STRAFE MUSS SEIN!
Der Optimismus, Syrien würde sich früher oder später der Dschihadisten entledigen und zum Wiederaufbau schreiten können, war unangebracht.
Offenbar sind die internationalen Akteure, die seinerzeit Assad beseitigen und Syrien aufteilen wollten, inzwischen übereingekommen, das Land einfach zu einem Dauer-Kriegsschauplatz zu machen – ähnlich wie den Donbass.
Als Strafe dafür, daß die syrische Bevölkerung offenbar doch mehrheitlich an der alten Führung festhält.
Die Türkei hat außerdem ihre Expansionsbestrebungen nicht aufgegeben, und befindet sich in ständigem Tauziehen mit Rußland, ihren bisherigen Raub behalten zu dürfen.
Syrien und Libanon im Dollar-Schlamassel
Die Auswirkungen der Bankenkrise im Libanon treffen auch die syrische Bevölkerung, direkt und indirekt. Schon vor dem Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen gab es enge Verflechtungen zwischen syrischen und libanesischen Banken. Der Libanon war seit langem ein finanzieller Umschlagplatz für syrische Geschäftsleute, aber auch für “Normalbürger”, die sich dort bessere und sichere Bedingungen versprachen, was auch jahrzehntelang funktionierte.
Als Syrien ab 2011 in immer größeren Teilen zu einem Kriegsschauplatz wurde, verstärkte sich die Tendenz, syrisches Geld in den “sichereren Hafen” Libanon zu bringen, eben auch für kleinere Geschäftsleute, Angestellte und Arbeiter. Mit den US-Sanktionen verstärkte sich der Effekt noch weiter. Wie groß die syrischen Einlagen in libanesische Banken sind, ist unbekannt; es gibt nur Schätzungen, die von “Milliarden” ausgehen, allerdings in wirtschaftlich besseren Zeiten Syriens, wobei die Grundlage der Quellen fraglich sind und es auch unklar ist, wie groß der Anteil größerer Vermögen ist.
https://www.heise.de/tp/features/Syrien-und-Libanon-im-Dollar-Schlamassel-4644949.html
Syrische Armee nimmt strategisch wichtige Stadt unter ihre Kontrolle – Quelle
Die Regierungstruppen Syriens haben die strategisch wichtige Stadt Maarat al-Numan im Süden der Provinz Idlib unter ihre Kontrolle genommen. Dies teilte eine Militärquelle gegenüber Sputnik mit.
Türkei verspricht Antwort im Fall einer Bedrohung ihrer Beobachtungspunkte in Idlib
Die Türkei hat den syrischen Truppen eine entschiedene Antwort versprochen, sollten sie die Sicherheit der türkischen Beobachtungspunkte in Idlib gefährden. Dies ist einer Mitteilung des türkischen Verteidigungsministeriums zu entnehmen.
Kämpfer und „Weißhelme“ bereiten neue Provokation mit C-Waffen in Syrien vor
Kämpfer und ihre Komplizen aus der Organisation „Weißhelme“ bereiten laut dem Leiter des russischen Versöhnungszentrums in Syrien, Generalmajor Juri Borenkow, eine Provokation mit Anwendung von Giftstoffen in Syrien vor.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte erst am Freitag mit einer Militäroffensive im Nordwesten Syriens gedroht, sollte die Lage in Idlib nicht sofort geklärt werden. “Wir werden tun, was nötig ist, wenn jemand unser Territorium bedroht”, sagte er in Ankara. Das schließe den Einsatz des Militärs ein. Erdogan betonte weiter, sein Land werde keine Wahl haben und müsse notfalls dieselben Schritte unternehmen wie zuvor. Er spielte damit auf die Offensive im Nordosten Syriens an, wo das türkische Militär im Oktober seinen Angriff auf die Kurden-Miliz YPG begonnen hat. Seine Regierung werde keine neuen Bedrohungen in der Nähe der Landesgrenze zulassen, selbst wenn das einen Militäreinsatz auf syrischem Boden bedeute, wie dies bereits dreimal geschehen sei.
https://www.dw.com/de/t%C3%BCrkischer-vergeltungsangriff-nach-t%C3%B6tung-von-soldaten-in-syrien/a-52238070
Was immer Erdogan unter „Landesgrenze“ versteht …
Einmal sehen, ob Syrien und Russland jetzt Idlib zur Chefsache machen, so wie seinerzeit Aleppo oder Ghuta.
Eskalation um Idlib
Ankaras Streitkräfte kommen Al-Qaida in syrischer Provinz zu Hilfe. Russisch-türkische Konfrontation droht
Von Nick Brauns
Während sich die syrische Armee auf die Einnahme der Provinzhauptstadt Idlib in der gleichnamigen nordwestsyrischen Provinz vorbereitet, kommt die Türkei den dort in Bedrängnis geratenen Kämpfern des syrischen Al-Qaida-Ablegers Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) militärisch zur Hilfe.
Unterstützt von der russischen Luftwaffe haben syrische Regierungstruppen in den vergangenen Tagen den Süden der von der HTS und kleineren dschihadistischen Kampfverbänden kontrollierten Provinz Idlib einschließlich der zweitgrößten Stadt Maarat Al-Numan unter ihre Kontrolle gebracht. In Idlib sind türkische Truppen aufgrund des im Jahr 2017 zwischen Russland, dem Iran und der Türkei geschlossenen Astana-Abkommens mit zwölf Beobachtungsposten zur Überwachung einer Deeskalationszone präsent. Der Zusage, die HTS-Kämpfer aus einer 15 Kilometer tiefen entmilitarisierten Zone zurückzuziehen, kam Ankara allerdings nicht nach.
Bei einem Angriff syrischer Regierungstruppen auf die von HTS besetzte Stadt Sarakib wurden in der Nacht zum Montag sechs türkische Militärangehörige getötet. Die Soldaten hätten sich dort bewegt, ohne die russische Seite darüber vorab zu informieren, erklärte das russische »Zentrum für Aussöhnung in Syrien« am Montag. Türkische Artillerie habe zur »Vergeltung« 46 Ziele der Regierungskräfte beschossen und dabei bis zu 35 »Elemente des Regimes neutralisiert«, behauptete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag. Eine Bestätigung durch Damaskus erfolgte bislang nicht. Der türkische Präsident forderte Russland auf, das türkische Militär nicht zu behindern.
Nachdem Erdogan am Freitag mit »extremsten Optionen« gedroht hatte, falls die syrisch-russische Offensive nicht gestoppt werden sollte, überquerten am Sonntag drei türkische Konvois mit über 200 gepanzerten Fahrzeugen und Tiefladern mit Kampfpanzern die syrische Grenze in Richtung Idlib. Von der Türkei unterstützte dschihadistische Söldner griffen aus der türkisch besetzten Region um die Stadt Al-Bab Regierungstruppen im Norden von Aleppo an, um deren Kräfte zu binden. Syrische und russische Flugzeuge flogen daraufhin Angriffe bei Al-Bab. Türkische Truppen könnten Opfer russischer Luftangriffe werden, warnte der russische Auslandssender RT Deutsch am Montag vor dem Risiko einer ungewollten Eskalation zwischen Russland und der Türkei.
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Idlib mit seinen rund drei Millionen Einwohnern 400.000 Zivilisten auf der Flucht vor den Kämpfen. Viele von ihnen kampieren im Grenzgebiet zur Türkei. Doch Ankara hält die befestigte Grenze für die Schutzsuchenden geschlossen. Die Bundesregierung will den Bau von Flüchtlingsunterkünften in Idlib laut Auswärtigem Amt mit 25 Millionen Euro in diesem Jahr unterstützen. In der vergangenen Woche hatte die Behörde ein Ende der syrisch-russischen Offensive auf Idlib gefordert, während die meisten großen deutschen Medien verharmlosend von einer »Rebellenprovinz« sprechen. Als Weißwäscher der syrischen Al-Qaida-Kämpfer betätigte sich auch der US-Sonderbeauftragte für Syrien, James Jeffrey. Zwar würde HTS als Terrororganisation eingestuft, doch ihre Anhänger verstünden sich als »patriotische Oppositionskämpfer« gegen das »Assad-Regime«, und von ihnen ginge keine internationale Bedrohung aus, behauptete der US-Diplomat.
Gemeinsame Patrouille mit Russen in Syrien: Türkische Militärs erscheinen einfach nicht
Türkische Militärs sind nicht wie vereinbart zu einer gemeinsamen Patrouille mit russischen Soldaten in Syrien erschienen. Die russische Militärpolizei musste diese dann laut dem Versöhnungszentrum in Syrien allein absolvieren.
Moskau ruft Ankara zu strenger Einhaltung von Idlib-Vereinbarungen auf
Russland hat die Türkei aufgerufen, die in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi erzielten Vereinbarungen zur Sicherheitszone um das syrische Idlib streng einzuhalten. Das erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.
Türkisches Militär verzichtet nicht auf Beobachtungsstände im syrischen Idlib
Die Türkei wird laut dem Staatschef Recep Tayyip Erdogan ihre Beobachtungsstände im syrischen Idlib nicht verlassen, sondern beabsichtigt deren Ausbau.
Strategischer Kampf
Syrische Armee verteidigt sich gegen Dschihadisten und konzentriert sich auf wichtige Transitrouten. Türkei steht vor militärischer Niederlage
Von Karin Leukefeld
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat Russland am Dienstag erneut dazu aufgerufen, die »Aggression« der syrischen Regierung in Idlib zu stoppen. Cavusoglu hatte am Montag mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow telefoniert, nachdem bei einem Angriff syrischer Regierungstruppen auf die von Dschihadisten besetzte Stadt Sarakib nach neuesten offiziellen Angaben sieben türkische Soldaten und ein ziviler Mitarbeiter des Militärs getötet worden waren. Die Türkei startete darauf einen Vergeltungsangriff, bei dem mehrere syrische Soldaten ums Leben kamen. Rund um Aleppo hat die Söldnertruppe »Syrische Nationale Armee« mit türkischer Unterstützung Angriffe zur Entlastung ihrer Verbündeten in der westlichen Nachbarprovinz Idlib begonnen.
Besonders schwere Raketenangriffe wurden am vergangenen Wochenende vom Westen und Südwesten her auf Wohnviertel von Aleppo und auf die südwestliche Verteidigungslinie der Stadt verübt. Zu den Angreifern zählte unter anderem die von Uiguren geführte »Islamische Turkestan-Partei« (TIP). Ziel waren Stellungen der syrischen Armee, lokaler Verteidigungseinheiten und Einheiten der Iranischen Revolutionsgarden. Dabei setzte TIP auch mit Sprengstoff gefüllte Fahrzeuge mit Selbstmordattentätern ein. Daraufhin verstärkten Syrien, Russland und ihre Verbündeten ihre Angriffe auf die Stellungen der Islamisten westlich von Aleppo.
Die Türkei, die USA, Golf- und europäische Staaten beschuldigen Syrien und Russland, den Waffenstillstand in Idlib nicht eingehalten und Schulen, Krankenhäuser und Transporte der Zivilbevölkerung bombardiert zu haben. Damaskus und Moskau verweisen ihrerseits auf die terroristischen Kampfverbände unter Führung des syrischen Al-Qaida-Ablegers Haiat Tahrir Al-Scham (HTS), die Stellungen der syrischen Armee und Ortschaften in Gebieten rund um die Provinz Idlib angreifen. Das russische Verteidigungsministerium wies darauf hin, dass diese Gruppen Ziel der syrischen und russischen Angriffe seien, nicht die Zivilbevölkerung.
Die Kämpfe konzentrieren sich auf zwei wichtige Transitrouten. Die West-Ost-Autobahn »M 4« verbindet die syrische Hafenstadt Latakia mit Aleppo und führt von dort weiter in den Osten bis in die nordirakische Stadt Mossul. Die Nord-Süd-Autobahn »M 5« verbindet Aleppo mit Hama, Homs und Damaskus, von wo sie weiter Richtung Jordanien führt. Beide Transitrouten treffen sich bei dem Ort Sarakib, wo derzeit die heftigsten Kämpfe toben. Die beiden Autobahnen befanden sich seit 2012 unter Kontrolle der dschihadistischen Kampfverbände und der Türkei und wurden für den Transport von Waffen, Hilfsgütern, Benzin und Kämpfern genutzt. Ihr Verlust bedeutet für die Dschihadisten in Idlib ebenso wie für die Türkei im Westen und Nordwesten Syriens die wohl endgültige militärische Niederlage.
Teil der im September 2018 von der Türkei und Russland mit Zustimmung Syriens und des Iran geschlossenen Astana-Vereinbarung über eine Deeskalationszone um Idlib war der Rückzug der Kampfverbände von den beiden Autobahnverbindungen. Um diesen zu kontrollieren, richteten Ankara, Moskau und Teheran militärische Beobachtungsposten entlang dieser Zone ein. Die Türkei hat ihre zwölf Posten seitdem zu Militärbasen ausgebaut, teilweise in unmittelbarer Nähe zu HTS-Stellungen. Die international als Terrororganisation gelistete HTS, TIP und deren Dschihadisten erkennen die Vereinbarung jedoch nicht an und setzen ihre Angriffe auf die syrische Armee fort. Die türkischen Soldaten auf Beobachtungsposten in unmittelbarer Nähe von HTS- und TIP-Stellungen werden de facto zu »Schutzschilden« der Dschihadisten. Um eine Konfrontation zu verhindern, muss jeder türkische Versorgungskonvoi beim russischen Militär angemeldet werden. Das war russischen Angaben zufolge am vergangenen Wochenende unterlassen worden, was zum Tod türkischer Soldaten führte.
Die Türkei ist mit ihrem Auftrag, die dschihadistischen und »moderaten« Kampfverbände in Idlib zu entflechten, gescheitert. Erst seit Dezember 2019 hat Ankara den mit ihr verbündeten Kämpfern einen Ausweg aus Idlib geebnet. Sie bringt sie über die Türkei als Söldner nach Libyen. Wer sich für diesen Weg entscheidet, erhält einen Monatslohn von 2.000 US-Dollar und das Angebot, die türkische Staatsangehörigkeit zu erhalten.
So wie die Dinge stehen, wird vermutlich keine der beiden Seiten einen Rückzieher machen.
Die Frage ist nur, ob die Türkei von NATO-Staaten Unterstützung kriegen wird, wie seinerzeit bei der Eroberung Afrins.
Auf so etwas setzt der Sultan offenbar.
Deutschland finanziert türkische Besatzungszone in Nordsyrien
25 Millionen Euro aus Deutschland für Idlib
Deutschlands Support für Erdogan geht in die nächste Runde. Es ist kaum mehr als eine Woche her, als die Kanzlerin bei ihrem Besuch in Ankara der Türkei umfassende Unterstützung für Flüchtlinge in Nordwest-Syrien zusagte.
Dabei nahm sie selbst ethnische Säuberungen und die Änderung der Demographie in Nord- und Ostsyrien durch die Ansiedlung arabischstämmiger, sunnitischer Syrer in den Gebieten der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien durch die Türkei in Kauf.
In Nordwest-Syrien wird die katastrophale Lage der Flüchtlinge beklagt und in Nordost-Syrien totgeschwiegen. Ob Erdogan wohl Angela Merkel durch das Spieglein, dass er ihr beim letzten Besuch in Ankara überreichte, die deutsche Außenpolitik im Nahen Osten zuflüstert?
https://www.heise.de/tp/features/Deutschland-finanziert-tuerkische-Besatzungszone-in-Nordsyrien-4653260.html
Kampf um Idlib
Syrische Armee rückt weiter vor. Türkei rüstet verbündete Kampfverbände auf und unterstützt Vorgehen militärisch
Von Karin Leukefeld
Die syrischen Streitkräfte und ihre Verbündeten sind weiter auf dem Vormarsch. Am Sonntag erklärte die Armeeführung, strategisch wichtige Hügel, Dörfer und Städte im Grenzgebiet der Provinzen Idlib und Aleppo zurückerobert zu haben. Mit der Stadt Sarakeb konnte der wichtige Knotenpunkt der beiden Autobahnen »M 4« (West-Ost) und »M 5« (Nord-Süd) wieder eingenommen werden. In Sarakeb und in den nahe der Autobahnkreuzung gelegenen Orten Scheich Edris und Sarmin befanden sich Kommandozentralen der drei führenden Dschihadistenverbände in Idlib und Südwest-Aleppo, die mit Al-Quaida verbündeten Haiat Tahrir Al-Scham (HTS), die von Uiguren geführte »Islamische Partei Turkistans« und die HTS-Abspaltung Hurras Al-Din. Diese Gruppen gelten als Terroristen und sind von dem Deeskalationsabkommen der Türkei, Russlands und des Irans für Idlib ausgeschlossen, das im September 2018 in Kraft trat.
Die Stadt Sarakeb war Berichten zufolge eine logistische Verteilstelle für Waffen, Kämpfer, Hilfsgüter und Treibstoff, die von dort aus über die beiden Autobahnen zu Dschihadisten an der Frontline zu Latakia, Aleppo und Hama transportiert wurden. Für jene bedeutet der Verlust der wichtigen Verbindungsstraßen eine herbe Niederlage. Am Montag morgen berichtete das oppositionelle Medienzentrum Aleppo (AMC) per Twitter, dass die Dschihadisten eine Gegenoffensive gegen die syrische Armee gestartet hätten, um Sarakeb zurückzuerobern. Die türkische Armee unterstütze die Offensive mit Artillerie berichtete der kurdisch-irakische Nachrichtensender Rudaw unter Verweis auf »Quellen vor Ort«.
Eine Bestätigung aus Ankara gibt es dafür nicht. Das türkische Außenministerium erklärte, man werde die »notwendigen Schritte« einleiten, sollte die syrische Armee ihren Vormarsch in Idlib nicht bis Ende Februar stoppen. Gleichzeitig wurde auf die russisch-türkischen Gespräche über die Lage in der Provinz verwiesen, die am Samstag begonnen hatten und am gestrigen Montag in Ankara fortgesetzt wurden. Thema war türkischen Angaben zufolge die Frage, wie der politische Prozess in Syrien gefördert werden könne. Sollten die Delegationen keine Einigung erzielen, so türkische Medien, werde die »Idlib-Frage« auf Präsidentenebene zwischen Recep Tayyib Erdogan und Wladimir Putin erörtert werden müssen.
Die türkische Armee ist durch den syrischen Vormarsch erheblich unter Druck geraten. Mindestens vier der zwölf türkischen »Beobachtungsposten« in Idlib sind inzwischen von syrischen Truppen umzingelt. Ankara forderte die syrische Armee zum Rückzug auf.
Medienberichten zufolge soll die türkische Armee entlang der türkisch-syrischen Grenze ihre Präsenz deutlich erhöht haben. Die in London ansässige »Beobachtungsstelle für Menschenrechte« gab am Montag an, dass seit dem 2. Februar 2020 mehr als 1.450 türkische Lastwagen und Militärfahrzeuge, Panzer, Radaranlagen und anderes Material in die Provinzen Idlib und Aleppo gebracht worden sein sollen. Mindestens 6.000 türkische Soldaten seien dort stationiert.
Wie viele der türkischen Militärkonvois tatsächlich die Grenze nach Syrien überquert haben, ist unklar. Aus Regierungskreisen in Ankara hieß es, der militärische Nachschub diene lediglich der Befestigung der türkischen »Beobachtungsposten« in Idlib.
Soweit ich die News verfolgt habe, werden diese oben erwähnten Dschihadisten – HTS, Uiguren usw. – von Saudi Arabien und den Emiraten finanziell und mit Waffen unterstützt.
Die haben offenbar mit der Türkei ausgemauschelt, sich militärisch und verhandlungsmäßig als deren Schutzmacht zu betätigen.
Wenn jetzt die Syrer + Russen in Idlib vorrücken, gehen nicht nur türkische Expansionspläne nach Syrien flöten (Idlib selbst) oder sind in Gefahr (Afrin), sondern die Türkei steht auch vor SA und den Golfstaaten etwas blamiert da.
Kein Ende der Kämpfe
Zusammenstoß zwischen US-Truppen und syrischer Armee
Im Norden Syriens ist es zu einem Zusammenstoß zwischen US-Truppen und der syrischen Armee gekommen. Dabei hätten US-Soldaten nahe der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Kamischli einen Menschen getötet, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SANA am Mittwoch. Laut SANA handelte es sich bei dem Opfer um einen Zivilisten.
Ein Reporter der Agentur berichtete, dass ein syrischer Armeeposten in der Nähe von Kamischli vier US-Fahrzeuge angehalten habe, woraufhin Hunderte Bewohner umliegender Dörfer zusammengekommen seien, um die US-Truppen zur Rückkehr zu zwingen. Daraufhin hätten die Soldaten in die Menge geschossen, unter anderem auch Rauchbomben. Dabei sei einer der Bewohner gestorben, ein anderer sei verletzt worden, so SANA. Laut Medienberichten war auch die US-Luftwaffe im Einsatz.
Unterdessen hat Ankara seine Drohungen in Richtung Damaskus verschärft. Im Fall »weiterer Angriffe« auf türkische Soldaten im Norden Syriens will Präsident Recep Tayyip Erdogan nun auch jenseits des umkämpften Idlib zurückschlagen. Das sagte er am Mittwoch vor Mitgliedern seiner Regierungspartei AKP.
Der türkische Präsident warf Damaskus und seinen Unterstützern zudem »Massaker« vor. Sie bekämpften nicht Terroristen, sondern Zivilisten. Ziel sei, die Bevölkerung Richtung türkische Grenze zu zwingen, um dann die Region »problemlos besetzen« zu können.
Die syrische Regierung wies die Drohungen zurück. Es handele sich um hohle Erklärungen einer realitätsfremden Person, die die Lage nicht verstehe, hieß es aus dem Außenministerium in Damaskus, wie SANA meldete. Die syrische Armee werde weiter »Terrororganisationen« in der Region bekämpfen.
Auch der Kreml wies Erdogans Anschuldigungen zurück. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Terroristen verübten in Idlib weiter Angriffe auf die syrische Armee und die russischen Militärbasen, obwohl die Türkei sich verpflichtet habe, sie zu vernichten. Die syrische Armee nehme nicht Zivilisten ins Visier, sondern Terroristen.
Zuvor hatte es ein weiteres Telefonat zwischen Erdogan und Russlands Präsidenten Wladimir Putin über Idlib gegeben. Dem Kreml zufolge wollen sich sowohl Russland als auch die Türkei weiter an die Vereinbarungen von Sotschi halten.
Moskau und Damaskus warfen dem Westen am Mittwoch anhaltende Unterstützung von Terroristen in Idlib vor. Die syrische Armee habe bei ihrem Vorrücken große Mengen an Kriegsgerät, Waffen und Munition sichergestellt, berichtete die Agentur Interfax unter Berufung auf russische und syrische Regierungsvertreter. Demnach stammt die Ausrüstung teils aus westlicher Produktion. »Das zeugt von einer andauernden Unterstützung der Rebellen aus dem Ausland.«
Zugleich verteidigten Moskau und Damaskus die Offensive der syrischen Armee. Die bewaffneten Gruppierungen hätten die von russischer und syrischer Seite eingerichteten humanitären Korridore für Flüchtlinge in den Provinzen Idlib, Aleppo und Hama blockiert und teils vermint. (dpa/AFP/jW)
Moskau wirft Ankara fehlende Handlungen im Anti-Terror-Kampf vor
Die Krise um Idlib – die letzte Hochburg der Terroristen in Syrien – resultiert daraus, dass die Türkei ihre Verpflichtungen zur Abgrenzung zwischen gemäßigten Oppositionellen und den Terroristen nicht erfüllt. Das erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch.
Putin telefoniert mit Erdogan: Eskalation in Idlib im Mittelpunkt
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan telefoniert, wie der Pressedienst des Kremls mitteilte. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand demnach die Beilegung der Syrien-Krise vor dem Hintergrund der Eskalation in Idlib.
Erdogan will syrische Regierungsarmee zum Verlassen der Deeskalationszone in Idlib zwingen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will die syrischen Regierungstruppen bis Ende Februar zum Verlassen der Deeskalationszone in Idlib zwingen. Er drohte außerdem mit Angriffen gegen die syrische Armee auch außerhalb dieser Zone, sollte es zu Attacken auf türkische Soldaten kommen.
Türkei verlegt Raketenkomplexe nach Idlib – Anadolu
Raketenkomplexe werden laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zu den Standorten der türkischen Beobachtungspunkte im syrischen Idlib verlegt.
Türkei verlegt Sondereinsatzkräfte nach Idlib – Agentur
ie türkischen Streitkräfte haben Sondereinsatzkräfte in das Gebiet ihrer Beobachtungspunkte in der Deeskalationszone Idlib verlegt, meldet die Nachrichtenagentur Anadolu.
US-Fliegerkräfte greifen syrische Siedlungen an
US-Fliegerkräfte führen laut Medienberichten gegenwärtig Luftschläge gegen zwei Dörfer in der Provinz Hasaka im Nordosten Syriens.
Die Überschrift des einen Sputnik-Artikels steht im Widerspruch zum Text. Bisher wurden die Raketenwerfer erst bis an die türkische Grenze verlegt, noch nicht auf syrisches Territorium.
Der Unterschied ist wichtig.
Weil sobald sie auf syrisches Territorium gebracht werden, hat sich die Türkei sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Es wird sich zeigen, ob sie einen Angriff durch die Luftwaffe Syriens oder womöglich Rußlands auf diese Raketenwerfer riskiert.
Es ist natürlich möglich, daß in Idlib unangenehme Beweise für die Zusammenarbeit von EU-Regierungen mit Dschihadisten ans Licht kommen. Deswegen das Geschrei wegen „humanitärer Katastrophe“ usw.
Es wird geschwiegen
Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) reagiert auf Berichte von Whistleblowern zu Duma-Untersuchung
Von Karin Leukefeld
Seit Juni 2018 gibt es Streit über den Abschlussbericht der »Fact Finding Mission« (FFM) der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zu dem angeblichen Chemiewaffenangriff auf den Ort Duma in Syrien. Inspektoren, die im April 2018 an der Untersuchung vor Ort teilgenommen hatten, äußern ihre Sorge darüber, dass der offizielle Bericht, der im März 2019 veröffentlicht wurde, »ins Gegenteil« der ursprünglichen Analyse verkehrt worden sei. Das nach Duma entsandte FFM-Team war von der Arbeit an dem Bericht ausgeschlossen worden. Seine wiederholt vorgebrachte »abweichende Meinung« wurde nicht gehört und weder in den Zwischen- noch in den Abschlussbericht aufgenommen, obwohl dieses Recht ausdrücklich im Rahmen der Chemiewaffenkonvention vorgesehen ist.
Im Mai 2019 gelangte die Analyse des OPCW-Inspektors Ian Henderson an die Öffentlichkeit. Im Oktober 2019 wandte sich »Alex«, ein weiterer OPCW-Inspektor, im Rahmen eines Seminars für eine kleine internationale Gruppe von u. a. Ärzten, Wissenschaftlern, ehemaligen UN-Funktionären und Journalisten an die Öffentlichkeit. José Bustani, ehemaliger Generaldirektor der OPCW, äußerte seine Sorge über das »inakzeptable Vorgehen« bei der Bearbeitung des Duma-Abschlussberichts. Es folgte ein offener Brief an die OPCW, später an den UN-Generaldirektor. Wikileaks veröffentlichte weitere OPCW-Dokumente und E-Mails.
Wenige Tage später, am 6. Februar, reagierte der Generaldirektor der OPCW und veröffentlichte die Ergebnisse einer »Unabhängigen Untersuchung über die mögliche Verletzung der Vertraulichkeit«, der OPCW-Mitarbeiter unterliegen. Ein Jahr lang sei vertraulich ermittelt worden, hieß es in der Presseerklärung. 29 Zeugen seien befragt worden, Dokumente, elektronische Aufzeichnungen, Tonaufzeichnungen und forensische Analysen habe man ausgewertet. Die Untersuchung sei von »unabhängigen, externen Ermittlern« durchgeführt worden, und man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass »zwei ehemalige OPCW-Mitarbeiter ihre Verpflichtungen zum Schutz vertraulicher Informationen über die Fact-Finding-Mission (FFM) der Duma-Untersuchung verletzt« hätten. Sie hätten »unerlaubt hochsensible Informationen Individuen gezeigt, die mit solchen Informationen nichts zu tun« hätten. Gegen »Inspektor A« und »Inspektor B« sei ein Verfahren eingeleitet worden. Beide seien nicht mehr bei der OPCW angestellt.
»Inspektor A« sei gar kein Mitglied der FFM-Duma-Mission gewesen und habe nur eine »untergeordnete Rolle« bei der Untersuchung gespielt. Er habe nicht über sämtliche Ergebnisse verfügt, das Papier, das er vorgelegt habe, spiegle lediglich seine persönliche Meinung wider. Zudem habe er »keine Vollmacht« gehabt, ein derartiges Dokument zu erstellen.
»Inspektor B« sei erstmals bei einer FFM-Mission dabeigewesen und habe nicht über die notwendige Ausbildung verfügt, weswegen er vor Ort in Duma keine Untersuchungen durchgeführt habe. Zudem habe er die OPCW kurz nach der Duma-Mission im August 2018 verlassen. Dennoch habe er weiter versucht, Einfluss auf die Untersuchung auszuüben. Die Hauptarbeit an dem Abschlussbericht sei nach dem Ausscheiden von »Inspektor B« erfolgt, zwischen August 2018 und Februar 2019. »Inspektor A« habe zu dem Zeitpunkt »keine Rolle mehr bei den Fact-Finding-Missions gespielt«.
Beide Personen seien »Individuen, die es nicht akzeptieren konnten, dass ihre Meinung von den Beweisen nicht untermauert wurde«. Als sie das gemerkt hätten, hätten sie »die Angelegenheit in die eigenen Hände genommen und ihre Verpflichtungen gegenüber der Organisation verletzt«. Ihre Schlussfolgerungen seien »irreführend, uninformiert und falsch«.
Die OPCW-Reaktion unterstreicht, dass die Spitze der Organisation nicht bereit ist, die Angaben der beiden hochqualifizierten Inspektoren zu prüfen. Das ist nur möglich, weil Staaten wie die USA und die Bundesrepublik – die zu den wichtigsten Geldgebern der OPCW gehören und daher entsprechenden Einfluss haben – dies verhindern wollen.
In Washington, Berlin, London und Paris will man sich nicht nur nicht mit den öffentlich gewordenen Dokumenten befassen, es soll offenbar auch verhindert werden, dass die Informationen an eine breite Öffentlichkeit gelangen. Anders ist nicht zu erklären, dass international bekannte »Leit«-Medien, Agenturen und auch die führenden Zeitungen, Funk und Fernsehen in Deutschland weder über die Ungereimtheiten des Duma-Berichts noch über die öffentlichen Anhörungen im UN-Sicherheitsrat und im britischen Unterhaus berichteten. Im Gegensatz dazu wurde noch am selben Tag über die Agenturen verbreitet, wie die OPCW ihre beiden ehemaligen Angestellten diffamierte.
Hintergrund des ohrenbetäubenden Schweigens zu dem »bearbeiteten« OPCW-Duma-Bericht dürfte der Luftangriff auf Syrien sein, den die USA, Großbritannien und Frankreich als »Vergeltung für den Chemiewaffenangriff auf Duma« durchführten, bevor der Fall von der OPCW untersucht worden war. Bundeskanzlerin Merkel bezeichnete den Angriff als »notwendig und angemessen«. Dass es den Chemiewaffenangriff auf Duma den Untersuchungen zufolge nicht gegeben hat, dürfte Washington, London, Paris und Berlin auf die Anklagebank bringen.
Hintergrund: Klima der Angst
The Grayzone ist ein Onlinenachrichtenportal, das sich nach eigener Darstellung dem investigativen Journalismus, Analysen über Politik und Macht verpflichtet sieht. Es wurde von dem Journalisten Max Blumenthal gegründet und erschien von 2016 bis 2018 auf Alternet.org. Seitdem ist es unabhängig. The Grayzone hat wiederholt über den »bearbeiteten« OPCW-Abschlussbericht zu einem angeblichen Angriff mit chemischen Waffen in Duma, Syrien berichtet. Am 11. Februar veröffentlichte das Portal folgende E-Mail, die es am 28. Juni 2019 erhalten hatte:
»Liebe/r (geschwärzt),
Wir leben in einer gefährlichen Welt, darum muss ich sehr vorsichtig sein, wenn ich über Dinge bezüglich der OPCW rede. Die Jahre, in denen ich dort als (geschwärzt) gearbeitet habe, waren die anstrengendsten und unerfreulichsten Jahre meines Berufslebens. Aufgrund dessen, was ich um mich herum geschehen sah und was über mir geschah. Ich schäme mich für diese Organisation, und ich bin froh, dort nicht mehr zu arbeiten. Wirklich, ich fürchte, dass diejenigen, die hinter den Verbrechen stehen, die im Namen von »Menschlichkeit und Demokratie« verübt wurden, dass sie nicht zögern, mir und meiner Familie zu schaden. Sie haben bereits Schlimmeres getan, oft, auch in Großbritannien …
Glücklicherweise sind meine Hände, ist mein Gewissen sauber. Mein ethisches Verhalten, das ich vom ersten Tag meiner Mitarbeit in der OPCW deutlich gemacht habe, machte mich zu einer Person, die für die Zwecke der Gruppe nicht von Nutzen war. Als Ergebnis (geschwärzt) wurde ich von den Dingen abgesetzt, die direkt mit dem Untersuchungseinsatz zu tun haben. Das betrifft in gewisser Weise auch alle strategischen Fragen, die mit Syrien zu tun haben. Mit Sicherheit war ich nicht der einzige, der so behandelt wurde. (geschwärzt)
Wie kann man die Tatsache rechtfertigen, dass (geschwärzt) vom Entscheidungsfindungsprozess und dem Umgang der kritischsten Einsätze ausgeschlossen wurde. (geschwärzt) Das Büro des Generaldirektors war verantwortlich für den Untersuchungseinsatz, seit dieses Instrument eingeführt wurde, sie waren diejenigen, die die volle Kontrolle über jede einzelne wichtige Entscheidung hatten, die getroffen wurde.
(Geschwärzt) Ich will weder mich noch meine Familie ihrer Gewalt und Rache aussetzen. Ich will keine Angst haben, über die Straße zu gehen!
Ich bewundere Ihre Arbeit und Ihren Mut, die Wahrheit ans Licht zu bringen, aber für mich können die Folgen von dem, was ich zu sagen hätte, schrecklich sein.
Grüße, (geschwärzt)«
Man merkt an den Ereignissen rund um diesen Bericht, wie die imperialistischen Nationen solche internationalen Organisationen für sich instrumentalisieren wollen.
Die Frage ist, was aus denen wird, wenn irgendwann einmal offen die Interessen EU-Staaten und den USA aufeinanderprallen.
Wird die UNO aufgelöst?
Werden solche Organisationen zugesperrt? (Das ginge ganz einfach, wenn man die Finanzierung streicht.)
Existieren sie als nationale Organisationen weiter, mit dem Mantel des Internationalen, weil einige Bündnispartner sie auch unterstützen?
Erdogan mit Russland-Türkei-Gesprächen unzufrieden – Militäreinsatz in Idlib nur Frage der Zeit
Die Türkei ist laut den jüngsten Aussagen des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit den Verhandlungen zu Idlib mit Russland nicht zufrieden und jederzeit bereit, einen Militäreinsatz in der Region zu beginnen.
13 Militärkonvois: Syrische Kämpfer machen von US-Waffen Gebrauch – russisches Versöhnungszentrum
Syrische Terrorgruppen setzen gegen türkische Soldaten im Norden Syriens sowie gegen Zivilisten Waffen ein, die die USA in die Region schickten. Das teilte der Leiter des russischen Zentrums für Versöhnung der Konfliktparteien in Syrien, Konteradmiral Oleg Schurawljow, mit.
Schoigu: USA plündern dreist Ölfelder in Syrien
Die USA plündern nach Worten von Russlands Verteidigungsministerium Sergej Schoigu unverhüllt und dreist Ölfelder in Syrien.
Lawrow: USA wollen Situation im Flüchtlingscamp Rukban beibehalten
Die USA wollen die Situation im Flüchtlingslager Rukban laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow beibehalten, um weiterhin illegal am Ostufer des Euphrat zu bleiben.
Türkischer Verteidigungsminister spricht von Ankaras Recht auf Militäreinsätze in Idlib
„Die Türkei tritt als einer der Garanten für die Wahrung des Waffenstillstands in Idlib auf und kann gemäß der fünften Bestimmung der Astana-Vereinbarung militärische Maßnahmen durchführen, damit die Waffenruhe eingehalten wird“, erklärte der Verteidigungsminister in einer Sitzung des türkischen Parlaments laut der Nachrichtenagentur „Anadolu“.
