WAS BEI KREDITAUFNAHME UND –VERGABE ALLES SCHIEFGEHEN KANN,
dafür ist Ungarn ein Lehrstück.
In der modernen Nationalökonomie ist Kredit DIE Wunderwaffe der Marktwirtschaft. Keynesianer und Friedmanianer sind sich darin einig, daß es eine ideale Maßnahme ist, Nachfrage zu „stimulieren“, Märkte zu beleben und Wachstum hervorzurufen.
„Wachstum“ bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in einem anerkannten Geld gemessenes Vermögen sich vermehrt. Welcher Art dieses Vermögen ist, ob es sich um Immobilien, Fabriken, Warenberge oder Wertpapiere handelt, ist gleichgültig. Es geht nur um ihren in Weltgeld gemessenen Wert.
Die Besitzer des Geldes, seine Monopolisten sozusagen, die Banken, Investmentfonds, Versicherungen usw., genannt die „Finanzmärkte“, schieben eignes und fremdes Geld quer über den Globus, ständig auf der Suche nach Vermehrungsmöglichkeiten. Sobald sie irgendwo ein Land, eine Sphäre für ihre segensreiche Tätigkeit erkoren haben, kommt das einer Berührung mit einem Zauberstab gleich, weil sie verkünden damit der ganzen Welt: Hier ist Wert vorhanden und hier wird zusätzlicher Wert geschaffen.
Diese Allmacht des Finanzkapitals hat zunächst einmal zur Folge, daß die Konkurrenz der Nationen heute zu einem guten Teil um die Verfügung über Kredit abgewickelt wird. Vor allem die potenten Staaten versuchen, ihren eigenen Banken gute Ausgangspositionen für ihre grenzüberschreitende Tätigkeit zu gewährleisten und unnötige Beschränkungen aus alten Zeiten, als noch andere Prioritäten zugange waren, tunlichst aufzuheben. (Zu Zeiten des Kalten Krieges hatten nämlich Banken und Kredit eine andere Rolle: Sie sollten Stabilität schaffen und ihren jeweiligen Regierungen den Rücken stärken im gemeinsamen Kampf gegen die SU bzw. den COMECON.)
Die Heimatländer des Kapitals haben die Möglichkeit, ihre eigenen Kreditinstitute zu stärken und ihr Kreditwesen und damit die Verfügung über diese begehrte Reichtumsmaschine ein Stück weit selbst zu steuern. In die Wall Street, die Londoner City oder nach Frankfurt strömt das Finanzkapital von selbst, da sind keine staatlichen Anreize nötig.
Anders bei einem Land wie Ungarn, das über kein nationales Kapital verfügt, und dessen Kreditwesen von außen eingeführt und aufrechterhalten wird. Da erschien die Genehmigung der FWK als einziges Mittel, so etwas wie Marktbelebung und Wachstum hervorzurufen. Wenn Hypothekarkredite en masse vergeben werden, so die Überlegung der Politiker, dann zieht Ungarn damit Investitionen im Immobilienmarkt an, die Bautätigkeit nimmt zu, Arbeitsplätze und Wohnraum werden geschaffen, das Konsumniveau steigt, usw. usf.
Dergleichen Überlegungen waren, vergessen wir es nicht, bis 2007 gültiges Credo aller Regierungen, Bankiers, Nationalökonomen und wurden aus allen medialen Rohren auf das p.t. Publikum ausgegossen. Konsum belebt die Wirtschaft, wer das Geld dazu nicht hat, kriegt einen Kredit – der Konsumentenkredit wurde heftig beworben und relativ problemlos vergeben, und diese Praktiken übernahmen auch Banken, Konsumenten und Auto- und Immobilienhändler in Ungarn ohne großes Kopfzerbrechen. Der Kredit erschien als etwas Unendliches, mit dem man jede Schranke der Zahlungsfähigkeit überschreiten könne.
