RUSSLAND ZWISCHEN DER »LANGEN NACHT« PUTINS UND DEM »FLÜCHTIGEN PHÄNOMEN DES BÜRGERKRIEGES«
Pilar Bonet
„Der Aufstand wurde offenbar beschleunigt, weil Prigozhin durch den systematischen Versuch von Präsident Putin und dem Verteidigungsministerium, dem Mann die Flügel zu stutzen, dessen Truppen bis vor kurzem für ihre entscheidenden Siege im Krieg in der Ukraine verherrlicht und von Kreml-Propagandisten gelobt wurden, schikaniert und in eine Sackgasse geführt wurde.“
Die Analystin meint also, der Aufstand wurde absichtlich p r o v o z i e r t .
„Diese Belästigungen hatten sich in den letzten Wochen verschärft. Diesen Monat hat die russische Duma ein Gesetz verabschiedet, das auf die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols abzielt.
Demnach müssen sich alle Kombattanten, ob mobilisiert, freiwillig oder aus dem Gefängnis rekrutiert, der Hierarchie des Verteidigungsministeriums unterwerfen. Die Armee des tschetschenischen Führers Ramsan Kadyrow hat sich der Maßnahme diszipliniert unterworfen. Wagner nicht.
Dieses Unterhaus des russischen Parlaments hat außerdem Regelungen zur Rekrutierung (und auch zur Begnadigung) von Kriminellen während der Verbüßung ihrer Strafe verabschiedet.
Diese beiden Maßnahmen führten dazu, dass Wagner keine Möglichkeit mehr hatte, eine Privatarmee von Söldnern aufzustellen. Diese benützte bisher eine gewisse Grauzone, die Putin (in vielen Bereichen) unterhält, um den Subjekten – Verbündeten oder für ihn konjunkturell nützlichen – das Handeln zu erleichtern: Sie können hiermit nicht mehr im Rahmen des Rechts der Russischen Föderation handeln. Söldner sind somit in Russland verboten und alle Versuche des Parlaments, den Status und die Befugnisse von Wagner und privaten Militärunternehmen zu regeln, waren bisher erfolglos.“
Man muß hier ergänzen, daß diverse rechtliche Grauzonen dieser Art zwar vielleicht absichtlich
aufrechterhalten, aber keineswegs in der Aera Putin e i n g e r i c h t e t wurden. Sie ergaben sich aus dem ganzen Zerfall der SU und dem Übergang zur Marktwirtschaft, bei dem der Staat viele Sphären aus der Hand gab und den Privatsubjekten überantwortete.
„In dieser Grauzone, außerhalb des Gesetzes, operierte Wagner, während er den russischen Behörden nützlich war, und dort verblieb er solange, bis er aufhörte, es zu sein – als Prigoschin nämlich eine Eskalation von Anschuldigungen und Verwünschungen gegen das Verteidigungsministerium und die herrschende Elite Russlands losließ und die Grundlagen und offiziellen Erklärungen zur Kriegsursache in Zweifel zog.
Vom Augenblick an, als der Kreml bei der Invasion in der Ukraine sich der Unterstützung Wagners bediente, bis zu dem Zeitpunkt, als er durch Prigozhins Selbstermächtigung alarmiert wurde, hat der sogenannte »Kremlkoch« seine eigene Armee mit mehreren Zehntausend Männern und Tausenden von Ex-Häftlingen aufgestellt, die von der Front zurückgekehrt sind und dank ihm begnadigt wurden.“
Damit hat Prigozhin sich sozusagen Hoheitsakte angemaßt und das ging zu weit.
„Von außerhalb der Szene, in der Prigozhin, der Kreml und russische Staatsinstitutionen agieren, ist es noch nicht möglich zu erkennen, ob der Aufstand dieses unflätigen Populisten die konkrete Tat eines trotzigen Putschisten ist oder ob er als Galionsfigur eines (oder mehrerer) Familien des Kremls operiert, oder beides gleichzeitig.
Im letzteren Fall wäre es notwendig zu wissen, welches Element das Gleichgewicht zwischen Prigozhins persönlichen Interessen und seinen Verbindungen zur Elite aus dem Gleichgewicht brachte. In seiner kurzen Ansprache bezeichnete Präsident Wladimir Putin die Meuterei als Verrat, und nur diejenigen, denen man vertraut, begehen Verrat. Putin erwähnte weder Prigozhins Namen noch den Namen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu.
Am Samstagnachmittag versuchte Prigozhin, die Spannungen abzubauen, gratulierte sich selbst dazu, kein Blut vergossen zu haben und behauptete, den „Marsch für Gerechtigkeit“, der seine Männer nach Moskau führen sollte, aus Verantwortungsbewusstsein abgesagt zu haben.
Unabhängig vom Ausgang des Kampfes, der sich in seiner ganzen Härte manifestiert, wird die Situation in Russland jedoch nicht mehr dieselbe sein, denn wenn bis zu diesem 23. Juni das Epizentrum der Geschichte im Krieg gegen die Ukraine lag, konzentriert sich die Perspektive nun auf die Gespenst des innerrussischen Bürgerkriegs.
Die Tatsache, dass der Marsch auf seinem Weg in die Hauptstadt auf so wenig Widerstand gestoßen ist, lässt Zweifel an der Verteidigung des Staatsgebiets aufkommen und könnte Präsident Putin schwächen, berichten russische Medien in Moskau.