Akar fügte hinzu, die Türkei werde ihre Kontrollposten in der Deeskalationszone von Idlib nicht verlassen und auf jegliche Angriffe gegen türkische Soldaten entschieden reagieren. Die Türkei habe nicht die Absicht, in Syrien zu bleiben, und setze sich für die territoriale Integrität Syriens ein, so der Verteidigungsminister.
Am Mittwoch bekundete der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan, seine Unzufriedenheit über die Verhandlungen zu Idlib, die Ankara mit Moskau sowohl in der vergangenen Woche als auch in dieser Woche geführt hat. Laut dem Staatschef konnte das gewünschte Ergebnis nicht erreicht werden.
Die Türkei habe alles Notwendige für den Beginn des Einsatzes in Idlib getan und sei bereit, jederzeit zu handeln. Die Operation in Idlib sei nur eine Frage der Zeit. „Wir werden Idlib nicht dem Regime überlassen“, versicherte Erdogan.
Erdogan will reden
Türkischer Präsident kündigt Vierergipfel zu Lage in syrischer Provinz Idlib mit Putin, Macron und Merkel an. Kämpfe gehen weiter
Von Karin Leukefeld
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat für den 5. März einen Vierergipfel zur Lage in Nordwestsyrien angekündigt. Er werde mit den Präsidenten Frankreichs und Russlands, Emmanuel Macron und Wladimir Putin, sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen, um über die Lage in Idlib zu sprechen, sagte Erdogan der Nachrichtenagentur Reuters am Sonnabend. Die Türkei sei dort zum Äußersten entschlossen, das habe er Putin, Merkel und Macron gegenüber telefonisch klargemacht. Wo das Treffen stattfinden soll, sagte Erdogan nicht. Keiner der drei genannten Staatschefs hat es bisher bestätigt.
Einen Tag zuvor, am Freitag, hatte Erdogan die USA aufgefordert, die Türkei mit Patriot-Abwehrraketen auszustatten, um syrische und russische Luftangriffe in Idlib abwehren zu können. Ein weiterer türkischer Soldat war bei Luftangriffen beim Ort Nairab getötet worden, wofür Ankara Syrien verantwortlich machte. Türkische Soldaten hatten Berichten zufolge am Donnerstag eine gemeinsame Offensive des Dschihadistenverbandes Haiat Tahrir Al-Scham (Allianz zur Befreiung Syriens, ehemals Nusra-Front) und der Nationalen Befreiungsfront (NFL) unterstützt. Bei dem Angriff auf Stellungen der syrischen Armee sollte der Ort Nairab zurückerobert werden. Aufnahmen einer russischen Überwachungsdrohne dokumentierten den Einsatz türkischer Artillerie zur Unterstützung des Angriffs auf die syrischen Stellungen. Aus syrischen Oppositionskreisen hieß es, die türkische Armee unterstütze die Dschihadisten und habe Truppen und schwere Waffen um Nairab zusammengezogen. Der Angriff wurde von der syrischen Armee und ihren Unterstützern Russland und Iran zurückgeschlagen. Nairab liegt südöstlich der Provinzhauptstadt Idlib an der Autobahn »M 4«, die Aleppo mit Latakia verbindet und die die syrische Armee wieder unter Kontrolle bringen will. Damit wären die Dschihadisten von jeglichem Nachschub abgeschnitten. Die Freigabe der Autobahnen »M 4« und »M 5« war bereits im Deeskalationsabkommen vom September 2018 vereinbart worden.
Am Freitag unterstrich Putin in einem Telefonat mit Erdogan seine »ernsthaften Sorgen über die anhaltenden aggressiven Aktionen der extremistischen Gruppen« in Idlib. Dabei habe er die Souveränität Syriens sowie die von den Extremisten ausgehende Terrorgefahr hervorgehoben, hieß es in einer Mitteilung des Kreml. »Die Souveränität und territoriale Integrität Syriens« müssten »bedingungslos respektiert« werden. Die Türkei schickt seit Anfang Februar kolonnenweise Militärfahrzeuge, Panzer, schwere Waffen, Munition und Soldaten in die Provinz Idlib. Syrien spricht von einer völkerrechtswidrigen Besatzung.
Macron und Merkel hatten Putin in einem Telefonat am Freitag zu einem sofortigen Waffenstillstand in Idlib aufgefordert. Eine ähnliche Initiative der westlichen Vetomächte und Deutschlands war bereits im UN-Sicherheitsrat am vergangenen Mittwoch gescheitert. Viele Länder gäben Moskau Ratschläge, was es tun solle und wie, sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia bei der Sitzung in New York. Russland habe hingegen folgende Vorschläge: »Erstens muss man aufhören, die Militanten zu schützen, einschließlich der vom UN-Sicherheitsrat gelisteten Organisation Haiat Tahrir Al-Scham.« In den von der syrischen Armee gesicherten Waffendepots der Dschihadisten habe man »moderne westliche Munition« gefunden. Viele der Depots befänden sich »in Schulen und Krankenhäusern«, die »zu Kampfstellungen umfunktioniert« worden seien. Die Waffenlieferungen an die Kämpfer müssten aufhören.
Der militärische Beobachter Scott Ritter geht davon aus, dass die USA nicht zugunsten der Türkei militärisch in Idlib eingreifen werden. Der Mechanismus zwischen Washington und Moskau funktioniere, bestätigte auch der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko am Wochenende im russischen Fernsehsender Channel One. Beide Seiten wüssten, »wer was wo tue«, tatsächlich sei manchmal sogar von »Koordination« die Rede, so Gruschko. Aus politischen Gründen vermeiden die USA den Begriff »Koordination« jedoch und sprechen über »Deconfliction«. Damit ist gemeint, dass das russische und das US-Militär einen ständigen Gesprächskanal aufrechterhalten, um eine Konfrontation zwischen beiden Truppen in Syrien zu verhindern.
Na lustig. Erdogan will ein paar Weltmacht-Außenminister zu einem Treffen an den Schauplatz hinbestellen.
Ob da was draus wird?
Scott Ritter war als US-Waffeninspektor im Irak, der sich dann sehr gegen die US-Politik gestellt und ein lesenswertes Buch über den Irak geschrieben hat.
Deswegen wurde er auf Facebook drangsalisiert und wegen Sexspielchen zu einer Gefängnisstrafe verknackt.
Er ist ein interessantes Beispiel dafür, wie die USA-Geheimdienste Facebook einsetzen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Scott_Ritter
Der Krieg um Idlib (25.02.2020)
Berlin sucht Konflikt zwischen Moskau und Ankara zu nutzen, um Einfluss auf Syrien zu erlangen.
BERLIN/DAMASKUS (Eigener Bericht) – Bundeskanzlerin Angela Merkel will auf einem Vierergipfel mit den Präsidenten Russlands, der Türkei und Frankreichs Einfluss auf die Zukunft der nordsyrischen Provinz Idlib nehmen. Der Gipfel, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Wochenende ankündigte, soll in der kommenden Woche stattfinden und Optionen für eine Beendigung der Kämpfe in der Provinz eruieren. Dort sind in den vergangenen Wochen die syrischen Streitkräfte gegen Milizen vorgerückt, die in deutschen Medien meist als “Rebellen” bezeichnet, tatsächlich jedoch von einem Al Qaida-Ableger dominiert werden. Die Kämpfe haben die Differenzen zwischen Russland und der Türkei über das weitere Vorgehen in Syrien wachsen lassen und bei den westlichen Mächten neue Hoffnungen hervorgerufen, einen Keil zwischen Ankara und Moskau treiben zu können. Spezialisten weisen vor dem Gipfel allerdings darauf hin, dass Berlin kaum über Einflussmöglichkeiten in Syrien verfügt. Dringend nötige Hilfen zum Wiederaufbau macht die EU vom Sturz der Regierung in Damaskus abhängig.
Syrische Offensive
Die syrischen Streitkräfte haben ihre aktuelle Offensive in Idlib im Dezember vergangenen Jahres begonnen. Hintergrund ist nicht zuletzt, dass der Al Qaida-Ableger Hayat Tahrir al Sham (HTS) mit mehreren zehntausend Kämpfern die nordsyrische Provinz fest unter Kontrolle hat und Verhandlungen über eine etwaige nichtmilitärische Beilegung des Konflikts deshalb ausgeschlossen zu sein scheinen. Zwar hat die türkische Regierung mehrfach zugesagt, HTS zur Einhaltung eines Waffenstillstands zu veranlassen; dies ist jedoch bislang nicht gelungen und dürfte auch künftig scheitern, weil ein Flügel von HTS jegliche taktischen Zugeständnisse an Ankara ablehnt und den Jihad ungehemmt fortsetzen will.[1] Zuletzt konnte die syrische Armee die Jihadistenmilizen hinter die wichtige Autobahn M5 zurückschlagen, die die nordsyrische Metropole Aleppo mit der Hauptstadt Damaskus verbindet und nun zum ersten Mal seit acht Jahren wieder komplett genutzt werden kann. Dabei ist es mehrfach zu Zusammenstößen mit türkischen Truppen gekommen, die in Idlib zwölf Beobachtungsposten unterhalten. Bisher kamen dabei 16 türkische Soldaten zu Tode.
Feuerschutz für Jihadisten
Ankara nimmt dies zum Anlass für neue Angriffe gegen Damaskus. Motiviert ist es dabei nicht nur durch den Wunsch nach Vergeltung, sondern vor allem dadurch, dass die Offensive der syrischen Streitkräfte Hunderttausende auf die Flucht in Richtung auf die syrisch-türkische Grenze getrieben hat. Die Türkei beherbergt bereits mehr als 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge. In der Bevölkerung nimmt die Ablehnung ihnen gegenüber deutlich zu; mittlerweile sprechen sich vier Fünftel dafür aus, sie nach Syrien abzuschieben.[2] Jetzt erneut Flüchtlinge aus Idlib einreisen zu lassen, kommt für die türkische Regierung daher nicht in Frage, weshalb sie alles unternimmt, um die syrische Offensive zu stoppen. Zum einen hat sie bei Angriffen auf syrische Stellungen mehrere Dutzend syrische Soldaten getötet und 5.000 Militärs zusätzlich nach Syrien einmarschieren lassen. Zudem hat sie den Jihadistenmilizen bei Angriffen Artilleriefeuerschutz gewährt. Auch die Raketen, mit denen die Jihadisten jüngst zwei syrische Hubschrauber abschießen konnten, stammen mutmaßlich aus der Türkei. Laut Berichten unterstützt Ankara die Jihadisten nicht zuletzt mit Störsendern, die syrische Angriffe auf Ziele in Idlib erschweren.[3]
Chance für den Westen
Darüber hinaus hat Ankara, weil sein militärischer Spielraum aufgrund der russischen Kontrolle über den syrischen Luftraum beschränkt ist, eine diplomatische Offensive gestartet. Hatte es in den vergangenen Jahren trotz völlig gegensätzlicher Interessen in Syrien beim Versuch, den Krieg zu beenden, eng mit Moskau zusammengearbeitet und auch sonst die Kooperation mit Russland intensiviert, so wendet es sich nun an den Westen. So hat İbrahim Kalın, ein einflussreicher Berater von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, schon am 12. Februar den US-Sonderbeauftragten für Syrien James Jeffrey zu umfassenden Gesprächen in Ankara empfangen.[4] US-Außenminister Mike Pompeo begleitete die Zusammenkunft mit Beistandsversprechen gegenüber Erdoğan via Twitter.[5] US-Präsident Trump bekundete am 15. Februar in einem Telefonat mit Erdoğan “Sorge über die Gewalt” in Idlib und forderte die russische Regierung auf, die “Gräueltaten” der syrischen Armee nicht weiter zu unterstützen.[6] Westliche Beobachter hatten schon Anfang des Monats die Chance zu erkennen gemeint, die russisch-türkische Kooperation angesichts der deutlich zunehmenden Interessensdivergenzen zwischen beiden Ländern zu sprengen.[7]
Doppelte Standards
Auch die Bundesregierung sucht sich die Spannungen zwischen Ankara und Moskau zunutze zu machen. Als Legitimation, um sich einzumischen, nutzt Berlin die dramatische Lage der wohl rund 800.000 Flüchtlinge aus, die in Idlib bei bitterer Kälte den Kämpfen zu entkommen suchen. Hatte die Bundesregierung während der westlichen Angriffe auf Mossul, Raqqa sowie andere vom IS kontrollierte Städte stets betont, man müsse den Krieg gegen die Jihadisten trotz der katastrophalen Lage der Bevölkerung und der zahllosen zivilen Todesopfer [8] weiterführen, so wendet sie beim aktuellen russisch-syrischen Krieg gegen den Al Qaida-Ableger HTS komplett abweichende Maßstäbe an: Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron drangen am Donnerstag in einem Telefongespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin auf die sofortige Beendigung der Kämpfe gegen HTS. Unterstützt wurden sie von den EU-Staats- und Regierungschefs, die noch am Donnerstagabend auf ihrem Gipfel erklärten, der Krieg gegen die Jihadisten verursache gewaltiges Leid, sei daher “inakzeptabel” und “unverzüglich einzustellen”.[9] Derlei Forderungen hatte die Union während der mörderischen westlichen Bombardements von Mossul und Raqqa nie geäußert.
Vierergipfel
Mit ihrem Vorpreschen hat die Bundesregierung nun einen ersten Erfolg erzielt. Wie der türkische Präsident Erdoğan am Samstag ankündigte, wird er am 5. März gemeinsam mit seinem russischen Amtskollegen einen Vierergipfel mit Merkel und Macron abhalten, um über eine Lösung für den Konflikt um Idlib zu verhandeln.[10] Allerdings ist unklar, wie Berlin auf dem Treffen Einfluss nehmen will: Nach dem Scheitern der Versuche, die Regierung von Bashar al Assad zu stürzen, gebe es “außer warmen Worten und künftigen Angeboten stabilisierender Hilfen” nicht viel, was “die westlichen Mächte in Idlib tun” könnten, heißt es etwa in einem aktuellen Positionspapier aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR).[11]
Keine Wiederaufbauhilfe
Tatsächliche Hilfen für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes, mit denen Deutschland auf die Entwicklung in Syrien Einfluss nehmen könnte, werde Berlin jedoch kaum in Aussicht stellen, hieß es in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung in Moskau, auf der ein Spezialist des Think-Tanks International Crisis Group (ICG) einen neuen Bericht seiner Organisation vorstellte. Zwar gebe es in Syrien, wo rund ein Drittel der gesamten Infrastruktur beschädigt oder vollständig zerstört sei, riesigen Bedarf an Wiederaufbauhilfe; doch habe die EU stets bekräftigt, nur dann Unterstützung zu leisten, wenn die Regierung in Damaskus gestürzt werde. Damit allerdings sei nicht zu rechnen, wurde am Rande der Veranstaltung der Generaldirektor des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, Andrej Kortunow, zitiert; Hilfsgelder aus der EU würden daher wohl ausbleiben.[12] Dafür spricht ebenfalls, dass die Vereinigten Staaten zur Zeit versuchen, den per Aufstand nicht erreichten Sturz der syrischen Regierung nun mit neuen Wirtschaftssanktionen zu erzwingen. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.
Erwägungen der USA über möglichen Dialog mit Terroristen in Syrien inakzeptabel – Lawrow
Der russische Außenminister, Sergej Lawrow, hat jegliche Erwägungen vonseiten der USA, mit den Terrororganisationen in Syrien zu verhandeln, als inakzeptabel bezeichnet. Ihm zufolge erwecken die Aussagen von einigen US-Regierungsvertretern den Eindruck, dass ein Dialog mit der Terrororganisation „Dschebhat an-Nusra“* als möglich betrachtet werde.
Sehr gutes (interessantes) Video:
https://www.youtube.com/watch?v=eJ1acsDyFqo
@libelle
Das ist wirklich total interessant.
Auch, wie Scott Ritter wieder auftaucht und der US-Regierung und ihren Verbündeten Saures gibt.
Die Information von ihm, daß diese Hauptgruppe von Dschihadisten Syrer sind, hervorgegangen aus den syrischen Muslimbrüdern, ist wichtig.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hai%CA%BEat_Tahrir_asch-Scham
Man sollte nicht vergessen, daß schon Hafiz Al-Assad einen ständigen Kampf gegen die Muslimbrüder geführt hat, die kein säkuläres Regime in Syrien dulden wollten.
Rückerinnerung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Hama
Was mich noch interessiert, wäre, was es mit den ständig kolportierten 3 Millionen Einwohnern von Idlib auf sich hat?
Die Gegend wäre ja in dem Fall extrem dicht besiedelt.
Sind das wirklich so viele und alles Assad-Gegner?
Es gab Meldungen, nach denen die dschihadistischen Kämpfer die Flüchtenden daran hindern, assad-syrisches Territorium zu erreichen und sie dadurch zwingen, in die Türkei zu flüchten.
Damit wollen die offenbar Erdogan unter Druck setzen.
https://www.aspistrategist.org.au/population-movement-in-syria-the-link-between-idlib-and-afrin/
Lustig und auch interessant: https://www.youtube.com/watch?v=rZw5hV1WjwU
Ankaras Militäroperation gegen Idlib: Türkischer Verteidigungsminister übernimmt Befehl
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar ist in der Kommandozentrale der türkischen Grenzprovinz Hatay eingetroffen und hat die Leitung einer Operation gegen die syrischen Regierungskräfte in Idlib übernommen, meldet die Agentur Anadolu am Freitag.
Außer Kontrolle
Nach dem Luftangriff auf türkische Soldaten in Idlib droht der Konflikt zwischen Russland und der Türkei in Syrien zu eskalieren. Ruft Präsident Erdogan die Nato zur Hilfe?
Russland rechtfertigt tödlichen Luftangriff auf türkische Soldaten
Dutzende türkische Soldaten wurden in Syrien bei einem Luftangriff getötet. Wer dahinter steckt, ist noch unklar, aber Russland verteidigt die Attacke: Die Soldaten seien mit islamischen Rebellen unterwegs gewesen.
Maas wirft Russland und Assad-Regime Kriegsverbrechen vor
Vor dem Uno-Sicherheitsrat hat Bundesaußenminister Maas russischen und syrischen Militärs für willkürliche Angriffe auf Zivilisten in der Idlib-Offensive scharf kritisiert. Russland spricht von Falschinformationen.
Der Krieg nach dem Krieg (27.02.2020)
EU verhängt neue Syrien-Sanktionen und blockiert damit den Wiederaufbau. Kritiker sprechen von “Politik der verbrannten Erde”.
BERLIN/DAMASKUS (Eigener Bericht) – Die EU weitet ihre Sanktionen gegen Syrien aus und legt damit dem Wiederaufbau des Landes neue Steine in den Weg. Die Sanktionen, die vergangene Woche verhängt wurden, treffen mehrere Geschäftsleute und setzen damit die Praxis der EU fort, potenzielle Investoren von einer Beteiligung am Wiederaufbau abzuschrecken. Zum selben Zweck hat die Trump-Administration bereits im Dezember eigene Sanktionen verhängt, die Experten als sehr weitreichend beschreiben und von denen es heißt, sie seien, weil sie Personen und Firmen aus sämtlichen Staaten weltweit treffen könnten, geeignet, Syrien “auf Jahre hin zu isolieren”. US-Experten erläutern, man halte die Sanktionen für geeignet, die syrische Bevölkerung in die Elendsrevolte zu treiben. Damit lasse sich womöglich erreichen, was man im Krieg nicht geschafft habe: der Sturz der Regierung von Bashar al Assad. Beim European Council on Foreign Relations ist von einem zweiten “langen Krieg” die Rede, diesmal mit den Mitteln der Ökonomie. Kritiker sprechen von einer “Politik der verbrannten Erde”.
Erste Wiederaufbauschritte
Syriens Wiederaufbau hat, wenngleich er recht langsam voranschreitet, mittlerweile begonnen. Aufträge haben dabei auch ausländische Unternehmen erhalten. So beteiligen sich etwa iranische und indische Unternehmen an der Erneuerung des Energiesektors und des Mobilfunknetzes.[1] China hat Aufbauprojekte in Syrien im Rahmen seiner Neuen Seidenstraße fest im Blick. Seit geraumer Zeit lassen auch arabische Staaten Interesse an einer Beteiligung an der Erneuerung von Infrastruktur und Wirtschaft in dem schwer kriegszerstörten Land erkennen. Das gilt nicht nur für die unmittelbaren Nachbarstaaten Jordanien und Libanon, deren Firmen lukrative Geschäfte in Syrien gut gebrauchen könnten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Fühler ausgestreckt. Das Land, das äußerst finanzkräftig ist, hat im Dezember 2018 seine Botschaft in Damaskus wiedereröffnet, bereits im Januar 2019 eine syrische Wirtschaftsdelegation unter Führung eines Geschäftsmannes in Abu Dhabi empfangen, der auf einer US-Sanktionsliste steht, und im August 2019 eine eigene Wirtschaftsdelegation auf die Damascus Trade Fair entsandt.[2] Die emiratischen Syrien-Aktivitäten sind geostrategisch motiviert: Abu Dhabi sucht den im Krieg spürbar gewachsenen Einfluss Irans nun auf ökonomischem Wege zu begrenzen.
EU-Sanktionen
Während Syriens kriegsgeplagte Bevölkerung möglichst rasche Fortschritte beim Wiederaufbau ersehnt, haben die westlichen Mächte im vergangenen Jahr Maßnahmen eingeleitet, um die Wiederherstellung der Infrastruktur zu bremsen oder sogar zu stoppen. Die EU hat bereits Anfang 2019 ihre Sanktionen ausgeweitet und ihrer bisherigen Sanktionsliste elf Geschäftsleute und fünf Organisationen hinzugefügt.[3] Der Schritt erfolgte erklärtermaßen, weil die neu gelisteten Personen an Bauvorhaben “und anderen vom Regime geförderten Projekten” beteiligt waren. EU-Diplomaten wurden damals mit der Aussage zitiert, sie hofften, die Maßnahme werde eine abschreckende Wirkung auf sonstige Geschäftsleute haben, auf die Damaskus beim Wiederaufbau des Landes angewiesen sei.[4] In der vergangenen Woche sind acht weitere Geschäftsleute sowie zwei zusätzliche Organisationen gelistet worden. Damit hat die EU nun mit Bezug auf Syrien Strafmaßnahmen gegen insgesamt 277 Personen und 71 Organisationen verhängt.
Der Caesar Act
Die Vereinigten Staaten wiederum haben im Dezember 2019 ein eigenes neues Sanktionsgesetz verabschiedet, das den Namen Caesar Syrian Civilian Protection Act trägt. Legitimiert wird es mit der Behauptung, man wolle die Regierung von Bashar al Assad wegen Menschenrechtsverbrechen zur Rechenschaft ziehen. Tatsächlich zielt es darauf ab, die Regierung Assad, wie es in einer aus Saudi-Arabien finanzierten Tageszeitung heißt, “auf Jahre hin zu isolieren”.[5] Es sieht ökonomische Zwangsmaßnahmen gegen Staaten, Unternehmen und Personen vor, die die syrische Regierung militärisch, wirtschaftlich oder finanziell unterstützen, und es wird von Experten als außergewöhnlich weitreichend eingestuft. Jede Mitarbeit an Wiederaufbauprojekten der Regierung in Damaskus wird mit ihm faktisch von den USA unter Strafe gestellt: Wer sich dem Caesar Act widersetzt, hat mit harschen US-Sanktionen zu rechnen. Das Gesetz sende “ein klares Signal, dass kein auswärtiger Akteur mit einem solchen Regime Geschäfte machen oder es sonst bereichern soll”, heißt es in einem Pressestatement von US-Außenminister Mike Pompeo.[6]
Umsturz per Elendsrevolte
Ziel ist es dabei, wie US-Außenpolitikexperten offen einräumen, die Regierung Assad nach dem Scheitern der militärischen Umsturzversuche in den Jahren seit Beginn des Aufstands im Jahr 2011 nun mit Hilfe von Elendsrevolten aus dem Amt zu jagen. Schon jetzt sei die syrische Wirtschaft dabei “zu kollabieren”, heißt es in einem aktuellen Beitrag in der führenden Fachzeitschrift der US-Außenpolitik. Assad habe längst Schwierigkeiten, die militärischen Operationen der Regierung zu finanzieren. Lebensmittel- und Treibstoffpreise seien empfindlich gestiegen und hätten “Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung entfacht”. Die Proteste würden “wahrscheinlich noch zunehmen”; die Maßnahmen des Caesar Act könnten dann schließlich “die Wende bringen”.[7] Bis Juni müsse zudem das US-Finanzministerium entscheiden, ob es die syrische Zentralbank der Geldwäsche beschuldige; geschehe das, dann komme noch eine “Kaskade” neuer Sanktionen dazu. “Zumindest” werde das die Ressourcen der Regierung gravierend beschränken und “die Instabilität in regierungskontrollierten Gebieten verstärken”, heißt es in der Zeitschrift Foreign Affairs.
“Eine Wirtschaftskonfrontation”
Mit Blick auf das Vorgehen der westlichen Mächte hieß es bereits im September beim European Council on Foreign Relations (ECFR), “der Gedanke, dass ein erfolgreicher Wiederaufbau Syriens bevorstehen könne”, sei “eine vollständige Illusion”.[8] Das Land werde vielmehr “für viele Jahre” Schauplatz “intensiver geopolitischer Konkurrenz” bleiben; “dieser lange Krieg” werde sich vor allem um den Wiederaufbau und die allgemeine Wirtschaftslage drehen. Langjährige Gegner Assads, vor allem diejenigen im Westen, seien zuversichtlich, dass “eine Wirtschaftskonfrontation” ihnen klar in die Hände spiele und ihnen “größere Belohnungen” verspreche “als ihre früheren militärischen Anstrengungen”. Freilich werde das Vorgehen des Westens “zu einer fortgesetzten Aushöhlung des syrischen Staates führen, für die auch weiterhin die seit langem leidende syrische Bevölkerung den höchsten Preis zu zahlen” habe.
Politik der verbrannten Erde
Das trifft zu. Die Lage der syrischen Bevölkerung ist schon lange katastrophal. Inzwischen leben mehr als vier Fünftel der Syrer laut Angaben der UNO unterhalb der Armutsschwelle. In vielen Ortschaften, heißt es in einem Informationsportal der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), “ist die Infrastruktur zerstört, Straßen, Strom und Wasserleitungen funktionieren nur eingeschränkt oder gar nicht”. Viele syrische Bauern hätten “kriegsbedingt ihre Existenzgrundlage verloren”, und “von den einstmals 130.000 Produktionsstätten” des Landes sei “gerade noch die Hälfte übrig geblieben”.[9] Die syrische Lira habe seit Kriegsbeginn “rund 90 Prozent ihres Wertes verloren”; auch seien “viele Güter des täglichen Bedarfs knapp geworden” – “das treibt die Preise zusätzlich hoch”. Beobachter sind sich einig, dass Sanktionen die Lage der Bevölkerung systematisch weiter verschlimmern. Es handle sich bei ihnen, hieß es vergangenes Jahr beim ECFR, “um eine Politik der verbrannten Erde, die unterschiedslos und willkürlich gewöhnliche Syrer bestraft und legitime Geschäfte bedroht”.[10]
Der Westen ist sich offenbar darin einig, daß man die Syrer kollektiv dafür bestrafen muß, daß sie die falsche Regierung haben und die womöglich auch noch unterstützen.
Ob die NATO-Staaten sich aber dabei wirklich in einen Krieg auf Seiten der Türkei begeben, bezweifle ich. Immerhin steht zum Unterschied zu Jugoslawien 1999 heute Rußland hinter der syrischen Regierung, und läßt sich in dieser Frage nicht beirren.
Erdogan bestätigt Öffnung türkischer Grenze zu Europa für Flüchtlinge
Knapp einen Tag nach den ersten Medienberichten über eine Öffnung der türkisch-griechischen Grenze für Flüchtlinge aus Syrien hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan diese Nachricht bestätigt.
Eskalation um Idlib
Bei Kämpfen in syrischer Provinz sterben 33 türkische Soldaten. Russland macht Ankara mitverantwortlich für Gefallene
Von Karin Leukefeld
Bei Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und Verbänden von Haiat Tahrir Al-Scham (HTS, Organisation zur Befreiung Syriens, ehemals Nusra-Front) in der syrischen Provinz Idlib sind am Donnerstag abend 33 türkische Soldaten ums Leben gekommen. 36 verletzte Soldaten wurden in Krankenhäuser in der türkischen Provinz Hatay eingeliefert.
Zunächst hatten türkische Stellen die russische Luftwaffe beschuldigt, den Angriff geflogen zu haben. Kurz darauf stellte das Verteidigungsministerium in Ankara klar, dass Russland nicht an dem Angriff beteiligt gewesen sei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berief eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein.
Zudem beantragte das türkische Verteidigungsministerium in Brüssel eine außerordentliche Sitzung des NATO-Rates gemäß Paragraph 4 des Bündnisvertrages. Der besagt, dass jeder Alliierte um Beratungen bitten kann, wenn seiner Meinung nach »die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist«.
Nach der Ratssitzung am Freitag erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die »Alliierten verurteilen die fortgesetzten rücksichtslosen Luftangriffe des syrischen Regimes und Russlands auf die Provinz Idlib«. Die EU forderte die Türkei zudem zur Einhaltung des »Flüchtlingspakts« auf. Zuvor hatte Ankara angekündigt, man werde die Flüchtlinge nicht daran hindern können, nach Europa weiterzuziehen, sollte es zu einer Massenflucht aus Idlib kommen.
Militärischer Beistand für Ankara über die US-geführte »Anti-IS-Allianz« hinaus ist nicht zu erwarten. Da Idlib auf syrischem Territorium liegt und die Türkei offensichtlich Kämpfer in der nordwestsyrischen Provinz unterstützt, kann Ankara nicht behaupten, auf NATO-Gebiet in Bedrängnis geraten zu sein.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Freitag unter Berufung auf Sicherheitskreise, die Türkei habe in den vergangenen 17 Tagen »insgesamt 1.709 Elemente des Regimes bei Operationen in Idlib neutralisiert«. Es seien 55 Panzer, drei Hubschrauber, 18 gepanzerte Fahrzeuge, 29 Haubitzen, 21 Militärfahrzeuge und sechs Waffenlager zerstört worden.
Russland machte die Türkei mitverantwortlich für den Tod ihrer Soldaten. »Die türkischen Militärangehörigen waren Teil einer terroristischen Kampfformation, die in der Nähe des Ortes Behun am 27. Februar unter Beschuss der syrischen Truppen gekommen sind«, hieß es in einer Erklärung aus Moskau. Es habe sich um HTS-Einheiten gehandelt, die syrische Regierungstruppen angreifen wollten. Das Russische Zentrum für nationale Versöhnung in Syrien habe Ankara um genaue Informationen gebeten, wo sich Einheiten der türkischen Armee in der Nähe von Gebieten aufhielten, in denen die Terroristen militärisch operierten. Türkische Truppen im Gebiet von Behun seien nicht gemeldet worden.
In einem Telefonat am Freitag bekräftigten Wladimir Putin und Erdogan die Bedeutung des »Antiterrorkampfes« und ihre Verpflichtung, die bilateralen Abkommen zu Idlib aus den Jahren 2018 und 2019 einzuhalten. Ein Treffen zwischen beiden Präsidenten sei nicht ausgeschlossen, hieß es in einer Erklärung des Kremls. Am Freitag berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax, zwei Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte mit Marschflugkörpern würden in das östliche Mittelmeer entsandt.
Westen heuchelt wieder
Krieg in Syrien
Von Jörg Kronauer
Nein, es geht Heiko Maas und Konsorten nicht um die Zivilbevölkerung, es geht ihnen um die Macht. Man muss das schon immer wieder betonen, denn die Lage der Menschen in Idlib ist in der Tat dramatisch. Gelegenheit, das Leben von Zivilisten zu schonen und das Völkerrecht zu wahren, hatten die westlichen Mächte zuhauf – 1999 in Jugoslawien etwa, 2003 im Irak oder 2011 in Libyen. »Mehr als 1.600 zivile Todesopfer« seien bei den Luftangriffen zu beklagen gewesen: Das teilte Amnesty International vor zehn Monaten in einer peniblen Analyse der Schlacht um Rakka mit. Nein, dort bombten nicht russische und syrische Flieger – dort waren westliche Kampfjets zugange, die Bundeswehr lieferte Zieldaten. Und: Es kamen noch die Schlachten um Mossul, um Falludscha und diverse andere hinzu.
So zynisch es ist: Die dramatische Lage der Zivilisten in Idlib ist für die Heuchler in Berlin, in Washington und in anderen Hauptstädten der westlichen Welt im Syrien-Krieg die letzte Chance. Gelingt der Regierung in Damaskus die Rückeroberung der Provinz, dann hat sie den Krieg zumindest auf militärischer Ebene für sich entschieden. Mit vorgeblicher Sorge um die Zivilisten lässt sich nun aber vielleicht doch noch eine westliche Einmischung legitimieren. In Washington jedenfalls wurden bereits Forderungen nach Einrichtung einer Flugverbotszone über Idlib laut. Eine solche verlangte am Freitag auch die Türkei. Ihr Versuch, die NATO einzuspannen, hat zu einer Krisensitzung des Kriegsbündnisses geführt.
Und nun? Wird sich Ankara – darauf hoffen jetzt die Heuchler im Westen – im Kampf um die Durchsetzung seiner Interessen in Idlib von Moskau lösen und sich, nun wieder loyal, in die Arme der NATO werfen? Dann ließe sich nicht nur vielleicht das Ruder im Syrien-Krieg unerwartet herumreißen. Das Kriegsbündnis hätte auch die eigenen Reihen, aus denen Ankara zuletzt auszubrechen drohte, wieder zuverlässig geschlossen. Prompt machten gestern erste Gerüchte die Runde, die USA und Saudi-Arabien zögen neue Unterstützung für, na klar, »Rebellen« in Idlib in Betracht. Bei denen handelt es sich, wie man weiß, um einen Ableger von Al-Qaida.
Wird Ankara mit Moskau brechen? Man wird sehen. Am Freitag verabredeten beide Seiten jedenfalls erst einmal ausführliche Gespräche, um die Krise beizulegen. Was die Herren im Westen gern vergessen: Ihre Weltherrschaft hat bei denen, die sich unterordnen mussten – und dazu zählte immer wieder auch die Türkei –, eher selten Begeisterungsstürme entfacht. Ankara will zwar nicht auf die Vorteile der NATO-Mitgliedschaft verzichten; ob es aber bereit ist, sich ihren Nachteilen wieder alternativlos auszusetzen, das darf man doch bezweifeln. Die türkischen Interessen in Idlib sind nicht gering. Das trifft aber auch auf das Interesse an der Option zu, im Bündnis mit Moskau bei Bedarf dem Westen zu trotzen.
Vorlage für NATO-Angriff
Von Arnold Schölzel
Unter der Dachzeile »Der Kampf um Idlib« kommentiert FAZ-Redakteur Rainer Hermann am Freitag den Krieg in der nordsyrischen Provinz. Erster Satz: »Während die Welt gebannt auf das Coronavirus blickt, steuert der Krieg in Syrien auf eine weitere Tragödie zu«. Der Zusammenhang, den er deutlich macht, ist in der Tat auffällig. Wer die Berichterstattung über die Lungenkrankheit zur Hysterie und einer Hasskampagne gegen China steigert (Schlag- und Unterzeile in der Welt vom Freitag: »Chinas Herrscher stürzten oft über große Krisen – und heute? Kaiser galten als legitim, solange sie das Land gut führten, Katastrophen hingegen als Zeichen des Untergangs. Dieses Denken zeigt sich auch in der Corona-Krise«), kann sozusagen in deren Windschatten die Hetze gegen Syrien und Russland ungestört steigern. Hermann tut das.
Immerhin wiederholt er nicht die Propagandastanze vom »Bürgerkrieg«, der in Syrien seit neun Jahren stattfinde. Er redet von Krieg. Selbstverständlich schreibt Hermann nicht, wer ihn mit welchem Ziel führt und anheizt. Von Regime-Change und Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens durch die USA und ihre Verbündeten zu reden, das übersteigt das Maß an Realismus, das die FAZ zulassen kann. Die NATO steckt in Syrien in der Sackgasse, Ankara sorgt nun dafür, dass sogar eine militärische Konfrontation zwischen dem Pakt und Russland droht. Das ist eine folgerichtige Konsequenz der militärischen Intervention des Westens und seiner Verbündeten aus den Golfmonarchien, die 2011 begann. Diese stützte sich auf Dschihadisten, die zu Zehntausenden über die Nachbarländer Syriens mit Hilfe der Geheimdienste der großen NATO-Länder einschließlich des BND eingeschleust wurden. Israel leistete logistische Hilfe und bombardierte nach eigenen Angaben hundertfach Ziele in Syrien.
