Ein heikler Schritt

SPANIEN UND DER „RETTUNGSSCHIRM“
Seit einiger Zeit steht im Raum, daß auch Spanien um Stützung seines Staatskredits ansuchen wird, genauso wie Griechenland, Portugal und Irland. Dennoch wird dieser Schritt ständig hinausgeschoben, sowohl von der spanischen Seite, als auch von den EU-Gremien und -Spitzenpolitikern.
Warum wohl?
Erstens war der „Rettungsschirm“ eine Zeitlang gar nicht bereit, seine hohe Aufgabe zu übernehmen. Der bisherige Mechanismus EFSF ist im Auslaufen begriffen, und zu gering dotiert für einen solchen großen Brocken wie Spanien. Die neue Finanzierungs- und Kontrollinstitution ESM ist gerade erst in Kraft getreten und ein Ansuchen Spaniens wäre der erste Härtetest für diese mit 700 Milliarden Euro ausgestattete Institution. Eine Besonderheit des ESM ist, daß die pleitegefährdeten Staaten, deren Kredit durch die anderen gestützt werden muß, genauso als Anteilseigner und Garanten des ESM figurieren, wie Deutschland oder Holland, also solche Staaten, deren Kredit (noch) als unangefochten gilt. Im ESM ist also einerseits das Ideal „Alle für den Euro!“ verwirklicht, andererseits aber sind damit auch alle Zweifel eingebaut, die es gegenüber dieser Währung bereits gibt. Griechenland bürgt z.B. mit einer ähnlich hohen Summe wie Österreich. Die Inanspruchnahme des ESM durch Spanien in noch immer nicht festgelegter, nicht einmal geschätzter Höhe wäre eine neue Prüfung für den Euro auf den internationalen Märkten.
Zweitens ist es für die spanische Regierung selbst eine bittere Pille, sich für praktisch insolvent zu erklären, nachdem sie den Wahlkampf damit geführt hatte, mit der „Mißwirtschaft“ ihrer Vorgänger aufzuräumen. Die Frage des Umgangs mit der Krise hat innerhalb der spanischen PP zu heftigen Flügelkämpfen geführt, der unter anderem kein Geringerer als der frühere Chef des IWF, Rodrigo Rato, zum Opfer gefallen ist. Die Souveränität Spaniens würde durch eine Kontrolle einer Troika, wie sie Griechenland seit mehr als einem Jahr erdulden muß, sehr eingeschränkt, und die bereits jetzt beschlossenen Sparmaßnahmen gefährden ernsthaft den Zusammenhalt des Staates. Während Katalonien etwas unernst mit dem Gedanken eines Austritts spielt, werden in der spanischen Regierungspartei immer mehr Stimmen laut, die eine völlige Liquidation der Provinzautonomie fordern. In beiden Fällen wäre die Frage zu klären, was eigentlich dann mit den sogenannten „autonomen“ Schulden geschehen würde, die die Provinzen durch Ausgabe von Anleihen aufgenommen haben.
Drittens würde natürlich diese Garantieübernahme für Spanien auch diejenigen Staaten stark belasten, deren Verschuldung und Kredit selbst Gegenstand für Besorgnis ist. Italiens Regierungschef Monti fürchtet ein Ansteigen der gerade mühsam auf hohem Niveau stabilisierten Risikoprämie für italienische Anleihen und damit eine weitere Verteuerung von Italiens Neuverschuldung. Aber auch Österreich, dessen verschuldete Banken gerade wieder im Gerede sind, könnte durch die im Rahmen des ESM zu leistenden Garantien für Spanien wieder ins Visier der Spekulanten und Ratingagenturen geraten, und auch die Risiken für das mit einer Rezession kämpfende Frankreich sind schwer abzuschätzen.
Solange es aber keine Garanien für Spanien gibt, und der EZB die Rolle des Feuerlöschers zugewiesen wird, der durch Aufkauf von Staatsanleihen und Kredit an spanische Banken ad hoc die an allen Ecken auftretenden Brandherde zu bekämpfen versucht, solange steht die Frage im Raum, ob die EU überhaupt willens und fähig ist, die viertgrößte Nationalökonomie der Eurozone vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.
Währenddessen wird der Geldbedarf Griechenlands ständig nach oben korrigert, die fristgerechte Auszahlung der zugesagten Hilfsgelder in Frage gestellt, und der im Februar dieses Jahres beschlossene Schuldenschnitt ist noch nicht fertig durchgeführt, während bereits seine Erweiterung erwogen wird.