Wenn Prigozhin das Anhängsel einer der Kreml-Familien ist, fragt man sich, ob diese Familien zustimmen könnten, den unbequemen Meuterer zu opfern (und vielleicht andere Szenarien für das Ende des Konflikts in Betracht zu ziehen). Oder vielleicht würde sich eine dieser Familien gegen die anderen durchsetzen.
Neben diesen theoretischen Hypothesen lohnt es sich zu fragen, wie sich Wagners Rückzug von der ukrainischen Front auf die Kampffähigkeit der russischen Truppen und auch auf die bereits sinkende Moral der Männer auswirken wird, die im Namen der Wahnvorstellungen ihrer Vorgesetzten in den Kampf geschickt werden.“
Hier kommt die Propagandaabteilung Marke West zum Zug, der die Invasion und den Einmarsch als eine Art Wahnvorstellung abtut.
Aber es gibt natürlich Erklärungsbedarf für das Fallenlassen Prigozhins, der ja immerhin vor 2 Monaten noch als „unser Kämpfer an vorderster Front“ hochgehalten wurde.
„Wird es zu Spaltungen in den russischen Streitkräften kommen oder werden die Truppen im Gegenteil zusammenhalten?“
Es ist anzunehmen, daß dafür Vorsorge getroffen wurde, weil überraschend kam der Aufruhr ja nicht.
„Auswirkungen auf die Situation in der Ukraine
Es lohnt sich auch zu fragen, wie (oder ob) die Ukraine die aktuelle Situation in Russland ausnutzen wird (oder wissen wird, wie sie ausnutzen kann).
Ein weiterer Punkt, der geklärt werden muss – und der sich auf die Prozesse auswirkt, die hinter den Kulissen in Russland ablaufen könnten – sind die möglichen Versuche, Allianzen zwischen exilierten Oligarchen, die das ihnen vom Putin-Regime abgenommene Geld zurückerhalten wollen, und Teilen der russischen Regierung zu schmieden, die sie mit ihnen zusammenarbeiten und zu einem angenehmeren und weniger kriegerischen Leben mit der Welt zurückkehren möchten.“
Die sogenannten „Westler“ oder die marktwirtschaftsfreundliche Fraktion sind ja noch nicht ganz ausgestorben in Rußland.
„Interessant ist die Reaktion des Oligarchen Michail Chodorkowski, des ehemaligen Chefs des Jukos-Ölimperiums, der nach zehn Jahren Gefängnis aus Russland verbannt wurde.
Chodorkowski hatte den inzwischen abgesagten Marsch der Wagners von Rostow am Don nach Moskau unterstützt. Für den Fall, dass Prigoschin auf Moskau marschierte, empfahl Chodorkowski, »zu verhindern, dass er aufgehalten wird«, mit Treibstoff zu helfen und »diejenigen, die ihn aufhalten, davon zu überzeugen, dass man jetzt einen gemeinsamen Feind hat«.
Putins Rede zu dem Aufstand sollte als Drehbuch und Orientierung für die Regionalverwaltungen Russlands dienen und das Verhalten ihrer Führer bestimmen. Der Alltag in Moskau und St. Petersburg ist bereits verändert und in der russischen Hauptstadt, deren Sicherheit seit einigen Tagen sichtbar erhöht wurde, wurden die Werbetafeln und Straßenbanner, mit denen Wagner zur Rekrutierung aufrief, hastig entfernt.
In Provinzen wie Rostow am Don, Woronesch und Lipezk hingegen schien die Lage zunächst nicht so klar zu sein. Und für die russische Bevölkerung könnte es schwer zu verdauen sein, dass die Helden der Schlachten von Bachmut oder Soledar nun auf magische Weise aus dem offiziellen Gedächtnis verschwinden.“
Einmal sehen, ob sie retuschiert werden wie die in Ungnade gefallenen sowjetischen Führer von den offiziellen Fotos.
„»Der Bürgerkrieg in Russland ist eine Norm und kann in latenter Form und im Wechsel mit akuten Phasen jahrzehntelang andauern«, schreibt der Analyst Wladimir Pastuchow, der der Ansicht ist, daß der letzte Zyklus der Verschärfung dieses Bürgerkriegs 1989 begonnen hat und noch nicht beendet ist.
»Die Prigoschin-Meuterei ist nur eine der Episoden dieses Bürgerkriegs, der fast ein halbes Jahrhundert andauert«, schreibt Pastuchov. Und der Politikwissenschaftler erinnert daran, dass es im Bürgerkrieg keine Zwischentöne und Schattierungen gebe und man »entweder bei den Roten oder bei den Weißen« sei. Die Wahl ist schmerzhaft. »Zwischen Putin und der langen Nacht Russlands« und »dem flüchtigen Phänomen von Prigozhins Bürgerkrieg«, so sieht er die Möglichkeiten.“
Womit der Ausgang ja schon bestimmt ist, wenn die Wahl zwischen „lang“ und „flüchtig“ ist.
In Rußland selbst wird nämlich von vielen Personen die Herrschaft Putins nicht als „Nacht“ empfunden. Das ist die Sichtweise der „Westler“, deren Zahl sich von Jahr zu Jahr verringert. Viele der ehemaligen Anhänger westlicher Kultur und Werte sind inzwischen im eurasischen Dunstkreis Dugins gelandet. Für diese Leute ging mehr oder weniger mit Putin die Sonne auf.
