Die EU einigt sich auf die Stützung Griechenlands

DAS SCHULDENKARUSSELL DREHT SICH WEITER
Nach allen möglichen Hiobsbotschaften und Schreckensszenarios ist es doch so weit: Es gibt eine partielle Umschuldung für Griechenland, und alles beruhigt sich.
Seltsam, oder zumindest erklärungsbedürftig angesichts der Tatsache, daß vor ein paar Tagen noch die Rede davon war, daß Griechenland irgendwelche Auflagen erfüllen müsse, ohne Wenn und Aber, sonst ginge gar nichts. Und die griechische Seite verlauten ließ, sie könnten sich eine Rückkehr zur Drachme schon vorstellen.
Die griechische Regierung ist nämlich draufgekommen, daß die EU sie mindestens genauso braucht wie sie die EU, und daß mit dieser Drohung die Rute ins Fenster gestellt ist, den Euro zu sprengen. (Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich da auch wieder Berater geholt haben. So wie seinerzeit Goldmann Sachs zum Verstecken von Schulden gut war, so gibt es heute einen Haufen Argentinier, die sich mit Staatsbankrott und IWF-Verhandlungen sehr gut auskennen.)
Der Stützungsplan für Griechenland schaut so aus, daß einige (oder alle?) der in den nächsten 2 Jahren fälligen Staatsanleihen in solche mit längerer Laufzeit und höherer Verzinsung umgewandelt werden, für deren ordnungsgemäße Bedienung die EU geradesteht.
(Damit ist zwar mehr oder weniger sicher, daß Griechenland ein Sanierungsfall bleibt, aber daß vielleicht, so die Hoffnung, nicht jedes Jahr dieser Zirkus aufgeführt werden muß.)
Die EZB wird daher weiterhin griechische Staatsanleihen aufkaufen und als Sicherheiten akzeptieren, obwohl sie bereits auf Ramschstatus heruntergestuft sind.
Die griechische Regierung erhält die Erlaubnis, die Mehrwertsteuer herunterzusetzen. (Man erinnere sich: voriges Jahr war gerade die saftige Erhöhung der Mehrwertsteuer – und anderer Steuern – Bedingung für die Stützung des griechischen Staatskredits. Jetzt, wo sich herausstellt, daß damit keineswegs die angestrebte „Sanierung des Staatshaushaltes“ (ein Un-Begriff!) erreicht wurde, sondern – surprise, surprise! – ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, soll das wieder zurückgenommen werden.
Die Herabsetzung der Mehrwertsteuer ist jedoch nur ein Lockvögeli für das griechische Parlament, die von IWF und EU geforderten Privatisierungen vorzunehmen.
Ob da auch Abstriche von den ursprünglichen Forderungen, das gesamte Tafelsilber auszuverkaufen, gemacht wurden, erfährt man nicht so genau. Es ist aber zu vermuten. Denn die meisten dieser Staatsbetriebe sind eher als Alpaka einzustufen, deren Verkauf und Privatisierung das Funktionieren der griechischen Infrastruktur in Frage stellen und nicht wirklich viel einbringen würde. Und an dem irgendwie-Funktionieren von Zügen, Fähren, Häfen und dem Telefonnetz sind alle Wirtschaftstreibenden interessiert, die in Griechenland investiert haben.
Ohne funktionierenden Transport und Internet kommen nämlich gar keine Touristen mehr nach Griechenland, und auch die Waren nicht zu den Konsumenten.
Die EU hat erstaunlich schnell nachgegeben, und eingesehen, daß die Ruinierung Griechenlands der Anfang vom Ende der EU wäre.
Die Märkte haben positiv reagiert, so heißt es.
Das Schulden-Machen kann also getrost wieder weitergehen. Bis zur nächsten Schuldenkrise.

9 Gedanken zu “Die EU einigt sich auf die Stützung Griechenlands

  1. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich da auch wieder Berater geholt haben. So wie seinerzeit Goldmann Sachs zum Verstecken von Schulden gut war, so gibt es heute einen Haufen Argentinier, die sich mit Staatsbankrott und IWF-Verhandlungen sehr gut auskennen.

    Will heißen, du hast davon was gehört? Auf jeden Fall wird die Wirtschaftskrise fürchterlich werden wenn die Staatskreditblase (angefangen bei Griechenland, Portugal, Spanien, oder gar USA usw.) platzen wird.

  2. Der IWF zahlt sehr wahrscheinlich demnächst nicht. Zumindest geht dieses Gerücht um.

    Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird sich wahrscheinlich nicht an der nächsten Teilauszahlung von Finanzhilfen für Griechenland beteiligen. “Es gilt mittlerweile als sicher, dass der IWF seinen Teil der Ende Juni fälligen nächsten Tranche nicht auszahlen wird”, weiß die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (FAZ) am Mittwoch. Offenbar komme die Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission bei ihren Prüfungen zu dem Schluss, dass die Finanzierung des laufenden Programms für zwölf Monate nicht gesichert sei. Daher dürfe der IWF seinen Teil nicht auszahlen.

    Standard
    Gleichzeitig sind erneute MRDen-Kredite im Gespräch.

    Ein neues Notprogramm soll Griechenland abermals vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren. Von 60 bis 70 Milliarden Euro ist die Rede.

    FAZ
    Ja, das klingt verzweifelt.

  3. @star wars
    Du schmeichelst mir. Nein, so gut informiert bin ich nicht, aber ich habe einiges gelesen, was in mir diesen Verdacht aufkommen läßt.
    Es ist auch naheliegend. Wenn ich ein griechischer Politiker wäre, der vor dem Aus steht, würde ich mich auch an Leute wenden, die bereits einen Staatsbankrott hingelegt haben, und um Tips bitten.