Die derzeitige Krise hat zwar diesen Königsweg praktisch in Frage gestellt, er ist jedoch theoretisch immer noch gültige Praxis: Bei allem Willen zum „Sparen“ geht es nur darum, die Glaubwürdigkeit der Kreditoperationen wiederherzustellen, um das ganze wieder von vorne angehen zu können. Einem Staat wie Griechenland und seiner Bevölkerung wird dabei sozusagen von den maßgeblichen EU-Politikern und der internationalen Journaille unter die Nase gerieben, daß sie in ihrem Leichtsinn das Ansehen des Kredites untergraben haben, und jetzt dafür zuständig sind, diesen „Fehltritt“ durch Opfer aller Art wieder gut zu machen.
In und auch bezüglich Ungarn gibt es ein unentschlossenes Hin und Her zwischen der Verteidigung von Kredit und Schuldenmachen an sich gegen seinen „Mißbrauch“ und die „schwarzen Schafe“, die zu so negativen Ergebnissen geführt haben. Das Land will seinen Kredit wiederherstellen und kann es nicht aus eigener Kraft. Als Schuldige für die Kreditklemme werden wechselweise die Banken, die doch als Buße für ihre leichtfertige Vergabepraxis Abstriche von ihren Forderungen machen sollen, und die Kreditnehmer, die doch gefälligst irgendwie ihre Verbindlichkeiten bedienen sollen, dingfest gemacht. Alle Versuche, Kreditstreichung einzufordern, um den Kredit wieder funktional zu machen, führen zu weiteren Verlusten an Glaubwürdigkeit und dadurch zu Verringerung des Kredits. Die Banken schränken ihre Kreditvergabe ein, der Forint verliert weiter an Wert gegen den Euro, und die Zahl derer, die ihren Kredit nicht bedienen können, steigt weiter.
Griechenland, Ungarn, Spanien, Portugal: Die Spannung steigt, wo die Zahlungsunfähigkeit als erstes solche Ausmaße erreicht, daß sie nicht mehr durch Stützungsmaßnahmen verhindert werden kann, oder umgekehrt: Wo ein politischer Beschluß die bisherige Stützungspraxis aufkündigt.
Antikapitalismus/Die Marktwirtschaft und ihre Unkosten/Geld & Kredit/Ideologie/Imperialismus/Postsozialismus
So furchtbar spannend scheint das, was da ggf. kommt, gar nicht sondern eher konsequent. Die Frage ist vielmehr, wer vermittels politischer Beschlüsse in den Genuss der ‘Stütze’ kommt und warum. Womöglich stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass die Beschlüsse von Anfang an qualitativ veränderte imperialistische Politik gewesen sind. Derlei Erklärung trifft die Sache freilich nur, wenn die Angelegenheit eben nicht aus den Verwertungszwängen des Finanzkapitasl bestimmt sondern dieses selber aus bestimmter Entwicklungsstufe materieller gesellschaftlicher Produktion, also deren gradueller Vergesellschaftung herleitet ist.
Aber Samson,
meinst du denn wirklich, das Finanzkapital hätte in irgendwelchen Gremien beschlossen, den Euro zu zerlegen? – weil auf das lauft doch diese ständige Bankrottgefahr hinaus.
Also, Staatsschuldenkriesen hervorzurufen war nicht einmal in Argentinien, wo für das internationale Finanzkapital weitaus weniger auf dem Spiel stand, Zweck der Übung. Dergleichen finanzielle Kollapse sind das Ergebnis von Kreditvergabe und Verschuldung, die entgegen aller Planung manchmal an ihre Grenzen stößt.
Oder hab ich dich falsch verstanden?
Dass das Hervorrufen von Schuldenkrisen der Zweck der Übung sei, habe ich auch nirgendwo behauptet, Nestor; weder seitens des Finanzkapitals noch seitens Regierungen. Die Frage ist doch aber, warum deren “Planung manchmal an ihre Grenzen stößt”.
Zieht man die Angelegenheit aus der Perspektive auf, dass meinetwegen Staaten ihr Wirtschaft auf Kapitalismus resp. Erfolg innerhalb der Konkurrenz verpflichten täten, dann kommt man bezügl. jener Grenzen ggf. zu dem Zirkel, der auch Peter Decker aufgefallen ist, der Grund der Schuldenmacherei seitens der Banken ist die staatliche Garantie und der Staat beruft sich darauf, bei eben jenen Banken Kredit zu haben. Am Ende ist das ein purer Gewaltakt, der von der Stärke des Militärs abhängt. Mit Kapital als gesellschaftlichem Verhältnis hat das aber nicht mehr viel zu tun.