Bei diesem Vokabel fällt einem als historisch geschultem Geist eher die „Nacht der Langen Messer“ ein, mit dem sich Hitlerdeutschland der lästig gewordenen SA entledigte, die zwar bei der Machtergreifung nützlich gewesen, aber dann lästig geworden war.
Abgesehen vom weiteren Schicksal Prigozhins stellt sich auch die Frage nach seiner Wagner-Truppe – erstens sind sie sicher nicht ohne weiteres den regulären Einheiten einzugliedern. Zweitens sind sie auch außerhalb Rußlands im Einsatz – in Mali, in Libyen, in der Zentralafrikanischen Republik. Die ganze Außenpolitik Rußlands muß neu organisiert werden.
Es ist übrigens bemerkenswert, daß die westlichen Medien sehr verunsichert und vergleichsweise objektiv auf die Ereignisse rund um Prigozhins Aufstand reagiert haben: Bei aller Hetze gegen Putin, den Teufel im Kreml, wünscht sich doch keiner, daß er durch Prigozhin ersetzt wird.
Einen Kommentar anderswo hätte ich gewiß anders abgefaßt, hätte ich diesen Eintrag nicht gelesen.
"Nach allem, was ich in den vergangenen 16 Monaten gelesen habe, dürfte es in Russland sehr wenige Leute geben, die nicht urteilen oder in irgend einer Weise wissen, bzw. wissen wollen, daß die Entscheidung zum Krieg in der geschehenen Form auf rundweg katastrophalen Fehlurteilen und Fehleinschätzungen beruht hat, denen etliche weitere Fehlentscheidungen folgten, die zusammen einen gewaltigen Blutzoll gefordert haben.
Aber die Leute wissen auch, daß die Alternative zu „Putin“ Bürgerkrieg heißt, so lange kein dynastischer Übergang in Sicht ist.
Und so halten sich fast alle an einen Set von Schemata, der „Grund“ und „Ursache“, sowie „Zweck“ und „Mittel“ systematisch durcheinander wirbelt und vertauscht.
So gilt der hybride Krieg, den „der Westen“ seit Jahrzehnten gegen Russland geführt hat, als „Grund“ für die Ventilatorscheiße, und die Fehlurteile und Fehlentscheidungen, samt den Gründen, die sie haben, als „Ursachen“. Der Krieg, ursprünglich als „ultima ratio“ und somit Mittel der Selbstverteidigung des Föderationsstaates begonnen, avanciert darüber zum Zweck der Verteidigung russischer Staatlichkeit überhaupt.
Letzteres ist die Grundlage des Deals mit Prigoschin.
Er hält eine Entscheidung über „Schoigu“ als einer Zentralfigur in den geschehenen Fehlurteilen und Fehleinschätzungen, die in Prigoshins Anklagen abstrakt und symbolisch figurieren, in der Schwebe, was die aktuelle Dynastie der Kremlherrschaft zum Zwecke der Abwicklung und des Übergangs aufrecht hält.
Sich an diesem hoheitlichen Zweck verdient zu machen ist unter dem Strich eine patriotische Leistung des Theaters mit und um Prigoschin. Sein Opfer wäre eine schwerlich zu überschätzende Schädigung des Gleichgewichtes der Föderationsherrschaft gewesen (sowas begreifen Modelle, wie Kadyrow, nicht)."
"Er hält eine Entscheidung über „Schoigu“ als einer Zentralfigur in den geschehenen Fehlurteilen und Fehleinschätzungen, die in Prigoshins Anklagen abstrakt und symbolisch figurieren, in der Schwebe, was die aktuelle Dynastie der Kremlherrschaft zum Zwecke der Abwicklung und des Übergangs aufrecht hält. Sich an diesem hoheitlichen Zweck verdient zu machen ist unter dem Strich eine patriotische Leistung des Theaters mit und um Prigoschin."
Als hoheitlicher Zweck der derzeitigen Kremlherren wird hier ihre eigene Abwicklung und ihr Übergang in andere Herrschaften formuliert. (Das wurde vor etlichen Jahren bei Assad so ähnlich postuliert, als es um Modelle der syrischen Herrschaftsnachfolge bzw. Aufteilung des Landes ging, auf die sich angeblich Russen und Türken verständigt hätten.) In Syrien war mit den Interessen von Türkei, Russland, dem Westen, den Ölstaaten und anderen immerhin ein Vorstellungsgebräu über Interessen der Zerschlagung, Neu-Aufteilung und Neuetablierung Syriens skizzenhaft vorhanden.
Zu welchem Übergang soll denn aber das jetzige Theater tauglich sein oder werden? Dass das ein Übergang sein könnte – ist das als Botschaft also mehr als die Binse, dass dem Einen bestimmt irgendein Anderes (Regime) nachfolgen wird? Und dass der Aufrührer anscheinend Sympathien genießt, und Putins Methoden der Machtausübung zukünftig andere sein müssen? (Dass nun eine "Schädigung des Gleichgewichts der Föderationsherrschaft" eingetreten sei – sagt ja auch wenig aus über neue Herrschaft (und deren sog. zukünftiges 'Gleichgewicht'). Mhm?
Das Festhalten am Krieg ist darin das Festhalten an der russischen Staatlichkeit, weil der Westen die bisherige Staatlichkeit Russlands bestreitet. (Oder?)
