MSZ 1974-80
So Leute, die MSZ 1974-80 ist inzwischen mehr oder weniger vollständig am Netz. 2 oder 3 hab ich unterschlagen, weil sie mir zu unbegreiflich erschienen sind, und bei der Nr. 7 fehlen 2 Artikel, die mir gern einmal wer schicken kann. Ich konnte die nirgends aufstellen.
http://www.msz1974-80.net/
Ergänzung:
Linkliste zur Geschichte und Kritik der „Marxistischen Gruppe“ (MG)
Beiträge zur Geschichte und Kritik der „Marxistischen Gruppe“ (MG), ihrer Vorläufer und ihres Umfeldes (work in progress)
Die Rückkehr einer Großmacht
RUSSLAND SETZT FAKTEN IN SYRIEN
Das Comeback derjenigen Macht, die der US-Präsident zur Regionalmacht deklarieren wollte, könnte gar nicht besser gelingen. Rußland bringt sein Kriegsgerät in Stellung, schmiedet Allianzen mit einigen Regierungen der Region und greift militärisch in Syrien ein.
1. Die Ziele und Vorgangsweise Rußlands
Das erklärte Ziel Rußlands ist die Wiederherstellung eines Gewaltmonopols in Syrien, und in der Folge wahrscheinlich auch im Irak. Damit durchkreuzt die russische Politik sowohl das von den Großmächten gestiftete und geduldete Ende-Nie-Bürgerkriegsszenario als auch Pläne zur Neuaufteilung der Region, wie sie von einigen Strategen und Think Tanks der USA gewälzt wurden. Vor allem aber legt sie die Konzeptlosigkeit der Weltmacht Nr. 1 bloß. Dazu später.
Die russische Führung probiert ihr Kriegsgerät aus und zeigt gleichzeitig der Weltöffentlichkeit, was sie alles hat. Das ist ein wichtiger Aspekt ihres Eingreifens in den Nahostkonflikt, auch in Hinblick auf die Krim und die Situation in der Ukraine: laßt die Finger militärisch von uns, wir schießen nicht mit Pfeil und Bogen!
Es ist das erste Mal, daß Rußland Marschflugkörper einsetzt. Es zeigt damit, was ihre Fabrikate an Präzision und Reichweite leisten, daß die russischen Streitkräfte kein Problem in der Handhabung derselben haben und Rußland es sich auch leisten kann, ein paar von diesen Dingern mir nix dir nix in Syrien zu verpulvern.
Diese Demonstration in Sachen Strategie und Waffentechnik ist bei der NATO mit Zähneknirschen aufgenommen worden.
Dadurch, daß die russischen Militärs mit der syrischen Armee und Regierung zusammenarbeiten, haben sie sozusagen die Bodentruppen, die es den USA bis heute nicht gelungen ist heranzuzüchten. Sie können daher Erfolge feiern, weil sie das Terrain kennen, ihre Aktionen mit der syrischen Armeeführung absprechen und die Ziele ihrer Bombardements präzise aussuchen und anfliegen können.
Es sollte niemanden wundern, wenn die Kooperation zwischen Rußland, syrischer Regierung, Iran und anderen Verbündeten (irakische Regierung, Kurden-Milizen) binnen einiger Wochen dem ganzen IS-Spuk ein Ende bereiten würde – nachdem diese Organisation medial zu einer geheimnisvollen und unbezwingbaren Hydra aufgeblasen wurde, an der sich alle Maßnahmen der zivilisierten Welt als wirkungslos erweisen müssen.
2. Die Reaktion des Freien Westens
ist an Lächerlichkeit und Heuchelei nicht zu überbieten. Die Politiker und Medien greinen im Chor, daß die Russen auch unsere guten Terroristen bombardieren, die „Gemäßigten“! Und das einige Tage, nachdem die USA bekannt geben mußten, daß alle ihre von ihnen ausgebildeten Hurensöhne als bewaffnete Truppe zerbröselt sind, weil sie entweder zu anderen Formationen übergelaufen oder sonstwie verschwunden waren. Also wird die Al-Nusra-Front, der Al-Kaida-Ableger in Syrien, kurzerhand zu Guten und Gemäßigten erklärt, und die Russen werden beschuldigt, durch ihr „einseitiges“ Eingreifen zugunsten des bösen Diktators Assad die Lage in Syrien zu DESTABILISIEREN!
Man möchte sich, wenn es nicht so tragisch wäre und dauernd Menschen sterben, auf die Schenkel schlagen vor Lachen über die geistigen Verrenkungen, die die diversen NATO- und Regierungs-Sprecher und ihnen zutiefst verbundene Schreiberlinge in diversen Medien auf sich nehmen müssen, um sich über das russische Eingreifen zu empören.
Die Türkei jammert, daß ihr Luftraum verletzt wird, nachdem sie ihn vorsorglich schon einige Kilometer nach Syrien ausgedehnt hatte, und droht damit, kein russisches Gas mehr zu kaufen – was angesichts der Phase, in der sich die Operation inzwischen befindet, sehr kleinkrämerisch wirkt.
