tote und mehr als 16.000 Vertriebene waren notwendig, damit sich Haftars Truppen nach Osten zurückziehen er sich auf den Dialog einlassen würde. Aber die Realität sieht ganz anders aus als vor 14 Monaten, als der Marschall mit der Belagerung begann. Damals war die Beteiligung Russlands und der Türkei nicht so eindeutig. Jetzt sind diese beiden Länder zu unverzichtbaren Mächten für die Gestaltung der Zukunft Libyens geworden.“
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Schon die Geschichte der Ölförderung in diesem El Schahara Ölfeld im Fezzan würde Bände füllen. Erschlossen wurde es in den 80-er Jahren mit Know-How der rumänischen Ölgesellschaft Petrom. Darüber findet man wenig Information, da die Petrom inzwischen mehrheitlich der österreichischen ÖMV gehört und die Geschichte der rumänischen Ölförderung zu Zeiten des Sozialismus unter den Tisch gekehrt wird.
Die ÖMV hat jedenfalls mit der Petrom um 2005 herum Anteile an libyschen Ölfeldern gekauft. Damals war Ghaddafi noch in Amt und Würden.

Wie diese Anteile fixiert wurden und was davon an Eigentumsrechten bei der ÖMV landete, steht nicht in den Büchern. Vor allem wußten das andere Ölgesellschaften nicht, als sie sich sich nach Ghaddafis Tod dort breitmachten, nach der Devise: Nimm, was du kriegst!
Repsol verkündete jedenfalls 2016, es hätte in dieser Gegend Ölreserven „entdeckt“.
So so. Gefunden.
Daß andere Firmen dort auch unterwegs sind, wird am Rande erwähnt. Aber wie Repsol dazu kommt, dort überhaupt Öl zu suchen und zu fördern – das bedarf ja einer gewissen Infrastruktur – bleibt im Dunkeln.
Das spanische Unternehmen teilt jedenfalls angeblich die Eigentumsrechte mit der ÖMV und Total (Fr) im Verhältnis 40:30:30.
Verträge?
Mit wem?
Alle Eigentümer – oder besser: Räuber – unterstützen beide Parteien dieses Krieges, um an ihr Öl zu kommen. Aber selbst wenn die Ölförderung laufen würde, ist es unter den gegebenen Umständen sehr fragwürdig, ob irgendwelche Quoten eingehalten werden und das von irgendjemandem konntrolliert würde.

Der libysche Dauerkrieg birgt zwar Risiken für die dort versammelten Ölfirmen, aber diese für die Landesbevölkerung durchwegs unerfreulichen Zustände eröffnen den ausländischen Ölgesellschaften auch Möglichkeiten, für etwas Bakschisch an örtliche Milizen und Warlords Öl in beträchtlichen Mengen an Steuer, Zoll usw. vorbei in andere Länder zu verfrachten.
Das alles gilt allerdings nur, solange das Öl auch gebührend nachgefragt wird. Sowohl die Förderung und die Verladung desselben waren Einnahmequellen der libyschen Kriegsparteien. In Corona-Zeiten mit sinkender Nachfrage und einem kurzfristig sogar negativen Ölpreis ist weder der Abbau des Öls für die Betreiber sehr atttraktiv, noch wollen sie die nötigen Gebühren an Milizen und die RNE-Regierung bzw. die Armee Haftars entrichten.

Aufgrund des Umstandes, daß der einzige wirkliche, auf dem Weltmarkt gültige Reichtum Libyens derzeit ziemlich entwertet ist, kommen vermutlich Haftar seine Geldgeber abhanden. Saudi Arabien z.B. ist sehr betroffen durch den Rückgang der Öleinnahmen.
Katar unterstützt die RNE, weil es seine Hand auf das libysche Öl legen will, um seinen eigenen Einfluß als ölproduzierender Staat zu steigern. Es will die Hand am libyschen Ölhahn haben, bei dem sich dann Repsol, OMV usw. anstellen müssen.
Die Türkei hingegen will das libysche Öl für sich, um der türkischen Wirtschaft eine Energiequelle zu sichern, sie ist also auf den Gebrauchswert des Öls scharf.
Rußland wiederum scheint zu meinen, Haftar sei eher in der Lage, Libyen zu einen als die RNE, und unterstützt ihn deshalb.

Der Kampf um Libyen geht also in die nächste Runde.