(Mag also sein, dass Putin demnächst Neuerungen einrichten wird, was man als Ankündigung eines “Übergangs” wird deuten können. Nach den öffentlich gemachten Äußerungen, dass die russischen Kriegsziele und -Mittel untauglich seien, und nachdem diesem “Verräter” nun freies Geleit zugesichert wurde, ist das vermutlich zu erwarten.)
[Übrigens – auch in Syrien scheint Russland aktuell seinen Standpunkt, – irgendwie – auch – sowas wie eine ‘gleichartige’ Weltmacht sein zu wollen, und seine diesbezüglichen Staatsprojekte daher weltweit zu betätigen, nicht zurücknehmen zu wollen.]
https://www.dw.com/de/russische-luftwaffe-fliegt-neue-angriffe-in-syrien/a-66027313
Die Analystin meint also, der Aufstand wurde absichtlich p r o v o z i e r t . …Es ist anzunehmen, daß dafür Vorsorge getroffen wurde, weil überraschend kam der Aufruhr ja nicht.
Nein, denke ich nicht. Denn dann wäre er im Keim erstickt worden, kaum daß die Wagner-Truppen losmarschiert sind. Aber die konnten erst Rostow ohne irgendeinen Widerstand dieses zentralen Armee-Hubs einnehmen [nun gut, konnten sie nicht, sondern nur auf einigen Kreuzungen parken, was die Stadtverwaltung sehr feärgert hat, denn Panzer machen Straßenbeläge kaputt, wenn sie durch eine City düsen] und dann Hunderte von Kilometern nach Norden fahren, ohne dabei auf irgendeinen Versuch zu stoßen, sie zu stoppen ,[was ohne weiteres möglich gewesen wäre, schließlich hatte dieser Strurmtrupp keinerlei Luftubterstützung und sicher nicht sonderlich viel Flugabwehrkapazitäten]. Ohne eine schütznde Hand von wichtigen Generalen kann ich mir sows nicht vorstellen. Auf jeden Fall paßt dieser Raid nicht zu einer Provokation von Putin aus.
Was ich zudem nicht verstehe, wieso die Geheimdienste, die die Wagnertruppe ja gegründet und unterstützt haben, bei dieser Aktion mitgemacht haben. Oder haben die dort schon länger nichts mehr zu sagen? Und wenn das stimmt, wieso ist Prigoshin dann nicht schon länger, wenigstens seit seiner Ausrastereien und Tiraden ins Gefängnis geschmissen worden. Wieso hat Putin gedacht, daß im dieser Prigoshin noch zu irgendwas nützlich sein könnte und bis zum Schluß seine schützende Hand über ihn gehalten, sicherlich nicht zur Freude der Armeeführung, die er ja noch viel mehr braucht?
Und Putin's Ansehen in Ausland, gerade bei den Staaten, die nicht eh schon auf seiner Seite stehen, ist durch diese Aktion sicher nicht gewachsen.
Und was soll das bedeuten, daß jetzt in NATO-Medien zu lesen war, daß der CIA schon vorher von Prigoshins Meutereiversuch gewußt haben soll? Wenn der CIA sowas hätte organisieren wollen, hätte er es jedenfalls nicht besser hinkriegen können. Für die Moral der NATO-Herren und Damen in Wilnius war das schon mal ein Riesenschub, besser als jeder "Erfolg" der Ukraine bei ihrer Offensive.
Sich als Präsident eines Übergangs selber zu definieren, das würde beinhalten, das eigene Projekt als gescheitert zu betrachten – aber dessen Abbruch bzw. Abwicklung solle möglichst unblutig verlaufen. Die Reden von Verräter und von Dolchstoß in den Rücken unterstreichen jedoch das Festhalten an der eigenen Weltsicht, garniert mit welthistorischem Schmarren seit 1917, etc. (Dass eine russische Führungsmafia die Weltlage anders als Putin selber einschätzt, Putin selber nicht mehr als zentrale Figur behandelt, und ihn einstweilen aber erst einmal im Amt belassen will, um demnächst einen anderen Übergang herbeiorchestrieren zu wollen, das mag zwar sein. Ist aber bloße Spekulation.). Angekündigt ist mit Parolen von Dolchstoß, Verräter etc. von Putin selber aus aber eher das Programm der Verschärfung seiner bisherigen Politik-Prinzipien. (Nicht nur) weil er sich im nächsten Jahr wird wiederwahlen lassen wollen, wird er sich schon noch selber. äußern.
@TomGard und Leser
Es ist eigenartig, den ganzen Krieg in der Ukraine als „Fehl-irgendwas“ zu besprechen. Am Anfang mögen sich ja alle möglichen falschen Vorstellungen und Einschätzungen ereignet haben. Im Grunde ist dieser Krieg jedoch eine notwendige Folge des sich aufbauenden Gegensatzes zwischen dem Weltherrschaftsanspruch der USA und der in ihrem Windschatten segelnden EU einerseits, und den sich diesem nicht anbequemenden Mächten, wie Rußland, China, dem Iran und anderen.
Da wurden keine „Fehleinschätzungen“ gemacht, sondern dieser Gegensatz mußte einmal ausgetragen werden.
Westliche Dienste und der Pentagon mögen gemeint haben, am Ende würden die Russen klein beigeben und zurückweichen. Das war eben Wunschdenken, das sich aus der Gorbatschow-Aera und den mit dieser Regierung gemachten Erfahrungen speiste.