  4. Einige der neuen Sanierungsmaßnahmen des Finanzministeriums, heutigen griechischen Zeitungen entnommen:
    – Steuerfreibeträge runter: für Lohnabhängige/Renter von 12.000 auf 10.000 Euro; Freiberufler/Händler von 12.000 auf 6.000 Euro; u.U. für Bauern einen Freibetrag von 8.000 Euro
    – Beschäftigte im öffentlichen Sektor bekommen ab 1.7. bis zu 8% weniger, im privaten Sektor betragen die Lohnkürzungen 2%
    – Zur Stützung der Sozialkassen zusätzliche 3% einmaliger (?) Abzug bei allen Beschäftigten, bisher galt 1% bei den Privaten, aber noch keine bei Beamten
    – Senkung der möglichen Leistungsboni für Beamte von 57 bis 100 Euro monatlich auf 28 bis 50 Euro
    – Kürzungen bei über 1700 Euro Normalrente und 300 Euro Zusatzrenten von 2% bis 4%
    – “Solidaritätsteuer” bei hohen Renten (über 1700 Euro) um 40% höher, somit jetzt 6% (vormals 4%) bei Renten ab 1700-2000 Euro, bei Renten über 3500 Euro 14% (vormals 10%)
    – Kürzungen bei den hohen/Frührenten der staatlichen Stromgesellschaft und in allen anderen öffentlichen Unternehmen
    – Sofortkasse bei Immobilienbesitzern, Absenkung des dortigen Freibetrages
    – Erlaubnis für den privaten Sektor Beschäftige unter 25 Jahren mit bis zu 20% unter dem tariflichen Mindestlohn von ca. 740 Euro monatlich zu bezahlen, das wären ca. 590 Euro. Galt auch schon seit letztem Jahr, nur wurden die Niedriglöhne bishr noch bezuschusst, das fällt jetzt weg.

  5. Ich denke, die radikale Linke muss sich unbedingt mit Griechenland und den möglichen Folgen seiner Misere auseinander setzen. Deshalb vor allem einmal vielen Dank für deinen Beitrag!
    Bei alldem, was in deinem Artikel richtig und wichtig ist, muss ich aber auch grundsätzliche Kritik üben, denn schon der Titel “Die EU einigt sich auf die Stützung Griechenlands” – was ja die Überweisung der nächsten Tranche meint – widerspricht der Aussage, es gäbe “eine partielle Umschuldung für Griechenland, und alles beruhigt sich”! Außerdem wird in dem Artikel, den du angibst (und mir mit meinen dürftigen Spanischkenntnissen nur schwer verständlich ist), doch behauptet, dass die EU weitere Hilfen “erwäge” (barajar), nicht? Das wäre ja doch nichts Neues. Womit belegst du also deine Behauptungen?
    Soweit ich weiß, steht bis heute weder ein Plan zur Umschuldung noch die Überweisung der nächsten Tranche. Im Gegenteil, im Groben hat sich eine Frontstellung herausgeschält, da natürlich die griechische Regierung, die EZB und zum Beispiel die französische Regierung eine Umschuldung verhindern und die Austeritätspolitik vorantreiben wollen, wohingegen die deutsche Regierung den Schuldenschnitt mittlerweile nicht mehr kategorisch ausschließt, weil die Transferzahlungen in der BRD unpopulär sind und deutsche Banken (anders als etwa französische) ohnehin nicht so stark betroffen wären. Der IWF blockiert, sofern das griechische Hilfspacket nicht darüber hinaus finanziert wird und dahingehend unter den Regierungen des Euroraums keine Einigkeit herrscht (was Seidenraupe anmerkt). Die Regierungen fordern wiederum, dass sich auch die parlamentarische Opposition den Sparplänen anschließt, was bislang nicht der Fall ist. Wie du selbst sagst, kann man das Heruntersetzen der Mehrwertsteuer als Angebot an die Opposition verstehen. Trotzdem bleibt es eine unheimlich vertrackte Situation!
    Deshalb ist es zu früh, zu sagen, man hätte sich geeinigt. Davon wüsste ich jedenfalls nicht und gewiss würde man darüber allerorts lesen, nicht? Wenn dem so ist, dann steht, denke ich, gegenwärtig vielmehr zur Frage, ob die transnationalen Kapitalien innerhalb des Euroraums die Widersprüche effektiv verlagern können, ehe das Ganze implodiert!
    Solidarische Grüße!
    PS: Ich erlaube mir, zuletzt auf einen Artikel hinzuweisen, den ich anlässlich des letzten Generalstreiks geschrieben habe. Darin versuche ich, die gegenwärtige ökonomische Lage Griechenlands grob zu skizzieren und in diesem Rahmen und darüber hinaus die Bedeutung des Generalstreiks als praktische Verneinung der entfremdeten Arbeit hervor zu heben: http://linsentrug.blogsport.de/2011/05/13/angelus-novus/

  6. Du hast natürlich recht, genauso wie Seidenraupe, daß die Sache natürlich keineswegs durchgestanden ist.
    Es war dennoch bemerkenswert, und diesem Umstand widmet sich auch die Überschrift, daß von einem Tag auf den anderen gewisse Forderungen aufgegeben oder in den Hintergrund gestellt wurden, weil sich die EU einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro nicht leisten kann. Und das ist eine Einsicht, die sich erst einmal durchsetzen mußte. (Voriges Jahr gab es ja noch genug Stimmen, die sagten: Schmeißt sie doch hinaus, diese Pleite-Griechen!)
    Sorry für die späte Antwort, ich habe dich erst jetzt aus dem Spamfilter herausgefischt.

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