12 Gedanken zu “Ein heikler Schritt

  1. Italiens Regierungschef Monti fürchtet ein Ansteigen der gerade mühsam auf hohem Niveau stabilisierten Risikoprämie für italienische Anleihen und damit eine weitere Verteuerung von Italiens Neuverschuldung. Aber auch Österreich, dessen verschuldete Banken gerade wieder im Gerede sind, könnte durch die im Rahmen des ESM zu leistenden Garantien für Spanien wieder ins Visier der Spekulanten und Ratingagenturen geraten, und auch die Risiken für das mit einer Rezession kämpfende Frankreich sind schwer abzuschätzen.

    Kannst du deine Behauptung belegen?

  2. Keiner kann uns ganz konkret sagen, ob und wie die 700 Milliarden für den ESM zusammengekommen sind. Besonders interessiert uns die Frage, hat Griechenland seine Bareinlage bereits getätigt, wann und wie hoch, aus welchen Mitteln, und womit bürgen die eigentlich? Diese Fragen stellten u.a. Bürger den SPD Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Pronold, der daraufhin diese fragende Bürger als Rechtsradikale diffamierte.
    http://rundertischdgf.wordpress.com/2012/10/11/liebe-volksvertreter-das-thema-esm-mus-weiter-hinterfragt-werden/

  3. @rundertisch (was heißt eigentlich das dfg?)
    Ich würde einmal sagen, das sind eben alles Versprechen und Bürgschaften, wie sie in den vergangenen Jahren haufenweise gemacht wurden. Auch das Bankenrettungspaket beruht auf Bürgschaften. Also Bareinlagen kommen in diesem Rettungsfonds sicher nicht vor, sondern höchstens so Zettel mit „der … Staat verpflichtet sich, im Falle … zu zahlen“) Derzeit kann man solche Versprechungen leicht abgeben, aber wenn wirklich ein Zahlungsausfall eintritt und diese Bürgschaften schlagend werden, so hat das wieder einen negativen Effekt für den Staatskredit der Bürgen. Wenn also ein Staat nicht in dem Umfang, mit dem er gebürgt hat, für die Schuld des anderen einsteht, so wird sein Kredit auch als fragwürdig eingestuft werden. Zahlt er hingegen, so erhöht sich seine Staatsschuld, was auch nicht günstig ist.
    Ich bin aus Österreich und kenne den Herrn Pronold nicht, aber ich vermute einmal, er hat selber keine Ahnung.
    Wie überhaupt die ganzen Politiker, die seinerzeit den Euro mit knallenden Sektpfropfen aus der Taufe gehoben haben, jetzt keine Ahnung haben, wie sie mit diesem Frankenstein-Monster fertigwerden sollen.
    Und da gibt es vermutlich ein Handbuch für Politiker, immer lieber einen Gegner oder unbequemen Frager als Rechtsradikalen zu beschimpfen, bevor man zugibt, daß man selber auf der Seife steht.

  4. Runder Tisch Niederbayern ist eine Art Diaphragma zwischen den bayerischen Konservativen und der Neonazi-Szene; getagt wird in Dingolfing, Autokennzeichen ist DGF;
    nähere Infos beim http://www.aida-archiv.de, das natürlich trotz solcher Erkenntnisse nichts auf die deutsche Demokratie und ihre Institutionen kommen lässt;

  5. Danke!
    Diese Erkenntnis ändert natürlich nichts an meiner Aussage. Auch wenn wer tatsächlich rechtsradikal ist, ist das kein Grund, ihm Fragen nicht zu beantworten.