Die russische Führung hat sich sicher auch Illusionen gemacht über die Stellung, die die EU in dem Konflikt eoinnehmen würde – sonst hätten sie die Nordstream II-Pipeline nicht gebaut.
Die russische Militärführung ist sicher diejenige Partei, die am wenigsten mit diesen Illusionen zu tun hat.
Schoigu ist meines Wissens unumstritten. Außerdem ist die russische Führung nicht so unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf, wie hier von einigen Leuten angedeutet wurde. Für Rußland läuft die Angelegenheit nicht schlecht und dort hat man Geduld.
Die Ukraine wurde zu einem Rammbock gegen Rußland aufgebaut und als solcher darf sie sich jetzt bewähren.
@Neoprene
Na ja. In dem Artikel steht auch, daß er (= der Aufstand) Unterstützer in den russischen Eliten hatte. Diese Unterstützer sollen jetzt aus ihren Fuchsbäuen herauskommen und sich outen. Deswegen ließ man vom Kreml aus das Ganze vor sich hin köcheln.
Gerade der Umstand, daß es keine Gegenwehr gab, kann genauso auf Unterstützung von oben beruhen und muß nicht auf Sympathien innerhalb des Militärs beruhen.
Vielleicht sagte jemand den Zuständigen in Rostow: Haltet einmal still und wartet ab, was weiter von Moskau kommt.
Ich glaube nicht, daß Putin bzw. der nationale Sicherheitsrat so unzufrieden mit Schoigu ist und der bleibt m.E. im Amt.
Den Hinweis von Nestor auf Gegensätze in der imperialistischen Weltpolitik, die notwendig im Ukraine-Krieg zum Vorschein kommen, nehme ich zum Anlass, dafür zu werben, diese noch einmal zu studieren….. "(…) Tatsächlich hat eine alternative Chronologie, die den Blick auf das Geschehen einmal über den Februar 2022 hinaus nach rückwärts ausweitet, einiges für sich: Im besten Fall lernt man die imperialistischen und die antiamerikanischen, die speziell euroimperialistischen und die nationalistischen Berechnungen genauer kennen, die von den drei Kriegsparteien seit über einem Jahr so unerbittlich in die Tat umgesetzt werden. Und weil alle Kriegsparteien unter Verweis auf die Kriegsziele und Kalkulationen ihrer Feinde für sich in Anspruch nehmen, im Sinne der rechtfertigenden Unterscheidung von Opfer und Täter in Wahrheit der angegriffene Teil zu sein, der sich verteidigen muss und dazu auch alles Recht der Welt hat, kann man diese Berechnungen durchaus auch mal als Stoff für eine sachliche Erklärung hernehmen, was die Kriegsparteien tatsächlich so unbedingt zu verteidigen haben, i.e. welcher Räson ihrer Herrschaft sie folgen, wenn sie daraus die Unvereinbarkeit ihrer staatlichen Macht mit der ihrer Gegner folgern. Das hat immerhin den Vorteil, dass man – im besten Fall – auf die politische Notwendigkeit ihres Krieges zu sprechen kommt: auf die wirklichen Kriegsgründe, an denen sich jede moralische Bewertung blamiert.(…)".
(Auszug aus dem Editorial aus dem neuen GSP – vgl. zusätzlich auch z.B.):
https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/zeitschrift/gegenstandpunkt-2-23
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/episoden-dementierten-russland-nato-kriegs-kw-9-11#sectionidm47
https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/jf-protokolle/jf230508-Das%20zweite%20Kriegsjahr%20beginnt%202.pdf
@Nestor
Ich hatte geschrieben:
… und ich weigere mich, in Zukunft "in der geschehenen Form" fett, und "Blutzoll" in Kapitälchen zu schreiben.
(Außerdem steht da zum Subjekt des Urteils: ” … dürfte es in Russland sehr wenige Leute geben, die nicht urteilen oder in irgend einer Weise wissen, bzw. wissen wollen …”
Soweit ich das beurteilen kann, sind deine Übersetzungen ziemlich korrekt, aber wer liest die Originaltexte für dich?)
Noch eine Info:
„Bis zum Krieg in der Ukraine hatte der Kreml seine Tätigkeit ( = d.h., die der Wagner-Truppe) nie anerkannt, da die Figur des Söldners in Russland illegal ist und Beteiligung an Kämpfen im Ausland mit bis zu 16 Jahren Gefängnis bestraft wird.“ (El País, 26.6.)
Hier ist also eine Gesetzesänderung fällig, und auch eine Änderung der Politik im Ausland.
„Wagners Stärke ist erheblich gewachsen. Vor einigen Monaten schätzte das britische Verteidigungsministerium die Zahl seiner Kämpfer in der Ukraine auf rund 50.000. Im September gab Prigozhin zu, dass er hinter Wagner stehe und ließ die Truppe als Unternehmen registrieren, mit einen neuen Hauptsitz in St. Petersburg.
Am Samstag berichteten die russischen Behörden, dass sie in diesen Büros Dutzende Goldbarren, Blöcke aus weißem Pulver, Waffen und gefälschte Pässe gefunden hätten. Wagner hat sich von einer Organisation, die angeblich nicht existiert, zu einer Organisation entwickelt, die Rekrutierungswerbetafeln – am Samstag begannen die Behörden während der Rebellion im Süden einige zu entfernen – und Merchandising-Produkte einsetzte.“ (ebd.)