Es charakterisiert den Wert des Hermann-Textes, dass die Dschihadisten, die jetzt erneut nicht nur unter türkischem Schutz, sondern sogar gemeinsam mit der Armee Ankaras gegen die syrischen Streitkräfte vorgehen, in ihm nicht vorkommen. Der Autor stellt vielmehr zwei Behauptungen auf, die geeignet sind, die kommende Propaganda des Westens zur aus dessen Sicht nötigen Eskalation des Syrien-Kriegs zu bestimmen. Erstens: Die syrischen und russischen Streitkräfte lösen demnach durch das Hinterlassen »verbrannter Erde« gerade eine nie dagewesene Flüchtlingswelle aus. Zu keinem Zeitpunkt des Krieges seien »mehr Menschen auf der Flucht als heute« gewesen. Dazu lässt sich anmerken: So schlimm die Lage für die Betroffenen ist, es sei nicht vergessen, dass dank IS und der anderen vom Westen unterstützten Kopfabschneider auf dem Höhepunkt des Krieges, als Damaskus schon erobert schien, Syrien bis zu sechs Millionen Binnenflüchtlinge zu versorgen hatte und versorgt hat. Zur zweiten Behauptung des FAZ-Autors: Zwar sei die türkische Armee der syrischen überlegen – jedoch: »Sollte Russland mit seiner Lufthoheit über Syrien aber eingreifen und würden türkische Städte bombardiert, drohte ein Flächenbrand.«
Was hier in antirussischer Manie als Möglichkeit formuliert ist, wird dem FAZ-Mann sofort zur Gewissheit: »Der Schlüssel, beide Katastrophen, die für die Zivilisten wie die militärische, abzuwenden, liegt in Moskau.« Das unterstellt, Russland sei verantwortlich für Flüchtlinge und für einen möglichen Krieg mit einem NATO-Staat. Die Schlussfolgerungen für den FAZ-Kommentator liegen auf der Hand: Wladimir Putin kann »die Türkei und Europa mit Millionen Flüchtlingen konfrontieren«.
Stimmungsmache dieser Art ist wahrlich geeignet, bald das Coronavirus auf dem ersten Platz der Panikpropaganda abzulösen. Hermann schreibt den Deutschnationalen in hiesigen Parteien die Vorlage für die nächste Angstkampagne und die für den nächsten NATO-Angriffsbefehl.
Bei solchen Konfrontationen wird auch die andere Seite getestet, wie weit sie gehen würde.
Als die Türkei das russische Flugzeug abschoß, wollte sie auch schon einmal einen Vergeltungsschlag und den Bündnisfall auslösen.
Rußland hat sich aber damals nicht darauf eingelassen.
Um den Bündnisfall auslösen zu können, müßte eine Invasion in die Türkei oder ein Bombardement eines Zieles in der Türkei stattfinden.
In einen Angriffskrieg der Türkei in Syrien würden sich die NATO-Partner nicht hinziehen lassen, weil da wären sie auf einmal Erfüllungsgehilfen türkischer Expansionsbestrebungen, was weder im Interesse der USA noch Deutschlands ist.
Vielleicht gibt es Versuche, eine syrische Invasion zu faken …
Moskau sucht nach Ausweg
Vor Treffen von Putin und Erdogan: Russland bekräftigt Unterstützung für Damaskus. Ankara will weitere »Schutzzone«
Von Karin Leukefeld
Während die Türkei ihren Angriffskrieg in Syrien mit unverminderter Härte fortsetzt, verdreht Berlin die Tatsachen. Etliche Politiker machen Russland für die militärische Eskalation in der Provinz Idlib und damit auch für die Zunahme an Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen verantwortlich. Am Montag erklärte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), in der ARD, die EU müsse politischen und wirtschaftlichen Druck auf Moskau ausüben, denn der russische Präsident Wladimir Putin sei »der entscheidende Spieler«.
Tatsächlich hält sich die türkische Armee völkerrechtswidrig auf syrischem Territorium in Idlib auf. In der im Rahmen der Astana-Vereinbarung festgelegten Deeskalationszone war die Präsenz türkischer Soldaten auf Beobachtungsposten beschränkt. Ihre Aufgaben waren die Entwaffnung sowie der Abzug von Kampfverbänden, wodurch politische Verhandlungen mit der syrischen Regierung ermöglicht werden sollten.
Am morgigen Donnerstag wollen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Putin über die Lage in Idlib beraten, wie der Kreml am Dienstag mitteilte. »Angesichts der sich verschlechternden Situation in der Deeskalationszone von Idlib ist vorgesehen, über eine Lösung zu sprechen«, hieß es in einer Pressemitteilung. Damit die Lage nicht weiter eskaliert, bat Russland Ankara, bis zum Treffen von einer weiteren Bodenoffensive abzusehen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte zudem, Moskau halte an der territorialen Integrität Syriens fest und unterstütze Damaskus »im Kampf gegen Terroristen und terroristische Gruppen, darunter auch solche, die vom UN-Sicherheitsrat auf die Liste von Terrororganisationen gesetzt wurden«.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Ankara hat die türkische Armee bisher drei syrische Kampfjets abgeschossen. Die syrische Armee bestätigte, dass am Dienstag morgen ein dritter Kampfjet in der Nähe von Maarat Al-Numan von Raketen des »terroristischen türkischen Regimes« abgeschossen worden sei. Am Sonntag hatte Syrien den Luftraum über Idlib für fremde Flugzeuge geschlossen.
Die türkischen Angriffe wies Damaskus als »unverhohlene Aggression« zurück; man werde sich entschlossen verteidigen, hieß es aus namentlich nicht genannten Quellen des Außenministeriums. Das Vorgehen der türkischen Armee gegen Syrien mache deutlich, dass die Türkei mit Terroristen »im gleichen Schützengraben« sitze.
Am Montag hatte Erdogan erklärt, die »bisherigen menschlichen und materiellen Verluste des Regimes« seien erst der Anfang. Sollten sich die syrischen Truppen nicht umgehend hinter die von der Türkei bestimmten Grenzen zurückziehen, »werden sie nach einiger Zeit keine Köpfe mehr auf den Schultern tragen«, wurde der türkische Präsident von der Nachrichtenagentur dpa zitiert.
Wie eine Lösung in Idlib aussehen könnte, ist indes unklar. Möglich ist, dass Russland eine neue Waffenstillstandsregelung vorschlagen wird. Ob die Türkei und auch Syrien sich darauf einlassen, bleibt abzuwarten. Eine neue Waffenstillstandslinie könnte nördlich der Autobahn »M 4« entlang der syrisch-türkischen Grenze verlaufen, wo sich die Lager der Inlandsvertriebenen befinden. Die Türkei fordert dort eine weitere »Schutzzone«. Deutschland und andere europäische Länder haben in dem Gebiet im Rahmen »humanitärer Hilfe« Millionen Euro für Lager, Schulen, Krankenhäuser bezahlt.
Idlib: Damaskus droht der Türkei mit Gegenwehr
Damaskus. Syrien hat der Türkei nach der Eskalation in der Provinz Idlib mit starker Gegenwehr gedroht. Die syrische Regierung bekräftige ihre Entschlossenheit, gegen die »unverhohlene türkische Aggression« vorzugehen, hieß es am Montag aus dem Außenministerium in Damaskus, wie die staatliche Agentur SANA meldete. Syrien verurteile entschieden die türkischen Angriffe auf die Souveränität des Landes. Diese zeigten, dass die Türkei weiter »in einem Schützengraben« mit Terrorgruppen sitze. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Montag wiederum, die »bisherigen menschlichen und materiellen Verluste des Regimes« seien erst der Anfang. Sollten sich die syrischen Truppen nicht umgehend hinter die von Ankara bestimmten Grenzen zurückziehen, »werden sie nach einiger Zeit keine Köpfe mehr auf den Schultern tragen«. (dpa/jW)
Erdogans Kriegserklärung
Türkei schießt syrische Flugzeuge ab. Griechenland stoppt Flüchtlinge mit Tränengas
Von Nick Brauns
Die Türkei hat der syrischen Regierung faktisch den Krieg erklärt. Am Sonntag informierte Verteidigungsminister Hulusi Akar über eine bereits Freitag angelaufene Militäroperation unter dem Namen »Frühlingsschild« gegen syrische Truppen im Nordosten des Landes. »Wir zielen nicht auf eine Konfrontation mit Russland, sondern wollen das Assad-Regime daran hindern, Zivilisten zu massakrieren«, erklärte Akar.
Offiziell unterhält die Türkei im Rahmen des Astana-Abkommens mit Russland und dem Iran in der vom syrischen Al-Qaida-Ableger Haiat Tahrir Al-Scham (HTS, Organisation zur Befreiung Syriens, ehemals Nusra-Front) kontrollierten Provinz Idlib rund ein Dutzend Beobachtungsposten. In den vergangenen Wochen hatte Ankara allerdings Tausende zusätzliche Soldaten nach Idlib verlegt und die HTS-Kämpfer mit Luftabwehrraketen und Panzerwagen ausgestattet. Nachdem am Donnerstag rund drei Dutzend türkische Soldaten bei einem syrischen Angriff getötet worden waren, griff die türkische Armee in der Nacht zum Sonntag Stellungen der syrischen Armee und mit ihr verbündeter iranischer Milizen in Idlib, Aleppo und der Küstenregion Latakia mit Artillerie, Raketen und Drohnen an.
Damaskus verkündete am Sonntag eine Sperrung des Luftraums im Nordwesten des Landes. Kurz darauf wurden nach übereinstimmenden Angaben der syrischen amtlichen Nachrichtenagentur SANA und des türkischen Verteidigungsministeriums über Idlib zwei syrische Kampfjets vom Typ Su-24 von der türkischen Luftwaffe abgeschossen. Russland, das mit seiner Luftwaffe die tatsächliche Lufthoheit über dem Gebiet hat, hält sich zurück, wohl um einer militärischen Konfrontation mit dem NATO-Staat Türkei aus dem Weg gehen. Am Donnerstag wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen in Moskau erwartet. In Ankara nahm die Polizei am Sonntag zwischenzeitlich den dortigen Redaktionsleiter der russischen Nachrichtenagentur Sputnik fest, ließ ihn dann aber wieder frei.
Mit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge versucht Erdogan, die Unterstützung der EU für seinen neuen Krieg gegen Syrien zu erpressen. Tausende Schutzsuchende wurden mit Bussen an die Grenze gebracht, während der staatliche Sender TRT auf Twitter in arabischer Sprache über Fluchtrouten nach Europa informierte. Mehr als 75.000 Migranten hätten bereits die Grenze bei Edirne passiert, behauptete der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Sonntag. Doch Belege für diese Größenordnung gibt es nicht.
Die griechische Polizei gab am Sonntag an, bislang 9.600 Migranten am Grenzübertritt gehindert zu haben. Auf Videos ist zu sehen, wie dabei Tränengas gegen Schutzsuchende, darunter viele Kinder, eingesetzt wurde.
Zahlreiche Menschen sind nun im Niemandsland am Grenzfluss Meric Nehri (griechisch: Evros) gefangen, da türkische Sicherheitskräfte sie auch nicht mehr zurückgehen lassen. Im Hafen der griechischen Insel Lesbos hinderten Einheimische Flüchtlingsboote, die von der Türkei aus übergesetzt waren, am Anlegen, berichtete der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt als Augenzeuge über Twitter.
In Berlin wurde Erdogans Botschaft verstanden. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, sprach von einem »Hilferuf« des türkischen Präsidenten an Europa angesichts des Scheiterns seiner Russland-Politik. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, EU und USA müssten »jetzt gemeinsam den Druck auf Assad und Putin erhöhen«.
Putin und Erdogan erzielen Einigung für Idlib
Moskau/Istanbul. Russlands Präsident Wladimir Putin hat im Konflikt um die von islamistischen Milizen gehaltene Gegend um die syrisches Stadt Idlib nach eigenen Angaben eine Einigung mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan erzielt. Nach rund sechs Stunden sei ein gemeinsames Dokument entstanden, teilte Putin am Donnerstag nach dem Treffen mit Erdogan in Moskau mit. Der türkische Präsident bestätigte die Übereinkunft. Sie werde um Mitternacht in der Nacht zum Freitag in Kraft treten, sagte Erdogan. (dpa/jW)
Putin und Erdogan einigen sich auf Dokument zu Syrien-Regelung
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan haben sich bei ihren Verhandlungen am Donnerstag in Moskau auf ein gemeinsames Dokument zur Syrien-Regelung geeinigt.
Russland und Türkei richten „Sicherheitskorridor” in Syrien ein
Beim heutigen Treffen in Moskau haben sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan unter anderem auf die Einrichtung eines „Sicherheitskorridors“ entlang einer wichtigen Verbindungsstraße in Syrien geeinigt. Zudem wurden auch gemeinsame Patrouillen ab dem 15. März vereinbart.
»Persönlich und direkt«
Treffen von Putin und Erdogan in Moskau. Weitere Eskalation an EU-Außengrenze
Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan haben am Donnerstag in Moskau über eine Lösung für die angespannte Lage in der syrischen Provinz Idlib beraten. Ein »persönliches und direktes Gespräch« sei erforderlich, sagte Putin zu Beginn des Treffens. Erdogan hofft nach eigenen Worten auf die Vereinbarung einer Feuerpause.
Vor einigen Tagen hatte die Türkei eine große Militäroffensive gegen die syrische Armee gestartet. Damaskus bekämpft in Idlib mit Unterstützung Russlands die mit Ankara verbündeten dschihadistischen Kampfgruppen. Trotzdem beide Länder auf unterschiedlichen Seiten stehen, haben sich Putin und Erdogan in der Vergangenheit eng abgestimmt. Allerdings belastet die Eskalation in der Provinz verstärkt die bilateralen Beziehungen. Putin drückte Erdogan am Donnerstag sein Mitgefühl für den Tod türkischer Soldaten aus, die in den vergangenen Wochen getötet wurden, betonte aber, dass »auch die syrische Armee schwere Verluste erlitten« habe. Erdogan erklärte, er hoffe, dass eine mögliche Einigung der Staatschefs »die Region und unsere beiden Länder befrieden« werde.
Unterdessen hat sich die Lage an der griechisch-türkischen Grenze weiter zugespitzt. Innerhalb der vergangenen fünf Tage hinderten griechische Grenzschützer fast 35.000 Menschen am Übertreten der Grenze. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen. Laut einem Medienbericht wurden an der Grenze »potentiell tödliche« Tränengasgeschosse gefunden. Die gefundenen Kartuschen hätten »deutlich mehr Wucht« als normale Geschosse und eine scharfe Spitze, berichtete das »Rechercheportal« Bellingcat.
Die türkische Regierung kündigte am Donnerstag die Entsendung von tausend »Spezialpolizisten« an. Diese sollten »verhindern«, dass Griechenland Flüchtlinge »zurückdrängt«, die versuchten den Grenzfluss Evros (türkisch: Meric) zu überqueren, sagte Innenminister Süleyman Soylu. Nach türkischen Angaben war am Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Athen wies das entschieden zurück. Laut Soylu wurden 164 Geflüchtete verletzt. (AFP/dpa/jW)
Gegen den Spaltpilz
Erdogan zu Gast in Moskau
Von Jörg Kronauer
Zwei Dinge schienen klar zu sein, als Russlands Präsident Wladimir Putin und der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, am gestrigen Nachmittag zusammenkamen, um über die Situation in Idlib und das weitere Vorgehen dort zu beraten. Zunächst: Nichts geht in Syrien ohne Russland. Erdogan hätte gerne Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei dem Treffen dabei gehabt. Putin jedoch wollte nicht, daher blieb es bei einem Zweiergipfel. Merkel und ihre Verteidigungsministerin hatten vorab die Einrichtung einer international kontrollierten »Sicherheitszone« in Idlib in die Debatte gebracht – aber auch diesbezüglich war völlig klar: Die Kontrolle über den syrischen Luftraum obliegt Moskau. Das letzte Wort hat demzufolge die russische Regierung. Das gilt übrigens auch für die Türkei: Seit vor einigen Tagen russische Einheiten in der zur Zeit strategisch wichtigen Stadt Sarakeb Position bezogen haben, greifen türkische Truppen dort nicht mehr an.
Der zweite Punkt: So unzufrieden Moskau und Ankara mit der jüngsten Entwicklung in Idlib auch sind – beiden Seiten ist ihre Zusammenarbeit sehr viel wert. Sie hat der westlichen Dominanz in Nah- und Mittelost einen schweren Schlag verpasst, was beiden Seiten neue Chancen eröffnet, und zwar auf lange Sicht. Das erklärt den Unmut in den herrschenden Kreisen des Westens über die russisch-türkische Kooperation. Es erklärt die hartnäckigen Bemühungen auch der Bundesregierung, einen Keil zwischen Moskau und Ankara zu treiben – und es erklärt, wieso Putin unmittelbar vor dem gestrigen Treffen feststellte, von entscheidender Bedeutung sei es, dass der Streit um Idlib »die russisch-türkischen Beziehungen nicht ruiniert« und dass »sich nichts dergleichen wiederholt«. Es erklärt auch, wieso Erdogan vorab prahlte, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien »auf dem Höhepunkt«: Man durfte das – so widerspruchsvoll diese Beziehungen auch sind – als Absage an die Versuche des Westens verstehen, das Bündnis zu spalten.
Ob es Putin und Erdogan gelingen würde, ausgehend von diesen beiden Prämissen einen Modus vivendi für Idlib zu finden, war bei jW-Redaktionsschluss noch nicht klar. Festhalten lässt sich freilich eines: Es waren Optionen denkbar, die erhebliche Auswirkungen auf die EU haben würden, ohne dass Brüssel oder Berlin sie kontrollieren könnten – etwa die Öffnung der syrisch-türkischen Grenze für die Flüchtlinge in Idlib, die dann in Richtung Europa ziehen. Für ein Land wie Deutschland, dessen Eliten noch vor wenigen Jahren selbstherrlich Pläne entwickeln ließen, wie Syrien unter westlicher Hegemonie wiederaufzubauen sei, und die nun hoffen müssen, dass ihre Interessen von Moskau und Ankara berücksichtigt werden, ist das ein bemerkenswerter Machtverlust: ein Zeichen des globalen Abstiegs des Westens.
Geld nur für Opposition
Einseitige humanitäre Hilfe für Syrien. Bundesregierung hält sich bedeckt zu »Projektpartnern«
Von Karin Leukefeld
Die Menschen, die an den Grenzen der Türkei zu Griechenland Einlass begehren, haben die Europäische Union in einen geschäftigen Gesprächsmodus versetzt. EU-Offizielle sind an die türkisch-griechische Grenze gereist und haben Athen Hilfe versprochen. In Ankara unterbreiteten sie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan neue Angebote. Am Mittwoch abend verhandelten die EU-Innenminister in Brüssel, und am Donnerstag trafen sich die EU-Außenminister in der kroatischen Hauptstadt Zagreb, um über die Lage in der syrischen Provinz Idlib und die Flüchtlingssituation an der EU-Außengrenze zu sprechen.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) teilte am Mittwoch abend mit, die deutsche Bundeskanzlerin sei »im Gespräch« mit den Präsidenten Russlands und der Türkei, um über »eine international überwachte Sicherheitszone in Syrien zur Erleichterung der humanitären Situation« zu verhandeln. Der Vorschlag stammt ursprünglich aus Ankara, und entsprechend ablehnend reagierte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der das Ansinnen gegenüber dem Deutschlandfunk am Donnerstag zurückwies. Man müsse der Türkei klarmachen, dass »nach dem Krieg (…) kein Platz für andere Mächte in Syrien (ist), auch nicht für die Türkei«.
Europa könne und müsse mehr tun, »um auf ein Ende der Kämpfe und eine hinreichende Versorgung der Bevölkerung hinzuwirken«, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) vor seinem Abflug nach Zagreb. Berlin habe der UNO weitere 100 Millionen Euro angeboten, »um die Unterbringung und Versorgung der notleidenden Menschen in Idlib sicherzustellen«. Als Bedingung dafür nannte Maas Forderungen, die im UN-Sicherheitsrat zuletzt am Veto Russlands und Chinas gescheitert waren: »Was wir jetzt brauchen, ist eine sofortige Waffenruhe«, erklärte er. Moskau müsse »Druck auf das Assad-Regime ausüben«.
Seit Beginn des Krieges wird das humanitäre Engagement der Bundesregierung in Syrien mit politischen Zielen verknüpft. Einerseits sollen die Folgen der einseitig vom Europarat seit 2011 verhängten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien abgefedert, andererseits soll der innersyrische Wiederaufbau verhindert werden. Zwar gab und gibt es Hilfe auch für Inlandsvertriebene in syrischen Lagern, vor allem aber für Flüchtlingslager in den Nachbarländern. In Gebieten unter Kontrolle oppositioneller Gruppen wurde und wird dagegen Wiederaufbau unterstützt.
Dies geht auch aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke zur »Finanzierung humanitärer Hilfe« in Syrien (BT-Nr. 19-16689) hervor. Allein für den 2013 von den »Freunden Syriens«, einer internationalen Kontaktgruppe, die seit dem »arabischen Frühling« auf einen Regimewechsel in Damaskus hinwirkt, gegründeten »Syria Recovery Trust Funds« (SRTF), zahlte die Bundesregierung mehr als 48 Millionen Euro ein. Nach eigenen Angaben agiert dieser ausschließlich in den von der Opposition kontrollierten Gebieten.
Die Linke-Außenpolitikerin Heike Hänsel erklärte gegenüber jW, dass Deutschland mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den Vorsitz in diesem Fonds innehabe und das Geld laut Bundesregierung für den Aufbau beschädigter Infrastruktur und Unterstützung der Zivilbevölkerung eingesetzt worden sei. Aus »Sicherheitsgründen« habe das Kabinett aber nicht mitgeteilt, »wer genau das Geld erhalten hat«. Die Projekte würden demnach von einem »unabhängigen Prüfer« einer »fortlaufenden Kontrolle und Überprüfung« unterzogen. Ob das Geld allerdings in die Hände von international gelisteten Terrorgruppen und islamistischen Milizen gelange, könne »die Bundesregierung nicht glaubhaft ausschließen«, so Hänsel. Grundsätzlich würden »keine Namen von finanziell vor Ort unterstützten Projektpartnern« genannt.
Gleichwohl wurde die durch den SRTF erfolgte Finanzierung von Gruppen in Idlib, wie Lokalräte, nicht mehr unterstützt. Zudem wurde die Finanzierung des Büros der »Syrischen Nationalen Koalition der revolutionären und oppositionellen Kräfte« in Berlin gestoppt. Für das Jahr 2020 wurden demnach (noch) keine Mittel für den Fonds genehmigt.
Die Frage, ob der SRTF aktuell noch Projekte in der Provinz Idlib finanziere, wurde von der Bundesregierung verneint. Hänsel erklärte, der Fonds habe im Juli 2017 die Zahlungen wegen der fortschreitenden Kontrolle weiter Gebiete Idlibs durch den syrischen Al-Qaida-Ableger Haiat Tahrir Al-Scham weitgehend eingestellt. Bis dahin seien 11,65 Millionen Euro für Projekte in der Provinz eingesetzt worden.
Hintergrund: Bewaffnete Gruppen finanziert
Laut Informationen des Auswärtigen Amts (AA) vom 1. Februar 2016 finanziert der »Syria Recovery Trust Fund« (SRTF) seit 2013 »Projekte zur Versorgung der Menschen in Syrien mit grundlegender Infrastruktur«. Deutschland habe den Fonds »mitinitiiert«, gemeinsam mit den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgebaut und sei »zweitgrößter Geldgeber«. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verwalte das Geld.
Die Hilfe »auf syrischem Staatsgebiet« sei »ein wichtiger Bestandteil des deutschen Engagements seit Beginn des Bürgerkriegs 2012«, heißt es auf der AA-Internetseite. Mit der konkreten Hilfe auch während des Krieges solle »möglichst vielen Menschen die Flucht aus ihrer Heimatregion erspart bleiben«.
Was aus dieser Darstellung nicht hervorgeht ist, dass die »konkrete Hilfe« ausschließlich für Gebiete unter Kontrolle oppositioneller Gruppen erfolgt. Deutlicher ist da die Selbstdarstellung auf der SRTF-Webseite, wo es heißt: Die Bemühungen erfolgten in »Partnerschaft mit der Interimsregierung des SOC (Syrische Nationale Koalition für revolutionäre und oppositionelle Kräfte, jW), mit Lokalräten, lokalen Gemeindeorganisationen und Dienstanbietern. (….) SRTF unterstützt syrische Gemeinden in den von der Opposition kontrollierten Gebieten«.
Der quasi als Wiederaufbau- und Entwicklungsbank angelegte Fonds umfasst heute 250,45 Millionen Euro. Dem stehen Anträge aus den »von der Opposition kontrollierten Gebieten« in Höhe von 364,97 Millionen Euro gegenüber. Davon wurden 139,23 Millionen Euro bewilligt, 67,96 Millionen Euro warten noch auf Auszahlung.(kl)
Die Syrian Civil War Map
https://syriancivilwarmap.com
zeigt die täglichen Kämpfe und Gebietsgewinne der Syrisch-Arabischen Armee in Idlib.
Sie haben bereits deutliche Gebietsgewinne gemacht und es bleibt abzuwarten, ob sich die Armee hier auf einen Stop der Offensive einlassen wird.
Israel unterstützt die Terroristen durch Luftangriffe auf Homs.
Vor allem die Dschihadisten von der Tahrir als Sham-Fraktion haben außerhalb Idlibs keine Organisation, kein Territorium, whin sie flüchten könnten, die werden bis zum Umfallen kämpfen.
Der aktuelle Waffenstillstand ist eine türkische Kapitulation. Offenbar geht “Kräfteverhältnis” doch anders als die Truppen Vorort zu zählen. Auf dem Papier sind die Türken in Syrien überlegen, waren aber nicht bereit die Russen dort wirklich herauszufordern. War’s ökonomische Erpressung? Scheitern mit dem Versuch die NATO zu instrumentalisieren?
Also die NATO läßt sich sicher nicht von Erdogan instrumentalisieren, selbst wenn er der EU Flüchtlinge auf den Hals hetzt. Vor allem, da die Erdogan-Regierung in den letzten Jahren mehr als einmal klargestellt hat, daß sie die ihr zugedachte Rolle als Vorposten und Türsteher der NATO nicht als ultima ratio ihrer Außenpolitik sieht.
Ein offizieller Eingriff der NATO wäre erstens ein Bruch mit ihren eigenen Regeln. Die Beistandspflicht gilt für Verteidigung eines Mitglieds, nicht für eine Offensive desselben.
Zweitens hat Rußland offenbar auch klargestellt, daß in diesem Falle mit ihm zu rechnen wäre, und das ist militärisch auf jeden Fall eine Großmacht.
Der Waffenstillstand hat auch weitere Dimensionen. Erstens ist klar, daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann Idlib wieder in den Schoß Syriens zurückkehrt. Die neue Grenze ist ja auch nur ein Provisorium.
Mit der Öffnung der Straßen verlieren die Dschihadisten in Idlib auch wirtschaftliche Macht, d.h. Finanzierung.
Zweitens ist klar, daß Assad bleibt und die Russen es ernst meinen mit ihrer Wiederherstellung Syriens.
Eine interessante Frage ist die der syrischen Flüchtlinge. Der Druck, nach Syrien zurückzukehren, und zwar auf Regierungsgebiet, wird stärker.
Wirklich blöd steht die EU da.
Pufferzonen im Luftraum (06.03.2020)
Russland und die Türkei einigen sich auf Waffenstillstand in Idlib – ohne Beteiligung Deutschlands und der EU.
BERLIN/DAMASKUS (Eigener Bericht) – Die Bemühungen Berlins, die Notlage der Flüchtlinge in Idlib zur Gewinnung von Einfluss in Nordsyrien zu nutzen, sind erneut gescheitert. Am gestrigen Donnerstag einigten sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan auf einen Waffenstillstand für Idlib, der vom heutigen Freitag an gelten soll. Zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel um die Teilnahme an dem Gipfeltreffen bemüht; Berliner Politiker hatten darüber hinaus gedroht, zur Durchsetzung einer “Schutzzone” in Idlib Sanktionen gegen Russland zu verhängen – beides vergeblich. Gelänge es Moskau, den Waffenstillstand zu stabilisieren, dann wären wichtige Bedingungen erfüllt, um Syriens Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Dessen ungeachtet wurden gestern Abend auf einem Treffen der EU-Außenminister Forderungen nach einer Flugverbotszone laut; der EU-Außenbeauftragte verlangte eine “Pufferzone im Luftraum”. Bedauernswert sei, dass die Union zwar “die Sprache der Macht sprechen” wolle, aber noch nicht über die Mittel dazu verfüge.
“Munition liefern”
Vor dem gestrigen Gipfeltreffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan hatten die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten auf unterschiedliche Weise versucht, sich Einfluss auf die Entwicklung in Idlib zu sichern. Washington hatte – in der Hoffnung, die Spannungen zwischen Russland und der Türkei anheizen und womöglich einen Bruch zwischen den beiden Ländern provozieren zu können [1] – Ankara Unterstützung bei seiner jüngsten militärischen Offensive in Idlib in Aussicht gestellt. So hatte der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, der eigens in die südtürkische Grenzprovinz Hatay gereist war, dort erklärt, man könne “zum Beispiel Munition liefern”, während der US-Botschafter in der Türkei, David Satterfield, die Stationierung von Patriot-Luftabwehrraketen an der türkisch-syrischen Grenze in Aussicht gestellt hatte.[2] Berlin wiederum hatte sich explizit bemüht, zu dem gestrigen Gipfeltreffen eingeladen zu werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag berichtet, sie habe mehrmals bekräftigt, zur Teilnahme an einem Treffen mit Putin, Erdoğan sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bereit zu sein. Dies sei allerdings an Putin gescheitert.[3]
Neue Russland-Sanktionen
Ergänzend war in Berlin unter Verweis auf die katastrophale Situation der Flüchtlinge in Idlib einmal mehr die Forderung nach Einrichtung einer Sicherheitszone in Nordsyrien laut geworden. Merkel sprach sich am Dienstag für eine nicht näher definierte “Schutzzone” in Idlib aus, um die gravierende Notlage in der Region zu lindern. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verwies zustimmend auf Überlegungen der Kanzlerin, des türkischen Präsidenten Erdoğan und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, “ob für die dringend notwendige humanitäre Hilfe … eine geschützte Zone helfen kann”.[4] Prinzipielles Einverständnis mit einer solchen “Schutzzone” ließ auch Omid Nouripour erkennen, der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Nouripour konstatierte allerdings, es sei “nicht sichtbar, wie eine Sicherheitszone gegen die russische Lufthoheit militärisch durchgesetzt werden kann”. Merkel müsse nun “Druckmittel zur Umsetzung einer solchen Zone darlegen”; denkbar sei etwa, “Sanktionen gegen den russischen Verteidigungsminister” zu verhängen.[5] Neue Russland-Sanktionen werden inzwischen von weiteren Politikern der CDU (Norbert Röttgen, Roderich Kiesewetter), der FDP (Bijan Djir-Sarai) und der Grünen (Franziska Brantner) gefordert.[6]
Der Waffenstillstand
Die deutschen Versuche, auf die eine oder andere Weise Einfluss auf die Entwicklung in Idlib zu erhalten, sind gescheitert. Am gestrigen Donnerstag einigten sich die Präsidenten Russlands sowie der Türkei ohne jegliche Beteiligung Deutschlands, der Vereinigten Staaten oder anderer westlicher Mächte auf einen Waffenstillstand, der bereits vom heutigen Freitag an gelten soll. Dies beinhaltet Fortschritte für die syrische Regierung. So wird die Autobahn M5, die die nordsyrische Metropole Aleppo mit der Hauptstadt Damaskus verbindet, seit kurzem wieder von den Streitkräften des Landes kontrolliert; der Waffenstillstand festigt diesen Zustand. Darüber hinaus kamen Putin und Erdoğan gestern überein, auf beiden Seiten der Autobahn M4, die aus Nordsyrien in die Hafenstadt Latakia führt, einen sechs Kilometer breiten “Sicherheitskorridor” zu errichten, in dem ab dem 15. März gemeinsame türkisch-russische Patrouillen durchgeführt werden sollen.[7] Gelingt es so, die Autobahn M4 ebenfalls wieder unter Kontrolle zu bringen, dann erleichterte dies die Bemühungen, die Wirtschaft des Landes wieder in Gang zu bringen, ungemein. Allerdings ist nicht klar, ob das ohne weitere Kämpfe möglich ist. So werden Ortschaften an der M4 weiter von jihadistischen Milizen gehalten – so etwa die Stadt Jisr al Shughur, die Berichten zufolge von uigurischen Jihadisten (“Turkistan Islamic Party”) kontrolliert wird.[8]
“Die Sprache der Macht”
Während in Idlib der Waffenstillstand näherrückte, suchten in Brüssel die EU-Außenminister zum wiederholten Male nach Wegen zu eigener Einflussnahme. Mit Blick darauf, dass Russland in Syrien den Luftraum kontrolliert, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gestern, er sei dafür, die Waffenruhe um eine “Pufferzone im Luftraum” zu erweitern. Gemeint ist offenbar, einen Teil des nordsyrischen Luftraums russischer Kontrolle zu entreißen und vermutlich internationaler, der Sache nach westlicher, Kontrolle zu unterstellen. Borrell räumte ein: “Wir würden gerne die Sprache der Macht sprechen, aber im Moment können wir darüber nicht selbst entscheiden” [9] – ein kaum verhüllter Appell zu Aufrüstung und einer aggressiveren EU-Außen- und Militärpolitik. Einstweilen rief der EU-Außenbeauftragte dazu auf, bei den Vereinten Nationen und in der NATO für die Einrichtung einer Flugverbotszone über Nordsyrien zu werben. Außenminister Heiko Maas wiederum verlangte für Idlib einen “Raum mit Sicherheitsgarantien”, um dort humanitäre Hilfe leisten zu können; Berlin will dafür 100 Millionen Euro bereitstellen. Für den heutigen Freitag ist ein Sondertreffen der EU-Außenminister anberaumt.
“Der aussichtsreichste Weg”
Während Berlin und die EU den Machtkampf um Idlib weiterführen, ruft der Historiker und Publizist Götz Aly zu einem Kurswechsel auf. Man müsse daran erinnern, wer verantwortlich für die Zerstörung des Irak, für die Förderung islamistischer Milizen in Syrien und damit auch für das Erstarken des IS, aber auch des syrischen Al Qaida-Ablegers Hayat Tahrir al Sham sei, erklärt Aly mit Verweis auf die Nah- und Mittelostpolitik der westlichen Mächte in den vergangenen zwei Jahrzehnten.[10] “Mossul musste vom IS freigekämpft werden”, schreibt Aly: “Ebenso notwendig bleibt es, Idlib von den dort versammelten Dschihadisten, IS-Männern und internationalen Terroristen (Uiguren, Tschetschenen, wild gewordenen Europäern usw.) zu befreien”. Der IS-Chef Abu Bakr al Bagdadi sei nicht zufällig von einem US-Kommando in Idlib getötet worden. Aly plädiert dafür, den “Frieden in Syrien … gemeinsam mit Russland, der syrischen Regierung und Verwaltungselite” zu suchen: “Leicht wird das nicht.” Aber es sei “nach neun Jahren eines fürchterlichen, vom Westen mit angeheizten Krieges der aussichtsreichste Weg.”
Deutschland war in der EU die bestimmende Macht, die sich den Sturz Assads und seines “Regimes” zum Ziel gesetzt hat, ein Gerichtsverfahren auf deutschem Boden gegen ihn vorbereitet und im Grunde die anderen Staaten auf diesen Kurs verpflichtet hat.
Es wird schwierig sein, auch gegenüber den anderen EU-Staaten, einen Kurswechsel einzuleiten und zu begründen.
Die Alternative dazu ist, weiterhin hinter den Ereignissen herzuhecheln, Alibi-Konferenzen zu veranstalten und ergebnislos bei den wirklichen Akteuren anzuklopfen und zu fordern: Laßt mich hinein!
So oder so macht die Möchtegern-EU-Führungsmacht keine gute Figur auf dem internationalen Parkett.
Hut ab vor Götz Aly. So viel Profil hätte ich ihm nicht zugetraut.
