Imperialismus heute, Fortsetzung Jänner 2022

ZERSTÖRUNG UND CHAOS ALLERORTEN

Die Frage der letzten Überschrift zum Imperialismus hat sich beantwortet: Auch wenn der „System Change“ nicht hinhaut, so werden die bewährten Methoden zur Destabilisierung ungeliebter „Regimes“ weiterhin eingesetzt und von den Medien beklatscht, auch wenn keinerlei neue stabile, geschweige denn demokratische Herrschaft dabei herauskommt.

Die leeren Worthülsen „Demokratie“, „Meinungsfreiheit“, „Unzufriedenheit“, „Unterdrückung“, „autoritär“, usw. werden weiterhin eingesetzt, aber die Möchtegern-Meinungsmacher haben sich aller Illusionen begeben, daß das beste aller Systeme weiter exportiert werden kann.

Hauptsache, mißliebige Staaten haben Probleme, es gibt dort Tote, Verletzte und wirtschaftliche Schäden, dann fühlt sich der westliche Journalist so richtig wohl.

Ruhig geworden ist es um die Türkei. Sie hat zwar in Libyen für den Westen die Kartoffeln aus dem Feuer geholt und den Einfluß anderer Staaten (Rußland, Ägypten, aber auch Frankreich) zurückgedrängt. In absehbarer Zeit werden sich allerdings ihre außenpolitischen Projekte nicht erfüllen, und die Wirtschaft leidet zusehends unter den militärischen Ambitionen, die schließlich durch die Wirtschaftsleistung finanziert werden müssen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Kreditfrage. Die Pläne der AKP in Sachen Rüstung, Einmischung in Konflikte und Einfluß in der islamischen Welt wurden eine Zeitlang durch den Kauf von Anleihen gestützt und dadurch erst ermöglicht. Aber aus verschiedenen Gründen scheinen diese zahlungskräftigen Freunde der Türkei abhanden gekommen zu sein und damit gerät ihr ganzes Finanzsystem ins Strudeln.

Von Syrien, dem Libanon, Ägypten, Tunesien, Libyen, dem Irak hört man wenig. Auch Afghanistan ist ziemlich abgemeldet, außer man will passende Textbausteine und Photos zu den Themen Unmenschlichkeit, Fanatismus und Frauenfeindlichkeit loswerden.

Für irgendwelche Winterlöcher oder saure-Gurken-Zeiten kann man auch noch über die Probleme von Leuten mit abweichender sexueller Orientierung berichten, da findet sich überall auf der Welt etwas.

Staaten an den Grenzen Rußlands werden aufgemischt und gleichzeitig darüber gezetert, daß dieses unglaublich aggressive Rußland sich da ungehörig einmischt.

Schließlich, nicht zu vergessen, beschäftigt gerade die EU-Staaten und ihre Medien die Energiefrage. Selber würde man gerne mehr als man hat, und vom Ausland importieren ist lästig, wenn man dieses Ausland gerne bekriegen oder doch fertigmachen würde.

Wobei man bei der Abhängigkeit von Importen nicht immer nur an Rußland denken sollte. Auch Nordafrika, die Flüssiggas-Exporteure oder die Ölstaaten sind aufgrund von Inflation, logistischen Problemen und politischer Rivalität keine verläßlichen Partner mehr.

So ungemütlich präsentiert sich das Panorama zu Jahreswechsel 2022.

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 5.1.: Unruhen in Kasachstan

„WAS IST FÜR RUSSLAND UND DIE RUSSEN VON DEN UNRUHEN IN KASACHSTAN ZU ERWARTEN?
Dmitrij Steschin

1. Bisherige Bilanz

Kasachstan war bis gestern die stabilste und ruhigste Republik des „zentralasiatischen Südrands Rußlands“. Ein wirtschaftlich erfolgreiches Land, was nicht nur an Statistiken, Mindestlöhnen oder BIP gemessen werden kann und soll, sondern auch am relativ geringen Zustrom kasachischer Gastarbeiter. 2019 waren es nur 136 000, im Pandemiejahr 2020 weniger als halb so viele, nämlich 60 000 Personen. Im Vergleich dazu kommen Millionen aus Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan auf der Suche nach Arbeit nach Rußland.