@TomGard
???
Glaubst du leicht, ich hab eine Sekretärin oder sowas?
„Die Biografie von Jevgenij Prigozhin: Was ist über den Gründer der PMU Wagner und sein Militärunternehmen bekannt?
Das private Militärunternehmen »Wagner« wurde Ende 2013 (anderen Quellen zufolge Anfang 2014) gegründet. Es wurde als eine Struktur geschaffen, in der die Soldaten von gestern mit beträchtlicher Erfahrung in der Durchführung von Sondereinsätzen und weit »überdurchschnittlicher«Ausbildung in der Lage sind, schwierige Aufgaben zu erfüllen, deren Lösung der Staat aus mehreren Gründen nicht an die reguläre Armee delegiert hat. Und die Gründe waren unterschiedlich: einige Inkonsistenzen in veralteten Gesetzen und überholte internationale Verpflichtungen sowie die Komplexität der Beziehungen zu den umliegenden Staaten rund um die Situation, an dem schwierige Aufgaben ausgeführt wurden.“
Im Grunde genau das, wofür solche Söldnerheere bzw. Wach- und Schließgesellschaften im Westen auch existieren: Für heikle Aufgaben, die den Verfassungen der jeweiligen Staaten widersprechen, aber aus imperialistischen Motiven her gemacht gehören.
„Die Website KP.RU hat das Wichtigste über den Gründer von dem PMU (Privates Militärisches Unternehmen) Wagner und die von ihm aufgestellte Truppe gesammelt und veröffentlicht außerdem die Biografie von Jewgenij Prigozhin, die neuesten Nachrichten über ihn und die interessantesten Fakten aus dem Leben dieses Geschäftsmannes.
Was über die PMU „Wagner“ von Jevgenij Prigozhin bekannt ist – historische Fakten
Es ist allgemein anerkannt, dass Jewgenij Prigozhin den Namen PMU »Wagner« vom Mitbegründer und Kommandeur, dem damals 43-jährigen ehemaligen GRU (= russischer Militärgeheimdienst)-Offizier Dmitrij Utkin, übernahm, dessen Spitzname das war.
Es wird angenommen, dass der Oberstleutnant der Spezialeinheiten das Werk des deutschen Komponisten Richard Wagner schätzte. Der gebürtige Uraler diente viele Jahre in den Spezialeinheiten der Hauptnachrichtenabteilung des Generalstabs der russischen Streitkräfte. Für militärische Verdienste während zweier Tschetschenienfeldzüge und später auf der Krim und in Syrien erhielt er vier Tapferkeitsorden. Bereits als Chef des PMU leitete er die Aktionen der Spezialeinheiten im Kampf um die Befreiung des Donbass vom ukrainischen Neonazismus. Seit Juni 2017 unterliegt er allen möglichen Sanktionen der USA und anderer westlicher Länder. (…)
Seit seiner Gründung haben Vertreter des PMU Wagner schwerwiegende Probleme in zwei Dutzend afrikanischen Ländern gelöst, darunter dem Kongo, Angola, Libyen, Ruanda, Sudan, Sambia, Simbabwe, Kenia und andere.“
Sapperlot!
Die Hälfte davon schaffte es gar nicht in die westliche Presse.
„Die Aktionen der »Musiker« in Syrien nach 2015 wurden durch staatliche Auszeichnungen gewürdigt. Und ihre harte Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik zur Unterstützung des bestehenden Regimes löste im Westen, insbesondere in Frankreich, äußerst negative Reaktionen aus.
Die ersten US-Sanktionen gegen das russische PMU wurden bereits 2016 verhängt. Und fünf Jahre später setzte das FBI Jewgeni Prigoschin auf die Fahndungsliste und verhängte Sanktionen gegen eine Reihe von Unternehmen, die mit Wagner in Verbindung stehen, unter anderem wegen »Einmischung in US-Wahlen«.
Im Rahmen der Sonderoperation Ukraine leisteten die Kämpfer von Wagner einen entscheidenden Beitrag zur Befreiung von Bachmut-Artjomovsk, wo sie fast ein Jahr lang kämpften, sowie zur Einnahme von Soledar, Uglegorsk und einer Reihe anderer wichtiger Ortschaften in der Region Donbass.
Ihre Verluste in Artemovsk werden nicht genannt, aber es ist bekannt, dass es einige Tausende waren (…) Auf dem Höhepunkt der Schlacht um Artemovsk beteiligten sich die »Musiker« nach Angaben ihres Kommandos mit bis zu 50.000 Kämpfern.
Am 24. Juni gab es in Russland nach Schätzungen etwa 25.000 Kämpfer in den Wagner-Reihen. Darüber hinaus stehen diesem PMU Dutzende Panzer, gepanzerte Personentransporter und Infanterie-Kampffahrzeuge sowie Flugabwehr-Raketensysteme und sogar Flugzeuge und Hubschrauber zur Verfügung.
Die Zusammensetzung des PMU ist international. Dort dienen Menschen aus den meisten Regionen Russlands und einer Reihe von GUS-(= ehemalige SU-Staaten)Staaten.
Laut Aussagen der KP-Militärkorrespondenten sahen Wagners Verträge schwere Strafen für den Konsum jeglicher Stimulanzien vor – von Alkohol bis zu Drogen.