Den Vogel schießt natürlich wieder die EU-Spitze ab. Erst zeigt sie, wie sie dank ihrer Festung Europa-Politik mit der Ankunft von ein paar Hunderttausend Flüchtlingen heillos überfordert ist. (Im Libanon allein befinden sich über eine Million.) Der Hort des Wahren, Guten und Schönen kann nämlich mittellose Hungerleider überhaupt nicht brauchen.
Dann macht die französische Führung ein paar Alibi-Bombardements, wo wahrscheinlich ein paar Esel und Ruinen in der Wüste dran glauben müssen, um zu zeigen, daß sie sich auch nicht lumpen läßt und auch ein paar Flieger und Bomben besitzt.
Gleichzeitig inszeniert die deutsche Führung ein Theater mit „Flüchtlinge willkommen!“ und versucht damit, sich einen Rechtstitel für eine Einmischung im Nahen Osten zu verschaffen. Die „Ursachenbekämpfung“ besteht dann, wie man so liest, darin, die Fluchtwege besser zu versperren und den Bau von mehr Lagern in der Nähe Syriens zu veranlassen. Die Beendigung des Krieges in Syrien, die Rußland jetzt ins Auge faßt, war als „Ursachenbekämpfung“ nicht vorgesehen – so, als sei der von Gott gewollt und unabänderlich …
Während die Türkei noch versucht, von der NATO Rückendeckung für das Abbeißen eines Stückes von Syrien zu erreichen, um dann dort humanitär Flüchtlingslager zu errichten, erlebt die Weltöffentlichkeit die Desintegration der Weltmacht Nr. 1, deren Führung offenbar völlig ratlos ist, wie sie angesichts des von ihr angerichteten Schlamassels eine gute Figur machen soll.
Mit den Russen in offene Konfrontation zu gehen, kann die USA schon deshalb nicht, weil es kein dafür irgendwie verwendbares Kriegsziel gibt. Sie könnten nämlich nur beschließen, den IS oder die Al-Kaida-Truppe vor der Vernichtung retten zu müssen und deswegen jetzt ihr Militär in die Schlacht werfen. Erstens will das die USA selbst nicht – keine der untereinander zerstrittenen Fraktionen, nicht einmal Hardliner wie McCain oder Falken im Pentagon – und zweitens ließe sich das wirklich nicht mehr als Verteidigung von Freedom and Democracy verkaufen.
Damit ist aber auch klar, daß sie ihre ohnehin schon sehr halbherzigen Kampfhandlungen in der Region entweder mit Rußland koordinieren oder einstellen müssen. Ersteres wollen sie auf keinen Fall: die USA als Hilfs-Sheriff Moskaus, nicht auszudenken! Zweiteres wird dadurch notwendig, weil ein Zusammenstoß von US- und russischen Flugzeugen im syrischen Luftraum oder ein Abschuß durch eine Rakete ein casus belli wäre, der von den USA in diesem Augenblick aus den oben erwähnten Gründen nicht gesucht wird. (Man erinnere sich dabei daran, daß die von den USA initiierte „Koalition“ für ihre Flüge oder Bombardements weder das Einverständnis der syrischen Regierung noch irgendeine Rückendeckung durch die UNO hatte. Diese „Koalition“ ins Leben zu rufen war ein reiner Willkürakt der USA ohne völkerrechtliche Grundlage.)
Die Russen haben also durch ihr Handeln die USA aus dem Syrien-Konflikt hinausgeworfen.
3. Die Regionalmächte
Man muß sich bewußt machen, was das heißt. Es heißt, daß Rußland jetzt dort bestimmt, und daß die USA-Vasallen – Israel, Saudi-Arabien, Katar – sich zurückhalten müssen, und daß ihre Unterstützung für den IS sie in unmittelbaren Konflikt mit einer Großmacht bringen kann, die ihre Kriegsziele wohl definiert hat und verfolgt.
Schon allein dieser Umstand zeigt, daß die Tage des IS gezählt sind und daß das manche ihrer Kämpfer auch begriffen haben, wie die russischen Berichte über Fluchtbewegungen aus Mossul und Rakka zeigen.
Auch die Türkei weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. Ihr Feldzug gegen die PKK verblaßt zusehends angesichts der russischen Bombardements und der syrischen Bodenoffensive. Bombardements im Irak kann sie sich inzwischen nicht mehr guten Gewissens erlauben – die Marschflugkörper Rußlands wurden mit gutem Grund aus dem Kaspischen Meer abgefeuert, um auch in dieser Richtung allen Beteiligten Ausmischung nahezulegen. Während die türkische Regierung mit der EU um Bedingungen für besseres Flüchtlings-Containment verhandelt, werden die Kurdenmilizen Syriens und des Iraks über das Koordinationszentrum in Bagdad in den Krieg zur Wiedereroberung des Territoriums für die Zentralmacht einbezogen und ihnen dadurch der Rücken gestärkt.