Idlib: Militärs finden Beweise für Vorbereitung von Chemie-Angriff durch Terroristen
Das syrische Militär hat in der Stadt Saraqib in der Provinz Idlib chemische Giftstoffe entdeckt, die auf einen Versuch von Terroristen hinweisen, dort die C-Waffen-Provokationen zu organisieren. Dies meldet die Agentur RIA Novosti am Sonntag.
Erdogan will mehr NATO-Unterstützung
Brüssel. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat für seinen militärischen Einsatz in Syrien mehr Hilfe von der NATO gefordert. Man erwarte »klare Unterstützung« von den Verbündeten, sagte Erdogan am Montag nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Die Grenze der Türkei zu Syrien sei gleichzeitig die südöstliche Grenze der NATO zu der Konfliktregion.
Diplomaten zufolge hatte die Türkei jüngst eine Liste mit zehn Forderungen beim Kriegsbündnis hinterlegt. Darunter ist der Ruf nach mehr Luftverteidigung an der türkischen Grenze zu Syrien, mehr Aufklärungsflugzeugen und mehr Schiffen im östlichen Mittelmeer. Zudem fordert Ankara zur Überwachung auch den Einsatz von Drohnen.
Stoltenberg betonte am Montag, das Bündnis unterstütze die Türkei schon jetzt stark und werde sich der Sicherheit der Türkei auch weiterhin verpflichtet fühlen. Man überprüfe außerdem, was man darüber hinaus tun könne.
Unterdessen rüstet Ankara in der syrischen Provinz Idlib weiter auf. Laut der in London ansässigen »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« seien seit Inkrafttreten der zwischen Russland und der Türkei vereinbarten Waffenruhe am Freitag rund 650 Militärfahrzeuge und Hunderte Soldaten nach Idlib geschickt worden. Allein am Montag kamen demnach 50 türkische Militärfahrzeuge über den Übergang bei Kafr Lusin in die Provinz. (dpa/Xinhua/jW)
Falls diese ominöse Beobachtungsstelle recht hat – ich traue der ja nicht so recht über den Weg – so kann das natürlich auch eine Aufrüstung im Rahmen dessen sein, die Dschihadisten dort in Schach zu halten, damit der Waffenstillstand hält und die Russen und syrische Armee nicht sagen können: Ihr habt die noch immer nicht im Griff!
Man beachte übrigens Stoltenbergs unverbindliches Blabla gegenüber dem NATO-Partner Türkei, während im Baltikum oder in Polen natürlich alles getan werden muß, um die Verbündeten zu „schützen“ und jede Menge Gerät und Soldaten aufgefahren werden …
Götz Aly:
Frage an die Bundesregierung: Wenn es nach Angaben von Maas Terroristen sind, die Idlib beherrschen, warum soll es dann ungerechtfertigt sein, diese zu bekämpfen? Kann mir jemand erklären, warum man die härtesten Sanktionen gegen Syrien verhängt und diese gegen Russland fordert, weil diese Staaten jene dschihadistischen Terroristen vertreiben wollen, vor denen die Bundesregierung warnt?
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/merkel-maas-und-die-terroristen-in-idlib-li.78095
Erdogan, der Syrienkrieg und die Flüchtlinge
17 provokative Thesen von Rainer Schreiber
1. Bei den “Rebellen”, die die Region um Idlib als letzte unter ihrer Kontrolle halten, handelt es sich nach allgemeiner Auskunft um radikale islamistische Milizen (zumeist als “Salafisten” charakterisiert), gegen deren Programm und Praxis sich ursprünglich der “War on Terror”, den die USA vor beinahe 20 Jahren ausgerufen hatten, angeblich richten sollte.
De facto hat diese Politik jedoch unter dem unausgesprochenen Topos “Regime Change” zuvörderst ausgerechnet die zwar autoritär regierten, aber halbwegs säkularen und modernen Staaten des Mittleren Ostens bekämpft und dabei Libyen und den Irak in komplett ruinierte “Failed States” verwandelt, in denen nur noch das Chaos herrscht und sich die zahllosen Freischärlergruppen, Warlords, Sektenchefs, schließlich Stellvertreter diverser regionaler und imperialer Mächte gegenseitig die Köpfe wegschießen. Alle zwischen diesen vermittelten “Abkommen” sind das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt wurden. Drastisch führt dies die aktuelle “Einigung” zwischen Taliban und Trump vor Augen, die keine vier Tage hielt – gegen alle Zusagen und vertraglichen Vereinbarungen griffen die Taliban auf breiter Front die afghanische Regierung an, das stationierte US-Militär antwortete mit Bombardements.
Von wegen Abzug, Befriedung und dergleichen. Die libysche Waffenruhe, die der deutsche Außenminister Maas kürzlich so vollmundig als “ersten Schritt zum Frieden” präsentierte, wurde seither schon “hundertfach gebrochen”, wie die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz ernüchtert feststellten.
2. Der “War on Terror” entpuppte sich als Bestandteil eines umfassenden imperialen Kräftemessens zwischen Russland und den USA um Vorherrschaft, Einfluss und Militärbastionen im Mittleren Osten. Der globale Machtkampf zwischen USA, Russland und China ist in vollem Gange; die USA wollen sich keinesfalls auf eine wie auch immer geartete “multipolare Weltordnung” einlassen und bekämpfen die militärische Gegenmacht Russlands und den Aufstieg Chinas zur Weltmacht mit allen Mitteln – Die Vereinigten Staaten wollen um jeden Preis die alleinige “Führungsmacht” der Welt bleiben, wie Donald Trump lauthals zu verkünden nicht müde wird. Die EU war bei diesem weltumspannenden Kräftemessen von vornherein vorwiegend im Schlepptau der US-Interessen unterwegs, was ihr im Unterschied zu der Zeit vor Trump aber keinen eigenständigen Part und damit Einfluss sicherte – so sehr sich auch Frankreich und England mit ihrer Führungsrolle im Luftkrieg gegen Gaddafis Libyen darum bemühten (wobei die zahllosen zivilen Opfer der Luftangriffe nie Thema der einschlägigen einheimischen Presse waren).
Versuche, eigenständige diplomatische Erfolge wie beispielsweise das Atomabkommen mit dem Iran zu sichern, wurden von der neuen Konfrontationspolitik unter Trump gezielt torpediert, ohne dass eine Gegenwehr der düpierten Europäer erfolgt wäre – sie setzen immer noch auf eine Rolle als devot agierende Juniorpartner im Windschatten der USA, obwohl die Zeit dafür längst abgelaufen ist, da die USA ihr früheres Modell der regelgebundenen, einvernehmlichen Suprematie zugunsten einer so unmittelbaren wie rücksichtslosen Durchsetzung ihres Anspruchs auf alleinige Weltmachtgeltung aufgegeben haben.
3. Der militärisch betriebene “Regime Change”… (Forts.):
https://www.heise.de/tp/features/Erdogan-der-Syrienkrieg-und-die-Fluechtlinge-4676581.html
Na ja.
Inzwischen sind die Kriege im Nahen Osten zu einem Stellvertreterkrieg zwischen USA und Rußland ausgeartet, aber ob das 2001 bereits so gedacht war, bezweifle ich.
Damals war Rußland als Macht ziemlich abgemeldet und die USA wollte in ihrer Machtvollkommenheit klarstellen, daß sich NIEMAND irgendwie gegen sie wenden dürfe, auch keine größenwahnsinnigen Einzelpersonen bzw. von ihnen selbst herangezogene religiöse Fanatiker.
Die USA und die Bundeswehr sind im Irak nicht nur im Norden stationiert (im kurdischen Bereich, nestor berichtete darüber), sondern auch in der Nähe von Bagdad.
Dort gibt es einen Zermürbungskrieg zwischen diversen Mächten…
https://www.heise.de/tp/features/Irak-Die-Verwundbarkeit-der-besten-Armee-der-Welt-4682941.html
Kleinformatige Weltpolitik durch die Justiz:
Syrien: Rechenschaft für Assads Opfer könnte in Deutschland beginnen
In Koblenz steht erstmals ein Befehlshaber eines syrischen Geheimdiensts für Folter und Mord vor Gericht. In Österreich gibt es ähnliche Initiativen.
https://kurier.at/politik/ausland/syrien-rechenschaft-fuer-assads-opfer-koennte-in-deutschland-beginnen/400821611
Schaut nach einem Dauer-Pranger für Syrien und auch Rußland aus.
So eine Art kleines Haager Tribunal, nur ohne Nach-Assad-Ordnung
Zweischneidiger Deal
Nordsyrische Autonomieregion schließt Abkommen mit US-Firma über Ölförderung
Von Nick Brauns
Die kurdisch geführte Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat einen Vertrag mit einer US-Firma über den Verkauf von Öl aus syrischen Ölfeldern abgeschlossen. Das meldete das Nachrichtenportal Al-Monitor Ende vergangener Woche. Mit der im US-Bundesstaat Delaware registrierten Delta Crescent Energy LLC sei die Entwicklung und Modernisierung der Ölfelder in den Gebieten unter Kontrolle der multiethnischen Militärallianz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) sowie der Verkauf des geförderten Öls vereinbart worden. Das syrische Außenministerium verurteilte am Wochenende das Abkommen, das syrische Öl »zu stehlen«, mit scharfen Worten.
Sinam Mohamad, die Vertreterin des die Autonomieregion nach außen repräsentierenden Demokratischen Syrienrates in den USA, habe ihr die Existenz eines solchen Vertrages über Whats-App bestätigt, schreibt die Journalistin Amberin Zaman auf Al-Monitor. Der republikanische Senator von South Carolina, Lindsay Graham, erklärte gegenüber dem Sender CBS, dass ihn der Generalkommandant der SDK, Maslum Kobani, persönlich über das Zustandekommen des Abkommens informiert und gebeten habe, dem US-Präsidenten die Details zu vermitteln. US-Außenminister Michael Pompeo bezeichnete am Donnerstag im Außenpolitischen Ausschuss des Senats das mit Billigung der US-Regierung ausgehandelte Abkommen, dessen Unterzeichnung sich länger als erwartet hingezogen habe, als »o. k.«.
Auf dem Weltmarkt spielt die syrische Ölförderung, die vor Kriegsausbruch rund 0,5 Prozent der weltweiten Förderung ausmachte, keine Rolle. Doch für die innersyrische Ökonomie ist das Öl von zentraler Bedeutung und für die Autonomieverwaltung eine Haupteinnahmequelle. Nach der Vertreibung der dschihadistischen Miliz »Islamischer Staat« (IS) kontrollieren die SDK den Großteil der syrischen Ölfelder, die sich in Rumalan nahe der Grenze zur Türkei und in der an den Irak grenzenden Wüstenregion um Deir Al-Sor konzentrieren. Vor Ausbruch des Krieges wurden dort täglich rund 380.000 Barrel Rohöl gefördert. Heute liegt die Produktion bei gerade einmal 60.000 Barrel, die in improvisierten Raffinerien weiterverarbeitet und über lecke Pipelines oder Tanklastwagen abtransportiert werden.
Neben Eigenverbrauch und dem Verkauf in die benachbarte Region Kurdistan-Irak wird von der Autonomieverwaltung trotz des von den USA verhängten Embargos gegen die Regierung von Präsident Baschar Al-Assad auch Öl an Damaskus verkauft. Von dem jetzigen Abkommen mit der Delta Crescent Energy LLC seien mehrere Ölfelder ausgespart worden, um sicherzustellen, dass die Syrer außerhalb der Autonomieregion »nicht ihres Anteils am Öl beraubt werden«, heißt es im Al-Monitor-Bericht. Die russische Regierung, die Damaskus mit Truppen in Nordsyrien unterstützt, sei vorab über das Ölgeschäft mit der US-Firma informiert worden und habe keinen Einspruch eingelegt.
Nach einem Teilrückzug der US-Truppen, der im Oktober 2019 den Weg zu einer weiteren türkischen Invasion in Nordsyrien freigemacht hatte, hatte US-Präsident Donald Trump erklärt, einige hundert Soldaten würden zum »Schutze des Öls« in der Region verbleiben. Daraufhin hatte die syrische Regierung Washington beschuldigt, das Öl zu rauben.
Durch den Deal mit der US-Firma erhofft sich die Autonomieverwaltung neben einer Modernisierung ihrer Ölförderungs- und Raffineriekapazitäten wohl auch Schutz der USA vor weiteren türkischen Angriffen. Dabei handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert, denn so wird nicht nur die völkerrechtswidrige Präsenz der US-Truppen in Nordostsyrien weiter legitimiert, sondern auch eine von der Autonomieverwaltung ausdrücklich angestrebte politische Lösung mit Damaskus erschwert.
Die Kontrolle über die syrischen Ölfelder bildete für die Autonomieverwaltung eine »Verhandlungsmasse« für zukünftige politische Verhandlungen mit Damaskus, hatte der Generalinspekteur des US-Verteidigungsministeriums in seinem im Mai veröffentlichten Quartalsbericht zum US-geführten Einsatz »Inherent Resolve« gegen den IS festgestellt. Weiter heißt es dort, dass es solche Verhandlungen »derzeit« nicht gäbe, da unter anderem die fortgesetzte Präsenz von US-Streitkräften für die Autonomieverwaltung eine bevorzugte Partnerschaft darstellt während die Forderung von Damaskus nach Übergabe der Ölfelder den SDK keinen Nutzen brächten.
Unter den derzeitigen Weltmarktbedingungen kann der Ölverkauf kein besonders profitreiches Geschäft sein.
Außer, die Firma zahlt Extrapreise, um sich die SDF gewogen zu halten. Dann macht sie aber womöglich Verluste, oder die US-Army kauft es ihr zu einem Sonderpreis ab.
Für die US-Firma eher eine Investition in die Zukunft, für die US-Regierung eine mögliche Einflußnahme, und Rußland und Damaskus scheinen die Sache als vorübergehend anzusehen. D.h. sie begrüßen eine Wiederaufbau-Investition, und vermuten, irgendwann kommt das Öl wieder unter ihre Kontrolle.
Syrien: Kriegspropaganda im 21. Jahrhundert
Leaks aus dem britischen Außenministerium bestätigen Vorwürfe über ein systematisches Weißwaschen der bewaffneten islamistischen Milizen als moderate Opposition
Einschätzung der aktuellen Lage in Syrien
von Karin Leukefeld
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1142696.besetzt-belagert-ausgepluendert.html
Danke, immerhin etwas.
So, jetzt kommt etwas Klarheit in die Sache mit dem Lager Al Hol.
Erstens sind tröpfchenweise schon immer wieder syrische Staatsbürger freigelassen worden, die als harmlos eingestuft worden sind.
Zweitens wird die Amnestie für alle syrischen Staatsbürger angekündigt, ist aber noch nicht vollzogen. Das heißt, die kurdische Selbstverwaltungsbehörde, die das beschlossen hat, läßt damit einen Probeballon steigen und wartet jetzt einmal auf die Reaktionen im In- und Ausland.
Die Stammesführer in Deir-ez-Zor und Umgebung sind wacklige Verbündete der Kurden, die die Freilassung ihrer Stammesgenossen verlangt haben, sonst platzt die sowieso etwas brüchige Allianz.
Das heißt vermutlich, sie schließen sich wieder Damaskus an, was auch für den Besitz der Ölfelder einiges heißt. Diese Amnestie ist also ein Versuch, die Macht der Zentralregierung einzuschränken und sich als kurdische Autonomiebehörde in Szene zu setzen.
Mit zweierlei Maß
UN-Sicherheitsrat: Westen verhindert Anhörung von früherem OPCW-Generaldirektor in Debatte zu angeblichem Chemiewaffenprogramm Syriens
Von Karin Leukefeld
Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die USA haben gemeinsam mit Belgien und Estland verhindert, dass der erste Direktor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), der brasilianische Diplomat José Bustani, am Montag nachmittag (Ortszeit) in New York im UN-Sicherheitsrat reden durfte. Thema der Debatte war der »Fortschritt bei der Vernichtung des syrischen Chemiewaffenprogramms«, Hauptrednerin war die UN-Beauftragte für Abrüstung, Izumi Nakamitsu, die ihren monatlichen Bericht vorlegte.
Bustani war vom russischen UN-Botschafter Wassili Nebensja – der im Oktober den Sicherheitsratsvorsitz hält – eingeladen worden, um über die OPCW und ihre Arbeit in Syrien zu sprechen. Grundlage dessen bildete die Geschäftsordnung, laut der der Vorsitzende und der Rat Gäste und Redner zu Treffen des Gremiums einladen können.
Nachdem am Freitag bekanntgeworden war, dass Bustani an der Sitzung teilnehmen sollte, erhielt der russische Diplomat am Sonnabend einen Brief, in dem Großbritannien, Estland, Belgien, Deutschland, Frankreich und die USA mitteilten, dass sie die Rede Bustanis ablehnen. »Wenn Sie dagegen sind, sagen Sie das laut im Sicherheitsrat«, erläuterte Nebensja seine Antwort. Es sei ein trauriger Tag in der Geschichte des Sicherheitsrates gewesen, so der Diplomat nach der Sitzung: »Wir haben einen Präzedenzfall geschaffen. Ein Redner, der den Sicherheitsrat informieren sollte, wurde niedergestimmt, das gab es noch nie.«
Der Vertreter Chinas warf den EU- und US-Diplomaten vor, mit zweierlei Maß zu messen. Niemand habe je verhindert, dass sie Redner in den Sicherheitsrat einladen, insbesondere nicht, wenn sie über Qualifikationen und Erfahrung verfügt hätten, wie Bustani.
Wer die zweieinhalbstündige Debatte beobachtete, wurde Zeuge von arroganten Äußerungen der Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands. Sie warfen Nebensja unter anderem vor, er kenne die Geschäftsordnung nicht, verdrehe die Tatsachen, verfolge in der Angelegenheit russische Interessen und betreibe Propaganda. Der Vertreter Estlands und die Botschafterin Belgiens stimmten dem im wesentlichen zu. Die US-Botschafterin Kelly Craft erklärte, »der zusätzliche Redner«, sei »von der OPCW 2002 entfernt« worden. Mit dem aktuellen Thema habe er nichts zu tun.
Bustani war von 1997 bis 2002 erster OPCW-Generaldirektor. 2002 wurde er von den USA unter Drohungen aus dem Amt gedrängt. Er hatte zuvor transparente Untersuchungen zu den angeblichen Chemiewaffenlagern des Irak angeordnet – und war zu einem Hindernis für den Angriff auf das Land geworden. Die Behauptung aus Washington und London, Bagdad verfüge über chemische Waffen war lediglich ein Vorwand, in den Irak einzumarschieren. Inzwischen ist bekannt, dass es die Massenvernichtungswaffen in dem Land nicht gab.
Frühere erfahrene OPCW-Inspektoren hatten 2018 und 2019 Ungereimtheiten und Fehler im offiziellen Abschlussbericht über angeblich von syrischen Streitkräften im April 2018 bei einem Angriff auf das östlich von Damaskus gelegene Duma eingesetzte Chemiewaffen öffentlich gemacht. Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten den Fall Duma zum Anlass genommen, umfangreiche Angriffe auf Syrien zu fliegen. Die Ergebnisse der eingeleiteten OPCW-Untersuchungen wurden nicht abgewartet.
Die von den führenden Vertretern der westlichen »Wertegemeinschaft« am Montag verhinderte Erklärung Bustanis wurde dennoch aufgezeichnet und veröffentlicht. Der Diplomat zeigte sich darin zutiefst besorgt über die Entwicklung der Organisation zum Verbot von Chemiewaffen, die er in den neunziger Jahren maßgeblich mit aufgebaut hatte.
Seit 2019 beschäftige er sich mit dem Duma-Bericht, der viele Fragen aufwerfe. OPCW-Inspektoren, die vor Ort waren, hätten diese Fragen auch vorgebracht. Aber die Organisation werde durch den Druck einiger Mitgliedstaaten in ihrer unvoreingenommenen, wichtigen Arbeit beeinträchtigt. Die Inspektoren hätten »unter großen persönlichen Risiken den Mut gefasst, das möglicherweise regelwidrige Verhalten« der OPCW anzusprechen, so Bustani. Es müsse im Interesse der Organisation und der Welt sein, dass ihre Zweifel zur Kenntnis genommen werden. Den »eigenen Inspektoren zuzuhören wäre ein wichtiger Schritt, den beschädigten Ruf der Organisation zu reparieren«, so Bustani.
“Die OPCW hat noch die Möglichkeit, sich selbst zu korrigieren”
Verhinderte Rede des ersten Generaldirektors der OPCW, José Bustani, über die Politisierung der Arbeit, Chemiewaffen in Syrien und einen Appell an seinen Nachfolger
Diese OPCW ist also inzwischen ein Schoßhündchen der USA und der EU, das beliebig für ihre Ziele eingesetzt wird und nicht einmal den Schein von Kompetenz und Neutralität verbreitet.
Feuer in Syrien
Nachdem im Sommer gezielt Weizenfelder im Nordosten angezündet wurden, brennt es nun im Nordwesten des Landes
Von Karin Leukefeld, Hama
Wieder brennt es in Syrien. Nach Feuern, die im Sommer im Nordosten des Landes große Weizenanbauflächen vernichtet haben, und Feuern in den Wäldern der Provinz Hama brennt es nun im grünen Band des Küstengebirges, dem wasser- und pflanzenreichsten Gebiet Syriens.
Die Weizenfelder im Nordosten wurden im Sommer von den Gegnern Syriens gezielt angezündet, die Ursache der jetzigen Brände in der Küstenregion ist noch unklar. Ein auf der Videoplattform Youtube kursierender Film zeigt, wie Männer in Uniform Feuer legen, im Hintergrund ist ein martialisches, hasserfülltes Kampflied zu hören, berichtet ein Betroffener der Autorin, der seinen Namen nicht nennen möchte.
Verdacht auf Brandstiftung
Eine Gruppe, die sich 123. Bataillon nenne, habe die Verantwortung für die Feuer übernommen, allerdings sei ihm nicht klar, wer sich hinter dem Namen verberge, sagt der Mann. Brandstiftung sei sehr wahrscheinlich, weil die derzeit wütenden rund 100 Feuer zur selben Zeit an verschiedenen Orten der Provinzen Tartus und Latakia in der Küstenregion und im Dschebel Ansarija, dem »Berg der Alewiten« bei der Stadt Mascht Al-Helo, ausbrachen.
Syriens Präsident Baschar Al-Assad besuchte am Dienstag verschiedene Orte in der Provinz Latakia, um die Schäden zu begutachten und mit Betroffenen zu sprechen. Begleitet wurde der Staatschef von den Ministern für Lokalverwaltung, Landwirtschaft sowie vom Gouverneur der Provinz Latakia. Der Bevölkerung wurden rasche Hilfen und Unterstützung für die Wiederaufforstung zugesagt. Das Ministerium für Binnenhandel und Verbraucherschutz rief zusammen mit der Föderation der Handelskammern in Syrien eine Spendenkampagne aus. Innerhalb kurzer Zeit waren nach Angaben des Ministeriums bereits 400 Millionen Syrische Pfund zusammengekommen, umgerechnet etwa 167.000 Euro.
Brandstiftung hatte bereits einen Monat zuvor große Waldgebiete bei Masjaf in der Provinz Hama und oberhalb der Ebene Al-Ghab zerstört. Al-Ghab ist eines der landwirtschaftlich fruchtbarsten Gebiete Syriens, das sich in den Provinzen Hama und Idlib entlang des Orontes-Flusses nach Norden erstreckt und um den Ort Dschisr Al-Schughur noch von den Dschihadisten der Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) und anderen Regierungsgegnern kontrolliert wird.
Schwierige Wiederaufforstung
Kilometerweit ziehen sich oberhalb der Ebene Al-Ghab schwarze Flecken, die von den großen Feuern übriggeblieben sind. Hier und in den Wäldern von Masjaf wüteten die Feuer sieben Tage lang, berichtet Abd Al-Moneim Sabbagh der Autorin Mitte September in Hama. Sabbagh leitet die Niederlassung des Landwirtschaftsministeriums in Hama, das sowohl für Hama als auch für die sich östlich anschließende Provinz Rakka zuständig ist. Abd Al-Moein Astif, der Leiter der Forstbehörde, und er seien mit ihren Mitarbeitern Tag und Nacht vor Ort gewesen, um die Feuer zu bekämpfen, erzählt Sabbagh: »Das ist unsere Aufgabe, in so einer Situation müssen wir ganze vorne mit den anderen sein, um unsere Wälder und unsere Landwirtschaft zu retten.« Hilfe kam von der Lokalbevölkerung, dem syrischen Zivilschutz und der Armee, resümiert Sabbagh, der ebenso wie der Forstbeamte Astif auf die Fragen der Autorin präzise und überlegt antwortet. »Die Armee hat mit Hubschraubern Wasser aus nahegelegenen Seen und Dämmen geschöpft und über den Brandherden verteilt. Auch der Iran hat mit Löschflugzeugen geholfen.«
Nach Hinweisen aus der Bevölkerung seien einige Personen festgenommen worden, Staatsanwaltschaft und Polizei untersuchten den Fall. »Doch der Schaden ist geschehen«, sagt Astif. »Während des Krieges haben wir durch Kämpfe, Bombardierungen und durch wilden Baumschlag schon soviel Baumbestand verloren …«, beklagt der promovierte Forstingenieur, der seit vielen Jahren auch mit der FAO, der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, zusammenarbeitet. Die Bäume seien »von allen Seiten gefällt« worden, so Astif. »Die einen brauchten Holz zum Heizen, die anderen brauchten das Holz, um es weiterzuverkaufen.«
Bis zu 50 Prozent ihres Baumbestandes habe die Provinz Hama verloren, schätzen die beiden Ingenieure. Mit den Feuern im September seien auch die Wiederaufforstungsprojekte zerstört worden.
Syrien: Waldbrände, die nächste Tragöde
Indessen baut al-Golani, Chef der HTS-Miliz, seine Herrschaft in Idlib weiter aus
Sieht so aus, als ob die Wiederherstellung Syriens innerhalb der vorigen Grenzen nicht so recht gedeiht.
Syrien: Russischer Angriff auf die “Lieblings-Miliz” der Türkei
Risse zwischen Moskau und Ankara? Der russische Außenminister Lawrow betont die Zusammenarbeit der beiden Länder
Eskorte im Suezkanal
US-Medienbericht: Russische Marine begleitet iranischen Tanker nach Syrien
Von Knut Mellenthin
Russland soll angeblich einem iranischen Öltanker im östlichen Mittelmeer Begleitschutz durch Kriegsschiffe gegeben haben. Falls das stimmen sollte, wäre es das erste Mal und könnte auf einen Taktikwechsel Moskau hinweisen. Bisher hat aber keine der beiden Seiten den Vorgang, der sich Mitte Oktober ereignet haben soll, bestätigt oder auf andere Weise zu den Berichten darüber Stellung genommen.
Die einzige Primärdarstellung der angeblichen Operation kommt vom US Naval Institute, das darüber am 21. Oktober auf seinem Nachrichtenportal USNI News berichtete. Das Unternehmen ist privat und nach eigenen Angaben »unabhängig«. Die Zielgruppe der Meldungen und Empfehlungen sind offenbar aktive und ehemalige Militärs, Angehörige der Geheimdienste und nicht zuletzt auch Regierungsstellen der USA. Der Sitz des schon seit 1873 bestehenden Naval Institutes liegt in Annapolis, Maryland, auf dem Gelände der elitären staatlichen Marine-Universität Naval Academy. Die »Unabhängigkeit« des USNI scheint damit definiert.
Dem Bericht vom 21. Oktober zufolge hatte der unter iranischer Flagge fahrende Öltanker »Samah« an einem nicht bezeichneten Tag den Suezkanal ins Mittelmeer durchfahren und kurz darauf aufgehört, seine Position und sein Ziel zu senden. Wahrscheinlich am 14. Oktober sei es zu einer Begegnung mit dem aus Syrien kommenden russischen Kriegsschiff »Akademik Paschin« gekommen. Ein kommerzieller Satellit habe sie etwas später gemeinsam auf dem Weg nach Syrien beobachtet. In ihrer Begleitung habe sich ein zweites russisches Kriegsschiff, der Zerstörer »Vizeadmiral Kulakow«, befunden. Sie seien »in loser Formation« mit dem Tanker in der Mitte gefahren. Am Morgen des 17. Oktober sei ein Tanker, bei dem es sich vermutlich um die »Samah« gehandelt habe, beim syrischen Ölterminal Banias vor Anker gegangen, während die russischen Kriegsschiffe Richtung Griechenland weitergefahren seien.
Soweit die angeblichen Fakten, als deren Quelle die USNI News lediglich für ein Detail ihrer Meldung die Webseite Marinetraffic.com ausweisen. Dahinter steht ein schwer zu erfassendes »Projekt« zur globalen Schiffsbeobachtung, an dem sich sowohl Zigtausende von Amateuren als auch ein vermutlich nicht unbedeutender Stab von Profis beteiligen. Kunden ihrer gebührenpflichtigen Dienstleistungen sind unter anderem Ölhändler, Schiffsversicherungsgesellschaften, aber ebenso militärische und nachrichtendienstliche Stellen.
Vom angeblichen Begleitschutz bleibt substantiell nicht viel mehr als die Beobachtung einer Schiffsbegegnung, die USNI News mit einem Satz aufwerten, zu dem aber keine Quelle genannt wird: »Die russische Marine hat angedeutet, dass sie ihre Aktivität zur Eskortierung von Handelsschiffen in der Region erhöhen werde.« In der Meldung heißt es ferner, ebenfalls ohne Quellenangabe, die russische Marine habe nach der Ankunft der »Samah« in Syrien von einer Übung vor der Küste berichtet, bei der es darum gegangen sei, »die störungsfreie Fahrt ziviler Schiffe« zu schützen.
Wahr ist, dass sich die beiden russischen Schiffe in der Region befanden. Die »Akademik Paschin« ist praktisch ein spezialisierter Tanker, der andere Schiffe der Kriegsmarine auf langen Fahrten mit Treibstoff versorgt. Die Bewaffnung und Technologie der »Vizeadmiral Kulakow« sind auf die Bekämpfung von U-Booten eingestellt. Beide Schiffe gehören zur Nordmeerflotte. Teile dieser Flotte werden aber immer wieder auch ins Mittelmeer geschickt. »Akademik Paschin« und »Vizeadmiral Kulakow« waren zusammen mit weiteren Kriegsschiffen auf einer Rundreise, die sie im August nach Algerien und Zypern, im September für anscheinend mehrere Wochen nach Syrien und zuletzt ab dem 19. Oktober für drei Tage in den griechischen Hafen Peiraios geführt hatte. Bei dem angeblichen Begleitschutz könnte es sich um die Aufnahme von Treibstoff oder Öl aus der »Samah« durch die »Akademik Paschin« gehandelt haben.
Bomben und Raketen
Syrien: Attacken Israels, Angriffe durch Dschihadisten und Explosionen. UN-Treffen zu einseitig verhängten Sanktionen
Von Karin Leukefeld
Bevor im UN-Sicherheitsrat am Mittwoch (Ortszeit New York) turnusgemäß über die politische und humanitäre Lage in Syrien beraten wurde, hatte es Tote und Verletzte bei Feuergefechten und Bombenexplosionen im Nordosten des Landes gegeben. Zudem griff die israelische Luftwaffe erneut Ziele nahe der Hauptstadt Damaskus an. Unterdessen kämpft die Bevölkerung mit der anhaltenden Verteuerung und Knappheit von Lebensmitteln, Benzin, Heizöl und Kochgas.
Am Dienstag berichtete die kurdische Nachrichtenagentur ANF von einem Überfall bewaffneter Kämpfer in der Umgebung von Ain Issa, der von türkischen Drohnen beobachtet worden sei. Die Stadt liegt nördlich von Rakka an der strategisch wichtigen Autobahnverbindung »M 4«, die Aleppo mit dem nordirakischen Mossul verbindet. 18 dschihadistische und von der Türkei unterstützte Kämpfer seien von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) getötet worden. Die SDK meldeten vier Verletzte aus den eigenen Reihen, auch acht Zivilisten seien verletzt und Wohnhäuser beschädigt worden. Unter den getöteten Dschihadisten sei Ismail Al-Aido gewesen, ein ehemaliger »Emir« der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS). Der Mann habe auf einer Fahndungsliste der US-geführten Allianz gegen den IS gestanden und soll für den türkischen Geheimdienst gearbeitet haben.
In nordostsyrischen Städten explodierten derweil zwei Autobomben. In Afrin wurden syrischen Medienberichten zufolge dabei ebenfalls Söldner der Türkei getötet. Der Ort liegt westlich von Aleppo und wurde Anfang 2018 von der türkischen Armee und dschihadistischen Kämpfern besetzt. Die Explosion soll sich am Dienstag unweit eines Kontrollpunktes ereignet haben, der den Gemüsegroßmarkt von Afrin mit einem Industriegebiet des Ortes verbindet, meldete die syrische Nachrichtenagentur SANA unter Berufung auf lokale Quellen. Auch Zivilisten seien bei der heftigen Detonation verletzt worden. Im westlich von Aleppo gelegenen Al-Bab wurden nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bei dem Bombenanschlag fünf Menschen getötet und 19 weitere verletzt.
Raketen explodierten in der Nacht zum Mittwoch auch westlich von Damaskus in der Provinzhauptstadt Kuneitra. Urheber war die israelische Armee, die erst vor einer Woche, am 18. November, das südliche Umland der Hauptstadt Syriens angegriffen und die Attacke auch bestätigt hatte. Die Raketen seien von den israelisch besetzten syrischen Golanhöhen abgefeuert worden, hieß es in Medienberichten. Die syrische Luftabwehr habe einige von ihnen abgefangen, die anderen hätten Sachschaden verursacht.
Die Angriffe überlagern die politischen Entwicklungen in und um Syrien. Im UN-Sicherheitsrat ging es um die mögliche Fortsetzung der Gespräche in Genf noch im November, bei denen die Regierung in Damaskus und die vom Ausland unterstützte syrische Opposition die Beratungen über eine neue Verfassung fortsetzen sollen.
Nach dem Tod des langjährigen syrischen Außenministers Walid Al-Muallim am 16. November ist dessen Stellvertreter Faisal Mekdad für das Amt vorgesehen. Baschar Al-Dschafari, syrischer Botschafter bei den Vereinten Nationen, wechselt nach Damaskus, wo er Stellvertreter von Mekdad werden soll. Beide Personalien deuten darauf hin, dass die syrische Regierung am bisherigen Kurs festhält, die Souveränität und territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen.
Ebenfalls für Mittwoch (Ortszeit) hatten China, Niger, Russland, St. Vincent und die Grenadinen sowie Südafrika eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates im informellen sogenannten Arria-Format anberaumt. Zu der Onlinekonferenz eingeladen waren neben den Sicherheitsratsmitgliedern alle UN-Mitgliedstaaten und ständige Beobachter verschiedener Organisationen. Thema sollten die von einigen westlichen Staaten – darunter auch Deutschland – einseitig verhängten Sanktionen sein, und wie man auf deren Aufhebung drängen könnte. Die Strafmaßnahmen gegen Syrien gehen einher mit der Besatzung und der Plünderung der syrischen Öl- und Gasressourcen, die das Land dringend zum Wiederaufbau benötigt. Die Folge sind Lebensmittelknappheit und Verteuerung.
Ermordung von Kernphysiker in Iran bringt designierten US-Präsidenten in Bedrängnis
Teheran macht Israel für tödlichen Anschlag am Freitag verantwortlich. New York Times verweist auf US-Beamte, die diese These bestätigen
Doppelte Standards
Iran: Attentat auf Atomforscher
Von Wiebke Diehl
Das Attentat komme einer Kriegserklärung gleich, kommentiert die Londoner Sonntagszeitung The Observer den tödlichen Anschlag vom vergangenen Freitag auf den Leiter der Forschungs- und Innovationsabteilung des iranischen Verteidigungsministeriums, Mohsen Fachrisadeh. Und tatsächlich: Genau wie die vom scheidenden US-Präsidenten Donald Trump persönlich angeordnete Ermordung des bedeutendsten iranischen Generals Kassem Soleimani im vergangenen Januar birgt der Anschlag, für den Teheran Israel und die USA verantwortlich macht, das Potential einer brandgefährlichen Eskalation mit nicht kalkulierbaren Folgen. Trump sinnt auf Rache für seine gescheiterte Iran-Politik und will sich in seiner Geltungssucht noch so viele Denkmäler wie möglich setzen. Direkt nach seiner Wahlniederlage soll er sich über Optionen für ein militärisches Vorgehen gegen Teheran erkundigt haben und beorderte nach der Tötung Fachrisadehs den erst im November abgezogenen US-Flugzeugträger »USS Nimitz« zurück in den Persischen Golf.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dessen Regierung in gewohnter Manier jegliche Stellungnahme verweigert, will um jeden Preis eine Rückkehr zum internationalen Atomabkommen verhindern. Schon 2018 hatte er Fachrisadeh zum »Vater des iranischen Atomprogramms« erklärt, dessen Namen man sich merken solle. Tage später kündigte Trump trotz einhelliger Warnungen aller Vertragspartner das Abkommen mit Teheran einseitig auf und verhängte fortan eine beispiellose Politik des »maximalen Drucks« inklusive tödlicher Wirtschaftssanktionen. Der wegen Korruption in drei Fällen und fragwürdiger U-Boot-Deals mit Deutschland innenpolitisch mächtig unter Druck stehende Netanjahu braucht dringend außenpolitische Erfolge.