  6. ich wuerde nat. auch antworten,finde aber deine antwort schlapp. es bietet sich schon die gegenfrage an, als welches ‘uns’ er was erklärt bekommen will (vermutlich als steuerzahler, der sonst bei jedem euro dazuschreibt, wofuer es die merkel hernehmen soll)

  7. Das mag sein.
    Es könnte allerdings den steuerzahlenden Wutbürgern auch einmal auffallen, daß die Zahlen, mit denen rund um die angestrebte Eurorettung hantiert wird, mit ihren Steuereuros wenig zu tun haben. Ausgangspunkt der Staatsverschuldung ist, daß der Staat sich eben von der Begrenztheit seiner Einnahmen aus Steuern und Abgaben befreit, indem er sich bei Banken und anderen Institutionen verschuldet. Um für sich Handlungsspielraum zu gewinnen, bedient er das Geschäftsinteresse der Finanzwelt.
    Und welche Ausmaße das angenommen hat, zeigen eben Schuldenuhren und die Summen mit den vielen Nullen, die durch die Medien geistern.

  8. @ Nestor

    Ausgangspunkt der Staatsverschuldung ist, daß der
    Staat sich eben von der Begrenztheit seiner Einnahmen aus Steuern und Abgaben befreit, indem er sich bei Banken und anderen Institutionen verschuldet. Um für sich Handlungsspielraum zu gewinnen, bedient er das Geschäftsinteresse der Finanzwelt.

    Ist es so, oder anders gefragt stimmt es nicht dass der Staat seinen Handlungsspielraum vergrößert, in dem Maße er seine (finanzpolitschen) Gestaltungsspielräume Konjunktur- bzw. Marktgegebenheiten (ausliefert) bzw. bewußt ausgeliefert sieht (deren “Unzuverläßigkeit” dazu führt, dass regelmäßig auch Finanzprognosen der Staats- und Finanzexperten über den Haufen geworfen werden müssen)? Wenn das (allgemeine) Geschäftsinteresse nicht mehr, oder nicht mehr in dem ausreichenden Maße, aufgeht, wenn im Gegenzug (auch für die Ausgabe der nächsten und übernächsten Runde frisch bedruckter Staatsanleihen) nicht mehr bares auf den Tisch gelegt werden kann, dann nützen Steuererhöhungen auch gar nicht mehr weiter. An irgendeiner Ecke muß nämlich Geld bzw. Kapital wie frisch aus der Eierschale hinausschlüpfen (aus dem der Staat wiederum die Finanzwelt bedienen wird). Das sind doch alles keine Schikanen oder Blaupausen von Staatsakteuren bzw. Wirtschaftswissenschaftlern, die sich jetzt die Augen reiben, weil im nachhinein leider einiges schief gelaufen sein könnte.

  9. @star wars
    Doch doch, da reiben sich jetzt einige die Augen, weil einiges schief gelaufen ist.
    Du sagst es doch selber sehr treffend:

    Wenn das (allgemeine) Geschäftsinteresse nicht mehr, oder nicht mehr in dem ausreichenden Maße, aufgeht, wenn im Gegenzug (auch für die Ausgabe der nächsten und übernächsten Runde frisch bedruckter Staatsanleihen) nicht mehr bares auf den Tisch gelegt werden kann, dann nützen Steuererhöhungen auch gar nicht mehr weiter.

    Aber das kann ja nicht die ursprüngliche Absicht gewesen sein, als die Staatsverschuldung international ausgeweitet wurde. (Bis zur Wende 1989/1990 verschuldeten sich die meisten Staaten nur bei ihrer eigenen Ökonomie, d.h. vor allem ihren Banken.) Die Absicht der Regierungen war, sich zusätzliches Geld zu beschaffen, indem sie auf ihre felstenfeste Bonität vertrauten – als Garant alles geschäftlichen Treibens auf ihrem Territorium.
    Daß der Kredit ihnen einmal aufgekündigt werden könnte, war nicht eingeplant.

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