Sowohl diplomatisch als auch wirtschaftlich ist Kasachstan sehr eng mit Rußland verbunden, beginnend mit dem 1992 unterzeichneten ersten Vertrag »über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe«. Im selben Jahr schloss Kasachstan einen Vertrag über kollektive Sicherheit und unterzeichnete ihn 2003 erneut, als er der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) beitrat. Es ist Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion und hat gegenseitige Verpflichtungen in der militärisch-technischen und grenzüberschreitenden Wirtschaftszusammenarbeit übernommen. Mit Rußland verbindet Kasachstan auch der Weltraum – und dementsprechend Baikonur. Die russische Sprache hat den Status einer Amtssprache, 51 % der Bürger der Republik geben als Verkehrssprache Russisch an.

2. Was hat Rußland zu verlieren?

Geopolitisch und strategisch ist Kasachstan derzeit einer der zuverlässigsten Partner Rußlands im postsowjetischen Raum. Grob gesagt steht Kasachstan seit dem Zusammenbruch der UdSSR nicht auf der Liste der »bedrohten Sektoren«. Die sehr lange Grenze zwischen Rußland und Kasachstan – 7.500 Kilometer – wird in einigen Gebieten von Patrouillen bewacht, aber es gibt keine durchgehende »Sicherheitskette«, da an dieser Grenze bisher keine Gefahren für Rußland drohten.

Ab der Jahrtausendwende kam es zwar zu einem gewissen Aufleben der islamisch-extremistischen Salafisten. Doch die Behörden konnten dem wahhabitischen Treiben einen Riegel vorschieben. Dann begannen die Unruhen in Syrien und die aktivsten Mitglieder der Jamaat gingen in den Nahen Osten, wo ihre gewalttätigen wahhabitischen Köpfe auch blieben.

Was könnte im Falle eines gewaltsamen Regierungswechsels in Kasachstan geschehen?
Man betrachte das Beispiel Ägyptens 2011, als sich nach dem Sturz des säkularen Präsidenten Mubarak bei den ersten revolutionären Wahlen herausstellte, daß die einzige organisierte und strukturierte Kraft im Land die in Rußland verbotene Organisation der Muslimbruderschaft war. Sie gewannen diese Wahlen und setzten ihren Präsidenten in Kairo ein, der erst nach einem blutigen Gegenputsch 2013 abgesetzt werden konnte.
Natürlich ist das säkulare Kasachstan mit seinem »Steppen-Islam« nicht Ägypten, aber die Rute steht im Fenster. Ein gewaltsamer Machtwechsel in Kasachstan würde Rußland Kopfschmerzen bereiten. Man braucht nicht hoffen, daß ein »Post-Maidan-Kasachstan« weiterhin freundschaftliche Beziehungen zu Rußland pflegen würde – denn diese »Revolution« wurde nicht deshalb losgetreten.

Außerdem stellt Kasachstan die Haupt-Transitroute zu den übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens dar. Auf diesem Weg können sowohl Wahhabiten als auch Taliban nach Kasachstan kommen. Andererseits kann dieser Weg versperrt werden. Länder, deren Wirtschaft von Gastarbeitern in Rußland und deren Überweisungen abhängt, würden es schwer haben. Kein Regime in Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan würde Millionen arbeitsloser junger Männer mit hungernden Familien überstehen. Das gesamte postsowjetische Zentralasien könnte in Flammen aufgehen.“

Eine interessante Auskunft über den wirtschaftlichen Zustand Zentralasiens. Viele der dortigen Staaten bestehen anscheinend nur aufgrund des großen russischen Arbeitsmarktes.

