„RUSSLAND EVAKUIERT TAUSENDE EINWOHNER VON KURSK UND WEITET DEN NOTSTAND AUFGRUND DES UKRAINISCHEN EINMARSCHES AUF ZWEI WEITERE REGIONEN AUS
Mindestens 76.000 Einwohner der russischen Provinz Kursk, die an der Grenze zur Ukraine liegt, seien am fünften Tag der Kämpfe zwischen Moskauer und Kiewer Truppen in dieser Region evakuiert worden, so ein Sprecher des Ministeriums für Notsituationen in der Region in einer Erklärung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP Nachrichtenagentur TASS.
Auch in zwei weiteren Provinzen der Region hat der Kreml den Ausnahmezustand ausgerufen. Unterdessen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, allerdings ohne Kursk zu zitieren, eingeräumt, daß die Streitkräfte des Landes Operationen durchführen, um Russland auf seinem Territorium zu schaden: »Der Chef des Generalstabs, Oleksander Syrskij, hat bereits mehrfach über die Front berichtet und darüber, wie wir den Krieg auf das Territorium des Angreifers übertragen können. (…) Die Ukraine zeigt, daß sie weiß, wie sie … den nötigen Druck auf den Angreifer ausüben kann«, schrieb er in einer Nachricht in seinen sozialen Netzwerken.“
Man muß sagen, daß dieser Angriff und seine Dauerhaftigkeit den Überraschungseffekt auf ihrer Seite hat.
Nachdem nicht nur in russischen, sondern auch in westlichen Medien der Tenor der war, daß die Ukraine zu wenig Soldaten hat, daß die frisch Mobilisierten zu wenig ausgebildet und motiviert seien usw. – fragt man sich einerseits, woher diese doch offenbar motivierten und bewaffneten Truppen auf einmal kommen?
Zweitens hat die russische Militäraufklärung offenbar geschlafen, weil so ein Angriff muß ja irgendwie vorbereitet, Truppen müssen zusammengezogen werden usw.
„Russland kämpft seit dem 6. August in Kursk gegen Kiews Truppen, was als der größte Einmarsch der Ukraine in das Territorium ihres Feindes seit Beginn der Invasion des Landes im Februar 2022 gilt.
Für die evakuierte Bevölkerung haben die russischen Behörden nach Angaben der Generaldirektion des Ministeriums für Notsituationen 60 provisorische Unterkünfte eingerichtet, in die mehr als 4.400 Menschen aus den Grenzgebieten von Kursk verlegt wurden. Darüber hinaus hat das Rote Kreuz eine Telefon-Hotline zur Bearbeitung möglicher Fälle von Verschwindenlassen bei Überführungen eingerichtet und Moskau hat eine Hilfeleistung in Höhe von 10.000 Rubel (ca. 100 Euro) für die Betroffenen bewilligt.
Die ukrainische Offensive überraschte Moskau und veranlasste den Kreml, an diesem Samstag neben Kursk, wo er am Freitag eingerichtet wurde, in zwei weiteren an die Ukraine angrenzenden Regionen – Belgorod und Brjansk – den föderalen Ausnahmezustand auszurufen.
Die Ausrufung des Ausnahmezustands ist ein Instrument, das der Armee und den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse bei Anti-Terror-Einsätzen verleiht … Damit können militärische und personelle Ressourcen ohne Einschränkungen entsendet, aber auch die Sicherheit an wichtigen Orten verstärkt, Bürgerbewegungen eingeschränkt, Telefongespräche abgehört, Fahrzeuge beschlagnahmt und Zufahrtsverbotszonen erklärt werden.
Das Nationale Anti-Terror-Komitee meldete den Beginn dieser Operationen in den drei betroffenen Regionen, »um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und die Bedrohung durch Terroranschläge feindlicher Sabotagegruppen einzudämmen«, wie es den ukrainischen Einmarsch beschrieb. Die hohe Zahl der Evakuierten steht im Gegensatz zu den Informationen, die der Chef des russischen Generalstabs, Waleri Gerassimow, Präsident Wladimir Putin vor zwei Tagen übermittelte, als er ihm versicherte, daß der ukrainische Vormarsch unterbrochen worden sei.“
Der Hut brennt also noch immer, mit einem Wort.