Dies galt für alle – sowohl für ehemalige Spezialeinheitsoffiziere als auch für diejenigen, die im Jahr 2022 in den russischen Zonen für das PMU rekrutiert wurden, was Jewgeni Prigoschin persönlich tat. (…)
Jewgenij Prigozhin (…) wurde 1961 in Leningrad geboren. (…) Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde er allein von seiner Mutter, Violetta Prigoschin, die im Gesundheitswesen tätig war, aufgezogen wurde.
Anschließend schickte sein Stiefvater, der Sportlehrer Samuil Zharkoj, Jewgenij auf ein Leichtathletik-Internat.
Zwei Jahre nach seinem Abschluss in dieser Schule erhielt Prigozhin eine Bewährungsstrafe wegen Diebstahls. Zwei Jahre später wurde er wegen Raub, Betrug und Beteiligung von Jugendlichen an kriminellen Aktivitäten bereits zu 12 Jahren Haft verurteilt.
Prigozhin wurde Ende der 80er Jahre begnadigt und nach neun Jahren freigelassen.
In den 1990er Jahren war er in der Lebensmittel-, Restaurant- und Glücksspielbranche tätig. In den frühen 2000er Jahren fand in einem seiner Gourmet-Restaurants ein Treffen der Staats- und Regierungschefs Russlands und Frankreichs statt, und 2002 speiste US-Präsident George W. Bush in Prigozhins Restaurant und war hochzufrieden.“
Ein bekannter Gourmet, der Herr Bush jr. …
„Ein weiteres interessantes Detail aus seiner Biographie: In den 2010er Jahren wurde Jewgenij Prigoschin Mitbegründer der Wagner-Gruppe, wo Dmitri Utkin, der später als Generaldirektor auftrat, den Posten des Chefs des Sicherheitsdienstes übernahm. Im Jahr 2022 sagte Prigozhin, der Mitarbeiter für das PMU Wagner rekrutierte, dass dieses Unternehmen vor 9 Jahren gegründet wurde, »um die Russen zu schützen, als der Völkermord an der russischen Bevölkerung im Donbass begann«.“
„Wagner“ ist also ein direktes Produkt des Majdan und des Aufstands im Donbass. Die dortigen Milizen brauchten Unterstützung, die reguläre russische Armee konnte nicht eingreifen, weil das eine Art Einmarsch gewesen wäre. Dazu war die russische Führung zu dem Zeitpunkt nicht bereit.
„Seit Herbst 2022 kritisiert Prigozhin regelmäßig sowohl einige Vertreter der obersten Militärführung des Landes als auch eine Reihe von Parlamentariern. Im Frühjahr 2023 sagte er wiederholt, dass die Wagner-Kampfflugzeuge nicht mit ausreichend Munition versorgt seien. Aus diesem Grund verzögerte sich beispielsweise die Einnahme Bachmuts.
Trotz seines schwierigen Charakters und der Kritik an Personen in führender Stellung unterhielt Prigozhin gute persönliche Beziehungen zu einer Reihe von Führern russischer Regionen und GUS-Staaten sowie zu Generälen in der Führung der Russischen Streitkräfte.“
Es wäre also wirklich nicht gut, ihn vor Gericht zu stellen, weil das könnte ein Köpferollen auf höchster Ebene auslösen, was Rußland im Augenblick gar nicht brauchen kann.
„Jewgeni Prigozhin war mit der Apothekerin Ljubov Prigozhina verheiratet, die 9 Jahre jünger als ihr Ehemann ist. Das Paar hat drei Kinder. Die 30-jährige Polina (Kilometerreiterin im Pferdesport) und die 18-jährige Veronika sowie den 25-jährigen Sohn Pavel (Miteigentümer einer Konditorei).“
(KP, 26.6.)
Man merkt, daß diese Wagner-Truppe und ihre Rebellion Rußland vor größere Probleme bezüglich seiner inneren Verfaßtheit stellt.
Derzeit wird überlegt, die Wagnerianer nach Weißrußland zu überstellen, wo es anscheinend weniger verfassungsrechtliche Bedenken gibt.
Das wäre eine elegante Lösung, um auch ihre Präsenz in Afrika aufrechtzuerhalten.
Alles, was man jetzt in westlichen Zeitungen an Details über Prigozhin und seine Truppe liest, hätte ich mir einmal über diese Blackwater-Fuzis und ähnliche private Söldnerdienste auch gewünscht. Auch Litwinjenko selig betrieb so ein Unternehmen, oder die Leute, die vor 3 Jahren die Invasion in Venezuela organisierten.
Die Bundeswehr jedenfalls legt aktuell nun noch einen Zacken zu …..
“Im Baltikum sind sogenannte Rahmennationen gemeinsam mit den regionalen Armeen für den Schutz der sogenannten NATO-Ostflanke zuständig. In Estland sind das die Briten, in Lettland die Kanadier und in Litauen die Deutschen.” (Und die stocken nun auf permanente und dauerhafte Stärken auf, was als Bruch der Grundakte zwischen NATO und Russland überhaupt nicht verschwiegen wird.)