„3. Wer schürt diese Unruhen?

Wie alle Länder, die sich im Zentrum von Handels- und Zivilisationsrouten befinden, hat Kasachstan Probleme aufgrund seiner Offenheit und seiner außenpolitischen Ablehnung eines starren Freund-Feind-Schemas.
Um das näher auszuführen: Seit 1995 sind verschiedene Soros-Organisationen in Kasachstan, die in 25 Jahren über 100 Millionen US-Dollar erhalten haben. Aber außer Soros gibt es noch andere ähnlich beschaffene Organisationen.
Man kann hier ein explosives Wachstum beobachten: 2003 waren es knapp 2000, 15 Jahre später schon 22.000 …
Nach Angaben des Ministers für soziale Entwicklung Darchan Kaletajev sind inzwischen in Kasachstan 53 internationale Organisationen, 30 ausländische Regierungsorganisationen, 77 ausländische NGOs und Stiftungen in Kasachstan tätig. 70 % aller Mittel kommen aus den USA.

Darüber hinaus befindet sich Kasachstan im Einflußbereich der Türkei und ihres großturanischen Entwurfes, die diesbezüglich auch nicht untätig ist.

Auch China verfolgt hier seine eigene Politik.

In Europa sitzt ein kasachischer »Reservepräsident«, der flüchtige Oligarch Muchtar Äbljasov. Und er befindet sich nicht nur dort, sondern ist auch politisch aktiv. Zumindest gelang es dem Oligarchen und seinen Ortskräften, nach dem Rücktritt Nasarbajews und der Wahl des neuen Präsidenten Tokajew, Ausschreitungen zu organisieren. Und jetzt können wir erkennen, es war ein »Spähtrupp für die Schlacht«, eine Art Probegalopp der Organisation von Aufruhr, von Koordinations- und Kommunikationskanälen. In Anbetracht der Tatsache, wie schnell sich die Unruhen in Kasachstan verbreiteten, waren hier Experten für »Farbrevolutionen« und Maidans als Brandbeschleuniger am Werk.

Alles verlief nach Drehbuch. Erstens, die wirtschaftlichen Forderungen, unbedeutend, leicht gelöst. Die Regierung macht Zugeständnisse, aber in Wirklichkeit gießt sie damit nur Öl ins Feuer. Per Apps wurden Flashmobs organisiert.
Die Behörden versuchen, Internetressourcen zu blockieren, aber mittels Anonymisierung und VPN läßt sich die Blockade umgehen, und über solche Programme verfügen natürlich alle.
Die Regierung macht erneut Zugeständnisse – und tritt zurück. Als Reaktion darauf – der Sturm von Regierungsgebäuden. Die Einführung einer »Ausgangssperre«, die nicht durchgesetzt und auch nicht befolgt wird, weil jeder begreift: Sie gilt nicht! Als Folge davon wurden Sicherheitskräfte geschlagen und entwaffnet.“

Die kasachische Regierung und die Sicherheitskräfte wurden offensichtlich von den Geschehnissen überrascht. Die Sache erinnert an den 2009 erfolgten Sturm auf das moldauische Parlament, das damals ziemlich zu Schaden kam.
Die „KP“ erinnert auch an den Maidan:

„Man erinnere sich an die Kiewer »Berkut«-Einheit, die 2014 den Maidan bereits ziemlich geräumt hatte und anstatt auch den Rest der Randalierer noch festzunehmen, dumm dastand und »auf den Befehl wartete«, der nie kam.“

Man merkt an diesen Vorkommnissen, wie verkehrt die hiesige Berichterstattung liegt, nach der in solchen Staaten „autoritäre Regimes“ „mit harter Hand“ ihr Volk unterdrücken. Man merkt aber auch den Unterschied in der Berichterstattung seit dem Maidan 2014. Vorher, siehe Moldawien, wurden solche gewalttätigen Demonstrationen im Einflußbereich Rußlands doch etwas unsicher kommentiert, weil hierzulande würde man dergleichen nicht dulden.
Inzwischen ist durchgesetzt: Alles, was Rußland schadet, ist gut, und bei rußlandfreundlichen „Regimes“ dürfen Polizisten auch geschlagen oder umgebracht werden, weil die sind ja nur Diktatorenknechte.