Man muss doch mal die Frage stellen, weshalb sind denn BRD oder Frankreich in der ökonomischen Konkurrenz stärker als Griechenland, Spanien oder Portugal resp. worin besteht denn der Unterschied. Oder anders gesagt, wieso stimmt Jacobs’ Behauptung über die EU-Kredit-Vergabe, “dass ihre Vergabe an eine Bedingung gebunden ist, die zum Gründungskonsens der EU gehört: zugleich mit der Möglichkeit, im Rahmen der EU an Kredite zu kommen, gerät man an die andere Bedingung der EU, nämlich den freien Handel aller EU-Staaten in jeden EU-Staat zu erlauben, so dass zwei Bedingungen aufeinanderprallen: Der Kredit verspricht die Stärkung der eigenen, nationalen Wirtschaft, der Freihandel setzt sie der offenen Konkurrenz der stärkeren EU-Länder aus und schwächt die eigene Wirtschaft.”, d.h. wieso wird die anfangs schwächere nationale Wirtschaft in der Konkurrenz nicht stärker sondern im Verhältnis noch schwächer?
Den Satz versteh ich nicht. Was hat das Militär mit dem Kredit zu tun? Eine militärische Lösung, Krieg, Staatsstreich, falls du sowas meinst, ist ja gleichzeitig das Aufkündigen jedes Kredits.
In dem von dir gebrachten Jacobs-Zitat ist die Beantwortung der Frage schon enthalten: Der Kredit „verspricht“ etwas, garantiert es aber nicht, der Freihandel „setzt aus“, hat also sofortige Wirkung.
Ansonsten ist für mich die Beantwortung dieser Frage einfach: Sobald eine Politikermannschaft an Konkurrenz und Kredit zu zweifeln anfängt, so sind Faschismus oder sozialistische Revolution angesagt, also auf jedem Fall ein Rückzug aus dem Weltmarkt, und so etwas muß sich ein Staat erst einmal leisten können, militärisch und ökonomisch. Was bei den Verliererstaaten der EU nicht der Fall ist.
Eine militärische ‘Lösung’ ist bspw., jemanden zu überfallen, umzubringen, sich seiner, d.h. der auf dem Territorium des Überfallenen und Umgebrachten befindlichen Rohstoffquellen dergestalt zu bemächtigen, in dem dort eine ‘genehme’ Regierung installiert/gewählt/inthronisiert etc. wird, deren wichtigste, um nicht zu sagen einzige Aufgabe darin besteht, die mit Konkurrenten bestehenden Verträge zur Ausbeutung der Rohstoffquellen für nichtig zu erklären und diese der ‘berfeundeten’ resp. ‘Garantie’macht zu deren Bedingungen überlassen, was ggf. einschließt, deren Währung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. (Im Übrigen schrieb ich deswegen, dass derlei Vorgehen mit Kapital als gesellschaftlichem Verhältnis an sich nix zu tun hat.)
Die Frage ist aber, welche sofortige Wirkung hat der Freihandel, resp. was sind die Vorazussetzungen, um im Freihandel ökonomisch Erfolg zu haben. Und warum ändert ein Kredit unter Konkurrenten an dem Verhältnis nichts, sondern verschärft die Ausgangsbedingungen?
Der sozialistische Rückzug ist dann eine ‘Option’, wenn 1) Lenins historische Bestimmung zutrifft, dass die Kette offenbar stets am schwächsten Glied reißt und 2) die Revolutionäre quasi ‘vom Volk getragen’ werden o.s.ä.; dann kann sich das sozialistische Staatsgebilde den Rückzug durchaus leisten, wenn es in der Lage ist, die Selbstversorgung bspw. planwirtschaftlich zu organisieren. Wie lange sowas geht, ist eine ganz andere Frage; und zwar m.E. weniger ökonomisch (wie du sehr schön in deiner Albanien-Geschichte beschrieben hast) als vielmehr ideologisch.
