„WARUM BASCHAR AL-ASSAD ZITTERT
Die Probleme der Verbündeten des Diktators von Damaskus“
– hier wird schon am Anfang klargestellt, daß die dschihadistische Offensive in Syrien nicht zu negativ gesehen werden sollte, schließlich richtet sie sich gegen einen Diktator –
„Rußland, Iran und der Hisbollah, sowie die Gleichzeitigkeit des Waffenstillstands zwischen Israel und der libanesischen Miliz und dem Übergang in Washington erklären die Blitzoffensive der syrischen Rebellen.“
Erklären tut das noch gar nichts. Die Frage ist doch, wer die Dschihadisten unterstützt.
„Baschar al-Assad wurde von Rußland, dem Iran und der Hisbollah gerettet. Dank der Unterstützung dieser Akteure gelang es dem syrischen Diktator im vergangenen Jahrzehnt, die Macht in Syrien zu behalten. In den letzten Jahren schien das Szenario relativ stabil zu sein. Doch nun ist Moskau auf die immensen Anstrengungen in seinem illegalen“ (der Hinweis darf nicht fehlen!) „Krieg gegen die Ukraine eingeschränkt, Teheran ist durch israelische Angriffe geschwächt und die libanesische Miliz ist nach der verheerenden israelischen Offensive zusammengebrochen. Die verringerte Unterstützungskapazität der Verbündeten ist das entscheidende Element, um den rasanten Vormarsch der syrischen Rebellen zu verstehen, eines heterogenen Konglomerats radikalislamistischer Kräfte und anderer Milizen, deren entscheidende Unterstützung durch die Türkei geleistet wird.“
Damit ist zumindest angedeutet, daß die Türkei nicht die einzige Unterstützung liefert.
Aber es ist bequem, Erdogan vorzuschieben, um dann im Falle etwaiger Schlächtereien den Quasi-Diktator in Ankara beschuldigen zu können.
„Das Bild ist eindeutig. Der Kreml versorgt Damaskus mit lebenswichtiger Luftunterstützung. Obwohl die Luftwaffe nicht der Teil der russischen Kriegsmaschinerie ist, der durch die Kämpfe in der Ukraine am stärksten erschöpft ist, ist es offensichtlich, daß drei Jahre der Zermürbung an dieser Front sie belasten und daß Moskau seine Aufmerksamkeit in Syrien verringert haben muss.“
Hier ist wieder das Ärgerliche, daß Rußland an der Ukraine-Front keineswegs „zermürbt“ ist, zum Unterschied von der Ukraine. Man merkt aber die Freude, daß jetzt einer der russischen Verbündeten gestürzt werden könnte, gleichgültig von wem und mit welchen Folgen.
Das libysche Szenario wird für Syrien mit gewissem Frohlocken antizipiert.
„Der Einfluss des Iran auf das Land – und in gewissem Maße auch auf den Irak – wurde durch die unerbittlichen Schläge Israels völlig beeinträchtigt, und er steht außerdem vor der Herausforderung, zu entscheiden, ob und wie er auf den jüngsten israelischen Schlag reagieren soll, während seine militärische Unterlegenheit offensichtlich geworden ist. Die Hisbollah, die als Bodentruppe zur Unterstützung Assads und auch in der Gruppierung von Söldnern aus anderen Ländern, die für das Regime kämpften, unverzichtbar war, befindet sich in einem Zustand extremer Schwäche.“
Man merkt hier an dieser durchaus zufriedenen Beschreibung der Vorgänge im Nahen Osten, warum Israel freie Hand hat bei seinem Zerstörungswerk.
„Aber es gibt noch einen weiteren grundlegenden Schlüssel zum Verständnis der Ereignisse, nämlich das für die Rebellen außerordentlich aktuelle Zusammentreffen mehrerer politischer Entwicklungen an wichtigen Orten: der Übergang in Washington mit der neuen Regierung, die erst am 20. Januar eingesetzt wird,“
– was offenbar sowohl von der zu Ende gehenden Biden-Regierungs-Mannschaft als auch vom Autor dieser Zeilen als eine Art Freibrief angesehen wird, noch kräftig einmal auf den Putz zu hauen –
„der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah, der der Türkei das peinliche Bild erspart, hinter einem Feldzug gegen Israels Feinde zu stehen, der muslimische Zivilisten brutal niederschlägt; und, wenn auch von geringerer Bedeutung, der Machtwechsel in der EU – und ein China, das in ernsthafte wirtschaftliche Probleme verwickelt ist.“
Wie kommt hier China ins Spiel? Es spielte doch in Syrien eine vergleichsweise geringe Rolle.