„Jetzt ist das Internet voll von vorgefertigten Propagandaplakaten und Memos an die Rebellen. Bei den Aufrührern werden bislang keine Organisationsstrukturen und offiziellen Sprachrohre präsentiert – damit die Behörden nicht wie in Weißrußland aufräumen. Lediglich vernetzte, virtuelle Strukturen, die in mühseliger Handarbeit aufgeräumt werden müssen, funktionieren – die belarussischen Spezialdienste sind bereits im zweiten Jahr damit beschäftigt, ein Ende ist nicht in Sicht.“

Es handelt sich offenbar um das Aufspüren von Personen, das Beschlagnehmen von Handys und deren Auswertung, was mit „Handarbeit“ angesprochen ist.
Die Kontrolle über das Internet scheint in Kasachstan oder Weißrußland nicht gegeben zu sein, vermutlich anderswo auch nicht – die betroffenen Staaten müßten das gesamte Mobilfunknetz abschalten, um die Organisation von Demos oder Gangs zu unterbinden.

„Die Aufständischen haben ganz unterschiedliche Parolen – vom anzustrebenden »westlichen Weg« Kasachstans über Polygamie bis hin zur Scharia. Es gibt noch kein einziges Ziel, es wurde nicht identifiziert – damit jeder in dieser »Saxaul-Revolution«[1] etwas Eigenes, Schmerzhaftes sieht. So wird der Massencharakter der »Straße« mit Hilfe von »Soft Power«-Technologien erreicht. Und das Endergebnis kommt später. Es ist gewöhnlich immer das Gleiche. Die Aufhebung der souveränen Regierung, eine von außen eingesetzte Verwaltung und schließlich in der Regel die Bildung einer antirussischen politischen Stoßrichtung. Das Testwort ist »anti-russisch«. Damit kann man sich definieren und zuordnen.

4. Was wird aus den Russen Kasachstans?

Die (nach der Ukraine) größte russischsprachige Gemeinschaft der Welt – 3,5 Millionen Menschen – lebt auf dem Territorium Kasachstans. Im Jahr 2019 reiste ich fast einen Monat lang durch Kasachstan und versuchte, die Situation meiner Landsleute zu verstehen (siehe in KP.RU »Wie Kasachstan Russen verliert«). Die Behörden postsowjetischer Republiken mögen es nicht sehr, wenn sich Journalisten mit solchen Themen befassen. Mehrere russische Kollegen, die sich für das Schicksal der Russen in Kasachstan interessierten, wurden bereits abgeschoben. Das war mir bekannt und deshalb kontaktierte ich die örtlichen Behörden einfach nicht, sodaß die jeweiligen örtlichen Sonderdienste mir erst dann auf die Spur kamen (sie begannen, mich in einem fort zu Besprechungen einzuladen), als ich bereits die Grenze zu Rußland überquert hatte. Die einheimischen Russen hatten mich nicht verraten.

Natürlich gibt es in Kasachstan keinen offensichtlichen Völkermord an den Russen. Es gibt so einen leichten Druck in allen Richtungen. Wie sieht es aus? Einmal in der Nacht wurden 50 Straßen umbenannt und die »nicht einheimischen« Namen von den Schildern entfernt. Und nicht nur Straßen! Jemand wurde geboren und ist aufgewachsen in Semipalatinsk und wacht eines Tages auf in Semei. Er baute Zelinograd, und daraus wurde Nur-Sultan[2]. Er arbeitete in Gurjew, landete in Atyrau.