Faschismus bedeutet dagegen keineswegs Rückzug sondern erfahrungsgemäß Zurichtung der eigenen Leute auf die gerade gegebenen Verwertungsbedingungen des produktiven Kapitals, um dessen Renditerate ‘anzukurbeln’ (selbst die deutsche ‘Volksgemeinschaft’ macht darin keine Ausnahme). Faschismus ist eine Option der herrschenden Klasse, wenn die Zurichtung der Leute nicht funktioniert, weil der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht mehr propagandistisch zu übertünchen ist (die ‘Feinde der Volksgemeinschaft’ anzuprangern reicht nicht, sie müssen tatsächlich vernichtet werden) …
Der historische Faschismus hatte es mit anderen imperialistischen Machtkonstellationen zu tun, und mit der Sowjetunion. Dennoch war das ganze Kriegsvorbereitungs-Programm, das ab ’33 bereits angelaufen ist, auf Devisenbewirtschaftung gegründet, also durchaus eine Absage an den Weltmarkt. Nicht verschlossen haben sich die Nazis hingegen ausländischen Investoren, die die soliden Ausbeutungsbedingungen und die Zerschlagung der Arbeiterbewegung geschätzt haben – wie man ja auch dem Münchner Abkommen entnehmen kann.
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Lenins Bemerkung, daß die Kette am schwächsten Glied reißt, kann ich wenig abgewinnen. Es ist halt wie viele andere Sprüche von ihm eine Leerformel, deren Nichtigkeit sich bei näherem Nachfragen erschließt und die nur deswegen Karriere gemacht hat, weil es sich beim Autor um einen großen Revolutionär handelt.
Erstens: No na, wo denn sonst? Am stärksten Glied reißt keine Kette.
Zweitens: Was ist das „schwächste Glied, und von was überhaupt? Wenn man das Bild verläßt, und es auf die Staatengemeinschaft anwendet, so fragt sich doch sofort, ob das Bild einer „Kette“ für konkurrierende imperialistische Nationen treffend ist. Als die Oktoberrevolution siegte, war Rußland mit Deutschland im Krieg – Glieder einer Kette?
Drittens, selbst wenn man den Unfug mitmacht, was heißt „schwächstes“? Dort, wo das Kapital schwach ist? Dort, wo das Militär schwach ist? Dort, wo die Politiker wenig Rückhalt im Volk haben? Ein kleines Land? Ein entlegenes Land, gar eine Insel? Ist eine Diktatur „schwächer“ als eine Demokratie?
Letztlich ist der schlaue Spruch sowieso nur ex post irgendwie vertretbar: Wenns wo gekracht hat, eine Regierung gestürzt wurde, so war das halt dann auch das schwächste Glied in der Kette. Und man hat wieder ein historisches Gesetz aufgestellt, hurra!
Mir ist der Lenin vor allem wegen seiner unwissenschaftlichen, strenger gesagt, antiwissenschaftlichen Vorgangsweise so zuwider.
Der Voluntarismus des „El pueblo unido jamás será vencido“ (ein einig Volk kann nie besiegt werden) ist genauso eine Leerformel. Wird ein revolutionäres Volk (man nehme z.B. Chile) dann doch besiegt, so war es eben nicht einig. Umgekehrt, hält sich eine revolutionäre Regierung (Kuba) so ist das ein Beleg für den Spruch, auch wenn dieser Sieg einst mit der Unterstützung der SU gerettet wurde und ihnen heute sehr bitter aufstößt …
Abgesehen davon, daß dergleichen derzeit nicht in Sicht ist, aber machen wir doch einmal ein Gedankenspiel:
In Griechenland erweist sich PAME als Speerspitze der Revolution, die Hafen- und Transportarbeiter stürmen Fernseh- und Regierungsgebäude und rufen den Sozialismus aus. Das Militär kann nicht eingreifen, weil die Rekruten sich weigern, gegen ihre Landsleute vorzugehen. Pensionisten, Arbeitslose, illegale Immigranten, Lehrer und Ärzte solidarisieren sich, die führenden Politiker, die Oberpfaffen und die Heeresleitung setzt sich ins Ausland ab (Türkei?) und die Aufständischen bilden landesweite Planungskommissionen.