Und so liegt der »Weltfrieden« ein weiteres Mal in der Hand der iranischen Regierung, der zugleich vorgeworfen wird, diesen zu bedrohen. Neben UN-Generalsekretär António Guterres ruft auch das deutsche Außenministerium zu Zurückhaltung auf, und konnte sich noch nicht einmal zu einer Verurteilung des Anschlags durchringen, der nach den Worten des ehemaligen CIA-Chefs, John Brennan, »staatlich geförderten Terrorismus« darstellen könnte.
Massud Ali Mohammadi, Madschid Schahriari, Dariusch Resaie, Mostafa Ahmadi Roschan – Fachrisadeh ist keinesfalls der erste iranische Atomforscher, der mitten in seiner Heimat ermordet wurde, wenn auch bei weitem der bedeutendste. Wer eine gefährliche Eskalation verhindern will, muss endlich die Doppelstandards über Bord werfen. »Der Anschlag war der Preis, den der Iran für Trumps Wahlniederlage bezahlen musste«, hat es die iranische Journalistin Sahra Asghari in seiner ganzen Absurdität auf den Punkt gebracht. Würde das Opfer aus einem anderen Land stammen, hätte der deutsche Außenminister mit Sicherheit deutliche Worte gefunden.
Die nächste Runde im Atomstreit mit Iran (26.11.2020)
Berlin drängt die künftige US-Administration zum Kurswechsel gegenüber Iran. Teheran dagegen setzt auf eine Politik des “Blicks nach Osten”.
BERLIN/WASHINGTON/TEHERAN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung dringt für die Zeit nach dem Amtsantritt des designierten US-Präsidenten Joe Biden auf eine schnelle Rückkehr unter das Atomabkommen mit Iran. Biden hatte seine Bereitschaft dazu schon vor Monaten erklärt; deutsche Unternehmen erhoffen sich davon lukrative Geschäftschancen, die nicht zuletzt beitragen könnten, die Coronakrise zu überwinden. Allerdings bestehen in Washington Hindernisse fort, so etwa in Form der mutmaßlich bleibenden republikanischen Mehrheit im US-Senat und in Form einer neuen Sanktionswelle, die der scheidende Präsident Donald Trump ausgelöst hat; sie belegt faktisch die gesamte iranische Erdölbranche mit ergänzenden, vom Atomabkommen unabhängigen Zwangsmaßnahmen. Hinzu kommt die auch von Berlin unterstützte Forderung, Iran solle seine regionale Einflusspolitik und sein Raketenprogramm massiv einschränken. Teheran ist nicht bereit, dem Folge zu leisten, und setzt – eine Konsequenz aus seinen außenpolitischen Erfahrungen mit dem Westen – auf eine Politik des “Blicks nach Osten”.
Die nächste US-Sanktionswelle
Der designierte US-Präsident Joe Biden hatte einen Kurswechsel in der Iranpolitik bereits vor Monaten in Aussicht gestellt. Sollte Iran die Vorschriften des Atomabkommens von 2015 wieder strikt befolgen, dann würden auch die Vereinigten Staaten “der Vereinbarung wieder beitreten”, hatte er angekündigt.[1] Er bezog sich dabei vor allem darauf, dass Teheran nach dem Bruch des Abkommens durch die Trump-Administration begonnen hatte, einige Regeln nicht mehr einzuhalten; so besitzt es inzwischen laut Auskunft der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) rund 2.440 Kilogramm angereicherten Urans, während nur 300 Kilogramm zulässig sind. Biden hat nach seinem Sieg zu erkennen gegeben, dass er sein Wahlversprechen in puncto Iran-Abkommen einhalten will.[2] Freilich ist noch nicht ganz klar, inwieweit etwa der US-Senat dies torpedieren kann; die Republikaner haben gute Chancen, nach der Stichwahl im Bundesstaat Georgia dort die Mehrheit zu behalten. Hinzu kommt, dass die scheidende Trump-Administration die Hürden erhöht. So hat sie im Oktober faktisch Irans gesamte Erdölbranche einschließlich des Ölministeriums und der National Iranian Oil Company mit zusätzlichen Sanktionen belegt; diese werden mit angeblicher Unterstützung der Betroffenen für die Revolutionsgarde begründet und lassen sich von der künftigen US-Administration womöglich weniger leicht aufheben als die Sanktionen im Kontext mit dem Atomabkommen.[3]
Berliner Illusionen
Berlin und die EU setzen erwartungsvoll auf die Rückkehr der künftigen Biden-Administration unter das Atomabkommen, die deutschen Unternehmen die Wiederaufnahme lukrativer Geschäfte ermöglichen würde.[4] Ergänzend unterstützt die Bundesregierung auch den Plan des President-elect, Iran über das Atomabkommen hinaus zur Einschränkung seiner regionalen Einflusspolitik und insbesondere seines Raketenprogramms zu drängen. Hintergrund ist, dass das Land laut Einschätzung von Spezialisten über das Potenzial verfügt, auf Dauer zur Vormacht am Persischen Golf aufzusteigen und den dortigen Einfluss des Westens zu begrenzen. Berlin und die EU, aber auch die “E3” (Deutschland, Frankreich, Großbritannien), deren Außenminister am Montag in Berlin zusammentrafen, haben erkennen lassen, sich als Mittler zwischen den USA und Iran zur Verfügung stellen zu wollen, um Verhandlungen, sollten sie auf direktem Wege nicht zustande kommen, zu ermöglichen.[5] Außenminister Heiko Maas hat dabei kurz nach der US-Wahl geäußert, man solle sich nicht mehr “nur auf die Nuklearfähigkeit” Teherans fokussieren, sondern auch “die regionale Rolle, die Iran spielt”, sowie sein Raketenprogramm einbeziehen. Experten warnen allerdings, mit derlei Forderungen überschätze man möglicherweise die eigene Stärke. Es müsse zunächst um die volle Wiederinkraftsetzung des Atomabkommens gehen, riet kürzlich die frühere EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini: Alles andere sei “ernsthaft illusorisch”.[6]
Ersatz für Sanktionsschäden
Tatsächlich kommen aus Teheran zwar durchaus positive Reaktionen auf Bidens Vorhaben. Eine Einigung sei “durchaus machbar und braucht weder Bedingungen noch Verhandlungen”, ließ sich der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif zitieren: Sobald Washington sich wieder an das Atomabkommen halte – dazu zählt die Aufhebung der Sanktionen -, werde Iran dies ebenfalls tun.[7] Gespräche über ein weiter reichendes Abkommen sind demnach aber vor der erneuten Inkraftsetzung der Nuklearvereinbarung unerwünscht. Berichten zufolge haben iranische Diplomaten dies informell bereits bestätigt; demnach hat Teheran auch an einer nur vorläufigen Lösung kein Interesse.[8] Gespräche über das Raketenprogramm stehen, wie es heißt, aus Sicht Irans prinzipiell nicht zur Debatte: Hintergrund ist, dass das Land – aufgrund des langjährigen Waffenembargos militärisch geschwächt – Raketen zur Abschreckung gegen die Golfmonarchien braucht, die vor allem von den USA mit hochmodernen Bomberflotten aufgerüstet werden. Seinerseits fordert Teheran eine Entschädigung für die Milliardenschäden, die Washington dem Land mit seinen völkerrechtswidrigen extraterritorialen Sanktionen zugefügt hat. Zwar gehen, so wird berichtet, Außenpolitiker in Teheran realistischerweise nicht davon aus, dass die USA zur Zahlung eines Schadensersatzes bereit sein könnten. Doch seien sie nicht gewillt, in dieser Sache von vornherein klein beizugeben.[9]
Gescheiterte Vertrauensbildung
Irans Ablehnung der Forderung, für eine Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Atomabkommen vorab neue Zugeständnisse zu machen, resultiert dabei aus den außenpolitischen Erfahrungen des Landes und den Konsequenzen, die die Teheraner Eliten aus ihnen gezogen haben. Im Atomstreit mit dem Westen hatte die Regierung unter Präsident Mahmoud Ahmadinejad (2005 bis 2013) erstmals versucht, sich unter dem Motto “Blick nach Osten” gezielt auf eine enge Zusammenarbeit mit nichtwestlichen Staaten zu stützen. Damit gelang es nicht, den UN-Sanktionen zu entkommen. Ahmadinejads Nachfolger Hassan Rohani hatte daraufhin eine zweigleisige Politik getrieben, die zwar die Kooperation mit der nichtwestlichen Welt fortsetzte, gleichzeitig aber bemüht war, mit dem Westen zu einer Entspannungspolitik zu finden. Dabei galt ihm das Atomabkommen, wie die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Studie festhält, “als vertrauensbildende Maßnahme”, die langfristig auch “den Weg zu einer vorsichtigen Politik der Öffnung gegenüber den USA ebnen sollte”.[10] Das scheiterte im großen Stil, als im Jahr 2018 die Trump-Administration das Atomabkommen brach und mit brutalen extraterritorialen Sanktionen Irans vollständigen ökonomischen Zusammenbruch herbeizuführen suchte. Im Februar 2018 legte Revolutionsführer Ali Khamenei das Land erneut auf eine “Blick nach Osten”-Politik fest.
“Vom Westen unabhängige Ordnungsstrukturen”
Dabei geht es nicht mehr nur darum, in der Zusammenarbeit etwa mit Russland, Indien und China ein Mindestmaß an relevantem Außenhandel zu retten sowie politisch Rückendeckung zu erhalten. Zu diesem Zweck hat Teheran im Sommer beispielsweise ein 25-Jahre-Abkommen mit Beijing geschlossen, dessen Bedeutung im Westen zuweilen übertrieben wird, das aber dennoch die Fortsetzung einer gedeihlichen Kooperation für das kommende Vierteljahrhundert in den Blick nimmt.[11] Darüber hinaus hat Teheran nun allerdings, wie die SWP konstatiert, auch “langfristige ordnungspolitische Ziele” im Visier: Es “lehnt nicht nur eine von den USA dominierte unipolare Weltordnung ab”, sondern es strebt auch “aktiv danach, das bestehende internationale System”, das Iran seit vielen Jahren einschnürt, “zu verändern”. “In den Staaten des asiatischen und eurasischen Raums”, schreibt die SWP, sehen Teherans Eliten heute “das größte Potential für die Bildung neuer und vom Westen unabhängiger Ordnungsstrukturen”.[12] Darüber hinaus erhoffen sie für ihr Land in “einem multipolaren System, in dem asiatische Akteure … eine ordnungsstiftende Rolle einnehmen, eine vorteilhafte Position im internationalen Gefüge”.
Ain Issa im Fadenkreuz
Türkische Armee und Söldner weiten Angriffe in Nordsyrien aus. Strategisch wichtige Stadt unter Beschuss
Von Nick Brauns
Weitgehend ignoriert von der Weltöffentlichkeit haben die türkische Armee und ihre Söldner der sogenannten Syrischen Nationalarmee in den vergangenen Wochen ihre Angriffe auf das nordsyrische Selbstverwaltungsgebiet Rojava wieder intensiviert. Im Rahmen eines wie nach den Lehrbüchern der NATO-Aufstandsbekämpfung geführten »Krieges niederer Intensität« zur Zermürbung und Vertreibung der Zivilbevölkerung erfolgten bereits das ganze Jahr über sporadische türkische Artillerie- und Drohnenangriffe auf Dörfer und Felder, Sabotageakte gegen Infrastruktur wie die Wasserversorgung sowie Verschleppungen, Folterungen und Morde an Zivilisten durch Dschihadisten. Doch nun scheint sich Ankara auf eine erneute größere Besatzungsoperation vorzubereiten.
Im Fadenkreuz der Attacken befindet sich die zwischen der türkischen Grenze und Rakka gelegene Kleinstadt Ain Issa. Durch Artilleriebeschuss von Wohngebieten wurden dort und in umliegenden Dörfern seit Ende November bereits etliche Zivilisten getötet oder verletzt sowie zahlreiche Häuser beschädigt, berichtete die kurdische Nachrichtenagentur ANF am Freitag. »Es werden intensive Angriffsvorbereitungen getroffen«, warnt die multiethnische Millitärallianz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) angesichts der Truppenkonzentration der unter türkischem Kommando stehenden Söldner nördlich der Kleinstadt. Deren Versuche, unter dem Kommando kampferfahrener früherer Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates (IS) bis in den Stadtkern von Ain Issa vorzustoßen, konnten bislang vereitelt werden. Doch türkische Militärstützpunkte, von denen aus sich die Stadt und das umliegende Gebiet mit Wärmebildkameras beobachten lassen, befinden sich mittlerweile nur noch zwei Kilometer von der Kleinstadt entfernt. Zudem überfliegen permanent Aufklärungsdrohnen die Region.
Ain Issa war im Sommer 2016 durch die SDK von der Schreckensherrschaft des IS befreit worden. Heute dient die Kleinstadt, in der rund 1.400 mehrheitlich arabische aber auch kurdische Familien leben, als Hauptstadt der autonomen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien. Ihre strategische Bedeutung gewinnt sie allerdings durch ihre Lage direkt an der »M 4«-Schnellstraße. Die in etwa 30 Kilometer Entfernung parallel zur syrisch-türkischen Grenze verlaufende Straße, die Aleppo mit dem irakischen Mossul verbindet, ist Lebensader für die Bevölkerung im Norden Syriens. Die Kontrolle über die »M 4« gilt als strategisches Ziel der neoosmanischen Besatzungspläne Ankaras, laut denen eine Ausweitung der türkischen Grenzen bis in die erdölreichen Gebiete um Kirkuk im Nordirak und Deir Al-Sor in Syrien angestrebt wird.
Im Herbst vergangenen Jahres haben die türkische Armee und ihre Söldner im Norden Syriens bereits ein rund 120 Kilometer breites und in die Tiefe fast bis zur »M 4« reichendes Gebiet zwischen den Grenzstädten Tel Abjad und Ras Al-Ain eingenommen. Das besetzte Gebiet dient seitdem als Brückenkopf, aus dem heraus trotz zweier Waffenstillstandsabkommen, für die die USA und Russland sich jeweils als Garantiemächte verantwortlich zeichnen, Angriffe auf das Umland fortgesetzt werden. Im Zuge eines im Oktober 2019 getroffenen Verteidigungsabkommens zwischen den SDK und der Regierung in Damaskus sind bei Ain Issa syrische Armeeeinheiten stationiert worden, die russische Militärpolizei ist zudem für die Sicherheit auf der »M 4« verantwortlich.
Entsprechend groß ist die Empörung über die Untätigkeit der Garantiemächte angesichts der jüngsten türkischen Angriffe auf Ain Issa. »Die Bevölkerung ist wütend auf Russland und das Regime«, berichtete Barin Kobane, die Kommandantin der zu den SDK gehörenden kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ, am Freitag gegenüber ANF von Protesten der Bevölkerung nach dem Beschuss von Wohnsiedlungen. »Wir greifen niemanden an, aber die türkische Armee attackiert permanent«, beschuldigte die kurdische Kommandantin zugleich ein »Schweigekartell in der NATO«, das Vorgehen der Türkei zu decken.
Deutsche Milde für Dschihadisten
Auswärtiges Amt lässt umstrittenen Anführer der “Weißhelme” aus Jordanien einfliegen. Sicherheitsbedenken von Geheimdienst verworfen. Offene Fragen zu Sicherheitsüberprüfungen
Deutschland spielt also weiterhin die dschihadistische Karte in Syrien. Nur will es sich anscheinend eine eigene Dschihadisten-Gruppe halten, möglicherweise in Zusammenarbeit mit der Türkei und Israel.
Außerdem gibt es auf der Justizebene Versuche, die syrische Regierung zu delegitimieren:
Weltweit erster Prozess zu Staatsfolter in Syrien vor dem OLG Koblenz
https://www.ecchr.eu/fall/weltweit-erster-prozess-zu-staatsfolter-in-syrien-vor-dem-olg-koblenz/
Wird Deutschland Syriens Machthaber Assad wegen Kriegsverbrechen anklagen?
https://www.dw.com/de/wird-deutschland-syriens-machthaber-assad-wegen-kriegsverbrechen-anklagen/av-55742406
Für das Geschehen in Syrien dürfte das alles wenig Bedeutung haben, da ist die ganze EU als Player ziemlich ausgemischt.
Aber für die innerdeutsche Debatte um den Islam (AfD, Reichsbürger, Netzwerke innerhalb von Militär und Polizei) geben solche Allianzen viel Zündstoff her. Auf diesen Umstand dürfte auch der Streit zwischen Innen- und Außenministerium zurückzuführen sein.
Türkische Aggression
Offensive auf Ain Issa in Nordsyrien. Propagandakrieg gegen kurdische Freiheitsbewegung
Von Nick Brauns
Im Norden Syriens hat die türkische Armee in der Nacht zum Freitag unter offenem Bruch eines seit vergangenem Jahr gültigen Waffenstillstandsabkommens eine von schwerem Artilleriebeschuss begleitete Offensive auf die Kleinstadt Ain Issa gestartet. Ziel ist die Kontrolle über die in 30 Kilometern Entfernung parallel zur Grenze verlaufende, strategisch wichtige »M 4«-Schnellstraße. Bei heftigen Gefechten mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) wurden nach Angaben der kurdischen Nachrichtenagentur in Syrien, Anha, viele türkische Soldaten und mit ihnen verbündete dschihadistische Söldner getötet. Die russische und syrische Armee, die gemeinsame Observationsposten mit den SDK bei Ain Issa errichtet haben, griffen laut Anha bislang nicht in die Kämpfe ein.
Derweil spitzen sich die von Ankara geschürten Spannungen zwischen der in der nordirakischen Autonomieregion Kurdistan regierenden Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie deren Schwesterverbänden in Nordsyrien zu. Der kurdische Premierminister Masrur Barsani beschuldigte die Volksverteidigungseinheiten YPG, dominante Kraft innerhalb der SDK, am Mittwoch einen Posten der Peschmerga an der Grenze zum Nordirak mit schweren Waffen angegriffen zu haben.
Die SDK wiesen dies am Donnerstag als »Übertreibung« eines durch »schlechte Koordination zwischen den Sicherheitskräften auf beiden Seiten der Grenze« erfolgten Vorfalls zurück. Eine PKK-Guerillaeinheit, die den SDK bei einer Operation gegen die Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« (IS) geholfen habe, sei auf dem Rückweg in ihre Basis von Peschmerga-Kräften belagert worden. Ein kurzes Feuergefecht sei mit Hilfe der etablierten Kommunikationskanäle schnell beendet worden.
Der offenbar von der KDP absichtlich provozierte Vorfall ereignete sich direkt vor dem Besuch des irakischen Premierministers Mustafa Al-Kadhimi am Donnerstag beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Die türkische Regierung wirbt seit langem in Bagdad für ein gemeinsames Vorgehen gegen die PKK. Bereits am Montag hatte Barsani laut der KDP-nahen Nachrichtenseite Kurdistan24 in einem Telefonat mit dem US-Sonderbeauftragten für Syrien, Joel Rayburn, im Einklang mit Ankara behauptet, die SDK würden Waffen, die sie von der US-Regierung zum Kampf gegen den IS erhalten hatten, an die PKK weitergeben. Barsani beschuldigte die PKK zudem, für die gewalttätigen Massenproteste gegen die kurdische Regierung, die sich an ausstehenden Beamtengehältern entzündet hatten, verantwortlich zu sein.
»Die KDP versucht mit ihrer Propaganda im In- und Ausland, die Angriffe des türkischen Staates auf unsere Bewegung und unser Volk zu legitimieren«, warnte die PKK in einer Erklärung vor noch umfassenderen Attacken. Bereits am vergangenen Sonntag hatten Peschmerga in der Provinz Dohuk an zwei Orten das Feuer auf Fahrzeuge mit PKK-Kämpfern eröffnet. Bei den Auseinandersetzungen wurden mehrere Guerillakämpfer verletzt und ein Peschmerga getötet. Die KDP hatte in den letzten Monaten parallel zu Operationen der türkischen Armee im Grenzgebiet die Rückzugsgebiete der Guerilla im Bergland mit ihren Peschmerga eingekreist. Die vom Barsani-Clan geführte KDP hat sich aufgrund von Ölgeschäften, die sie entgegen einer Abmachung mit Bagdad direkt über die Türkei abwickelt, von Ankara abhängig gemacht.
Na ja, das ist irgendwie milde ausgedrückt.
Die Barzani-Partie hat sich mit Hilfe der USA (und auch der EU), die dort Stützpunkte unterhalten und Teile des Territoriums besetzen, und der Türkei, mit der sie jede Menge Geschäfte machen, eine Art feudalen Lehensstaat eingerichtet.
„Abhängig“ ist der Barzani-Clan rund um die KDP zwar von diesen Schutzmächten, aber zunächst denket dieser Barzani-Dunstkreis an SICH. Ihre Erzrivalen, die Talabanis, haben sie offenbar auch in den Hintergrund gedrängt, und die Rückzugsgebiete der PKK im Nordirak stören sie natürlich sehr, weil die ihre Förderer und Schutzmächte ärgern.
Dschihadist im Anzug
Dschihadisten-Führer Abu Muhammad al-Golani verkleidet sich als Staatsmann und setzt auf ein besseres Verhältnis zu den USA unter Präsident Biden
Ich habe mich einmal hingesetzt und ein russisches Portal nach Neuigkeiten über Syrien durchsucht.
Es gibt täglich dort Kämpfe. Die syrische Armee (SAA) ist u.a. damit beschäftigt, die Strecke zwischen Palmyra/Tadmur und Deir-es-Zor zu sichern. Das sind ca. 207 km durch die Wüste, wo sich noch versprengte Reste des IS herumtreiben, und bindet viel Menschen und Gerät. Diese Operation ist unbedingt notwendig, um nicht nur den IS aus diesen Gegenden hinauszusäubern, sondern auch, um die ganze Gegend um den südlichen Euphrat herum und westlich davon wieder richtig in das syrische Staatsgebiet zu integrieren.
Dabei wurde auch das südlich von Deit-es-Zor gelegene Ölfeld Al-Tajem wieder erobert und in Betrieb genommen.
Eine der Operationsbasen des IS ist die Umgebung der von den USA besetzten Grenzstation Al-Tanf an der irakisch-jordanischen Grenze und das neben ihr gelegene Flüchtlingslager. Von dort unternehmen die IS-Kämpfer Ausfälle auf genau diesen Verkehrsweg, wobei zuletzt 28 syrische Soldaten bei Asch-Schola getötet wurden. Zuletzt gab es am 31.1. Gefechte mit IS-Mitgliedern bei Asch Schola und Kabadschir.
Hier ist diese Meldung interessant:
US Forces Focus on IS, Not on Protecting Syrian Oil Fields, Pentagon Says
U.S. forces in Syria are focused on fighting the remnants of the Islamic State group and are not guarding oil fields as previously ordered by former President Donald Trump, a U.S. defense official said Monday.
Since a U.S. firm contracted last year with the Kurds in northern Syria to help exploit northeastern Syria oil reserves, U.S. troops are not involved, said Pentagon spokesman John Kirby.
The 900 U.S. military personnel and contractors in the region “are not authorized to provide assistance to any other private company, including its employees or agents, seeking to develop oil resources in Syria,” Kirby said.
The only exception is when U.S. troops in Syria are operating under existing authorizations to protect civilians, he said, which could explain the continuing presence of U.S. forces around the area of the oil fields.
“It’s important to remember that our mission there remains to enable the enduring defeat of ISIS,” he said, referring to the Islamic State.
The shift is more a change in tone by the new U.S. President Joe Biden from Trump’s policy for the decade-old Syrian civil war.
The main oil fields are in territory in the country’s northeast, a region where the U.S.-allied Kurdish Syrian Democratic Forces hold sway and depend on the oil for income.
In 2019, after the Syria-Iraq Islamic State “caliphate” was crushed by U.S. and allied forces, Trump declared that U.S. troops would mostly withdraw from the country, leaving behind a residual force to “protect” the oil.
U.S. officials said at the time that they were there to prevent the oil fields from falling into the hands of extremists.
The next year a previously unknown U.S. oil company, Delta Crescent Energy, signed a deal with the Kurds to exploit the oil deposits.
https://www.voanews.com/middle-east/us-forces-focus-not-protecting-syrian-oil-fields-pentagon-says
Es fragt sich, wer bisher Abnehmer dieses Öls war und wie sich die derzeitigen Betreiber dieser Ölfelder jetzt mit Damaskus arrangieren müssen.
In der Provinz Idlib griffen Kämpfer der Miliz „Ansar Al-Tauchid“ syrische Stellungen am Südrand von Idlib bei Kafr Nabudah mit Raketen an. 10 Tote, 12 Verletzte.
Dergleichen scheint beim Grenzgebiet zu Idlib täglich zu passieren. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis dort wieder eine Offensive startet, um diese Attacken abzustellen.
Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDS, Kurden u.a.) starteten eine Offensive gegen den IS in der Provinz Deir-es-Zor, als Antwort auf die Ermordung einiger der Mitglieder der Autonomieverwaltung. (Vermutlich ist dieser Feldzug der SDS koordiniert mit der SAA.)
Die internationale Koalition (d.h., SAA-Rußland-Irak-Hisbollah) schickte 50 Transportfahrzeuge mit schwerem Gerät in die Provinz Hasaka – über einen irakischen Grenzübergang. D.h., direkt war es aus nicht näher angeführten Gründen nicht möglich.
Das syrische Außenministerium wies den Antrag der Türkei ab, in der syrischen Grenzstadt Ar-Raï einen Ableger der medizinischen Fakultät der Istanbuler Universität zu eröffnen, weil das den Einfluß der Türkei in Syrien ungebührlich steigern würde.
Bei Aleppo wird ein neues großes Solarkraftwerk gebaut.
13. Januar: Israel bombardiert mit ca. 50 Angriffen Ziele in Deir-es-Zor und Abu-Kamal (irakische Grenze/Euphrat). Opfer waren vor allem Einheiten der Hisbollah und anderer proiranischer Milizen. Die syrische Armee meldet 5 Todesopfer.
Dergleichen Angriffe Israels sind inzwischen völlig üblich. Oftmals finden 2-3 pro Woche statt, allerdings weniger umfangreich wie dieser vom 13.1.
Syrien und Rußland protestieren deswegen regelmäßig vor dem UNO-Sicherheitsrat, ohne Ergebnis.
So, genug für heute.
Schöne Worte rund ums Öl
Washington ändert Sprachduktus zu militärischer Präsenz in Syrien: Es gehe nur um Kampf gegen »Islamischen Staat«
Von Karin Leukefeld
Die US-Administration von Joseph Biden hat ihre bisherige Sprachregelung für die anhaltende Präsenz von US-Truppen im Nordosten Syriens geändert. Im Pentagon heißt es nun, man sei nicht dort, »um das Öl zu schützen«. Die Mission der US-Soldaten dort sei es, »die dauerhafte Niederlage des IS (»Islamischer Staat«, jW) zu garantieren«, erklärte John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Montag (Ortszeit) in Washington.
Die Frage von Journalisten, ob die Militärs der US-Firma Delta Crescent Energy LLC helfen würden, die seit August 2020 in Kooperation mit der kurdisch dominierten Selbstverwaltung im Nordosten des Landes Öl aus den syrischen Ölfeldern fördert und vermarktet, wies Kirby zurück. Das US-Militär und mit diesem kooperierende private Sicherheitsunternehmen hätten »nicht den Auftrag, irgendeine private Firma, deren Mitarbeiter oder Agenten zu schützen, die vorhaben, die Ölressourcen in Syrien zu entwickeln«, wurde Kirby in Medien zitiert. Sollten die US-Truppen sich ausnahmsweise in der Nähe von Ölfeldern aufhalten, geschehe dies, um Zivilisten zu schützen.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte 2019 nach der Zerschlagung des IS den Rückzug der US-Truppen aus Syrien angeordnet. Dies war aber weder vom Pentagon noch vom US-Außenministerium umgesetzt worden. Trumps Sonderbeauftragter im Kampf gegen den IS, James Jeffrey, räumte Ende 2020 vor Journalisten in Washington ein, den US-Präsidenten permanent getäuscht zu haben: »Wir haben Hütchenspiele gespielt«, sagte Jeffrey. Man habe Trump nie genau gesagt, wie viele US-Soldaten tatsächlich in Syrien verblieben waren. Er habe schließlich zugestimmt, eine geringe Zahl von Militärs im Land zu belassen, um »das Öl zu schützen«, wie er sagte.
Die syrische Regierung wirft den USA vor, den Nordosten Syriens besetzt zu halten, um Damaskus den Zugang zu seinen nationalen Ressourcen zu verwehren. Wiederholt war der Versuch der syrischen Streitkräfte, mit verbündeten Milizen Zugang zu den großen Ölförderanlagen von Omari (nordöstlich von Deir Al-Sor) und Rmeilan (nordöstlich von Hasaka) zu erhalten, militärisch von den bewaffneten Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) mit Unterstützung der US-Luftwaffe gestoppt worden.
US-Politiker und -Thinktanks bezeichnen den Nordosten Syriens als »Wirtschaftszentrum« mit den strategischen Ressourcen Öl, Gas, Weizen und Baumwolle. Dass dieses Gebiet »uns gehört«, führte Dana Stroul von der Syria Study Group bei einem Seminar im Oktober 2019 aus. Damit könne der Druck auf die syrische Regierung aufrechterhalten werden. Ergänzt wird diese »Strategie« durch die einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, die von der Europäischen Union seit 2011 gegen Syrien verhängt wurden. Hinzu kommt das sogenannte Caesar-Gesetz der USA, das im Sommer 2020 in Kraft trat.
Die syrischen Ölressourcen waren 2012 zunächst von bewaffneten Kräften der »Freien Syrischen Armee« besetzt worden, später von der »Fatah-Al-Scham-Front«, dann vom »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« und schließlich von den kurdisch dominierten SDK, den Bündnispartnern der US-geführten sogenannten Anti-IS-Allianz. US-Truppen haben die großen Ölförderanlagen von Omari und Rmeilan zu Militärstützpunkten ausgebaut.
Ehemalige Ingenieure und Mitarbeiter in den Ölförderanlagen dokumentierten die wilde, unsachgemäße Ausbeutung der Quellen in diesen Jahren, die zu einer dramatischen Umweltzerstörung führte. Der syrische Minister für die Ölressourcen, Bassam Toma, bezifferte am vergangenen Mittwoch vor dem syrischen Parlament die Verluste aus dem Ölsektor seit Beginn des Krieges in Syrien mit 91,5 Milliarden US-Dollar (75,6 Milliarden Euro). Drei Milliarden US-Dollar betrage der Schaden durch die Luftangriffe der US-geführten internationalen Allianz, so Toma. Der Verlust der Infrastruktur werde auf 19,3 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Das erklärt teilweise, warum Damaskus einen Militärkonvoi von Deir-es-Zor über den Irak nach Hasaka schickt.
Die Ölfelder von Rmelan sind angeblich 2019 von der syrischen Armee erobert worden:
„Syrien entwand das Öl Rmelans den Händen der USA und ihrer kurdischen Mietlinge“
https://riafan.ru/1225291-siriya-vyrvala-neft-rumeilana-iz-ruk-ssha-i-ikh-kurdskikh-naimitov
Ein Versuch, die USA nachzumachen – universale Justiz – und sich als moralische Instanz im Syrienkonflikt einzubringen – in Ermangelung anderer Einmischungsmittel:
Urteil im weltweit ersten Prozess um Mord und Folter in Syrien fällt
Am Mittwoch wird in Deutschland ein wegweisendes Urteil erwartet. Einem Mann werden Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen
Syrische Flüchtlinge und die arabischsprachige Welt schauen am Mittwoch auf die deutsche Stadt Koblenz: Im weltweit ersten Prozess um Mord und Folter durch den syrischen Staat will das dortige Oberlandesgericht (OLG) an diesem Tag das erste Urteil verkünden.
https://www.derstandard.at/story/2000124352536/urteil-im-weltweit-ersten-prozess-um-mord-und-folter-in
Bidens erster Luftangriff
Militärschlag in Syrien: Laut Washington »Antwort« auf Angriffe im Irak
Von Knut Mellenthin
Zum ersten Mal seit Beginn seiner Amtszeit am 20. Januar hat US-Präsident Joseph Biden einen militärischen Angriff veranlasst. Mehrere Gebäude eines Grenzkontrollpunkts in Ostsyrien wurden durch amerikanische Luftschläge zerstört, gab Pentagon-Sprecher John F. Kirby am Donnerstag (Ortszeit) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsminister Lloyd J. Austin bekannt. Die Anlagen seien von mehreren »militanten Gruppen«, die vom Iran unterstützt würden, genutzt worden. Die Militärschläge seien als »Antwort« auf Angriffe angeordnet worden, die in jüngster Zeit im Irak stattgefunden hätten, sagte Kirby. Der Einsatz sende »eine eindeutige Botschaft: Präsident Biden handelt, um das Personal der USA und ihrer Verbündeten zu schützen«. Gleichzeitig sei man »in durchdachter Weise mit dem Ziel vorgegangen, die Gesamtlage sowohl in Ostsyrien wie auch im Irak zu deeskalieren«.
Austin ergänzte: Er habe Biden diese »Operation« empfohlen. Man sei inzwischen aufgrund der Ermittlungen der irakischen Behörden sicher, dass das Ziel der Luftschläge von der selben schiitischen Miliz genutzt worden sei, die am 15. Februar einen Stützpunkt im Nordirak mit Raketen angegriffen habe. Dabei wurde ein »ziviler« Vertragspartner der US-Streitkräfte getötet und ein US-Soldat verletzt. Noch am Dienstag hatte Kirby gegenüber Journalisten erklärt, über die Verantwortlichen für diesen Angriff gebe es keine Erkenntnisse.
Die in Großbritannien ansässige oppositionsnahe »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« behauptete am Freitag, dass der US-Luftangriff sich unter anderem gegen drei aus dem Irak kommende Lkw mit Munition gerichtet hätte. 17 Menschen – angeblich alles Mitglieder des irakischen Miliznetzwerks Haschd Al-Schaabi – seien bei dem Angriff getötet worden. Die »Beobachtungsstelle«, die aus unbekannten Quellen finanziert wird, macht hauptsächlich Propaganda gegen die syrische Regierung. Die Herkunft ihrer Meldungen liegt meist im Dunklen.
Der iranische Sender Press TV meldete Freitag mittag, bei dem Angriff seien ein Mensch getötet und vier weitere verletzt worden. Es habe sich um »Widerstandskräfte« gehandelt, die an der irakisch-syrischen Grenze »gegen Terrorgruppen operieren«.
Kein Neustart mit Biden
Erste US-Kriegshandlung seit Amtsantritt
Von Knut Mellenthin
US-Präsident Joseph Biden hat am Donnerstag die erste Kriegshandlung seiner Amtszeit veranlasst. Ein Luftangriff traf Kämpfer einer Miliz, die im Grenzgebiet zwischen Syrien und Irak fundamentalistische Terrororganisationen in Schach zu halten versucht. Aber das eigentliche Ziel des US-amerikanischen Militärschlags war der Iran, der angeblich diese Miliz unterstützt.
Biden flankiert damit seinen »diplomatischen Neuanfang« gegenüber Teheran, der in Wirklichkeit noch nicht einmal begonnen hat und von Anfang an substanzlos erscheint. Statt eine Aufhebung der schweren Wirtschafts- und Finanzsanktionen wenigstens in Aussicht zu stellen, konfrontiert Biden die Iraner mit indiskutablen Forderungen. Im Zentrum stehen die Zusammenarbeit des Landes mit seinen Verbündeten im Irak und in Syrien ebenso wie seine Raketenwaffe. Sie bildet die strategische Abschreckung, die es dem Iran erlaubt, seine Verteidigung mit einem Bruchteil der Militärausgaben seiner Gegner zu gewährleisten.