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pistorius-litauen-110.html
https://www.zeit.de/politik/2023-06/deutschland-will-bundeswehr-brigade-in-litauen-stationieren?utm
Vor einem Jahr wurde noch von der Bundeswehr geleugnet, dass an eine dauerhafte Stationierung in Litauen gedacht würde…
https://augengeradeaus.net/2022/06/die-bundeswehr-und-der-stolperdraht-in-litauen-keine-dauerhafte-praesenz/
Es ist aber auch konsequent, da die Armeen dieser 3 baltischen Staaten wunzelig sind und keinem Angriff statthalten könnten.
Ich nehme an, daß die „Rahmennationen“ auch bald ihre Armeen aufstocken werden, um sich dergleichen Schützenhilfe personell leisten zu können.
Es geht ja nicht, daß dann zu Hause niemand mehr ist oder man womöglich keine schnellen Eingreiftruppen hätte – wie z.B. diejenigen, die sich in den letzten Jahren in Afghanistan und Mali mit Ruhm bekleckert haben.
Was man bisher zu dem Flugzeug-Absturz, bei dem es Prigozhin und Utkin erwischt haben soll, weiß:
Prigozhin soll erst am Vortag aus Afrika zurückgekommen sein.
Neben dem Flugzeug, das abstürzte, solle in zweites Flugzeug in kurzer Entfernung unterwegs gewesen sein, das auch Prigozhin gehörte und nach dem Absturz umgedreht und nach Moskau zurückgeflogen ist. Am nächsten Tag flog es nach Baku.
Verschiedene andere Passagiere des Flugzeugs sollen zu Prigozhins Leibwache gehört haben.
Vor seiner Rebellion im Juni genoß er zusätzlich staatlichen Schutz, der soll ihm nachher entzogen worden sein.
Es mutet auf jeden Fall seltsam an, daß er und Utkin in einem Flugzeug saßen.
Der Sprecher des Kreml, Peskow, sagte, man müsse einmal die forensischen Untersuchungen abwarten, um festzustellen, ob die Toten tatsächlich mit den auf der Passagierliste angeführten Personen übereinstimmen.
Das Flugzeug ist auf jeden Fall durch äußere Einflüsse abgestürzt. Entweder eine Bombe, oder ein Abschuß. Laut Augenzeugenberichten am Boden brach erst der Schwanz ab und nachher eine Tragfläche, dann schoß es steil zu Boden.
Ganz in der Nähe der Absturzzstelle befindet sich ein Militärflughafen.
Laut irgendwelchen Flugradar-Daten soll es vor dem Absturz zweimal steil aufgestiegen und dann abgestürzt sein.
Zu diesen Fragen muß einmal die Blackbox ausgewertet werden.
Der Anschlag fand am Tag vor den ukrainischen Unabhängigkeits-Feierlichkeiten statt, es kann also auch eine ukrainische Spur nicht ausgeschlossen werden.
Was mit den Wagner-Truppen geschieht, sollten Prigozhin und Utkin wirklich verstorben sein, ist noch unklar. Vor allem in Afrika erfolgte die Bezahlung seiner Dienste meistens in Naturalien und er hatte ein Firmenkonglomerat für die Verwertung vor allem mineralischer Rohstoffe.
Bemerkenswert ist das Schweigen Lukaschenkos, der Prigozhin Sicherheit versprochen hat, wenn er seinen Aufstand abbricht.
Das kann er logischerweise höchstens für Belarus, aber nicht für Rußland.
Lukaschenko hat der Ukraine am nächsten Tag zu ihrer Unabhängigkeit gratuliert, was angesichts der Lage etwas absurd erscheint.
Aber das war vielleicht auch so gedacht.
Diese Bemerkung des Mannes, der eigentlich zurücktreten wollte, verstärkt den Verdacht einer ukrainischen Spur:
"Resnikow: Putin nach Flugzeugabsturz politisch geschwächt
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow sieht den russischen Präsidenten Wladimir Putin durch den Prigoschin-Flugzeugabsturz politisch geschwäch.
Resnikow erinnerte in einem Interview mit "Bild", "Welt" und "Politico" daran, dass es zwischen Putin und der Wagner-Gruppe ein Abkommen nach dem Marsch auf Moskau vor zwei Monaten gegeben habe, das jetzt gebrochen worden sei. Resnikow hält auch das Dementi des Kremls zur Verantwortung für den Flugzeugabsturz für unglaubwürdig.
Für die Gegenoffensive der Ukraine spielte das weitere Schicksal der Wagner-Gruppe keine Rolle. Sie sei inzwischen integriert worden in die russischen Streitkräfte oder in ein privates Unternehmen in Afrika. Ein Teil sei in Belarus stationiert. "Es gibt keine Wagner-Gruppe mehr, wie man sie als ernsthafte Streitmacht vor einem Jahr sehen konnte. Sie ist kaputt."
Das Ziel der ukrainischen Offensive sei die Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 1991.
(Standard, 26.8.)
Die Wagner-Truppen werden unter der Führung des ehemaligen Kommandanten und Mitbegründers der Söldner-Einheit Andrej Troschew („Sedoj“ = Grauer) in das russische Militär eingegliedert.
Somit ist das rechtlich-konstitutionelle Problem, daß die Existenz dieser Truppe darstellte, erledigt.
Dem Vorschlag, sich dem Verteidigungsministerium und der Heeresführung zu unterstellen, hatte Troschew von Anfang an zugestimmt, Prigozhin hingegen war dagegen.
So lösen sich alle Probleme …
(KP, 29.9.)