Dann wieder wurde der Russischunterricht in der Schule von einem Tag auf den anderen und ohne Vorankündigung auf eine Stunde pro Woche beschränkt. Russen lesen all diese Zeichen und verstehen sie gut und stimmen daher mit den Füßen ab. Die Abwanderung ist stabil – nur aus dem Nordosten Kasachstans übersiedeln jährlich 50 Tausend Menschen nach Rußland. An ihre Stelle bürgern die Behörden »Oralmanen«[3] ein – ethnische Kasachen aus Nachbarländern. Sie erhalten Unterkunft und Sozialleistungen. Ihre Unfähigkeit, sich dem Stadtleben anzupassen, ist das Hauptthema von Witzen, die sowohl von russischen als auch von »städtischen« Kasachen erzählt werden. Dafür ermöglicht der Zustrom der Oralmanen den Behörden Berichte, daß es jetzt in manchen Ortschaften 41% Kasachen und nur 40% Russen gibt.

Was habe ich während dieser Reise gelernt? Es gibt eine russische Gemeinschaft (zu ihr werden traditionell auch Ukrainer, Weißrussen, Tataren und Deutsche gezählt), aber sie hat keine soziale und politische Vertretung. Im besten Fall ein Folklore-Ensemble im Kulturpalast. Auch Rußland hat in 30 Jahren kein deutliches Interesse gezeigt, sie als einheitliche Gruppe anzuerkennen und zu unterstützen. Die meisten Russen sitzen auf gepackten Koffern. Sozialer Aufstieg für Russen ist nur möglich, wenn Sie Ihre Identität ändern, das heißt, kasachischer werden als die Kasachen selbst. Und auch dieser Aufstieg führt bestenfalls bis in die vorletzte Etage, auf die Ebene des »ersten Stellvertreters“, der die ganze Arbeit macht.

Ein anderer gängiger Satz ist: »Unsere Kinder haben hier keine Zukunft«. Alle diese grundlegenden Kriterien der Auswanderung wurden mir von den Russen selbst mitgeteilt. Irgendwie erscheint mir: Dieses Jahr wird einen Rekord der Auswanderung aus Kasachstan nach Rußland bringen.

5. Ist Einmischung angesagt?

Kasachstan ist Mitglied der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit). Laut Verordnung müssen sich die OVKS-Mitgliedstaaten gegenseitig schützen. Allerdings mit Vorbehalt: »Aufgabe der OVKS ist der Schutz der territorialen und wirtschaftlichen Einheit der am Vertrag teilnehmenden Länder durch gemeinsame Anstrengungen von Armeen und Hilfstruppen, vor jeglichen externen militärischen und politischen Aggressoren, internationalen Terroristen sowie vor Naturkatastrophen großen Ausmaßes.«

Bislang sind auf den Straßen Kasachstans keine Aggressoren und »internationalen Terroristen« wahrnehmbar. Es gebe nur ein »professionell aufgemischtes Volk«. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen haben die kasachischen Behörden die OVKS nicht um Hilfe gebeten, der Kollektive Sicherheitsrat der OVKS ist nicht zusammengetreten. Vielleicht glaubt Kasachstan noch, daß es die Turbulenzen aus eigener Kraft bewältigen wird. Wir in Rußland werden es auch glauben.“

Klingt nicht sehr überzeugt.

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INFORMATION DER KP:

Das Territorium Kasachstans umfaßt 2 Millionen 724 900 Quadratkilometer. Am 01.12. 2017 betrug die Bevölkerung 18 Millionen 137 300 Menschen. Laut der Verfassung, die am 30. August 1995 in einem Referendum angenommen wurde, ist Kasachstan ein zentralisierter Staat mit einer präsidentiellen Regierungsform. Sie bekräftigt Kasachstan als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat. Der Präsident der Republik Kasachstan ist das Staatsoberhaupt, ihr oberster Beamter und wird für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt.