Bidens Forderungen an die Iraner sind hundertprozentig mit denen seines Vorgängers identisch. Sie decken sich außerdem mit denen des europäischen Trios Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden US-Präsidenten: Donald Trumps Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit sorgten für große Reibungsverluste. Indem er die NATO verbal in Frage stellte und die europäischen Verbündeten immer wieder brüskierte, schwächte Trump die Geschlossenheit und Schlagkraft der westlichen Allianz. Dass dieser Zeitabschnitt nun vorbei ist, verbessert die Chancen für eine weniger ausufernde Kriegsrüstung der NATO und eine Abkehr von militärischen Abenteuern durchaus nicht.
Am Freitag beschäftigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU – lagebedingt nur in Form einer Videokonferenz – mit dem Ausbau der Union im Sicherheits- und Verteidigungsbereich, wie der militärische Sektor offiziell bezeichnet wird. Nicht zuletzt geht es dabei auch um den Anspruch, dass »die Europäer« einen »höheren Beitrag für ihre eigene Sicherheit leisten« müssten. Man kann das propagandistisch als Forderung von Trump oder jetzt Biden an die EU darstellen. Aber in Wirklichkeit ergibt sich aus dem Anspruch der EU-Großmächte der Wunsch, stärker in der »Weltpolitik« mitzuspielen.
Ob die Sicherheit Europas in der Zeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs jemals bedroht war, ist allenfalls eine hypothetische Frage für Historiker. Aktuell geben Großbritannien, Frankreich und Deutschland für ihre Streitkräfte fast dreimal soviel aus wie Russland. Außerdem hat sich dessen geostrategische Situation durch die Auflösung der Sowjetunion und das Vordringen der NATO in das so geschaffene »Vakuum« enorm verschlechtert. Nichts wird mit Biden besser als vorher, aber manches droht gefährlicher zu werden.
Die USA müssen ihre Stützpunkte im Nordirak ja nützen, wie sähe das aus, wenn sie dort nur Däumchen drehen würden! Kostet sicher einiges, der Spaß.
Das irakische Kurdistan ist natürlich eine Operationsbasis gegen Syrien und den Iran.
Manipulation von Syrien-Bericht: Prominente Kritik an OPCW
Erklärung fordert von Organisation für das Verbot chemischer Waffen “Transparenz und Verantwortung”. Kritik bezieht sich auf einen seit fast drei Jahren schwelenden Konflikt.
“Glaubwürdigkeit und Integrität der OPCW wiederherstellen”
Erklärung zur Untersuchung eines angeblichen Giftgas-Einsatzes im syrischen Douma 2018 durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen
Einen Rückblick darauf, wie die sog. ‘Arab Rebellion’ strategisch dazu benutzt wurde, aus Syrien einen neuen Typus eines – fast – ‘failed state’ (zugunsten eines Einflusszuwachses konkurrierender Mächte in der Region) kaputt zu trümmern, den gibt es im “Freitag”
https://www.freitag.de/autoren/sabine-kebir/vom-brotkorb-zum-hungerleider
Der Freitag-Artikel kann sich nicht ganz entschließen, welche Interessen in der Region zugegen sind, weil die Autorin ihren guten Glauben an die Demokratie nicht beschutzen will.
Offensive gegen Damaskus
Westen erzwingt Suspendierung von Syriens OPCW-Mitgliedschaft. Russland fürchtet um Glaubwürdigkeit der Organisation
Von Karin Leukefeld
Westliche Staaten in der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) haben am Mittwoch das Mitglied Syrien suspendiert. Das Land, das 2013 die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet hatte, darf weder in der Staatenkonferenz noch im Exekutivrat der OPCW abstimmen, es darf sich nicht für den Rat zur Wahl stellen oder in irgendeinem anderen Organ der Organisation ein Amt ausüben.
Antragsteller für diesen Ausschluss waren EU- und NATO-Staaten, die seit 2011 als »Freunde Syriens« unter Führung der USA, Großbritanniens und Frankreichs die Kräfte unterstützen, die die syrische Regierung gewaltsam stürzen wollen. Russland warnte davor, dass die OPCW ihre Glaubwürdigkeit verlieren könne.
Auf Antrag von 46 westlichen Staaten – darunter die USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Deutschland – stimmten 87 der 193 Mitgliedstaaten auf ihrer 25. Staatenkonferenz am Mittwoch in Den Haag dafür, dass Syrien mit der Aussetzung seiner Rechte und Privilegien bestraft werden müsse. 15 Staaten stimmten gegen die von Frankreich vorgetragene Resolution, darunter Syrien selbst, Russland, China und der Iran. 34 Staaten enthielten sich. 57 Staaten waren bei der Sitzung nicht vertreten und stimmten nicht ab.
Als Grund für das beispiellose Vorgehen gegen einen OPCW-Mitgliedstaat hieß es, Syrien habe gegen die Konvention zum Verbot der Chemiewaffen verstoßen, weil es mehrfach derartige Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt habe. Als Beleg dienten Berichte des »Investigations- und Identifikationsteams« (IIT), das erst im Sommer 2018 auf Antrag der USA und Großbritanniens bei einer Sondersitzung gegründet worden war. Aufgabe des Teams war, zu bestätigen, wer in Syrien chemische Waffen eingesetzt habe. Das IIT wurde ins Leben gerufen, nachdem im UN-Sicherheitsrat über Syrien eine Pattsituation zwischen den Vetomächten Russland und China auf der einen und den ständigen Mitgliedern USA, Großbritannien, Frankreich auf der anderen Seite entstanden war.
Russland, das von Anfang an Syrien bei der Abgabe seines Chemiewaffenarsenals, dessen Zerstörung und der Unterzeichnung der Chemiewaffenkonvention begleitet, unterstützt und beraten hatte, kritisierte, dass die vorgelegten IIT-Berichte nicht den Ermittlungsstandards der OPCW entsprächen. Die hochsensible Arbeit von OPCW-Ermittlern ist genau festgelegt und beginnt mit der Untersuchung durch Inspektorenteams vor Ort. Diese waren aber weder in Khan Scheikhun (2017) noch in Sarakeb (2018) vor Ort. Angebliche Proben und Beweisstücke wurden von »Weißhelmen« und anderen Regierungsgegnern in einem Nachbarland, vermutlich in der Türkei, übergeben. Die Vorwürfe in den IIT-Berichten gegen Syrien wurden nicht bewiesen, vielmehr war lediglich von einer »großen Wahrscheinlichkeit« die Rede.
Der russische OPCW-Botschafter Alexander Schulgin hatte vor der Abstimmung an die Staatenkonferenz appelliert, den Antrag abzulehnen. Es gehe um die Zukunft der Organisation selbst, so Schulgin. »Entweder wird sie weiter eine international glaubwürdige Organisation sein, die sich der Abrüstung und Nichtverbreitung chemischer Waffen verschrieben hat, oder sie wird zu einer Plattform für Manipulationen und Erfüllungsgehilfe für Ambitionen bestimmter Staaten.«
Das syrische Außenministerium kritisierte die Entscheidung der Staatenkonferenz scharf. Westliche Staaten, vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich, hätten mit »Erpressung, Drohungen und Druck die westliche Entscheidung gegen Syrien durchgesetzt«. Syrien habe acht Jahre lang große Anstrengungen erbracht, um mit der OPCW zu kooperieren. Die Entscheidung sei »ein Ansporn für diese Terroristen, mit ihren Verbrechen gegen die syrische Bevölkerung weiterzumachen«.
Syrien hat die Beschuldigung, Chemiewaffenangriffe durchgeführt zu haben, stets zurückgewiesen und unter anderem die international als Terrorgruppe gelistete Nusra-Front, heute Haiat Tahrir Al-Scham, verantwortlich gemacht. Nach jedem Vorwurf wurden OPCW-Inspektorenteams nach Syrien eingeladen, um die Vorfälle zu untersuchen. Angebliche Produktionsstätten für chemische Waffen in Syrien wurden regelmäßig von der Organisation kontrolliert. Gefunden wurde nichts.
Kämpfe in Kamischli
Nordsyrien: Heftige Auseinandersetzungen zwischen mit Damaskus loyalistischer Miliz und Kräften der Selbstverwaltung
Von Nick Brauns
In der nordsyrischen Großstadt Kamischli an der Grenze zur Türkei kommt es seit Tagen zu schweren Gefechten zwischen einer mit der Regierung in Damaskus verbündeten Miliz und Sicherheitskräften der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien. Bei den auch mit schweren Waffen wie Mörsern ausgetragenen Auseinandersetzungen kam es zu einer bislang unbekannten Zahl von Toten und Verletzten. Die Kämpfe begannen am Dienstag, nachdem Paramilitärs der loyalistischen Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) einen Checkpoint der Asajisch – so der Name der für die innere Sicherheit im Autonomiegebiet zuständigen Volksmiliz – angegriffen und einen ihrer Angehörigen getötet hatten.
Eine unter Vermittlung der in Kamischli stationierten russischen Militärpolizei in der Nacht zu Donnerstag ausgehandelte Waffenruhe wurde von den NDF bereits nach wenigen Stunden gebrochen. Nachdem infolge des Beschusses eines Kontrollpostens der Asajisch im Stadtzentrum durch die NDF ein zehnjähriges Kind getötet und weitere Zivilisten verletzt worden waren, gingen die Asajisch ihrerseits zum Angriff über und nahmen Teile des bislang unter Kontrolle der Miliz stehenden Stadtviertels Tai einschließlich des Hauptquartiers der Truppe ein. Auch am Freitag gingen die Gefechte weiter.
Zuvor war ein Ältester des arabischen Bani-Saba-Stammes, Scheich Hayes Al-Jaryan, vor seinem Haus in dem unter Kontrolle der NDF stehenden Viertel Hilko von Unbekannten mit drei Schüssen in die Brust ermordet worden. Der Scheich, der das Vertrauen sowohl der Autonomieverwaltung als auch der Loyalisten genoss, hatte sich im Rahmen einer Versöhnungsdelegation von Stammesältesten um ein Ende der Kämpfe bemüht.
Die NDF-Milizen, die landesweit rund 100.000 Mitglieder zählen und durch regierungsnahe Unternehmer finanziert werden, wurden 2012 zur Unterstützung der Syrischen Arabischen Armee (SAA) gebildet. Damals wurden die Reihen der teilweise im Iran ausgebildeten Paramilitärs mit entlassenen Strafgefangenen und Anhängern krimineller Banden aufgefüllt. Als entsprechend unzuverlässig erweisen sich viele Milizangehörige, die nicht nur in kriminelle Taten wie Entführungen und Lösegelderpressungen verwickelt waren, sondern mancherorts auch die Seiten wechselten und sich dschihadistischen Kampfverbänden wie dem »Islamischen Staat« anschlossen.
In den unter politischer Kontrolle der Autonomen Administration stehenden Großstädten Hasaka und Kamischli kontrollieren die NDF mehrere Stadtviertel, in denen vor allem Angehörige arabischer Stämme leben, die loyal zur Regierung von Präsident Baschir Al-Assad stehen. Zwar kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Scharmützeln zwischen der Miliz und Sicherheitskräften der Autonomieverwaltung. Doch hatten letztere nie versucht, die Kontrolle über die Viertel der Loyalisten zu übernehmen. Vielmehr dienten diese Stadtviertel als faktisches Pfand gegenüber Damaskus für die Sicherheit des selbstverwalteten kurdischen Stadtviertels Scheich Maksud in Aleppo.
Bislang haben weder die am Flughafen von Kamischli stationierte SAA noch die außerhalb der Stadt in Bereitschaft stehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) der Autonomieverwaltung in die Kämpfe eingegriffen. Lediglich die SDK-Antiterroreinheit HAT ist auf seiten der nur leicht bewaffneten Asajisch im Einsatz. Sowohl die Regierung in Damaskus als auch die Autonomieverwaltung scheinen darum bemüht zu sein, den Ball flach zu halten. Dahinter dürfte die Sorge stehen, dass sonst die Türkei als lachende Dritte die Situation ausnutzen und weitere nordsyrische Gebiete besetzen könnte.
Der Außenpolitiker der in Nordsyrien führenden kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), Salih Muslim, vermutet dennoch »ein Spiel von Damaskus und Moskau«. Die Angriffe der Miliz zielten im Vorfeld der für den 3. Juni angesetzten syrischen Präsidentschaftswahl darauf, Chaos zu verbreiten, um so das Vertrauen der Bevölkerung in die Selbstverwaltung zu erschüttern und den Boden für eine weitere russische Intervention zu bereiten, so Muslim gegenüber der Nachrichtenagentur Anha.
Na, weil das russische Militär sonst keine anderen Sorgen hat als sich in Syrien zwischen die Fronten zu setzen!
Wolf im Schafpelz
»Whitewashing« einer Terrororganisation: Wie die HTS in Syrien zur Verbündeten des Westens aufgebaut wird
Von Dima Alnajar
Es scheint, als sei die Gelegenheit verpasst worden, die Belohnung von zehn Millionen US-Dollar für Informationen über Abu Mohammed Al-Dschaulani (Kampfname, bürgerlich: Usama Al-Absi Al-Wahdi) einzustreichen, den Anführer der Terrororganisation »Haiat Tahrir Al-Scham« (HTS), die frühere »Nusra Front«. Der Westen wusch ihn rein und und stülpte ihm ein passendes Image über. Al-Dschaulani wurde sogar zu Shootings mit dem US-Journalisten Martin Smith geladen. Der veröffentlichte die Fotos im Januar dieses Jahres auf Twitter, nachdem er aus dem syrischen Idlib zurückgekehrt war, und kündigte die Vorbereitung eines Dokumentarfilms über den Dschihadisten für das Investigativformat »Frontline« des US-Senders PBS an.
Gemeinsame Anschlagsziele
Es war nicht der erste Versuch der Vereinigten Staaten, die Beziehung zur HTS zu normalisieren. Erstmals im Februar 2020 hatte die »International Crisis Group« (ICG) ein vierstündiges Interview mit Al-Dschaulani geführt. Die ICG ist eine Denkfabrik, geleitet von Robert Malley, der wichtige beratende Positionen in mehreren US-Administrationen innehatte. Er war als Sonderassistent von Präsident William Clinton im arabisch-israelischen Konflikt und als Sonderassistent von Barack Obama für die Kampagne gegen den »Islamischen Staat« (IS) im Irak und in Syrien tätig gewesen. Nach dem Amtsantritt Joseph Bidens Anfang dieses Jahres veröffentlichte die ICG im Februar einen Bericht, in dem sie seiner Regierung empfahl, ihre Terrorismusbekämpfung neu zu definieren.
Die Öffnung bürgerlicher Medien gegenüber Al-Dschaulani erfolgte nach einer bemerkenswerten Aussage des ehemaligen Sonderbeauftragten des US-Außenministeriums für Syrien, James Jeffrey, im Jahr 2020. Er erklärte, die HTS behaupte selbst, dass sie sich hauptsächlich auf den Kampf gegen das Regime von Baschar Al-Assad konzentriere. Obwohl Washington diese Behauptung »noch nicht akzeptiere«, so Jeffrey, signalisierte er, sie »ernsthaft« prüfen zu wollen: »Aber sie (HTS, jW) behaupten, patriotische oppositionelle Kämpfer zu sein, keine Terroristen. Wir haben seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, dass sie internationale Bedrohungen erzeugen.«
Die oben erwähnten Berichte stellten die HTS als keine Bedrohung mehr für das Ausland dar, da sie nur gegen Assad und seine Alliierten Russland und den Iran kämpfe. Bezüglich seiner Beziehung zur »Islamischen Turkestan-Partei« erklärte Al-Dschaulani gegenüber ICG: »Als Uiguren werden sie in China verfolgt – was wir nachdrücklich verurteilen –, und sie können nirgendwo anders hingehen. Natürlich sympathisiere ich mit ihnen.« Er fügte hinzu: »Sie sind seit sieben Jahren in Syrien und haben keine Bedrohung für das Ausland dargestellt.« Es ist offensichtlich, dass für Al-Dschaulani wie für die westlichen Denkfabriken mit dem Begriff »Ausland« nur der Westen gemeint ist.
»Syrisierung« der HTS
Darüber hinaus bemühen sich Al-Dschaulani und die westlichen Denkfabriken, die HTS zu »syrisieren« und als normalen Teil des Sozialgefüges Syriens zu verkaufen. So meldete die ICG, sie habe während eines Besuchs in Idlib von den dort lebenden Christen gehört, dass »die lokalen Behörden ihren Umgang mit der Bevölkerung verbessert hätten, seit die HTS ihre Regierungsführung konsolidiert habe«. Außerdem erlaube die Gruppe den Frauen, ihre Gesichter nicht zu verschleiern und an den Universitäten zu studieren.
Ferner behauptete Al-Dschaulani, die heutige Ideologie der HTS basiere auf der islamischen Jurisprudenz »Fikh«, genau wie die jeder anderen lokalen sunnitischen Gruppe in Syrien. Im Gegensatz zum Salafismus, der nur die Scharia anerkennt, sie ultrakonservativ auslegt, moderne Interpretationen nicht akzeptiert und diese statt dessen als eine Täuschung betrachtet, die Vergeltung verdient. Ironischerweise wäre Al-Dschaulani danach nicht nur »moderat«, sondern könnte als unter dem Dach der syrischen Verfassung von 2012 stehend betrachtet werden. Deren dritter Artikel enthält den Satz: »Die islamische Jurisprudenz ist eine der Hauptquellen der Gesetzgebung.«
Im September 2017 bildete die HTS die sogenannte Syrische Heilsregierung, die als zivile Fassade für ihre Militärherrschaft in Idlib dient. Dafür vertrieb die Organisation die Übergangsregierung der »Nationalkoalition syrischer Oppositionskräfte« aus Idlib in jene Zonen, die das türkische Militär mit den Operationen »Olivenzweig« und »Euphratschild« besetzt hatte. In einer Bewertung des »Washington Institute for Near East Policy« zur Leistung von »Syriens drei Regierungen im Kampf gegen das Coronavirus« wird die »Heilsregierung« gelobt und als eine bloß »technokratische Regierung« beschrieben, also eine Regierung, die keine politische Agenda habe.
Neue »Kollegen«
Nicht zuletzt passt die HTS gemäß der neuen westlichen Anschauung von Terrorismus gut ins Bild als vorgeblicher »Kollege« bei der Terrorismusbekämpfung: »Die HTS hat versucht, in Idlib aktive IS-Zellen zu eliminieren«, so die ICG; und: Sie »grenzt Hurras Al-Din ein«, so Al-Dschaulani. »Hurras Al-Din« ist laut der ICG mittlerweile der »offizielle Al-Qaida-Ableger in Idlib«. Offiziell gilt die HTS also nicht mehr als Al-Qaida-Ableger: ein Wolf im Schafspelz.
Hintergrund: Eine lange Geschichte
Im April 2021 wurde auf der Website des US-Senders PBS bekanntgegeben, dass bald ein Dokumentarfilm veröffentlicht werde. Dessen Protagonist werde Abu Mohammed Al-Dschaulani sein, Anführer der Terrororganisation »Haiat Tahrir al-Scham« (HTS), die die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens kontrolliert.
Sowohl Al-Dschaulani als auch der ehemalige Anführer des »Islamischen Staats« (IS), Abu Bakr Al-Baghdadi, waren Häftlinge in Camp Bucca, einem der ehemaligen US-Gefangenenlager im Irak. 2004 wurde Baghdadi von den Amerikanern als ungefährlich bezeichnet und daher entlassen. Dschaulani wurde im Jahr 2008 als harmlos beurteilt. Ersterer wurde 2010 Anführer des IS, seinen Anhänger Dschaulani schickte er 2011 nach Syrien, um einen neuen Al-Qaida-Ableger zu erschaffen. Im Januar 2012 verkündete Dschaulani die Gründung der Nusra-Front in Syrien.
Im April 2013 kündigte Baghdadi die Vereinigung beider Organisationen unter dem Namen »Islamischer Staat im Irak und Syrien« (ISIS) an. Dschaulani lehnte ab und verwies die Angelegenheit an den Al-Qaida-Chef Aiman Al-Sawahiri, der den Befehl erteilte, Al-Nusra in der Levante und den »Islamischen Staat« (IS) im Irak zu behalten. Seither sind beide Organisationen in Syrien aktiv.
2016 benannte sich die Nusra-Front in »Dschabhat Fatah Al-Scham« um und gab ihre formale Trennung von Al-Qaida bekannt. Dieses Manöver war zu einer Notwendigkeit geworden, nachdem mit der Verabschiedung der UN-Resolution 2254 im Jahr 2015 IS, Nusra-Front und jeder Al-Qaida-Ableger von der geplanten Waffenruhe ausgeschlossen worden waren. Die Astana-Gespräche und das Sotschi-Abkommen übten ebenfalls Druck auf Al-Nusra aus – 2017 benannte sie sich erneut um, eben in »Haiat Tahrir Al-Scham«, und nahm auch andere Fraktionen auf.
Während US-Präsident Donald Trump zur Zukunft des HTS noch schwieg, erklärte der frühere Sonderbeauftrage des US-Außenministeriums für Syrien, James Jeffrey im April gegenüber PBS, die Organisation stelle für die US-Strategie in Idlib »einen Gewinn« dar. (da)
Aufgeteiltes Land
Pattsituation in Syrien: Westen manifestiert De-facto-Trennung
Von Dima Alnajar
»Patt ist Stabilität« (»Stalemate is stability«). Mit diesen Worten fasste James Jeffrey, der Sonderbeauftragte des US-Außenministeriums für Syrien unter Donald Trump, die dortige US-Strategie in einem Interview Ende 2020 gegenüber dem auf US-Sicherheitspolitik spezialisierten Portal Defense One zusammen und empfahl der Administration Joseph Bidens, diese zu übernehmen. Die neue Regierung solle nicht sagen: »Weil es von Trump gemacht wurde, muss es schlecht sein«, so Jeffrey.
Unbestritten ist unter politischen Beobachtern, dass das internationale Kräfteverhältnis keinen strategischen Sieg mehr für den Westen zulässt. So scheint es unter den heutigen Bedingungen für den Westen in der »syrischen Sache« am besten zu sein, eine endgültige Lösung zu verhindern und das Land dem Chaos zu überlassen. Daher stellte die US-Denkfabrik »Washington Institute for Near East Policy« am 3. Mai die Frage, ob nicht das Patt die »am wenigsten schlechte Option in Syrien« sei.
Es gibt Hinweise darauf, dass sich die westlichen Bemühungen auf die Befestigung der De-facto-Aufteilung Syriens in drei Gebiete konzentrieren: ein Hauptgebiet unter der Kontrolle der syrischen Regierung, den Nordosten des Landes unter der Kontrolle des Syrischen Demokratischen Rats und den Nordwesten, aufgeteilt zwischen der Terrororganisation Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) in Idlib und der sogenannten Syrischen Nationalen Armee in den türkischen Besatzungsgebieten. Syrer leiden in all diesen Gebieten unter miserablen sozioökonomischen Bedingungen und sind Waffengewalt und politischer Unterdrückung ausgesetzt.
Der Westen unterstützt die jeweils herrschenden Kräfte bis zu dem Grad, dass sie weder siegreich noch besiegt sind – in der Hoffnung, dass eine Verlängerung der Krise die temporären militärischen Trennlinien in permanente wirtschaftliche und politische Trennungslinien umwandeln könnte. Hier spielen die westlichen unilateralen Sanktionen eine wichtige Rolle. Neben der Verschlechterung der ökonomischen Lage des syrischen Volks schädigen sie zudem die Einheit des Landes: So werden die Strafmaßnahmen des »Caesar Syria Civilian Protection Act« von 2019 gegen manche Regionen Syriens verhängt, während sie in anderen wie Idlib aufgehoben sind. Gleichzeitig wird jeder Versuch einer Öffnung der inländischen Übergänge zwischen den drei Gebieten unter der Parole »keine Normalisierung mit dem Regime« bekämpft. Daneben fördert der Westen wiederum die Öffnung der Grenzübergänge, die die syrischen Gebiete wirtschaftlich mit dem Ausland verbinden.
In diesem Kontext kam es Ende vergangenen Jahres im UN-Sicherheitsrat zu einer Debatte darüber, ob die Hilfsmittel über Außengrenzübergänge oder unter Kontrolle der syrischen Regierung über Binnenübergänge geliefert werden sollten. Ende 2020 legten Russland und China ein Veto gegen die Verwendung von vier Außengrenzübergängen im Sicherheitsrat ein. Im Ergebnis wurde nur einer von ihnen genehmigt. Ende März hat Russland nach Berichten der Nachrichtenagentur Reuters versucht, mit der Türkei in Kontakt zu treten, um hinsichtlich der Nutzung der Binnenübergänge zu vermitteln.
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Angriff von Dschihadisten im Irak
Kirkuk. In der nordirakischen Provinz Kirkuk haben Dschihadisten am Mittwoch morgen einen Polizisten getötet und zwei Bohrlöcher auf einem Ölfeld in Brand gesetzt. Nach Angaben eines Sicherheitsbeamten handelte es sich bei den Angreifern um Mitglieder der Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat«. Zwei weitere Polizisten wurden demnach verletzt. Das irakische Ölministerium bestätigte die Sprengung von zwei Bohrlöchern auf dem Ölfeld Bay Hassan.(AFP/jW)
Guerilla bleibt standhaft
Türkische Verluste bei Offensive gegen PKK-Kampfverband im Nordirak. Kritik aus Bagdad
Von Nick Brauns
Die türkische Armee stößt bei ihrem Vormarsch in der Autonomen Region Kurdistan im Irak auf Widerstand der im Bergland verschanzten Guerillakämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). In der Nacht zum 24. April waren nach heftigen Luftangriffen Luftlandetruppen in den an die Türkei grenzenden Regionen Zap, Metina und Avasin abgesetzt worden. In einer am Dienstag veröffentlichten Zehn-Tages-Bilanz erklärten die Volksverteidigungskräfte der PKK (HPG), die Besatzungsangriffe seien durch Aktionen der in Kleingruppen agierenden Guerilla wie Infiltration feindlicher Stellungen, Einsatz von Scharfschützen und Luftangriffe mit Kleindrohnen »ins Leere geführt worden«. So sei es der Armee trotz mehrfachen Chemiewaffeneinsatzes, aber auch mit sprengstoffbepackten Hunden bislang nicht gelungen, in die unterirdischen Tunnelsysteme der Guerilla einzudringen. Seit Beginn der Angriffe seien 147 feindliche Soldaten getötet worden, behaupten die HPG, die ihre eigenen Verluste auf lediglich sechs Kämpferinnen ihrer Fraueneinheit beziffern.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar gab zwar die Zahl »neutralisierter Terroristen« zu Wochenbeginn mit 44 an. Doch der Minister bestätigte, dass seine Truppen mit »schwierigen Bedingungen« konfrontiert seien. »Leider haben einige Länder, die wir eigentlich als Freunde kennen, Raketen an die PKK gegeben«, behauptete Akar. Türkische Medien interpretieren dies als Kritik an den USA, die in Nordsyrien die von Ankara als PKK-Ableger gesehenen YPG-Milizen im Kampf gegen die Dschihadistengruppe »Islamischer Staat« (IS) unterstützen. Allerdings haben die USA niemals Luftabwehrraketen an die YPG und schon gar keine Waffen an die PKK geliefert. Vielmehr hatte das US-Außenministerium kurz vor Beginn des türkischen Einmarsches, der nicht ohne Billigung der über die Lufthoheit im Nordirak verfügenden USA stattfinden konnte, ein Kopfgeld in Höhe von zwölf Millionen US-Dollar für Hinweise auf den Aufenthaltsort der drei führenden PKK-Vertreter Cemil Bayik, Murat Karayilan und Duran Kalkan ausgeschrieben.
Ziel sei es, eine »permanente Militärbasis« in Metina zu errichten, um der Guerilla die Wege zwischen ihrem Hauptquartier in den Kandilbergen und der jesidischen Sindschar-Region (kurdisch: Shingal) an der Grenze zu Syrien abzuschneiden, hatte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Wochenende erklärt. Bereits jetzt unterhält die Türkei im Nordirak zehn Militärbasen mit mehr als 5.000 Soldaten. Nachdem Verteidigungsminister Akar am Sonntag einen jenseits der türkischen Grenze gelegenen Militärstützpunkt in Haftanin besucht hatte, bestellte das irakische Außenministerium am Montag den türkischen Botschafter ein. Bagdad protestierte gegen »die andauernden Verletzungen der irakischen Souveränität und der Unverletzlichkeit des irakischen Staatsgebietes sowie des Luftraums durch die türkischen Streitkräfte«.
Nachdem Ankara in Bagdad und Erbil, Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak, offiziell um Unterstützung für seine Militäroperationen gebeten habe, seien irakische Armeeeinheiten und Peschmerga, Kämpfer der in Erbil regierenden konservativen Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) nach Metina entsandt worden, meldete die kurdische Nachrichtenagentur ANF am Mittwoch.
Bagdads Schulden beim Iran
Iraks Stromversorgung hängt vom Nachbarland ab. Probleme bei der Bezahlung
Von Knut Mellenthin
Der Iran ist aufgrund der US-Sanktionen ständig mit großen wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Andererseits hat die Islamische Republik in vielen Ländern Guthaben in Milliardenhöhe – die nicht einzutreiben sind. Das liegt zwar hauptsächlich an den Maßnahmen Washingtons, die den Geldtransfer zu iranischen Banken fast unmöglich machen, aber zum Teil auch an den Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerländer. Entstanden sind diese Guthaben, deren Summe zwischen 20 und 40 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump, als Iran bis zum April 2019 zwar noch Erdöl und in geringerem Umfang auch Erdgas exportieren konnte, aber der Transfer der Verkaufserlöse immer mehr erschwert wurde.
Einer der größten Schuldner Teherans ist das Nachbarland Irak. Die Summe der dort bei mehreren Banken festliegenden iranischen Guthaben wird im allgemeinen mit sechs bis sieben Milliarden Dollar angegeben, sie könnte aber auch etwas darüber liegen. Der genaue Betrag wechselt täglich, da er mit dem Warenverkehr zwischen beiden Ländern zu verrechnen ist.
Am Sonntag meldeten iranische Medien, bei einem Besuch des irakischen Energieministers am Wochenende sei eine Vereinbarung über die Freigabe der blockierten Guthaben erreicht worden. Die erste Ratenzahlung werde »in den nächsten Tagen« erfolgen. Ein Teil der im Irak festliegenden Außenstände solle dazu verwendet werden, russischen Sputnik-V-Impfstoff zu bezahlen, der im Iran dringend benötigt wird. Weitere Aussagen zum Inhalt der angeblich erreichten Vereinbarung enthielten die Meldungen jedoch nicht.
Skepsis und Neugier bleiben daher angebracht. Nicht zuletzt auch, weil schon früher mehrmals, unter anderem im Oktober 2020, behauptet worden war, dass sich die beiden Länder über die Freigabe der blockierten Guthaben verständigt hätten. Damals kam diese – im Rückblick betrachtet voreilige – frohe Botschaft vom Chef der iranischen Zentralbank, nachdem er Gespräche in Bagdad geführt hatte.
Hintergrund ist, dass Irak aufgrund seiner akuten Stromknappheit eine schon in Trumps Amtszeit erteilte Ausnahmegenehmigung der US-Regierung hat, aus dem Iran sowohl Gas für den Betrieb von Kraftwerken als auch direkt elektrischen Strom zu importieren. Die Genehmigungen müssen alle vier Monate erneuert werden. Der nächste Termin für eine solche Erlaubnis ist Ende Juli. Nach iranischen Angaben wird fast die Hälfte des im Irak verbrauchten Stroms unter Einsatz von iranischem Erdgas produziert.
Wegen der Höhe der aufgelaufenen Schulden hatte Iran im Dezember 2020 seine Gaslieferungen stark reduziert und weitere Kürzungen angedroht, falls das Problem der blockierten Guthaben nicht rasch gelöst würde. Am Wochenende wurden in Teheran angeblich zwei große Abkommen zu den Gasexporten unterzeichnet, doch ist über deren Inhalt bisher nichts bekannt. Irak macht für die Probleme die Transferbeschränkungen durch die US-Sanktionen verantwortlich. Vertreter der iranischen Seite halten das aber für »Ausreden«.
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Teheran: Gespräche mit Riad bestätigt
Teheran. Der Iran hat Berichte über direkte Gespräche mit Saudi-Arabien bestätigt. »Es hat Gespräche gegeben, und es ging dabei sowohl um bilaterale als auch regionale Themen«, sagte Außenamtssprecher Said Chatibsadeh am Montag. Es sei jedoch noch zu früh, über Ergebnisse zu sprechen. »Es ist bekannt, dass wir Gespräche mit den Saudis in jeder Form und auf jeder Ebene stets begrüßt haben«, so der Sprecher auf einer Pressekonferenz in Teheran. Medienberichten zufolge haben sich Vertreter beider Länder in den vergangenen Wochen mindestens zweimal im Irak getroffen. (dpa/jW)
Ungefährdeter Erfolg
Baschar Al-Assad für vierte Amtszeit als Präsident Syriens mit absoluter Mehrheit wiedergewählt
Von Karin Leukefeld
Baschar Al-Assad ist in Syrien für eine vierte Amtszeit als Präsident bestätigt worden. Das teilte am Donnerstag abend Parlamentssprecher Hammuda Sabbagh auf einer Pressekonferenz im syrischen Parlament in Damaskus mit. Gemäß Artikel 86 der Verfassung und entsprechend Artikel 79 Absatz b des allgemeinen Wahlrechts habe Assad die absolute Mehrheit erreicht und sei damit erneut Präsident der Syrischen Arabischen Republik, erklärte Sabbagh vor zahlreichen Journalisten aus aller Welt.
Für Assad stimmten demnach rund 13,5 Millionen Wähler, was einem Anteil von 95,1 Prozent entspricht. Der Oppositionelle Mahmud Ahmed Marei erhielt 470.276 Stimmen (3,3 Prozent), und der Kandidat Abdullah Sallum Abdullah kam mit 213.968 Stimmen auf 1,5 Prozent. Von den 18,1 Millionen wahlberechtigten syrischen Staatsbürgern beteiligten sich nach Angaben des Parlamentssprechers rund 14,2 Millionen sowohl im Land selbst als auch im Ausland an der Abstimmung. Die Wahlbeteiligung lag bei 78,64 Prozent.
Nach Angaben der syrischen Tageszeitung Al-Watan waren für die Wahlen am Mittwoch landesweit 12.102 Wahlzentren errichtet worden. Sehr viele Syrer hätten auch in Idlib und im Nordosten des Landes gewählt, hieß es bei Al-Watan ohne Angaben von Zahlen. Diese Gebiete werden von der Türkei bzw. den USA besetzt gehalten und von örtlichen Milizen kontrolliert.
Obwohl die von Kurden geführte Selbstverwaltung in Nordsyrien eine Beteiligung an und die Durchführung der Präsidentschaftswahlen in Gebieten unter ihrer Kontrolle abgelehnt und zahlreiche »Grenzübergänge« zu den von Damaskus kontrollierten Gebieten in Deir Al-Sor und Rakka geschlossen hatte, nahmen nach Angaben arabischer Journalisten viele Bewohner der Gebiete an der Abstimmung teil. Große Mengen von Wählern hätten die von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) aufgestellten Barrieren überquert und seien zu den Wahlzentren gezogen, berichtete der Reporter Aiham Mari für die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar aus der Provinz Hasaka. Diejenigen, die an der Abstimmung teilnehmen wollten, seien von den SDK nicht daran gehindert worden. Diese hätten damit auf Forderungen von Stammesführern und aus der Öffentlichkeit reagiert, um eine Eskalation der Lage für die Bevölkerung zu vermeiden.
Idlib befindet sich hingegen fest im Griff der Dschihadistenmiliz Haiat Tahrir Al-Scham und des syrischen Oppositionsbündnisses Etilaf mit Sitz in Istanbul. In der Stadt Idlib und im Bezirk Afrin nordwestlich von Aleppo fanden Kundgebungen und Demonstrationen gegen die »Wahlfarce« statt.
Die Außenministerien der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands und Italiens, die die Regierungsgegner in Idlib unterstützen, hatten bereits im Vorfeld in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Wahlen protestiert, da sie nicht der UN-Sicherheitsratsresolution 2254 entsprächen. Damaskus betonte, die Abstimmung sei entsprechend der syrischen Verfassung durchgeführt worden. Das russische Außenministerium erklärte, die Präsidentschaftswahlen seien eine interne Angelegenheit des souveränen syrischen Staates und festigten die innere Stabilität des Landes.