„In die gleiche Richtung gehen die in den letzten 24 Stunden vom russischen Verteidigungsministerium übermittelten Mitteilungen über die Fortsetzung der Kämpfe. In seinem Telegram-Account versichert er, daß die Operation zur Zerstörung von Einheiten der ukrainischen Streitkräfte weitergeht, nennt hohe Verlustzahlen auf der Gegenseite – bis zu 1.120 Soldaten und 140 gepanzerte Fahrzeuge – und verbreitet Videos von angeblichen bewaffneten Einsätzen mit Panzern und Flugzeugen diejenigen, die dank des Einsatzes von Artillerie, Luftfahrt und Bodentruppen »den Feind vernichten«. …“
Selbst wenn nur die Hälfte dieser Zahlen stimmt, so ist dennoch bemerkenswert, daß es offenbar eine Menge ukrainische Soldaten bei dieser Offensive gibt.
Eine weitere Möglichkeit wäre, daß tatsächlich NATO-Soldaten als Verstärkung eingetroffen sind und entweder die anderen Frontabschnitte stabilisieren oder aber direkt an dieser Kursker Offensive beteiligt sind.
„In Kursk deuten von Kriegsanalysegruppen überprüfte Satellitenbilder darauf hin, daß die ukrainische Armee etwa 35 Kilometer in russisches Territorium eingedrungen ist.
Die amerikanische Denkfabrik »Institute for War Studies« (ISW) stellt jedoch fest, daß das russische Militärkommando, um der Situation entgegenzuwirken, bisher lediglich auf bereits im Grenzgebiet stationierte und andere im Hinterland verfügbare Einheiten zurückgreift, die größtenteils aus Rekruten und Milizionären, also vor Ort organisierten bewaffneten Einheiten bestehen. »Diesen Einheiten wurde zunächst die Abwehr überlassen, obwohl die russische Militärführung beschlossen hat, zusätzliche, erfahrenere Einheiten von anderswo zu verlegen«, sagt er in seiner täglichen Analyse. Sie geht davon aus, daß das russische Militärkommando möglicherweise dem operativen Druck widersteht, Truppen von anderen Fronten zu verlegen und zu verhindern, daß der ukrainische Einmarsch seine Offensive in der Ostukraine unterbricht, wo Moskau in den letzten Wochen wichtige Fortschritte gemacht hat.“
Der Standpunkt der russischen Führung war bisher, daß es sich in Kursk um einen reinen Entlastungsangriff handelt, der den Vormarsch russischer Truppen an verschiedenen Frontabschnitten stoppen soll.
Man muß allerdings sagen: Gut gelungen!
„In diesem Zusammenhang hebt das ISW die Informationen eines russischen Militärbloggers hervor, der vermutete, daß das russische Militärkommando möglicherweise Einheiten transferiert, die es für eine Offensivoperation im Norden der Region Charkiw angesammelt hatte. »Wenn das wahr ist, dann hat das Militärkommando vielleicht entschieden, daß die Unterbrechung der Offensivoperation im Norden der Region Charkiw ein notwendiges Opfer ist«, analysiert das Institut, das auch einen breiteren Einsatz russischer Truppen für wahrscheinlich hält. … In den kommenden Tagen werden vermutlich weitere kampfbereite Fronteinheiten in Kursk eintreffen.“
Die Frage ist für die russische Führung offenbar derzeit, von wo sie die Truppen abziehen werden. Zunächst war der Tenor der russischen Medien nämlich der, daß das nicht notwendig sei, da die vor Ort stationierten Rekruten und Milizen mit diesem Einmarsch locker fertig werden würden.
Auch hier muß sich fragen, woher diese Unterschätzung der ukrainischen Invasionstruppen, oder auf der anderen Seite, woher diese Gefechtsfähigkeit bei Letzteren?