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[1] Das Saxaul ist ein in Kasachstan heimisches Wüstengewächs, das anscheinend von manchen Akteuren der Unruhen als Symbolpflanze für die jetzige „Bewegung“ eingesetzt wird, ähnlich wie „Jasmin“ 2011 in Tunesien, „Rosen“ 2003 in Georgien oder „Tulpen“ 2010 in Kirgisistan. Vielleicht wurde das Gewächs ausgewählt, weil es so sexy klingt.
Man merkt die Absicht: Diese Mobs oder Bewegungen sollen einen ähnlichen Nimbus bekommen wie die portugiesische Nelkenrevolution 1994, die das Ende der vom Westen unterstützten Diktatur einläutete. Gewalttätige Typen mit Schlagstöcken, die auf Sicherheitskräfte losgehen, werden mit Leuten gleichgesetzt, die den Soldaten Blumen in die Gewehrläufe steckten.

[2] Die Hauptstadt Kasachstans hat in den letzten 100 Jahren mehrmals ihren Namen gewechselt. Erst seit 3 Jahren heißt sie Nur-Sultan, zu Ehren Nasarbajews. Unter ihrem ältesten Namen Akmolinsk war sie ein Zentrum der Deportation in den 30-er Jahren.
Diese Deportationen nach Kasachstan sind einer der Gründe, warum so viele Russen dort leben. Ihre Vorfahren kamen nicht freiwillig hierher.

[3] Oralman heißt „Rückkehrer“. Kasachstan wirbt mit materiellen Anreizen Bürger anderer Staaten ab, man erinnere sich an die russischen „Aussiedler“ der 80-er und 90-er Jahre.
Ähnlich wie diese haben diese „Zurückgeholten“ aus China, Usbekistan, Turkmenistan, Rußland, der Mongolei, sogar dem Iran größere Schwierigkeiten, sich in ihrer neuen „Heimat“ zurechtzufinden.

Ein neuer Präsident in Chile

EIN EMPÖRTER EROBERT DIE STAATSMACHT

Es sieht so aus, als ob sich das Blatt wieder wendet und in Lateinamerika wieder Leute an die Macht kommen, die sich zumindest mehr ihrer eigenen Bevölkerung verpflichtet fühlen als dem Weltmarkt, dem IWF und den USA. Fernández in Argentinien, Arce in Bolivien, Castro in Honduras und jetzt in Chile Gabriel Boric.

Die Schüler- und Studentenproteste im Jahr 2011 in Chile, bei denen Boric erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, und auch die vorherigen Schülerproteste von 2006 richteten sich gegen das elitäre Ausbildungswesen Chiles, wie es in den Zeiten der Pinochet-Diktatur eingerichtet wurde: Für die Arbeiterklasse waren verschiedene, teilweise auch kostenpflichtige Berufsschulen und Fachhochschulen eingerichtet, und für die Eliten ein recht kostspieliges höheres Bildungswesen.
Der Zugang zu Geld entschied also über den Zugang zu den Jobs der Elite.
Außerdem befanden sich auch viele Bildungseinrichtungen und Privatschulen in den Händen der Kirche, wie z.B. des in verschiedene Mißbrauchs-Skandale verwickelten Ordens „Legionäre Christi“. Über diese Schiene konnten auch Mitglieder der Unterschicht nach oben kommen, wenn sie die nötige Demut vor dem Herrn vorweisen konnten.

Diese Proteste der Jugend hatten zur Folge, daß die traditionellen Parteien Chiles mehr oder weniger zerbröselten. Die neuen Nach-Pinochet-Generationen wollten von ihnen nichts mehr wissen. Die Christdemokraten, die Sozialisten, die Radikalen, die Kommunistische Partei und die Pinochet-nahen Parteien begannen Koalitionen zu bilden, um bei den Kommunal-, Regional und Parlamentswahlen noch irgendwie im Spiel zu bleiben. Die unzufriedene Jugend organisierte sich in verschiedenen Bewegungen und Gruppierungen, die sich auflösten, den Namen änderten oder in größeren Formationen aufgingen. Das ganze ist so unübersichtlich, daß vermutlich einige der Wähler an der Situation verzweifelten und deshalb ungültig wählten oder zu Hause blieben. Die Wahlbeteiligung war jedenfalls eher bescheiden und lag bei unter 50% beim ersten, um die 55% beim 2. Durchgang.