Am Donnerstag abend versammelten sich in vielen Städten des Landes Zehntausende auf Straßen und Plätzen, um die Wahlen und den Sieg Assads zu feiern. Der bedankte sich nach Bekanntgabe seiner Wiederwahl bei »allen Syrern für ihr großes Nationalgefühl und die bemerkenswerte Teilnahme« an der Abstimmung. »Lasst uns morgen damit beginnen, die Hoffnung und Syrien wiederaufzubauen«, so Assad – »für die Zukunft der Kinder und der Jugend Syriens«.
Was bedeutet eine Wahl in einem Land wie Syrien?
Warum läßt Assad überhaupt wählen?
Wahlen sind in reifen Demokratien Veranstaltungen zur Ermächtigung der Herrschaft.
Indem das Personal vom Wahlvolk bestellt wird, werden die Ämter und Institutionen, die damit bestückt werden, bestätigt.
Es ist unmittelbar einsichtig, daß es in Syrien anders ist.
Es gab zwar 2 Gegenkandidaten gegen den Amtsinhaber, aber es war klar, daß die Person Assads nicht zur Wahl stand. Vom Standpunkt der Person, die das oberste Amt in diesem Land innehat, war die Wahl überflüssig.
Dennoch ist die Akklamation, also Bestätigung durch das Volk, eine Veranstaltung, auf die Assad nicht verzichten will. Er will damit signalisieren: ICH BIN SYRIEN, ich verkörpere diesen Staat – und auch seine Ansprüche.
Das ist einmal ein Fingerzeig nach außen, auf diejenigen Mächte, die ihn gerne demontiert hätten und – wie Deutschland – mit eigenartigen Gerichtsverfahren delegitimieren wollen.
Dagegen sagt er: Ich lasse mich von der einzigen Instanz legitimieren, die dazu berechtigt ist: Meinen Untertanen.
Der Aufruf richtet sich somit an die Bewohner Syriens, sich zu ihm – und damit zur Einheit des Staates innerhalb der Grenzen von 2010 – zu bekennen. Auch Bewohner der kurdischen Autonomiegebiete, der von den USA und ihren Geschöpfen dominierten Gegenden und den türkisch besetzten Afrin und Idlib sollen sich aufgerufen fühlen, für Assad zu stimmen.
Es ist weiterhin ein Aufruf an die Flüchtlinge außerhalb Syriens, sich zu diesem ihrigen Staat zu bekennen, ihn als den ihrigen anzuerkennen, und damit kundzutun, daß sie bereit sind, zurückzukehren und sich am Wiederaufbau und der Verteidigung der territörialen Einheit zu beteiligen.
Man könnte sagen, es ist ein Versuch, alle Syrer heim ins Reich zu holen.
Eine kleine Rückerinnerung, daß einmal weitaus größere Ambitionen bei der Gründung dieses Staates vorhanden waren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fsyrien#K%C3%B6nigreich_Syrien
Aus dem sehr hochgesteckten Zielen ergibt sich, daß alle Zahlen nach oben getürkt werden müssen und über Mißerfolge nicht Buch geführt wird. Sowohl was die Wahlbeteiligung als auch was die Stimmergebnisse angeht, wird sich wohl nie herausstellen, wie viele ihre Stimme tatsächlich für Assad abgegeben haben.
Um das geht es eben gar nicht.
Es geht daraum, daß eine Staatsführung den Gehorsam und die aktive Bejahung ihrer Untertanen einfordert, um sich als Staat wieder neu zu konstituieren.
Syrien: Die Schreie der Gefolterten
Wenn Dschihadisten Freunde gefangen nehmen und wie sich das zur Berichterstattung über das Land fügt
In der großen Öffentlichkeit wird Folter in Syrien mit dem Regime Baschar al-Assad gleichgesetzt. In einem aktuellen Interview bezichtigt der US-Journalist Bilal Abdul Kareem die Miliz HTS (Hayat Tahrir asch-Scham) Folterpraktiken in ihren Gefängnissen in Idlib. Sechs Monate war der Journalist in Einzelhaft in einem HTS-Gefängnis und hörte fast jeden Tag in der Woche Schreie von Gefolterten in anderen Bereichen.
Soweit ich die Situation überblicke, sind die Fronten in Syrien derzeit festgefahren:
Die USA bzw. die westliche Welt hat sich in Idlib eine Enklave geschaffen, in der sich Dschihadisten zurückziehen können. Dafür lassen sie – in Zusammenarbeit mit der Türkei – vermutlich einiges springen. Daß von dort jedoch Angriffe auf das restliche syrische Territorium gemacht werden können, hat Rußland unterbunden.
Im Norden gibt es ein labiles Gleichgewicht zwischen türkischen, syrischen und kurdischen Truppen, wo es hin und wieder zu Gefechten kommt.
Die Lager im kurdischen Gebiet stecken immer noch voll mit IS-Anhängern, vor allem Frauen und Kindern?
Auch bei den Golanhöhen und dem Grenzübergang zu Jordanien scheint sich nichts Wesentliches geändert zu haben.
Hier einmal ein Bericht zu den mit IS-Anhängern gefüllten Lagern in Syrien:
“Das Al-Hol-Lager ist eine tickende Zeitbombe”
In Nordsyrien kann sich niemand um die IS-Gefangenen kümmern, sagt der Flüchtlingsbeauftragte Sheikhmus Ahmed. Ohne Hilfen würden sie zu einer weltweiten Bedrohung.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/al-hol-fluechtlingslager-syrien-islamischer-staat-anhaenger-eu-hilfe
Russland rächt sich in Syrien an der Türkei für ihre Ukraine-Politik
Im Uno-Sicherheitsrat wurde ein russischer Resolutionstext akzeptiert, um die Hilfe für Nordwestsyrien zu garantieren. Moskau zeigt damit auch der Türkei, wer in Syrien das Sagen hat
Syrien ist aus den Schlagzeilen, dabei legen allein die steigenden Flüchtlingszahlen, von denen auch Österreich betroffen ist, eine dringende Beschäftigung mit dem Thema nahe. Am Sonntag lief Uno-Sicherheitsratsresolution 2585 aus, die Hilfslieferungen für Nordwestsyrien erlaubt. Einen Tag später wurde ein russischer Text als Resolution 2642 angenommen, die Hilfe kann nun bis 10. Jänner weiterlaufen. Aber das ist eine Beruhigung nur für den Augenblick.
Direkt betroffen sind etwa 4,1 Millionen Menschen in der syrischen Provinz Idlib und im Norden Aleppos. 2,8 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge, 1,7 Millionen leben in Camps. 3,1 Millionen gelten als hungergefährdet. Die Uno-Hilfe in der Region läuft über die Türkei, die selbst ein vitales Interesse an der Versorgung der Menschen hat, denn eine noch größere Not würde diese an und in die Türkei – und, wenn sie es schaffen, weiter nach Europa – drängen.
Seit Jahren wird das Gebiet nicht von Damaskus aus versorgt, weil es während des Kriegs unter Kontrolle der Rebellen – und von deren türkischen Sponsoren – kam. Da setzt auch das Njet der das Assad-Regime unterstützenden Russen an, das alljährlich zu hören ist, wenn die Verlängerung der Uno-Hilfe ansteht: Die ganze Situation sei eine Verletzung der syrischen Souveränität und Integrität, Russland sei nicht mehr bereit, das im Sicherheitsrat zu unterstützen.
Krieg und Klimawandel
Den "Cross-Border-Mechanismus" beim Grenzübergang Bab al-Hawa gibt es seit 2014. Auch 2021 einigte man sich im Sicherheitsrat in New York erst nach Auslaufen der alten Resolution. Der Unterschied zu heute: Damals konnten Washington und Moskau noch miteinander kommunizieren und ihre Interessen abgleichen. Heute nicht mehr – und das bei einer weitaus schlechteren Versorgungslage der syrischen Bevölkerung mit galoppierenden Lebensmittel- und Energiepreisen, eine Folge des Kriegs in der Ukraine. Dazu kam 2021 auch noch die ärgste Trockenheit seit 70 Jahren in der Region.
Die Spaltung im Sicherheitsrat brachte zu Wochenbeginn die seltsame Situation hervor, dass die USA, Großbritannien und Frankreich, die natürlich für eine Verlängerung der Hilfslieferungen sind, sich bei der Abstimmung enthielten. Die neue Resolution besteht nämlich aus dem russischen Vorschlag, der am Freitagabend noch durchfiel: Eine Verlängerung auf nur ein halbes Jahr bedeutet große Planungsunsicherheit für die Hilfsorganisationen, ein Jahr wäre das mindeste.
Aber zuvor hatte Russland gegen die Verlängerung um zwölf Monate ein Veto eingelegt. Danach wurde noch auf einen Kompromiss von neun Monaten gehofft, aber Moskau ließ wissen, dass es nur seinem eigenen Vorschlag zustimmen werde. Die USA nannten das eine "russische Geiselnahme des Sicherheitsrats".
Abgesehen von der humanitären Seite wirft die Diskussion über die Versorgung von Nordwestsyrien auch ein Schlaglicht auf das spezielle Verhältnis zwischen Russland und der Türkei, das mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch komplexer geworden ist. Ankara unterstützt die Ukraine politisch und mit Waffen, versucht jedoch gleichzeitig, in der Frage der Weizenexporte aus der Ukraine zu vermitteln und mit Moskau nicht zu brechen, indem es die westlichen Sanktionen nicht mitträgt. Das kann es sich wirtschaftlich auch nur schwer leisten.
Die Frage der Nato
Russland mag darauf gehofft haben, dass sich die Türkei nachhaltiger gegen die Nato-Erweiterung durch Schweden und Finnland wehrt. Aber das westliche Offert war wohl ausreichend, sowohl was Waffenlieferungen aus anderen Nato-Ländern als auch was einen härteren Umgang mit der türkisch-kurdischen PKK, die auch in der EU als Terrororganisation eingestuft ist, und ihren Ausläufern betrifft. Wobei die Nato-Beitritte noch die nationalen Parlamente, also auch das türkische, passieren müssen, noch ist die letzte Hürde also nicht gekommen.
Nun lässt Russland immer wieder die Türkei spüren, dass sie ihr in Syrien mehrfach das Leben schwermachen kann: eben durch eine humanitäre Katastrophe in der unter türkischem Einfluss stehenden Provinz Idlib, aber auch im Nordosten Syriens. Dort droht Ankara seit Wochen mit einem neuen Einmarsch, um die PKK-nahen syrischen Kurden der PYD/YPG ins Landesinnere zurückzudrängen. Bisher gilt an der Grenze ein türkisch-russisches Arrangement. Die Situation ist noch komplizierter, weil die YPG-Miliz unter US-Protektion steht; sie wurde von Washington als lokale Truppe gegen den "Islamischen Staat" aufgebaut.
Präsidentengipfel in Teheran
Am Dienstag wurde für 19. Juli ein Präsidentengipfel von Wladimir Putin, Tayyip Erdoğan und Ebrahim Raisi in Teheran angekündigt. Auch Ankara setzt also darauf, sich die Sache ohne den Westen auszumachen. Das Gewicht des wie Russland mit dem Assad-Regime verbündeten Iran in Syrien wächst durch die russische militärische Überdehnung – und damit auch das Potenzial iranischer Konflikte mit der Türkei. Auch Teheran lehnt eine türkische Operation in Nordostsyrien strikt ab. Die Iraner sind zudem über die Wiederannäherung Ankaras an Israel verärgert. Zuletzt hatte es Warnungen vor iranischen Anschlägen gegen israelische Touristen in der Türkei gegeben.
Und es gibt Meldungen über eine russisch-iranische militärische Kooperation für die Ukraine: In diesem Fall soll Teheran Moskau Drohnen zur Verfügung stellen. Sonst läuft der Waffenhandel ja umgekehrt. Währenddessen ist beim Besuch von Joe Biden in Israel und Saudi-Arabien ein strategischer israelisch-arabischer Pakt vor allem zur Luftabwehr gegen den Iran ein großes unterschwelliges Thema.
https://www.derstandard.at/story/2000137423645/russland-raecht-sich-in-syrien-an-der-tuerkei-fuer-ihre
Auch wieder ein Artikel – deren gibt es in letzter Zeit einige, nicht nur im Standard – wo die Überschrift etwas ankündigt, das im Artikel nicht eingelöst wird.
Das Verhältnis Rußlands und der Türkei im Syrienkrieg war immer spannungsgeladen und mündete teilweise in direkte Konfrontation.
Die Sache mit der Sicherheitsrats-Resolution ist daher keineswegs eine „Rache“, sondern nur die Erinnerung Rußlands an ALLE anderen Parteien, daß es dort präsent ist und die derzeitige Teilung Syriens kein Dauerzustand werden soll.
Rußlands Position ist nach wie vor, daß Syrien in seinen alten Grenzen (vor 2011) wiederhergestellt werden sollte.
Türkei, Israel, Russland: Luftangriffe markieren neue Ära im Syrien-Krieg
Vor allem die Kurden stehen im Fokus von Bombardements, wie es sie in Syrien seit drei Jahren nicht gegeben hat. Die Türkei, Israel und Russland haben eigene Interessen in der Region – das wird oft vergessen.
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/tuerkei-israel-russland-in-syrien-erkennen-sie-die-kampfjets-an-deren-droehnen
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168744.syrien-erneuter-kampf-um-rojava.html
https://www.jungewelt.de/artikel/439309.nato-partner-führen-krieg-wir-halten-12-000-is-kämpfer-in-schach.html
Antikurdische Kooperation zwischen Teheran und Ankara?
Erdogans imperialistische Eskalation
Ein Hintergrund zu den jüngsten Angriffen des türkischen Staates gegen die kurdische Selbstverwaltungsregion Rojava.
Die Zeit scheint günstig für einen neuen Angriffskrieg des Nato-Partners Türkei. Den ungeklärten Bombenanschlag von Istanbul ausnutzend,1 greift die türkische Luftwaffe seit Tagen die Rojava genannten kurdischen Selbstverwaltungsgebiete in Nordsyrien an. Duzende von Menschen sind den Luftschlägen zum Opfer gefallen.2 Inzwischen drohen türkische Stellen offen damit, eine neue Offensive gegen Rojava zu starken – es wäre, nach der Invasion Afrins 2018 und dem Landraub im Oktober 2019, der dritte Angriffskrieg des türkischen Staates gegen die selbstverwaltete Region.
Die Türkei beitreibt dabei – unter Tolerierung oder gar mit Unterstützung des Westens und Berlins3 – eine Politik der ethnischen Säuberungen,4 bei der Hunderttausende von Kurden vertrieben werden, um diese Pufferregion mit islamistischen, syrischen Milizen zu besiedeln. Zudem hat Ankara immer wider betont, dass die syrischen Flüchtlinge, die derzeit in der Türkei leben, in diese eroberten und von Islamisten kontrollierten Gebiete abgeschoben werden sollen. Die Türkei will somit Rojava gänzlich zerschlagen, Nordsyrien erobern und ethnisch säubern, um diese Region als eine „Abschiebezone“ für Flüchtlinge zu betreiben.
Die jüngsten Angriffe gegen Rojava bilden dabei nur die aktuelle Eskalationsphase des ohnehin andauernden, türkischen Krieges gegen die kurdische Freiheitsbewegung, der in der westlichen Öffentlichkeit – insbesondere beim engen türkischen Partner Deutschland – verbissen ignoriert wird. Die Streitkräfte der Türkei sind tief in den Nordirak vorgestossen, wo sie gegen die Rückzugsgebiete der kurdischen Guerilla PKK vorgehen. Hierbei soll die türkische Armee Massenvernichtungswaffen, vor allem Giftgas einsetzen, während sie die Überlebenden des Genozids des „Islamischen Staates“ an den Jesiden in ihren Flüchtlingslagern und Dörfern angreift (Näheres hierzu in der kommenden Konkret, 12/2022).
(…)
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/tuerkei-erdogan-imperialistische-eskalation-7348.html
Die Türkei in Syrien eröffnete "Friendly Fire" auf die Amerikaner
Wie bedeutet das für die zukünftige Neuordnung Syriens und für die Einheit der NATO?
Letzten Sonntag startete die Türkei die Claw-Sword-Luftoperation mit über 50 Flugzeugen und 20 Drohnen. Vom Boden aus durch Artillerie unterstützte Luftangriffe wurden in den nördlichen Regionen Syriens durchgeführt, wo sich die Stützpunkte der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) befinden. Die Streiks wurden Anfang dieser Woche fortgesetzt. Präsident Erdogan sagte im türkischen Parlament, dass die Türkei zum richtigen Zeitpunkt eine Bodenoperation in Syrien starten werde.
Ankara kündigte an, dass seine Aktionen Rache für die Explosionen in Istanbul am 13. November seien, die seiner Meinung nach ein Terroranschlag von ihm feindlich gesinnten kurdischen Kräften waren.
Es gibt allerdings einen Umstand, der türkische Angriffe in Nordsyrien zu "Friendly Fire" macht – die kurdischen Stützpunkte befinden sich in Gebieten, die von amerikanischen Truppen kontrolliert werden.
Pentagon-Sprecher Patrick Ryder erklärte: „Die jüngsten Luftangriffe in Syrien bedrohen direkt die Sicherheit des US-Militärpersonals, das in Syrien mit lokalen Partnern daran arbeitet, den IS zu besiegen, und mehr als zehntausend Aktivisten (dieser Organisation) in Gewahrsam hält.“
Die Washington Post stellt unter Berufung auf das Militär klar, dass einer der Angriffe nur „130 Meter von amerikanischem Personal entfernt durchgeführt wurde. US-Truppen sind also in Gefahr“.
Derselbe Artikel zitiert Mark Milley, den Vorsitzenden des des Kommandos der US-Stabschefs, der am Mittwoch mit seinem türkischen Amtskollegen sprach und die Türken davor warnte, die Sperrzonen um US-Truppen anzugreifen.
Gleichzeitig gibt es seiner Meinung nach keine Anzeichen dafür, dass die Türken zur Deeskalation bereit wären. Deshalb, so glaubt der amerikanische General, „fängt ein vernünftiger Mensch an, sich zu fragen: Was ist das für ein Verbündeter?“
Die Beziehungen der „verbündeten“ NATO-Partner Türkei und Griechenland sind bekannt. Zwischen ihnen kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen, auch militärischer Natur. Aber die USA, der Hauptmanager der Allianz, schafften es immer noch, sie in einer „Mannschaft“ zu halten.
Aber sind die Türken jetzt bereit, auch Amerikaner zu beschießen? Es ist in der Tat eine seltsame Allianz, die sich hier präsentiert.
Die politische Gewohnheit des türkischen Präsidenten, in der internationalen Politik „Alleingänge“ zu veranstalten, hat ihn mehr als einmal zum Erfolg geführt.
Es genügt, sich daran zu erinnern, wie er die Schweden und Finnen, die sich entschieden, dem NATO-System beizutreten, dazu zwang, sich vor ihm den Magen zusammenzuziehen. Erdogan stellte ihnen eine strenge Bedingung: die Auslieferung der kurdischen „Terroristen“, die sich in diesen Ländern verstecken.
Aber in der aktuellen Situation versucht der türkische Führer, alle auszutricksen – sowohl seine westlichen Verbündeten als auch Rußland. Es wurden bereits Drohungen gegen die „Fertigstellung“ der Pläne zur Schaffung einer 30 Kilometer langen Sicherheitszone an der Südgrenze der Türkei ausgesprochen.
Aber auch mögliche „Zugeständnisse“ werden angedeutet – bis hin zu einem künftigen Treffen mit dem syrischen Präsidenten Assad, gegen den er immer so eine Abneigung hegte, dass „ich nicht essen kann“. Jüngsten Nachrichtenberichten zufolge, die Alexander Lavrentiev, den Sonderbeauftragten des Präsidenten der Russischen Föderation für Syrien, zitieren, sendet Ankara „Signale“, daß die versprochene Bodenoperation abgesagt werden könnte.
Um Erdogans aktuelle Aktionen zu verstehen, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass er in sechs Monaten zum Präsidenten des Landes wiedergewählt wird. Laut allen Umfragen hat er eine Chance von 50 zu 50. Und was gefällt dem Wähler am besten? Die Entschlossenheit eines Führers bei der Wahrung der Sicherheit des Landes.
Erdogan brachte ohne Zweifel jeden dazu, „ihn zu respektieren“. Wie seine politische und militärische Offensive enden wird, ist schwer zu sagen. Nach Napoleons Formel hat er sich bereits definitiv in die Schlacht eingemischt, und wir werden sehen, was als nächstes passiert.
(KP, 24.11.)
Ankara nutzt die geopolitische Lage
Türkei: Das vergessene Morden
Der Nato-Staat Türkei forciert seine imperialistische Expansion im Nordirak und in Nordsyrien. Der Westen schaut weg, obwohl immer mehr Beweise für Kriegsverbrechen vorliegen.
„Jin, Jiyan, Azadi – Frau, Leben, Freiheit“: Aussenministerin Annalena Baerbock schmückt sich bei öffentlichen Auftritten, etwa beim Bundesparteitag der Grünen im Oktober, gern mit den Parolen der Aufstandsbewegung im Iran. Und sie hat den Protestierenden zumindest verbal den Rücken gestärkt, indem sie versprach, die mörderische Repression durch das Mullah-Regime vor den UN-Menschenrechtsrat zu bringen und gezielte Sanktionen gegen die Verantwortlichen – also solche, die Deutschlands Exportwirtschaft nicht tangieren – anzuregen. Die Möglichkeiten der Aussenpolitik seien zwar „begrenzt“, so Baerbock bei einem Wahlkampfauftritt Anfang Oktober in Hannover, doch „wir können hinschauen. Wir können die Stimme dieser Frauen sein.“
Wo Baerbock hingegen nicht hinschaut, ist die unmittelbar westlich des Irans gelegene kurdische Autonomieregion im Nordirak. Dort lässt ein enger Bündnispartner Deutschlands, Erdogans Türkei, vermutlich kurdische Aktivistinnen umbringen. Aktivistinnen, die an der Formulierung jener feministischen Befreiungstheorie beteiligt waren, die massenwirksame Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadi“ hervorbrachte. Das Killerkommando, dem die Feministin Nagihan Akarsel Anfang Oktober in der Stadt Slemani zum Opfer fiel, versuchte nach der Tat, sich in Gebiete abzusetzen, die von der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) des in der Hauptstadt Erbil herrschenden Barzani-Klans kontrolliert werden. Die zu einem oligarchischen Herrschaftsinstrument verkommene KDP, die sich aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und weitverbreiteter Korruption immer wieder mit Protesten konfrontiert sieht, kollaboriert mit dem türkischen Staat, um die PKK und emanzipatorische Gruppen und Organisationsansätze anzugreifen, die beide Seiten als Bedrohung ansehen.
(…)
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/tuerkei-pkk-kurdistan-das-vergessene-morden-7425.html
Der Direktor des russischen Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin sagte, dass die USA weiterhin islamistische Gruppen unter ihrer Kontrolle in Syrien einsetzen, um die Positionen der Regierung dieses Landes und insbesondere von Präsident Baschar al-Assad zu untergraben. Washington kontrolliert den ISIS-Untergrund und weist ihn an, Feindseligkeiten zu schüren.
Laut Leiter des Auslandsgeheimdienstes nutzen die Amerikaner die Radikalen für ihre eigenen Zwecke. Eine besondere Rolle räumen die Amerikaner der sogenannten „Free Syrian Army“ ein – einem Konglomerat bewaffneter kurdischer und arabischer Oppositionsgruppen, über die Washington den Islamisten Anweisungen erteilt.
Die Koordination der Aktionen erfolgt von der amerikanischen Militärbasis „Et-Tanf“ in der Provinz Homs. Es wird berichtet, dass Vertreter der US-Streitkräfte persönlich an der Planung der wichtigsten Operationen beteiligt sind.
IS-Mitglieder sollten im Namen ihrer ausländischen Koordinatoren Feindseligkeiten im Südwesten, Osten und Zentrum Syriens schüren. Insgesamt planen sie, mehrere Abteilungen von Radikalen mit einer Gesamtzahl von etwa 300 Personen zu bilden.
Sie werden speziell für den Angriff auf militärische Einrichtungen in Syrien und im Iran ausgebildet. Zu den Aufgaben der Terroristen gehört die Entführung russischer und iranischer Militärangehöriger.
Die Gruppen erhalten mehrere Dutzend Allrad-Pickups mit schweren Maschinengewehren sowie Igla MANPADS, TOW und NLAW ATGMs.
„Mit der engen Interaktion der USA mit islamistischen Terroristen, einschließlich IS-Kämpfern stellen sie sich auf die gleiche Ebene. Tatsächlich sind solche US-Aktivitäten eine Manifestation des Staatsterrorismus“, stellte der Geheimdienstleiter fest.
Zuvor war Baschar al-Assad nach Moskau geflogen, um sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Der Chef von Syrien dankte dem russischen Führer für seine Hilfe bei der Beseitigung der Folgen des Erdbebens und drückte seine Unterstützung für die Sonderoperation aus.
(KP, 20.3.)
„Die Arabische Liga nimmt El Asads Syrien nach 12 Jahren Suspendierung wieder auf
Mitglieder der Organisation gehen davon aus, dass der syrische Präsident der faktische Sieger eines Krieges ist, der rund 500.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus ihrer Heimat vertrieben hat.
Die Arabische Liga hat an diesem Sonntag einen Kreis geschlossen, indem sie die Wiederaufnahme von Baschar El Assads Syrien in die Organisation bekannt gab.“
Man könnte diese seltsame Formulierung so verstehen, daß dieser ehrenwerte Staatenbund seither im Kreis gegangen ist. Der Ausschluß – wegen Gewalt gegen die eigene Bevölkerung – hatte im Grunde der Satzung der Liga widersprochen, kam aber einigen damals mit den USA verbündeten Staaten in der Region sehr recht.
„Sie tut dies 12 Jahre nach der Suspendierung ihrer Mitgliedschaft wegen der Unterdrückung der Volksrevolte, die schließlich in den internationalisierten Bürgerkrieg ausartete, der bis heute andauert.“
Es sind ausgerechnet solche ehemals mit den USA verbündeten Staaten, die inzwischen wieder auf die Zulassung Syriens dringen, weil sie mit den USA nicht mehr so gut sind – Saudi-Arabien, Ägypten u.a.
Der Wiederaufnahme-Beschluß spiegelt daher den Gesichts- und Gewichtsverlust der USA in der Region wider.
„Im Jahr 2011 stellte sich die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Arabischen Liga auf die Seite der Rebellen, die versuchten, den syrischen Präsidenten zu stürzen. Zwei Jahre später ging das Forum noch weiter und überließ den Sitz der Opposition, als erstmals eine Oppositionsbewegung statt der Regierung das Podium betrat.
Individuelle Annäherungen arabischer Staaten in den letzten Jahren gipfelten in einer kollektiven Entscheidung, die es Damaskus ermöglicht, am jährlichen Gipfeltreffen der Liga in Saudi-Arabien am 19. teilzunehmen.
Syrien hat keinen neuen Führer seit 2011, aber der Kontext ist ein anderer. Mit der Hilfe Rußlands und des Iran ist es dem Regime gelungen, den Konflikt umzudrehen, der (…) mehr als die Hälfte der Bevölkerung, etwa 13 Millionen Syrer, aus ihrer Heimat vertrieben hat.
Heute kontrolliert Assad den größten Teil des Landes und die bevölkerungsreichsten Teile, sodass die arabische Welt davon ausgeht, dass Assad den Krieg praktisch gewonnen hat, dass er sich in seiner Endphase befindet und dass es an der Zeit ist, Probleme anzusprechen, die andere Teile des Nahen Ostens betreffen, wie die Rückkehr von Flüchtlingen oder der Drogenhandel aus Syrien.“
Spät, aber doch, haben die Staaten der Arabischen Liga festgestellt, daß sie die Zeche zahlen für einen Konflikt, den der Freie Westen ausgerufen hat.
Wobei der Drogenhandel vermutlich nicht in denjenigen Gebieten besonders floriert, wo die Assad-treuen Kräfte das Sagen haben, sondern in denen, in denen die Türkei oder die USA und der IS den Ton angeben.
„Die Entscheidung wurde von den Außenministern der Mitglieder der Arabischen Liga in einer Dringlichkeitssitzung hinter verschlossenen Türen gebilligt. Damaskus wird ab diesem Sonntag "an allen Sitzungen und in allen Gremien" der Liga wieder teilnehmen und "praktische und wirksame Maßnahmen ergreifen können, um die durch den Syrienkonflikt verursachte Krise, wie die Millionen von Flüchtlingen in den Nachbarländern, schrittweise zu lösen", so die Aussage.
Der Generalsekretär der Organisation, Ahmed Aboul Gheit, hat in einer Pressekonferenz relativiert, dass "die Wiederaufnahme Syriens keine Normalisierung der Beziehungen zu den arabischen Ländern bedeutet", was eine "souveräne Entscheidung ist, die jeder von ihnen treffen muss".“
Diese Erklärung deutet darauf hin, daß die Entscheidung umstritten war, aber von einigen Mitgliedern durchgepusht wurde.
„Jordanien, Saudi-Arabien, Irak, Libanon und Ägypten (eine Mischung aus Ländern, die die Annäherung in unterschiedlichem Maße befürworten) werden eine ministerielle Kontaktgruppe bilden, um mit der syrischen Regierung in Kontakt zu treten. Sie wird nach "Schritt-für-Schritt"-Lösungen für Fragen wie die Lieferung humanitärer Hilfe nach Syrien nach dem Erdbeben mit Epizentrum in der Türkei im vergangenen Februar suchen, das sowohl den Teil, der Damaskus kontrolliert, als auch den Teil in den Händen der Rebellen betraf. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi hatte bereits letzte Woche davor gewarnt, dass die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga nur der Anfang eines "sehr langen, schwierigen und komplexen Prozesses" sei.“
Hier merkt man, daß der Beschluß sich auch gegen die Türkei richtet, deren angestrebte Beispielwirkung und Vormachtstellung in der Region vielen arabischen Staaten auf den Geist geht.
„Kurz nach der Ankündigung gab das syrische Außenministerium eine Erklärung heraus, in der es betonte, dass die "nächste Stufe einen effektiven und konstruktiven arabischen Ansatz erfordert“, der auf „Dialog, gegenseitigem Respekt und den gemeinsamen Interessen der arabischen Nation" basiere.
Die Syria Campaign, eine 2014 gegründete Gruppe, die Menschenrechtsverletzungen des Regimes sichtbar machen soll, hat die Wiederaufnahme auf Twitter als "verheerenden Rückschlag für Justiz und Menschenrechte" bezeichnet. Sie fügt hinzu, dass sie "ein Regime beschönigt, das für 12 Jahre ungeheurer Gräueltaten verantwortlich ist" und "den letzten Nagel in den Sarg der Hoffnungen auf Freiheit und Demokratie des Arabischen Frühlings schlägt", der 2010 in Tunesien begann.“
Man merkt hier, daß zumindest manche Nachbarstaaten Syriens diese britisch finanzierten Weißhelme und den ganzen Zinnober mit den Menschenrechten als Kriegs- und Einmischungsgrund auch satt haben.
„Neue Schwerpunktsetzung
Einer der Schlüssel zu der Entscheidung war die von China gesponserte Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Großmächten, die vor der regionalen Hegemonie stehen, dem Iran und Saudi-Arabien, die im Syrienkrieg auf entgegengesetzten Seiten stehen.
Riad hatte bereits seine Außenpolitik geändert und nach der Einigung mit Teheran im vergangenen März die Notwendigkeit einer neuen Herangehensweise an Damaskus betont. Die USA, die die Kurden im Norden unterstützen, sind gegen eine Normalisierung der Beziehungen zu El Asad und verteidigen den Weg der Sanktionen. In der Praxis beschäftigt der Krieg in der Ukraine oder die Rivalität mit China die USA mehr, auch im Bewusstsein der Geschwindigkeit des Prozesses“ (der Veränderungen innerhalb der Arabischen Liga).
Mit einem Wort, an anderen Fronten engagiert, entgleitet den USA langsam, aber sicher der Zugriff auf den Nahen Osten.
„Fast ein Jahrzehnt lang behandelte der größte Teil der arabischen Welt Syrien als Paria und zog diplomatische Vertretungen zurück. Einige Länder unterstützten die Rebellen offen. Al Asad (…) reiste selten ins Ausland. Die Wende begann Ende des letzten Jahrzehnts, pilotiert von den VAE. Nach jahrelanger Unterstützung der Rebellen eröffneten sie die Botschaft 2018 wieder. Im vergangenen Jahr wurde El Asad, mit dem sich der VAE-Außenminister Abdullah bin Zayid vorher bereits dreimal in Damaskus getroffen hatte, in den VAE empfangen.
Das Erdbeben beschleunigte die Umarmung zurück in die arabische Herde. Nach dem Erdbeben, das rund 6.000 Menschenleben in Syrien forderte, empfing der Sultan von Oman, Haitham bin Tariq Al Said, El Asad auf einem roten Teppich. Und der König von Bahrain, Hamad Bin Isa al Khalifa, und der ägyptische Führer, Abdelfatá al Sisi, riefen ihn zum ersten Mal an. Darüber hinaus statteten die Außenminister von Ägypten und Jordanien getrennt Damaskus ihren ersten Besuch ab.“
(El País, 7.5.)
Assad erstmals seit zehn Jahren bei Gipfel der Arabischen Liga
Syriens Machthaber hofft auf den "Beginn einer neuen Phase"
Nach rund einem Jahrzehnt der Isolation nimmt Syriens Präsident Bashar al-Assad beim Gipfel der Arabischen Liga am Freitag erstmals wieder an einem großen internationalen Treffen teil. Für den Machthaber, dem Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Chemiewaffen vorgeworfen werden, ist die Teilnahme ein großer symbolischer Erfolg. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj landete am Freitag aus Polen kommend in Jeddah.
(…)
(Standard, 19.5.)
Der Gipfel der Arabischen Liga – früher eine kaum wahrgenommene Organisation – spiegelt den Aufstieg der Region wider.
Sogar der inzwischen unermüdlich herumreisende Selenskij macht seine Aufwartung, um sich bei diesen aufsteigenden Mächten auch anschauen zu lassen.
Vielleicht für eine Zeit, wenn der Westen ihn fallen lassen sollte …
Er hat jedoch dort sichtlich nicht die Prominenz, die er in westlichen Hauptstädten genießt, sondern ist eine Art Adabei.
In Syrien offenbar nichts Neues:
Israel bombardiert den Flughafen von Aleppo und beschädigt dabei die Landebahn.
Ein russischer Pilot konnte die Kollision seiner Maschine mit F-16-Fliegern der sogenannten – von den USA geleiteten – „Antiterrorkoalition“ gerade noch verhindern.
(KP, 28.8.)
So besonders bedrängt kann Israel offenbar nicht sein, wenn es dafür auch noch Zeit und Gerät hat:
„Syrischer Flughafen in der Nacht erneut von israelischer Luftwaffe angegriffen
Innerhalb von zwei Tagen ist der Flughafen im syrischen Aleppo erneut Ziel von Luftangriffen geworden. Die mutmaßlich israelischen Angriffe beschädigten die Landebahn des Flughafens in Aleppo, wie gut informierte Kreise und syrische Aktivisten in der Nacht zu Sonntag übereinstimmend berichteten. Erst kurz zuvor war die Landebahn wieder repariert und für den Betrieb freigegeben worden. Die israelische Armee, die häufig Ziele im benachbarten Bürgerkriegsland bombardiert, äußerte sich auf eine entsprechende Anfrage, wie gewohnt, nicht.
Am Donnerstag waren Landebahnen der Flughäfen in Aleppo und Damaskus offenbar durch israelische Luftangriffe beschädigt worden. Der Betrieb wurde deswegen eingestellt. Vermutet wird, dass Israel mit den Angriffen verhindern will, dass der Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen dort strategische Waffen stationieren könnten.
Ein Vertreter des israelischen Außenamts hatte davor am Sonntag gewarnt. Joschua Sarka, ein ranghoher Vertreter des israelischen Außenministeriums, wirft dem Iran konkret vor, mit Waffenlieferungen nach oder via Syrien eine zweite Kriegsfront eröffnen zu wollen.“
(Standard, 15.10.)
Die USA verteidigen sich in Syrien gegen Angriffe auf ihre Basis in El Tanf und bombardieren Ziele in El Kamal.
(El País, 27.10.)
Es gibt offenbar berechtigte Befürchtungen der USA, daß der Iran und seine Verbündeten im Schatten des israelischen Krieges gegen Gaza die Präsenz der USA in Syrien und dem Irak gefährden könnten.
„Drei US-Soldaten wurden bei einem Drohnenangriff auf einen jordanischen Stützpunkt getötet
Das Pentagon führt die Aktion, bei der weitere 25 Soldaten verletzt wurden, von Iran finanzierten Milizen zu.