5 Gedanken zu “Pressespiegel El Pais, 13.6.: Der Krieg in Libyen

  1. Die Gestaltungskraft der EU (II) (18.11.2020)
    EU-Militäreinsatz in Libyen zur Überwachung des fragilen Waffenstillstands laut Diplomaten in Brüssel möglich.
    BERLIN/TRIPOLIS (Eigener Bericht) – Die EU steht womöglich vor einem Militäreinsatz zur Überwachung des jüngsten Waffenstillstands in Libyen. Dies berichtet die Tageszeitung “Die Welt” unter Berufung auf Diplomaten in Brüssel. Demnach wird der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell an diesem Freitag mit den Verteidigungsministern der Union über “die Entwicklungen in Libyen” beraten; dabei solle es auch um etwaige finanzielle, logistische oder militärische Unterstützung für einen UN-Einsatz in Libyen gehen, heißt es. Bereits im Januar hatten die Ministerpräsidenten Italiens und Griechenlands und einflussreiche Berliner Politiker eine Beteiligung an einem Einsatz in Aussicht gestellt. Der Waffenstillstand in Libyen beruht auf einem militärischen Patt, das nach einer Interventionsdrohung Ägyptens eintrat; er ist durch Vermittlungstätigkeit der Regierungen Ägyptens und Russlands ermöglicht worden. Weiterhin massiv Einfluss in dem Land nimmt die Türkei. Die zahlreichen libyschen Milizen gelten als kaum kontrollierbar. EU-Militärs hätten es in Libyen mit einer hochexplosiven Gemengelage zu tun – nicht unähnlich der Lage in Mali oder in Afghanistan.
    Militärisches Patt
    Die jüngste Entwicklung in Libyen geht auf Weichenstellungen im Juni dieses Jahres zurück. Die Berliner Libyen-Konferenz vom Januar, die die Bundesregierung als einen Erfolg gepriesen hatte – unter anderem hatte sie auswärtige Mächte zur Nichteinmischung verpflichten wollen -, war zuvor gescheitert; mit umfassender militärischer Hilfestellung der Türkei war es den Milizen der “Einheitsregierung” in Tripolis im Frühjahr gelungen, die Einheiten des ostlibyschen Warlords Khalifa Haftar, die bereits vor der Hauptstadt gestanden hatten, zurückzuschlagen. Beobachter führten dies damals auch darauf zurück, dass die Vereinigten Arabischen Emirate – Haftars stärkste Förderer – mit eigenmächtigen Aktionen des Warlords unzufrieden waren und ihm ein Stück weit die Unterstützung entzogen. Im Juni kam der Vormarsch der Milizen der “Einheitsregierung” dann aber vor der Hafenstadt Sirte und dem strategisch wichtigen Flugplatz Al Jufra zum Stehen.[1] Ursache war, dass Ägypten für den Fall eines weiteren Vorrückens der Milizen mit dem Einmarsch drohte. Ägypten stützt, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die Kräfte um Haftar. Dies liegt auch daran, dass es, ebenfalls wie die Vereinigten Arabischen Emirate, seinen ärgsten Feind in der international vernetzten Muslimbruderschaft sieht, die es 2013 aus der Kairoer Regierung putschte; mit der Muslimbruderschaft wiederum kooperieren die “Einheitsregierung” in Tripolis sowie die türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
    Fragiler Waffenstillstand
    In den folgenden Monaten gelang es Russland und Ägypten, die Voraussetzungen zu schaffen, um das militärische Patt in einen fragilen Waffenstillstand zu transformieren. Am 20. September einigten sich unter Vermittlung Moskaus Vertreter der “Einheitsregierung” sowie der ostlibyschen Kräfte im russischen Sotschi darauf, die zuvor blockierte Erdölförderung wieder in Schwung zu bringen. Daran anknüpfend schlossen am 29. September unter Vermittlung Kairos Vertreter beider Seiten im ägyptischen Hurghada eine Vereinbarung über einen Gefangenenaustausch, die Öffnung von Verkehrsverbindungen inklusive Flügen zwischen Tripolis und Benghasi sowie die erneute Aufnahme direkter Gespräche im Rahmen einer Militärkommission.[2] Zusammengefasst wurden die – dank russischer und ägyptischer Vermittlung erzielten – Ergebnisse am 23. Oktober in einem formellen Waffenstillstand. Dieser sieht insbesondere den Abzug aller ausländischen Truppen, den Rückzug der libyschen Milizen in ihre Herkunftsorte und ihre Entwaffnung vor. Mittlerweile hat darüber hinaus ein Gremium von 75 Vertretern verschiedenster sozialer Milieus (“Libyan Political Dialogue Forum”), das ab dem 9. November in Tunis tagte, die Abhaltung von Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Dezember 2021 und Rahmenbedingungen für eine Übergangsregierung beschlossen. “Alle Seiten im Konflikt sind aufgerufen”, fordert Außenminister Heiko Maas, “die Ergebnisse des Dialogforums anzunehmen und so ihrer Verantwortung vor dem libyschen Volk gerecht zu werden”.[3]
    Unklar und vage