Kannst du dir dann noch vorstellen, was europaweit los wäre? Wie die Medien, die gegen Gaddafi bis zum bitteren Ende gehetzt haben, aus allen Rohren schießen würden? Die NATO tagt und macht stellt ein Interventionsheer zusammen, von der EU erhält sie explizit den Auftrag, gegen die blutbefleckten Schlächter (ein paar Tote lassen sich schnell finden oder verursachen und über CNN und ähnliches in Windeseile verbreiten) vorzugehen, und die Hartz-4-Empfänger sitzen vor der Mattscheibe und ziehen sich die Reality-Show hinein, bis der letzte aufständische Grieche erledigt ist.
Da schaut man mit einem Drehbuch mit Lenin-Sprüchen alt aus.
Die deutschen Nazis haben streng genommen auch nur versucht, die schon unter Wilhelm II gegebenen Welteroberungspläne des deutschen Kapitals umzusetzen. Und ohne dieses vorhandene, aber durch politische Beschlüsse der Konkurrenz in seiner Handlungsfreiheit beschränkten Kapital hätten die Nazis alles mögliche an Expansionsplänen entwickeln aber praktisch nicht vorbereiten und durchführen können. Anders gesagt, ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Devisenbewirtschaftung souveräne Entscheidung der Nazi-Regierung war, eher war es aus der Not geboren, um die Kriegsvorbereitung koordinieren zu können. Aber selbst die wäre nie gelungen, wenn das Kapital bei der Rüstungsproduktion keine Profite gemacht hätte. Dass an derlei profitträchtigen Bedingungen ausländische Investoren interessiert sind, liegt halt in der der Natur der Sache selber (wie ging noch das Marx-Zitat, bei 300 % Profit lässt es alle Skrupel fallen o.s.ä.).
Btw, das ‘schwächste Glied’ bei Lenin bezieht sich m.W. auf den Entwicklungsstand der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Dass die graduell steigen, je weiter die kapitalistische Produktion entwickelt ist, lässt sich sogar empirisch nachweisen. Dass, warum und ab wann Kapital wesentlich destruktiv wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Im übrigen sollte man die Kirche bezüglich der Oktoberrevolution mal im Dorf lassen. Die Bolschewiki waren die einzigen weit und breit, die schon zu Beginn des I. WK gefordert hatten, den Krieg der Imperialisten in eine Krieg gegen die Imperialisten umzuwandeln. Dass die Arbeiter in den entwickelteren Ländern die Revolution entweder nicht zu Ende gebracht oder gar nicht erst angefangen haben, kann man Lenin nicht anhängen.
Oder es war nicht revolutionär, im Gegensatz bspw. zu Cuba …
… o.k., was spricht dann nach aller historischer Erfahrung für eine Gewerkschaft als “als Speerspitze der Revolution”, also was spricht für PAME und gegen KKE, dass letztere erklärtermaßen MLer sind?
Im Übrigen, gesetzt die Aufständischen repräsentierten tatsächlich die große Masse der Bevölkerung, woher willst du 1) wissen, dass nicht wenigstens Spanier, Portugiesen, Italiener und ggf sogar große Teile der Franzosen ihren Regierungen nicht gleichermaßen auf die Pelle rücken und daraus tatsächlich EU-weit genau die “sozialen Unruhen” entstehen, die offenbar nicht nur die GB-Regierung befürchtet. Und was spricht 2) gegen eine globale Soli- resp. Unterstützungsbewegung mit den von NATO und EU bedrängten Griechen, die ggf. sogar die bescheuertsten Hartz4ler an den TV-Szenarien zweifeln lassen? Warum sollten nicht ‘internationale Brigaden’ die Revolution verteidigen helfen, weil’s keine Sowjetunion gibt? Warum sollten sich die Aufständischen nicht schon vorher Gedanken darüber machen, wie eine erfolgreiche Revolution zu verteidigen sei. Gerade darin liegt doch ein wesentlicher Unterschied zu den von Geheimdiensten aller Coleur mit angeschobenen ‘Rebellen-Bewegungen’ überall dort, wo das Kapital einen regime change haben will.