Die Türkei wird so auch zu einem bloßen Zuschauer degradiert, der ohnmächtig der Wiederherstellung Syriens beiwohnen muß, wenn sie sich nicht mit Rußland anlegen will. Auch der den USA überlassene Stützpunkt in Incirlik ist als Trumpfkarte verbraucht, da die Russen den syrischen Luftraum mit Flugzeug-Abwehrraketen verteidigen.
Der Krieg wird jetzt von Rußland geführt, vermutlich mit Rußland gewonnen, und Rußland wird dann die Nachkriegsordnung im Nahen Osten bestimmen.
Rußland kann sich dabei der Sympathie eines großen Teils der europäischen Bevölkerung sicher sein, die den antirussischen Kurs der Politik und der Medien nicht unterstützt und mit Kopfschütteln die US- und EU-Politik in Nordafrika und dem Nahen Osten verfolgt hat.
Es wird sich weisen, ob die EU noch lange ihre Politik ohne und gegen Rußland machen kann.
Pressespiegel Izvestija: Interview mit Marija Sacharova, der Sprecherin des russischen Außenministeriums, 3.9. 2015
„DAS PROBLEM MIT DEN FLÜCHTLINGEN HÄNGT MIT DER NAHOSTPOLITIK DER EU ZUSAMMEN
Das russische Außenministerium ist der Ansicht, daß die EU von Rußland einiges über den Umgang mit Flüchtlingen lernen könnte
»Jeden Tag betrachte ich erschreckende Bilder über die Entwicklung des Flüchtlingsstroms nach Europa. Heute sah ich, wie einige der Ankommenden begannen, auf der Straße zu gebären – man kann sich vorstellen, unter was für Bedingungen. Wie sie Züge erstürmen. All das erinnert an die Lage nach dem II. Weltkrieg, natürlich nur beinahe, da die Ausmaße unterschiedlich sind, aber die Dynamik ist ähnlich.«
Außerdem erwähnt sie, daß das Flüchtlingsproblem mit der Nahost-Politik der westlichen Staaten im Zusammenhang steht. Als Beweis führt sie die Äußerungen des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann und des bulgarischen Außenministers Daniel Mitov über die Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung im Nahen Osten an.
»Mit Verwunderung und großer Beunruhigung beobachte ich die offenkundige und sichtbare Hilflosigkeit der EU angesichts der Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Diese alles bisherige in den Schatten stellende Flüchtlingskrise ist die direkte Folge der absoluten Veranwortungslosigkeit und unbedachten Politik der Regimewechsel in dieser Region. Langsam beginnt manchen zu dämmern, was diese Flüchtlingstragödie ausgelöst hat. Die Leute flüchten nicht aus eigenem Antrieb nach Europa, sondern ihre Staaten sind zerstört oder stehen am Rande des Zerstörtwerdens.«
Ebenso erwähnt Sacharova die Besorgnis Moskaus darüber, daß einige EU-Staaten den Ausdruck »illegale Einwanderer« verwenden. Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Zusatzprotokoll von 1967 gäbe es angesichts der Situation im Nahen Osten und Nordafrika hinreichende Grundlagen, um diese Personen als Flüchtlinge einzustufen.“
(Hier täuscht sich die Dame, oder formuliert den Passus absichtsvoll so, um die EU aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik an den Pranger zu stellen. Weder die Konvention noch das Zusatzprotokoll erwähnen Krieg als Grund für die Zuerkennung des Flüchlingsstatus. Die Betroffenen müssen Verfolgung aufgrund religiöser, politischer, ethnischer Zugehörigkeit geltend machen, um als Flüchtlinge eingestuft zu werden. Die Möglichkeit, morgen aufgrund von Kriegshandlungen ausgelöscht zu werden, oder zu verhungern, ist zuwenig für dieses angeblich so menschenfreundliche UNO-Gesetzwerk.)
„Das heißt, die EU-Staaten haben hier internationale Verpflichtungen gegenüber diesen Leuten.
»Ich drücke der EU gegenüber mein Bedauern aus über ihre Unfähigkeit – und ich denke, es handelt sich um Unfähigkeit, nicht um Unwillen –, diese Leute medizinisch zu betreuen und mit Nahrung zu versorgen. Ich bin der Ansicht, daß die Staaten der EU im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen keine weitere Verletzung der Flüchtlingsrechte zulassen dürfen und sich mit gebührendem Ernst an die Beseitigung der Ursachen der derzeitgen Krise machen müssen.«
Sacharova meint, daß sich die EU von Rußland einiges bezüglich des Umgangs mit Flüchtlingen abschauen könnte. Rußland hat nämlich 900.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, von denen 400.000 Flüchtlingsstatus erhalten haben. Diese Leute haben wir mit Wohnraum, Einkommen und Nahrung versorgt.
»Wir sind offen für den Dialog mit unseren europäischen Kollegen, die bereits mehrfach die Frage nach Zusammenarbeit in dieser Richtung an uns gestellt haben. Was immer die russische Seite tun kann, um die Leiden der Flüchtlinge zu lindern oder den Europäern bei der Lösung dieser Frage zu helfen, werden wir auf jeden Fall tun.« … “
Quelle