Der Islamische Widerstand des Irak, eine Konfession, die verschiedene von Teheran unterstützte bewaffnete Fraktionen vereint, bekannte sich in einer Erklärung zu der Aktion. Bei dem Angriff wurden auch mindestens 25 Soldaten verletzt.
Der jordanische Minister für Regierungskommunikation, Muhannad Mubaidín, sagte dem Staatsfernsehen, daß die Drohnen einen Stützpunkt außerhalb seiner Grenzen getroffen hätten.“
Es handelt sich um die Al Tanf-Basis in Syrien, wo sich die USA schon vor Jahren festgesetzt haben, die allerdings über Jordanien versorgt wird.
Der Guardian legt nahe, daß die Basis auf jordanischem Boden in Dreiländereck Jordanien-Irak-Syrien liegt.
Jordanien legt anscheinend Wert darauf, zu verschleiern, daß es eine US-Basis auf seinem Staatsgebiet erlaubt, um sich nicht zur Zielscheibe militanter Islamisten zu machen.
Auf Google Maps ist die Basis unter „Rukban“ auf jordanischem Territorium eingezeichnet.
Dort ist allerdings schon seit geraumer Zeit einiges los:
„Es ist nicht klar, was bei der Luftverteidigung des Stützpunkts Tower 22, den die USA an der jordanischen Grenze zu Syrien und dem Irak unterhalten, schief gelaufen ist, aber sie haben die Drohnen nicht abgefangen, die zu den vielen gehören, die in den letzten Monaten ein ähnliches Ziel gesucht haben.
Bis Freitag hatte das Pentagon mehr als 158 Angriffe gegen US- und Koalitionstruppen im Irak und in Syrien gezählt. Dieser »ständige Beschuss mit Drohnen, Raketen und Flugkörpern« sei bisher erfolglos geblieben. Sie hatten nicht einmal Schäden an der Infrastruktur verursacht. (…)
Die Identität der drei Verstorbenen wurde zunächst nicht bekannt gegeben. Das Bild, wie ihre Familien die Särge dieser Soldaten in Empfang nehmen, ist für Biden auch nicht erfreulich und könnte daher dazu beitragen, die Erinnerung der Amerikaner an die langen und erfolglosen Militärinterventionen im Ausland zur Zeit der Kriege in Afghanistan und im Irak aufzufrischen. Im ersten Fall starben 2.455 Angehörige des US-Militärs. Im zweiten Fall etwa 4.400, nach Angaben des Verteidigungsministeriums.
Der Islamische Widerstand im Irak, eine Konfession, die verschiedene von Teheran unterstützte bewaffnete Fraktionen vereint, hat in einer Erklärung die Verantwortung für die Aktion übernommen. Er beschreibt es als vier gleichzeitige Drohnenangriffe aus Solidarität mit den „Brüdern von Gaza“.
Drei davon gegen US-Streitkräfte in den syrischen Stützpunkten Shadadi, Tanf und Rukban. Der vierte richtet sich gegen einen Marinestützpunkt in „den besetzten palästinensischen Gebieten“, in Bezug auf Israel, der keinen Angriff gemeldet hat, und wahrscheinlich gegen die Basis Tower 22, von der nicht bekannt ist, wie viele Soldaten stationiert dort sind.“
Aus den etwas wirren Meldungen des Guardian und des El País geht jedenfalls hervor, daß die USA mindestens 4 Basen in Syrien und Jordanien unterhalten, von denen aus sie versuchen, den Abtransport des syrischen Erdöls und dessen Verkauf über den Irak und die Türkei zu gewährleisten, durch die mit ihnen verbündeten Kurden und arabischen Stämme im Osten Syriens – besonders wichtig in Zeiten des Öl-Embargos gegen Rußland.
„Ein Sprecher der HAMAS, Sami Abu Zuhri, interpretierte den Angriff als »eine Botschaft an die amerikanische Regierung«, daß sie sich »der gesamten muslimischen Nation gegenübersieht«“ – auch die HAMAS beansprucht die gesamten Muslime der Welt für ihren Zweck –, „»bis das Massaker an Unschuldigen in Gaza endet. Die ständige amerikanisch-zionistische Aggression in Gaza könnte die Lage in der Region explodieren lassen«, sagte er der Agentur Reuters. (…)
Letzte Woche wurden bei einem Raketen- und Flugkörperhagel auf einem Stützpunkt im Westen des Irak mindestens vier US-Soldaten verletzt.
Washington hat rund zweitausend Soldaten auf dem jordanischen Luftwaffenstützpunkt Azraq stationiert, um die Überreste des Islamischen Staates zu bekämpfen.“
Hier erfährt man nebenbei, daß verschiedene NATO-Mächte ihre Truppen und auch Flugzeuge aus dem Stützpunkt Inçirlik in der Türkei abgezogen und nach Jordanien verlegt haben.
„Jordanien, ein Verbündeter Washingtons, der an Israel, das Westjordanland, Syrien, den Irak und Saudi-Arabien grenzt und großen Wert auf Stabilität legt, ist besonders besorgt darüber, vom Krieg in Gaza betroffen zu sein. Die Hälfte seiner Bevölkerung sind Palästinenser.
Ende letzten Jahres, als Israel bereits Gaza bombardierte und pro-iranische Milizen im Nahen Osten regelmäßig Projektile und Drohnen gegen den jüdischen Staat und US-Truppen in Nachbarländern abfeuerten, forderte es Washington auf, Patriot-Raketenabwehrsysteme an seiner Grenze zu Syrien zu stationieren, an der Truppen beider Länder gemeinsame Manöver durchführen.“
Sieh da, sieh da.
Man merkt übrigens, daß diese Patriot-Raketensysteme, von denen ja auch die Ukraine gerne mehr hätte, an verschiedenen Orten eingesetzt werden und deshalb recht knapp sind.
Wenn man dann noch bedenkt, daß ein Projektil derselben ca. 4 Millionen Euro kostet, so versteht man, warum die Ukraine nicht mehr erhält.
„Diese Grenze ist der Schlüssel zur regionalen Stabilität, auch aufgrund des Handels mit Captagon, einer Droge, die vor allem in Saudi-Arabien populär ist. Die jordanische Armee hat sogar syrisches Territorium bombardiert, um den Schmuggel mit Captagon zu stoppen, und wirft dem Regime von Baschar al-Assad vor, einen Drogenstaat zur Selbstfinanzierung gebildet zu haben, von dem auch bewaffnete Gruppen, die dem Iran nahestehen, profitieren.“
Von irgendetwas muß Syrien ja seine Ausgaben bestreiten, um so mehr, als sein Öl von der USA und deren Verbündeten geklaut wird.
„Das Pentagon geht davon aus, dass zwei Mitglieder des Elitekorps Navy Seals ums Leben kamen, die zehn Tage zuvor bei einer Operation auf See verschwunden waren, bei der es darum ging, iranische Waffenlieferungen an Huthi-Kämpfer abzufangen.“
»Heute wird das Herz Amerikas schwer«, erklärte der amerikanische Präsident. »Die drei amerikanischen Soldaten, die wir verloren haben, waren Patrioten im höchsten Sinne. Und unsere Nation wird ihr höchstes Opfer nie vergessen.“
Und bla und bla und bla.
(El País, 29.1.)
Der durchschlagende Erfolg dieses Angriffs schuldete sich angeblich dem Umstand, daß die Sprengladung von einer Drohne abgeworfen wurde, die die Flugabwehr dieses Stützpunktes mit einer eigenen verwechselt hatten.
Die US-Truppen schicken also von ihren Basen regelmäßig Aufklärungsdrohnen aus und bombardieren dann Ziele in Syrien.
Jetzt geht in den USA eine große Aufregung los, warum die USA nicht „angemessen“ reagiert. Manche republikanische Abgeordnete hätten gerne einen Angriff auf den Iran.
Vergessener Dauerkrieg:
„»Syrien braucht dringend einen Waffenstillstand«
Seit fast 13 Jahren herrscht Krieg in Syrien – seit einigen Monaten haben die Kampfhandlungen wieder zugenommen. Die Weltöffentlichkeit nimmt davon aber kaum Notiz, sogar die UN mussten ihre Hilfen zurückfahren.
Im Schatten des Krieges im Gazastreifen droht die Situation in Syrien aus dem Blickfeld zu geraten. Dort hat die Gewalt des jahrelangen Krieges zuletzt deutlich zugenommen. »Seit Oktober ist es in Syrien zur größten Eskalation der Kämpfe seit vier Jahren gekommen«, sagte Paulo Pinheiro, Vorsitzender der Syrien-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates.
»Auch Syrien braucht dringend einen Waffenstillstand", forderte Pinheiro vor dem Hintergrund der Verhandlungen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Die Lage in Syrien eskalierte nach einem Angriff auf eine Militärakademie mit Dutzenden Toten Anfang Oktober.
Laut dem jüngsten Bericht der Syrien-Kommission bombardierten syrische und russische Streitkräfte daraufhin mindestens 2300 Ziele in Gebieten, die von der syrischen Opposition kontrolliert werden. Mehr als 500 Zivilisten seien getötet oder verletzt worden, etwa 120.000 Menschen seien geflüchtet, hieß es.
Mehr Asylanträge in Europa
»Es sollte niemanden überraschen, dass die Zahl der syrischen Asylbewerber in Europa im vergangenen Oktober den höchsten Wert in sieben Jahren erreicht hat«, sagte Kommissionsmitglied Hanny Megally. Seit dem Beginn des aktuellen Konfliktes im Gazastreifen sind die regionalen Spannungen auch auf Syrien übergeschwappt.“
„Übergeschwappt“! Israel nutzt die mediale Aufmerksamkeit Richtung Gaza, um seine Bombardements gegen syrische Ziele zu erhöhen, und die Türkei versucht auch, ihre geraubten Gebiete zu konsolidieren und zu erweitern, Stichwort „Terrorismusbekämpfung“ und „Grenzsicherung“:
„Der Bericht verwies auf israelische Angriffe auf Ziele mit Verbindungen zu seinem Erzfeind Iran und von gegenseitigen Attacken von pro-iranischen Milizen und US-Kräften in Syrien. Hinzu kommen türkische Militäroperationen gegen die von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Gefechte zwischen SDF und Milizen sowie ein Anstieg von Angriffen durch die Terrorgruppe IS.
In dieser komplexen Konfliktsituation seien vermutlich Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt worden, die zudem unter flächendeckender Armut und Gesetzlosigkeit leide. »Das syrische Volk kann keine weitere Verschärfung dieses verheerenden, anhaltenden Kriegs erdulden«, sagte Pinheiro.
Spendenbereitschaft geht immer weiter zurück
Als Beginn des Syrien-Konflikts gilt der 15. März 2011. Damals protestierten Menschen gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad, das mit grausamer Härte reagierte. Das Hilfsbündnis »Aktion Deutschland Hilft« beklagt, dass die Spenden für die Menschen in Syrien immer weiter zurückgingen. Im vergangenen Jahr sei weniger als eine halbe Million Euro gespendet worden, teilte das Bündnis mit. Vor zehn Jahren seien es noch 2,5 Millionen Euro gewesen.
Auch von öffentlicher Seite nehme die Unterstützung ab. Durch den andauernden Krieg und das schwere Erdbeben im Nordwesten Syriens vor gut einem Jahr sei die Not der Menschen so groß wie nie. Die nachlassende finanzielle Unterstützung hat demnach direkte Auswirkungen. So habe das Welternährungsprogramm der UN zu Beginn des Jahres sein größtes Hilfsprogramm eingestellt. Davon betroffen seien 3,2 Millionen Menschen in Syrien.
Die Hauptgeschäftsführerin des Bündnisses, Maria Rüther, warnte davor, die Menschen aufzugeben: »Die Menschen in Syrien und Geflüchtete, die nach Jahren der Vertreibung in ihr Land zurückkehren möchten, brauchen eine Perspektive.«
(Tagesschau, 11.3.)
Der Gaza-Krieg heizt also die Region weiter auf – Israel will reinen Tisch machen, ein für allemal.
Es ist allerdings möglich, daß dabei der Bogen überspannt wird.
Die Reste bzw. der Abfall des Islamischen Staates:
„Mehr als 50.000 Personen, die in irgendeiner Weise mit dem IS verbunden sind, die meisten davon Frauen und Kinder, sind weiterhin in den Lagern gefangen, die nach der Niederlage der Dschihadisten in Nordsyrien errichtet wurden. Die Terrorgruppe ruft dazu auf, sie zu befreien und ihre regionalen Ableger aufzufüllen. (…)
Der jüngste im UN-Sicherheitsrat erstellte Bericht über die Bedrohung durch den IS schätzt, dass die Gruppe zwischen 3.000 und 5.000 Kämpfer in der Region unterhält, die in Zellen organisiert sind, mit dem Ziel, Operationen geringer Intensität zur Rekrutierung von Männern zu entwickeln – wie bei dem Angriff auf ein Hasaka-Gefängnis im Jahr 2022 – und die Zunahme der Finanzierung durch Erpressung.
Sicherheitsmängel und Stammesstreitigkeiten haben es dem IS ermöglicht, in Gebieten Ostsyriens zu wachsen.“
Diese Territorien sind unter US-Kontrolle, und kurdische und arabische Milizen klauen dort das syrische Öl, das dann – sicher unter Beteiligung der US-Administration – ins irakische Kurdistan und über die Türkei auf den Weltmarkt verscheppert wird.
„Das Rojava Information Center (RIC) hält aktuelle Zahlen über die Häftlinge in diesen Lagern bereit. Nach den neuesten Daten, die EL PAÍS zur Verfügung gestellt wurden, leben in Al Hol 45.488 Menschen, darunter 21.377 Iraker, 17.199 Syrer und 6.912 anderer Nationalitäten, viele davon europäischer Herkunft.
Der nationale Sicherheitsberater des Irak, Qasim Malaraji, erklärte kürzlich, dass es in Al Hol Bürger aus bis zu 60 verschiedenen Ländern gibt. Das RIC behauptet in seinen Analysen, dass Rückführungen zwar seit 2019 durchgeführt würden, das Tempo jedoch seit zwei Jahren zurückgegangen sei. Mehr als 30 Länder haben keinen einzigen ihrer Bürger von dort repatriiert. Zu den Internierten von Al Hol und Al Roj, die zwar dort eingesperrt sind, sich aber innerhalb der Lager frei bewegen können und von denen viele immer noch im fundamentalistischen Universum versunken sind, müssen wir die fast 9.000 Kombattanten hinzufügen, die in Haftanstalten im Nordosten Syriens inhaftiert sind.
Das heißt, insgesamt ist der Nordosten Syriens größte dschihadistische Gefängnis der Welt. (…)
Die Bedrohung unter dem Ettikett des IS beschränkt sich nicht auf den Nahen Osten.
In einer im März veröffentlichten Audioaufnahme forderte der Dschihadisten-Sprecher Al Ansari seine Anhänger dazu auf, in alle Ableger der weltweit verbreiteten Gruppe auszuwandern. Das war ein Novum: Nach seiner Niederlage in Baguz hatte der IS darauf bestanden, seine Sympathisanten zum Angriff zu ermutigen, wo immer sie waren und mit allem, was sie zur Hand hatten.
Die jüngste Botschaft von Al Ansari hingegen bestärkt die Vorstellung, dass die Organisation nun zuversichtlich ist, dass ihre regionalen Stützpunkte in Asien und Afrika wachsen werden.
Der US-Amerikaner J. McCary gab in seiner Rede hierzu Auskunft: Ungefähr 60 % der ISIS-Propaganda komme aus Subsahara-Afrika, insbesondere aus Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik. McCary warnte auch vor der wachsenden Bedrohung durch die afghanische Terroristengruppe, die mit Dschihadisten verbündet ist (ISIS Khorasan oder ISIS-K), die für den Tod von mehr als 80 Menschen im Januar in Kerman (Iran) und mehr als 140 im März in der russischen Hauptstadt Moskau verantwortlich ist.“
(El País, 29.6.)
Man fragt sich allerdings, wo sich dieser IS-K befindet?
„Pogrome gegen syrische Flüchtlinge in der Türkei
Eine »Explosion des Zorns« rechtsextremer Türken richtete sich gegen Syrer im Land. Im besetzten Norden Syriens kam es ebenfalls zu Gewalt
Es war ein Funke, der das Land in Brand setzen könnte. Nach einer Meldung, ein syrischer Flüchtling habe ein Mädchen missbraucht, ging zwei Nächte nacheinander in etlichen türkischen Städten ein wütender Mob auf die Straße und griff syrische Läden und Autos an. Hunderte wurden festgenommen, bei antitürkischen Protesten in Nordsyrien starben sieben Menschen. (…)
Erdoğan gibt Opposition die Schuld
Am Montag schaltete sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich ein und verurteilte die Ausschreitungen. Fremdenhass und Straßenterror seien völlig inakzeptabel und würden kein Problem lösen, ließ er seine Bürgerinnen und Bürger wissen. Im Übrigen stecke die Opposition hinter den Ausschreitungen, die die Flüchtlinge politisch instrumentalisieren wolle.
Doch es nutzte nichts. Im Gegenteil: In der Nacht von Montag auf Dienstag weiteten sich die Proteste fast auf das ganze Land aus. Von der syrisch-türkischen Grenze aus, wo in Städten wie Reyhanlı, Urfa, Gaziantep und Kahramanmaraş mittlerweile 30 bis 60 Prozent der Bewohner syrischer Herkunft sind, über Antalya und Konya bis in den Istanbuler Stadtteil Sultanbeyli ging ein wütender Mob auf die Straße und griff syrische Läden und Autos an. In Gaziantep wurde im Laufe der Unruhen angeblich ein Syrer erstochen. Ein Ende des Aufruhrs ist nicht abzusehen. Rund 470 Randalierer wurden laut Innenministerium bis Dienstagnachmittag festgenommen.
Laut Umfragen sind mehr als 80 Prozent aller Türken und Türkinnen mittlerweile dafür, die Syrer nach Hause zu schicken. X, ehemals Twitter, ist voll von Äußerungen wie "Syrer haut ab, oder wir sorgen dafür, dass ihr verschwindet". Dass die Ausschreitungen ausgerechnet in Kayseri begannen, einer absoluten Hochburg der regierenden AKP, muss Erdoğan ganz besonders alarmieren. Immer wieder ertönte auch der Ruf, Erdoğan solle zurücktreten, weil er dafür verantwortlich sei, dass Millionen Flüchtlinge ins Land gelassen wurden.
Signale an Assad
Auch Urfa, Gaziantep und die anderen Großstädte entlang der syrischen Grenze sind konservative Hochburgen, die jahrelang die stetige Zunahme syrischer, aber auch irakischer und afghanischer Flüchtlinge akzeptiert haben, aber wo sich jetzt der sogenannte »Volkszorn«" entlädt. Die hohe Anzahl der Flüchtlinge – selbst in den Millionenstädten Gaziantep und Urfa sind es rund 50% der Einwohner“
– Really, really? Das wäre eine Million Syrer pro Stadt –
„– hatte bei den Kommunalwahlen Ende März, aber auch schon bei den Präsidentschaftswahlen im Mai letzten Jahres eine wichtige Rolle gespielt.
Erdoğan verspricht seit Jahren, syrische Flüchtlinge in die von der Türkei kontrollierten Gebiete in Nordsyrien abzuschieben, doch die türkische Gesellschaft muss nach und nach erkennen, dass der größte Teil der Flüchtlinge wohl nicht mehr freiwillig nach Syrien zurückkehren wird. Einmal, weil die Lage in Syrien nach wie vor katastrophal ist“
– das Land steht, nicht zu vergessen, nach wie vor unter Embargo –
„– zum anderen aber auch, weil viele Syrer längst Einwanderer geworden sind, deren Kinder in der Türkei zur Schule gehen und die sich eine wirtschaftliche Existenz in der neuen Heimat aufgebaut haben.
Dennoch will Erdoğan mit Syriens Diktator Bashar al-Assad dringend zu einer Vereinbarung über die Rückführung von Syrern kommen. Er bietet die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und sogar ein persönliches Treffen mit Assad an, doch dieser sendet lediglich vorsichtige Signale und rückt nur langsam von seiner Forderung ab, dass sich vorher alle türkischen Soldaten von syrischem Territorium zurückziehen müssten.“
Begreiflich.
Was die türkische Armee und auch Zivilisten alles aus Syrien mitgenommen haben – Ost-Aleppo wurde richtig geplündert, vom Öldiebstahl ganz zu schweigen – werden die Türken wohl nicht zurückgeben, aber wenigstens das besetzte Territorium …
„»Undankbare Syrer«
Nach Erdoğans Aussöhnungssignalen in Richtung Assad am Ende der letzten Woche zeigt sich jetzt das ganze Dilemma seiner Syrien-Politik. Seine islamistischen syrischen Unterstützer in Nordsyrien fühlen sich von Erdoğan verraten und gehen nun aus Protest in den besetzten Gebieten gegen türkisches Militär vor. Türkische Flaggen werden herabgerissen, türkische Lkws gestoppt und teilweise angezündet – bei zwei Grenzübergängen kam es zu Schusswechseln, sieben Menschen starben. Die Bilder aus Nordsyrien fachen den Zorn auf die »undankbaren Syrer« in der Türkei noch weiter an.
Die rechtsradikale Zafer-Partei hat bereits zu einem großen nationalen Marsch aufgerufen, der hochsymbolisch in Çanakkale an den Dardanellen, wo die osmanische Armee im Ersten Weltkrieg die alliierten Truppen zurückgeworfen und so die »Einheit des Landes gerettet« hatte, stattfinden soll. Nach dem Sieg der sozialdemokratisch-kemalistischen Opposition bei den Kommunalwahlen droht Erdoğan nun auch noch ein Aufstand ganz rechter Nationalisten.“
(Standard, 3.7.)
Die Besetzung Afrins und Idlibs paßte in das osmanische Großprojekt Erdogans und seiner Mitstreiter, ist aber offensichtlich immer schwerer zu finanzieren, vor allem nach dem Erdbeben, und hat in der türkischen Bevölkerung immer weniger Anhänger.
Sieh da, sieh da:
„Österreich führt Initiative für Dialog mit dem Assad-Regime an
Außenminister Schallenberg kann bei seiner Initiative auf Unterstützung aus sieben Ländern zählen
Vor dem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel fordert Österreich einen Kurswechsel in der Syrien-Politik der EU und dringt gemeinsam mit anderen EU-Staaten auf einen Dialog mit Machthaber Baschar al-Assad. »Die EU sollte endlich eine außen- und sicherheitspolitische Grundsatzdebatte ohne Scheuklappen über Syrien führen«, sagte Außenminister Alexander Schallenberg der Welt.
Die bisherige EU-Politik gegenüber Syrien sei gescheitert. Assad sitze auch nach 13 Jahren fest im Sattel.“
Das zeigt sowohl die Macht als auch die Ohnmacht der EU: Das Land in einen Dauerkrieg stürzen, ja das ging. Die daraus entstehenden Flüchtlinge stürzten die EU in eine schwere Krise. Das Auftreten des Islamischen Staates kam auch irgendwie überraschend.
Aber der angestrebte Regime-Change gelang nicht, vor allem dank des russischen Eingreifens. Und solang das Land isoliert und unter Embargo steht, werden die Probleme für die EU nicht weniger.
Im Gegenteil, sie macht sich mit der Anti-Assad-Politik zusehends lächerlich, vor allem in den Augen der restlichen arabischen Staaten, die bereits rege Beziehungen mit Syrien pflegen und auch das Embargo unterlaufen.
„»Wir müssen als Europäer endlich einsehen, dass es ohne Assad keine Lösung in Syrien geben wird«, betonte der Minister: »Ich starte dazu mit weiteren EU-Amtskollegen eine Initiative.«
In einem gemeinsamen Schreiben mit dem italienischen Außenminister Antonio Tajani begründet Schallenberg den geforderten Politikwechsel auch mit Blick auf die Menschen, die wegen des Bürgerkriegs in dem Land aus Syrien nach Europa fliehen. »Syrien ist mit 13,8 Millionen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen nach wie vor die Ursache der größten Vertreibungskrise der Welt. (…) Wir spüren diese Auswirkungen weit über den Nahen Osten hinaus auch in Italien, Österreich und dem übrigen Europa.«“
Und eine Rückführung dieser Flüchtlinge ist nicht möglich, solange keine geordneten Beziehungen mit dem „Regime“ von Assad hergestellt werden. Abgesehen vom Wiederaufbau des Landes, an dem sich unter den Bedingungen des Embargos die EU nicht beteiligen kann, wodurch auch die Attraktivität für etwaige Repatriierungen nicht gegeben ist.
„
Rückführungen von Syrern möglich
Die arabische Welt habe dies erkannt und Assad wieder in die Arabische Liga aufgenommen. In einem Dialog mit dem Assad-Regime sieht der österreichische Chefdiplomat Chancen für mehr humanitäre Entwicklungsarbeit, einen Rückgang der illegalen Migration und mögliche Rückführungen von Syrern.
Die bisherige EU-Politik gegenüber Syrien ist vor allem durch Sanktionen gegen das Assad-Regime und die Verweigerung offizieller Beziehungen mit dem syrischen Machthaber gekennzeichnet, was jedoch bislang nicht zu einem Machtwechsel oder einer signifikanten Verbesserung der humanitären Lage geführt hat.“
Hier sieht man die Schwierigkeit dieser Initiative: Die EU muß anerkennen, daß sie mit ihrer Politik völlig gescheitert ist und nicht nur den Syrern, sondern auch sich selbst jede Menge Gscher eingehandelt hat.
„Das am Montag vorgestellte »Non-Paper« (informelle Politikvorschläge auf EU-Niveau)“
Wollen hätten wir schon können, aber Machen haben wir uns nicht getraut …
„wird auch von Italien, Kroatien, Tschechien, Zypern, Griechenland, Slowenien und der Slowakei unterstützt. Angedacht wird unter anderem eine stärkere Gleichbehandlung der verschiedenen Bürgerkriegsparteien auf diplomatischem Niveau.“
D.h., die bisher unterstützten islamischen „Rebellen“ sollen mit den Kurden und der Assad-Regierung gleichgesetzt werden, also ebenfalls als Machtfaktoren anerkannt werden. Damit wird die derzeit bestehende Teilung des Landes festgeschrieben.
Das wird, so kann man schon jetzt sagen, genau gar nichts bringen. Es ist aber offenbar die Formel, auf die sich die Unterstützer geeinigt haben, um einen zu großen Gesichtsverlust der EU zu vermeiden.
Weiters ist in dieser Aufzählung der Unterstützer-Staaten auffällig, daß Spanien und Portugal fehlen, die die Anti-Assad-Politik der EU nie unterstützt haben.
Sie halten offenbar auch von der Schallenberg-Initiative nichts.
„Zudem solle die EU einen Syrien-Entsandten ernennen, der Kontakt mit allen Seiten hält. Weiters solle die EU auf eine Lage in dem Land hinarbeiten, in dem die »sichere, freiwillige und würdevolle Rückkehr syrischer Flüchtlinge« möglich wird, »in der Annahme, dass die Sicherheitsgarantien in der Verantwortung des Regimes« liegen.“
(Standard, 23.7.)
Lauwarmer geht es nicht mehr.
Man merkt, daß die EU mit der geschaffenen Lage unzufrieden ist, aber keinen radikalen Schwenk vollziehen will, die einer Selbstkritik der Politik der letzten 15 Jahre gleichkäme.
„Putin empfing … Assad in Moskau
Der russische Machthaber Wladimir Putin hat seinen syrischen Kollegen Bashar al-Assad zu Gesprächen in Moskau empfangen. Im russische Fernsehen wurden am Donnerstag Aufnahmen des Treffens gezeigt, das am Mittwochabend stattfand. Nach Angaben Putins standen dabei die »Eskalation« der Lage im Nahen Osten und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Syrien im Mittelpunkt.
Russland ist neben dem Iran wichtigster Verbündeter Assads und unterstützte dessen Truppen im seit mehr als 13 Jahren schwelenden, syrischen Bürgerkrieg. Moskau könnte eine Vermittlerrolle zwischen Syrien und der in den Krieg involvierten Türkei einnehmen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte kürzlich ein gemeinsames Treffen mit Putin und Assad vorgeschlagen, um eine Normalisierung der angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien zu erreichen.“
(Standard, 25.7.)
Auch die Türkei hat das Problem, daß sie gerne in der Syrien-Politik einen radikalen Schwenk vollziehen würde, was aber aus verschiedenen Gründen kaum geht.
Vor allem die Frage Idlibs und Afrins käme aufs Tapet, aber auch die Unterstützung der Islamisten und last but not least die umfangreichen Plünderungen der türkischen Militärs und Zivilisten in Syrien.
„Angriff arabischer Stämme auf Kurden löst schwere Kämpfe in Syrien aus
Seit dem Ende des IS kontrollieren die kurdisch geführten SDF mit US-Unterstützung große Gebiete im Nordosten Syriens. Arabische Stämme griffen nun an, unterstützt von Truppen des Assad-Regimes (…)
Angriff abgewehrt
Seit dem Sieg über den IS kontrollieren die kurdisch dominierten SDF das gesamte Gebiet nordöstlich des Euphrats. Immer wieder aber gab und gibt es Konflikte zwischen den arabischen Stämmen in dem Gebiet und den Kurden, die die politische und militärische Kontrolle ausüben. Bei ihrem Angriff auf die SDF-Stellung in der Nähe von Deir ez-Zor, der größten Stadt am Euphrat nahe der irakischen Grenze, wurden die Stämme von Truppen des Regimes von Bashar al-Assad und schiitischen Milizen aus dem Irak unterstützt. Laut türkischen Medienberichten brachte die kurdische YPG mit US-Unterstützung 700 Mann Verstärkung in die Region und konnte nach mehreren Tagen den Angriff abwehren.
Während das Regime das Territorium südwestlich des Euphrats kontrolliert, stehen die kurdischen Milizen und ihre US-Unterstützer nordöstlich des Euphrats. Insgesamt sollen sich noch rund 800 US-Soldaten in dieser Region aufhalten, die sich auch auf Luftunterstützung durch Kampfflugzeuge verlassen können. Das Wüstengebiet, um das es geht, ist nur dünn besiedelt. Aber in dieser Region liegen die Öl- und Gasfelder Syriens, und zwar auf der von YPG und US-Truppen kontrollierten Seite des Euphrats. Als der damalige US-Präsident Donald Trump im Herbst 2018 den größten Teil der US-Truppen aus Syrien abzog, blieb ein kleiner Teil vor Ort mit dem Auftrag zurück, die Öl- und Gasfelder zu sichern. (…)
Laut Angaben türkischer Medien sollen Regimetruppen mit russischer Unterstützung nun begonnen haben, einen neuen Stützpunkt auf ihrer Seite des Euphrats aufzubauen. (…)
Insgesamt hofft das Regime sowieso, wieder die komplette Kontrolle über das syrische Territorium zu bekommen. Darüber wird im Moment hinter verschlossenen Türen insbesondere mit der Türkei verhandelt, die ja einen Teil Syriens entlang der türkischen Grenze besetzt hält. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan scheint bereit, diese Gebiete aufzugeben, wenn Assad im Gegenzug bereit ist, einen großen Teil der syrischen Flüchtlinge aus der Türkei zurückzunehmen. Das hat bereits zu heftigen Protesten unter den bisherigen syrischen Verbündeten der Türkei geführt. Der türkische Außenminister Hakan Fidan hat sich deshalb am Freitag mit Vertretern der wichtigsten syrischen Oppositionsallianz, der Nationalen Koalition, getroffen, um über einen "realistischen Dialog" mit dem Assad-Regime zu sprechen, der zu einer von den UN unterstützten politischen Lösung führen soll.“
(Standard, 11.8.)
Nichts Neues in Syrien.
Die USA sitzen nach wie vor dort und klauen das syrische Erdöl:
„Blast heard after attack on US Conico base in Deir Ezzor, northeastern Syria.“
(Al Mayadeen, 8.10.)
„US-Artillerie greift verbündete syrische Streitkräfte in der Provinz Deir ez-Zor an
Das amerikanische Militär startete eine Reihe von Angriffen auf mit der syrischen Armee verbündete Streitkräfte in der Provinz Deir ez-Zor, berichtet RIA Novosti. Viermal griffen die US-Streitkräfte Ziele mit Artillerie an.
US-Militärartillerie eröffnete 4x das Feuer auf mit der syrischen Armee verbündete Streitkräfte in Hawijah Saqr und Marijjah am nördlichen Rand der Stadt Deir ez-Zor, heißt es in dem Artikel. Auch rund um den US-Militärstützpunkt Koniko patrouillieren Flugzeuge weiter verstärkt. Es wurde wiederholt von örtlichen Milizen angegriffen.
Zuvor war ein amerikanischer Luftwaffenstützpunkt in der Provinz Deir ez-Zor im Nordosten Syriens von einer Drohne aus dem Irak angegriffen worden. Der Angriff ereignete sich im Bereich des Conoco-Gasfeldes, verletzt wurde niemand. Dies ist der erste registrierte Angriff nach einer langen Pause.
Daß es zu keinen Zwischenfällen kam, war darauf zurückzuführen, dass sich die irakischen Fraktionen gegenüber der Regierung verpflichtet hatten, keine US-Ziele anzugreifen. Zuvor wurden fünf Raketen aus dem Irak auf den amerikanischen Stützpunkt Khirbet al-Jir in der nördlichen Provinz Hasaka in Syrien abgefeuert.
Amerikanische Flugzeuge flogen intensiv entlang der irakisch-syrischen Grenze. Es gab keine Berichte über Schäden oder Verluste durch den Angriff.“
(News.ru, 11.10.)
Die USA unterhalten also mindestens 3 Basen in Syrien: Bei Al Tanf, bei Deir-ez-Zor und im Nordosten im kurdisch verwalteten Hasaka
„Israel weitet seine Offensive in der Region auf Syrien aus, während Damaskus untätig bleibt
Die israelische Armee hat ihre Bombenangriffe auf iranische und libanesische Ziele auf syrischem Territorium intensiviert und in den letzten 12 Monaten mehr als 200 Angriffe verübt. Das Assad-Regime verurteilt die Offensive, schlägt jedoch nicht zurück
Nur einen Steinwurf vom Präsidentenpalast entfernt, im Stadtteil Al Mezzeh, südwestlich von Damaskus, der Hauptstadt Syriens, trafen am Dienstagabend drei israelische Raketen mehrere Gebäude in einem Wohngebiet und zerstörten sie komplett.
Nach Angaben … der staatlichen Agentur Sana kosteten die Projektile, die von den Golanhöhen, einem von Israel besetzten syrischen Gebiet, abgeschossen wurden, mindestens 7 Zivilisten das Leben.
Das Syrische Observatorium für Menschenrechte (OSDH) erhöhte mit Informanten vor Ort diese Zahl auf 9: einen jemenitischen Arzt mit seiner Frau und 3 Kindern; eine junge Frau, ebenfalls Ärztin, und ein Paar mit einem weiteren Minderjährigen. Bei dem Angriff wurden auch zwei Mitglieder der libanesischen Miliz Hisbollah getötet.
OSDH-Berichten zufolge übersteigt die Zahl der israelischen Bombenangriffe auf syrischem Boden seit Jahresbeginn bereits 100, obwohl sie aufgrund des großen Ausmaßes der israelischen Operationen in Gaza und jetzt im Libanon eher unbemerkt bleiben.
Das heißt, es handelt sich um eine langsam voranschreitende Offensive, die jedoch keine direkte Reaktion des Regimes von Baschar al-Assad hervorgerufen hat. Und das, obwohl es zu Todesfällen in der Bevölkerung und der Armee kam.
»Es stellt eine Fortsetzung der Völkermordverbrechen dar, die von dieser ungläubigen Einheit (= jüdische Staat) an den Palästinensern und Libanesen begangen wurden«, sagte die syrische Regierung am Mittwoch in einer Erklärung, in der sie den Bombenanschlag im Viertel Al Mezzeh verurteilte. »Die Arabische Republik Syrien […]«, heißt es in der Notiz, »unterstreicht die Notwendigkeit, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um eine Fortsetzung zu verhindern.« Diese Maßnahmen werden nicht spezifiziert. (…)“
(El País, 11.10.)
Man kann sagen, der ganze Nahe Osten wurde in schöner Einigkeit von EU, USA und Israel über die Jahre so zugerichtet, daß er gegenüber dem staatlichen Terror Israels völlig machtlos ist.
Das gilt für Syrien, den Irak und den Libanon. Jordanien und Ägypten halten still, um nicht ähnlich behandelt zu werden, und es ist klar, daß die Zielfernrohre Israels jetzt auf den Irak gerichtet sind.