In einem gebe ich dir recht, Nestor. Deutsche und Österreicher werden die letzten sein, die ihre Herrschaft verjagen. Und zwar, weil sie keine wirklichen Revolutionäre sind, sondern am liebsten nach Drehbuch handeln, was nicht mal die Bolschewiki gemacht haben …
Na, da ist wieder einmal sehr viel angesprochen.
Natürlich war das eine souveräne Entscheidung der Nazis, weil die haben es ja gemacht, um die Kriegsvorbereitungen finanzieren zu können.
Mir erscheint das Problem hier zu sein, daß du die regierungen für bloße Ausführende irgendwelcher Befehle „des Kapitals“ hältst. Abgesehen davon, daß das das Wesen der kapitalistischen Politik, also der Souveränität der Regierungen nicht trifft, so ist auch die Vorstellung des in seinen Zielen einigen Kapitals verkehrt. Es ist doch gerade die Staatsgewalt, die im Ernstfall sämtliche konkurrierende Fraktionen des Kapitals auf einen nationalen Schulterschluß verpflichtet, um die Stellung der eigenen Nation in der imperialistischen Hierarchie zu verbessern. Bzw. ein Abschiffen in derselben zu verhindern.
Also, daß hieße, daß dort, wo das nationale Kapital mager beinander und nicht konkurrenzfähig ist, dort brächen dann die Revolutionen aus?
Hmm.
Es war natürlich bisher immer so, daß in Ländern mit eher schwachbrüstigem Kapital die Revolutionen gesiegt haben. Aber ohne Ünterstützung von mächtigeren Staaten sind sie untergegangen. In Rußland hingegen konnte sich die Revolution nur deswegen halten, weil es eben damals schon das größte Land der Welt mit gewaltigen Ressourcen war.
Was überleitet zu deiner mir natürlich sympathischen Hoffnung, ein etwaiger Aufstand in einem der meistgeschädigten Staaten könnte sozusagen einen Weltenbrand entfachen. Aber da muß schon noch einiges an Illusionen über die Vereinbarkeit von Demokratie und Marktwirtschaft mit den Bedürfnissen der Menschen über Bord geworfen werden, und von selber geschieht das nicht ..
Das stellt sich dir so als Problem dar, weil du um alles in der Welt die Regierung resp. den Staat als Subjekt ‘retten’ willst. Wie wäre es, zur Abwechslung, mit der Überlegung, wieviele Kapitalisten gleichzeitig aktive Politiker sind und/oder via Interessenverbände die Politik i>beeinflussen können/wollen/müssen? Dass dabei durchaus konkurrierende Partikularinteressen aufeinanderprallen, ändert doch nichts an der Bestimmung, dass es sich prinzipiell um Klasseninteressen handelt. Das “in seinen Zielen einige Kapital” fällt dir doch nur ein, um einen Gegensatz zum Staat zu stricken, den es sonst nicht gibt. Dabei verhällt es sich doch genau andersrum. Der Erfolg des Staates innerhalb der Staatenkonkurrenz hängt doch vom Erfolg der Kapitalisten auf dem Markt ab, folglich muss der Staat die Vorausstzungen schaffen, damit die Kapitalisten Profite machen, wenn er sie zur Rüstung verpflichten will. Andernfalls müsste er die Kapitalisten enteignen, wenn er verhindern wollte, dass das ‘scheu Reh’ sich verflüchtigt. Deswegen war es eben im Interesse der Kapitalisten, dass die Interessenvertretungen der Arbeiter von den Nazis zerschlagen wurde.
Nicht zwangsläufig. Nur ist offenbar die Wahrscheinlichkeit größer, weil die Leute dort i.d.R. noch mehr drangsaliert werden als in den entwickelteren Ländern, wo die entwickeltere Produktion paar mehr Krümel für die Arbeiter lässt, die zudem mittel einer exzessiven Mischung aus “Verwohlfeilerung der Lebensmittel durch auswärtigen Handel” + Nationalismus, Rassismus etc. quasi korrumpiert werden.
Dazu kommt, die ‘doppelt freien Lohnarbeiter’ sind, wenn’s drauf ankommt weniger ‘heimatverbunden’ als man angesichts allen Nationalismus meinen sollte. Und Lohnarbeiter zu werden, ist für viele Leute in den weniger entwickelten Ländern ganz offensichtlich eine Perspektive. Anders sind die globalen ‘Wanderungsströme’ inkl der Fluchtbewegung aus dem damaligen Ostblock nicht zu erklären.