    Experten stufen die Lage freilich weiterhin als äußerst fragil ein. Das Waffenstillstandsabkommen sei überaus vage, kritisierte bereits Ende Oktober der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP); eher als eine belastbare Übereinkunft stelle es einen “symbolischen Schritt” dar, der “den politischen Gesprächen Dynamik einhauchen” solle.[4] Ähnlich kritisch äußert sich die International Crisis Group. Sie konstatiert nicht nur, dass größere Unklarheiten bezüglich des Rückzugs und der Entwaffnung der libyschen Milizen bestehen; sie weist zudem darauf hin, dass völlig unterschiedliche Interpretationen des Abkommens zum Abzug ausländischer Truppen kursieren. So hat die “Einheitsregierung” in Tripolis bereits mitgeteilt, sie werde, weil sie international anerkannt werde, ihre Militärkooperation mit der Türkei unverändert fortsetzen.[5] Zu den türkischen Aktivitäten in Libyen zählt die Ausbildung der Küstenwache, die auch die EU durchführt. Würde die Forderung nach einem vollständigen Ende auswärtiger Unterstützung für libysche Milizen konsequent umgesetzt, müsste auch die EU die Unterstützung für die libysche Küstenwache umgehend einstellen. Dies aber ist in Brüssel nicht geplant. Nur drei Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens hat sich Tripolis außerdem mit Qatar auf eine Kooperation zur “Terrorismusbekämpfung” geeinigt. Diese ist laut dem Abkommen erlaubt.[6]
    “Wahrscheinlich auch bewaffnet”
    Als ausgemacht gilt, dass der Waffenstillstand in Libyen sowie die geplante Vorbereitung der für Ende 2021 anvisierten Wahl überwacht werden müssen, sollen sie trotz der Fragilität durchgesetzt werden. Dies wird, wie die Tageszeitung “Die Welt” berichtet, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag mit den EU-Verteidigungsministern diskutieren. Demnach sind die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten im Ausschuss der Ständigen Vertreter über Borrells Vorhaben informiert worden; eine Protokollnotiz laute: “Der Hohe Beauftragte plant, die Entwicklungen in Libyen anzusprechen, wobei es insbesondere um eine mögliche Rolle der EU bei der Unterstützung eines von den Vereinten Nationen geführten Waffenstillstands-Überwachungsmechanismus geht”.[7] Details sind noch nicht bekannt. Theoretisch könne die EU sich darauf beschränken, die Tätigkeit der Vereinten Nationen lediglich finanziell oder mit Aufklärungsdaten zu unterstützen, konstatiert “Die Welt”; “wahrscheinlicher” sei es aber, dass die Union oder einzelne Mitgliedstaaten “militärische Beobachter bereitstellen”. Diese könnten prinzipiell “unbewaffnet” sein; jedoch seien “wegen der prekären Sicherheitslage in Libyen … höchstwahrscheinlich auch bewaffnete Soldaten unter UN-Kommando bei der Überwachung des Waffenstillstands nötig”. Damit stünde der vor Jahren schon diskutierte Militäreinsatz in Libyen [8] nun womöglich wirklich vor der Tür.
    “Ein handlungsfähiger Akteur”
    Dies hatten die EU und ihre Mitgliedstaaten bereits im Januar im Zusammenhang mit der Berliner Libyen-Konferenz ins Auge gefasst. Der Außenbeauftragte Borrell etwa hatte schon damals erklärt, die Union müsse “bereit sein”, an der “Umsetzung und der Überwachung” eines Waffenstillstandes mitzuwirken – “eventuell auch mit Soldaten, etwa im Rahmen einer EU-Mission”.[9] Während es aus der libyschen “Einheitsregierung” damals hieß, man könne sich eine Beteiligung von Einheiten aus den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga vorstellen, teilten Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte mit, sie seien zur Entsendung griechischer respektive italienischer Soldaten bereit. Italien betrachtet – als frühere Kolonialmacht – Libyen als sein unmittelbares Einflussgebiet; Griechenland kämpft gegen die Expansion seines historischen Rivalen Türkei. Berliner Politiker sprachen sich ebenfalls für eine Truppenentsendung aus. “Natürlich sollte Deutschland offen sein für eine solche Mission”, urteilte etwa der SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie, während der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sich mit der Auffassung zitieren ließ, die EU solle “ein glaubwürdiges Angebot zur Unterstützung an Libyen” vorlegen, “um sich wieder als handlungs- und gestaltungsfähigen Akteur gegenüber Russland und den Regionalmächten ins Spiel zu bringen”. Auch der Grünen Außenpolitiker Omid Nouripour schloss sich damals an: “Es wäre unklug, einen europäischen Einsatz in Libyen von vornherein auszuschließen.”[10]

  2. Tausende Tote nach Unwetter und Überschwemmungen in Libyen befürchtet

    Nach heftigen Unwettern in Libyen rechnet die Regierung im Osten des Landes mit Tausenden Toten. Der Chef einer der rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland, Osama Hammad, sagte am Montag dem Fernsehsender Al-Massar, es seien mehr als 2000 Tote zu befürchten. Tausende weitere Menschen in dem Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern seien vermisst. Unabhängige Informationen zu Todesopfern gab es zunächst nicht.

    Der Sturm »Daniel« hatte Libyen am Sonntag erfasst. Der libysche Präsidialrat bittet nun laut der Nachrichtenagentur Reuters um internationale Hilfe und erklärte betroffene Regionen im Osten des Landes zum »Katastrophengebiet«.

    (Spiegel, 11.9.)

  3. Die Berichterstattung über die Zerstörungen und Opfer in Derna ist unglaublich dumm.

    Quer durch alle Medien werden Krokodilstränen über die armen Menschen vergossen, die in ihrem „zerrissenen Land“ den Naturkatastrophen hilflos ausgesetzt sind, aber keine Erwähnung dessen findet statt, wie Libyen eigentlich in diesen Zustand versetzt wurde.

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