Die neuen Gruppierungen heißen oder hießen „Neue Mehrheit“, „Breite Front“, „Los geht’s, Chile!“, „Würdiges Chile“, „Demokratische Revolution“, „Partei Gleichheit“, „Humanistische Aktion“, „Christliche Linke“, „Libertäre Linke“, „Grün-sozialer Regionalbund“, „Fortschrittliche Partei“, „Zusammen können wir mehr“, „Sozialer Zusammenschluß“ und schließlich die jetzige Partei des Wahlsiegers: „Ich akzeptiere Würde“. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur einen Eindruck vom Pluralismus der chilenischen Parteienlandschaft vermitteln.

Es erinnert vage an die ersten freien Parlamentswahlen in Polen, als 29 Parteien in den Sejm einzogen und die polnischen Wähler heftige Schelte in der europäischen Presse bekamen, weil sie die Demokratie falsch verstanden und den Pluralismus zu ernst genommen hatten.

Der Wahlsieg von Boric war dadurch möglich, daß in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen außer Boric noch 3 weitere linke Kandidaten antraten, die ebenfalls das Beste für alle wollten, und 3 Parteien der Rechten. Aus beiden Lagern traten dann die stimmenstärksten Kandidaten zur Stichwahl an und da setzte sich Boric gegen den Pinochet-Anhänger, Rechtsaußen und katholischen Fundamentalisten Kast durch.

Das Programm der Partei von Boric ist ehrgeizig: In seiner Regierungszeit soll eine neue Verfassung verabschiedet werden, an der bereits eine verfassungsgebende Versammlung arbeitet, und der Staat soll wieder eine tragende Rolle in Erziehung, Gesundheitswesen und Pensions-Verwaltung spielen. Es ist im Grunde das Programm der Volksfront-Regierung aus den 70-er Jahren, das sich die Würde-Partei vorgenommen hat.

Der neue Präsident, der ähnliche junge und motivierte Leute aus der Studentenbewegung in seinem Team hat, wird diese Aufgabe sicher mit viel Schwung angehen. „Wenn Chile die Wiege des Neoliberalismus ist, wird es auch sein Grab sein“, sagte Boric während seiner Kampagne.

Die FAZ weist auf die Hindernisse für diese Pläne hin:

„Viel Spielraum hat Boric nicht, um all seine Versprechen zu erfüllen. Das Wirtschaftswachstum wird sich im kommenden Jahr laut Ökonomen wieder massiv verlangsamen oder vielleicht gar zum Stillstand kommen. Weiterhin kämpft das Land mit einer hohen Inflation und hohen Kosten und wachsenden Schulden als Folge der Pandemie. Die Wahl von Boric ist mit hohen Erwartungen verbunden, die in der ungeduldigen Bevölkerung rasch in Enttäuschung umschlagen könnten.“

Die internationale Presse ist jedenfalls recht mild mit Boric: Alle sind sicher, daß er sich die Hörndln schon abstoßen und einen ganz normalen Präsidenten abgeben wird. Es gibt viel Verständnis dafür, daß man sehr viel verspricht, um gewählt zu werden, um sich, einmal im Amt, den Sachzwängen zu beugen. Das gehört zu einer reifen Demokratie dazu, und das wissen die Wähler auch.

Man erinnere sich, was die gegenteilige Bewegung zum Abgang vieler der vorigen linken Regierungschefs auslöste: Rollback in Lateinamerika: Aus der Traum?