Über Rußland als meinetwegen historischen Sonderfall lässt sich diskutieren, das halte ich aber an dieser Stelle für wenig hilfreich. Zumal die Oktoberrevolution eben als ‘Initialzündung’ gedacht war.
Stimmt, die Frage ist aber, ob es zu Vertreibung der Illusionen einer ‘revolutionären Avantgarde’ braucht oder nicht, und wenn (was m.E. wahrscheinlich ist), wie die organisiert sein muss/müsste …
“Wie wäre es, zur Abwechslung, mit der Überlegung, wieviele Kapitalisten gleichzeitig aktive Politiker sind und/oder via Interessenverbände die Politik i>beeinflussen können/wollen/müssen? ”
das gilt aber hier und jetzt für gewerkschaften ebenso. schlechtes argument
Ich muß den Staat nicht als Subjekt „retten“, weil wovor eigentlich? Und daß er das Subjekt ist, kann man der Tagespolitik ohne weiteres durch geringe gedankliche Anstrengungen entnehmen – es sei denn, man wolle das so nicht sehen, weil einen das aus mir nicht ganz begreiflichen Gründen stört.
Also, die
diese „überlegung“ ist ja wirklich nicht sehr originell und quillt unter dem Namen „Filz“ und „Korruption“ dauernd aus allen Medien. Da wird nur auf einen Umstand hingewiesen, der jedem wohlbekannt ist, und dann eine falsche Erklärung dafür angeboten: Die Kapitalisten kaufen sich den Staat ein! Man fragt sich eigentlich, warum, wenn er eh mit ihnen ident ist?
Aber mir ist es wirklich nicht nachvollziehbar, warum manche Leute wie du meinen, es sei zwar höchst kapitalismuskritisch, die Politiker als Hampelmänner des Kapitals hinzustellen und im Grunde den ganzen Staatsapparat – Parteien, Beamte, Schule und Gesundheitswesen, bis hin zur Verkehrsplanung und der Notenbank – eigentlich als ein bloßes Potemkinsches Dorf, aufgezogen, um der Arbeiterklasse Sand in die Augen zu streuen?
Um die Arbeiterklasse zu exkulpieren, weil sie ihrer vermeintlich „historischen Aufgabe“ nicht nachkommt?
Um die Politiker anzuklagen, daß ihr Nationalismus/Patriotismus nicht echt ist, und sie deswegen Vaterlandsverräter sind?
Aha, jetzt sind wir schon bei Wahrscheinlichkeiten, und nicht bei einem „historischen Gesetz“, wie es Lenin gern gesehen hätte. Aber gut.
Die Begründung gefällt mir jedoch nicht, weil was heißt „drangsalisieren“? Es ist doch die Besonderheit des freien Lohnarbeiters, daß er selbst seinen Arsch hochkriegen und den Jobs nachlaufen muß und niemand ihn dazu „drangsalisiert“. Und genau deshalb flüchten die Leute aus aller Welt in die Länder, wo das Kapital erfolgreich ist – weil es da noch eher Jobs gibt als anderswo.
Es unterscheiden sich die sogenannten kapitalisitisch „entwickelten“ („sogenannt“ deshalb, weil auch Somalia hat sich mit der Zeit zu dem „entwickelt“, wie es beinander ist, Entwicklung ist nicht gleich Erfolg) Staaten von den anderen dadurch, daß es da Jobs gibt und dort nicht.
Das ist leider das matte Angebot, das sie den hiesigen wie den fremden Bürgern machen: Hier gibts vielleicht wen, der dich anwenden und ausbeuten will, woanders bist du überflüssig. Und wem das einleuchtet, der will von einem Gegensatz von Kapital und Arbeit, von modernem Untertanen zu demokratischer Herrschaft nichts wissen.
Das meinte ich mit Illusionen, die über Bord geworfen werden müßten, sonst geschehen so Dinge wie unlängst in GB, wo zwei Gruppen von Ausgesteuerten mit gewissem Erfolg gegeneinander aufgehetzt wurden: Divide et impera.