Vermutlich denkt der Verfasser des Artikels hier, daß es innenpolitisch beschäftigt ist und deshalb außenpolitisch an allen Fronten die Zügel schleifen läßt.
„Abbas Araqchi, der iranische Außenminister, sagte seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, daß das, was passiert sei, »Teil eines israelisch-amerikanischen Plans zur Destabilisierung der Region« sei, so lokale Medien, die von der Agentur Reuters zitiert wurden.
Es ist wahr, daß der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine Absicht, die Ordnung der Region neu zu formulieren, deutlich zum Ausdruck gebracht hat, indem er das Rückgrat der »Achse des Widerstands« gebrochen hat, die vom Mittelmeer nach Teheran verläuft und die Hisbollah im Libanon mit dem Syrien von Assad, dem von schiitischen Fraktionen geführtem Irak und der Islamischen Republik verbindet.
Er hat es mit Taten und Worten deutlich gemacht und sogar gesagt, daß der Regimewechsel bald Teheran erreichen wird.
Was jedoch geschah, ist wahrscheinlich kein subversiver Plan der israelischen Regierung.“
Gar nicht subversiv, sondern sehr deutlich ausgesprochen und kriegerisch durchgeführt.
Nach den vorherigen Ausführungen des Verfassers ein sehr eigenartiges Dementi, mit dem er sich von der Bewunderung für Netanjahu doch wieder etwas distanzieren will:
„Es scheint eher eine Aktion zu sein, die die Türkei zu einem perfekten Zeitpunkt unterstützt hat, um Assad, Iran und Rußland zu schwächen und auch die kurdischen Milizen in Schwierigkeiten zu bringen. Diese haben die Unterstützung der USA, die derzeit im demokratischen Übergang abgelenkt sind. Die Blitzoffensive der Rebellen bringt sie in die schwierige Situation, in einer plötzlich dramatischen Situation zusammen mit Assad gegen denselben Gegner anzutreten.“
Hier geht die Analyse etwas durcheinander.
Warum sollte die Türkei Rußland schwächen, wenn sie eigentlich gegen die Kurden zuschlagen will, die von den USA unterstützt werden?
Die Türkei hat mit irgend jemandem eine Absprache getroffen, um der NATO einen Gefallen zu tun und sich dabei wieder ins Spiel zu bringen – diese Schlußfolgerung drängt sich hier auf.
„Das Geschehen zeigt die wachsende globale Verflechtung von Konflikten. Es gibt einen gewaltigen Konfliktbogen, der immer weiter zunimmt, der von Gaza bis nach Nordkorea – das Rußland militärisch unterstützt – reicht, einschließlich Israel, Libanon, Syrien, der Türkei – die militärisch in Syrien engagiert ist –, Irak, Iran, Georgien – mit einem eingefrorenen Konflikt mit russischen Truppen auf seinem Territorium, und schließlich Rußland und die Ukraine.“
Die Frage Abchasiens und Südossetiens wird hier am Rande gestreift, um Georgien schlecht aussehen zu lassen. Schließlich packelt die dortige Regierung mit einer Macht, die einen Teil seines Territoriums besetzt.
„Kommunizierende Gefäße beeinflussen strategische Entscheidungen.
Aserbaidschan nutzte die Schwäche Moskaus bereits aus, um in Berg-Karabach einen Vorteil zu erzielen, indem die Armenier abrupt kapitulierten, was Rußland zuließ.“
Das ist die Sichtweise derjenigen, die jede Schwächung Rußlands gutheißen und Aserbaidschan schönreden als Energielieferanten.
In westlichen Medien figuriert Ilham Aliyev nie als der „Diktator von Baku“.
„Jetzt versuchen die syrischen Rebellen den gleichen Schritt. In diesem Fall wird der Kreml zweifellos versuchen, einen wichtigen Verbündeten zu unterstützen, und zwar in einem Land, das ihm eine wichtige militärische Projektion im Mittelmeer ermöglicht. Es bleibt abzuwarten, wie viel Kraft Rußland hat. Assad allein hat sehr wenig. Unterdessen verspricht der Machtwechsel in Washington sehr lange zu dauern.“
Zur Freude der EU-Politiker und auch des Verfassers dieses Artikels.
Er hofft offensichtlich, daß noch möglichst viele Feuer entzündet werden, bevor Trump an die Macht kommt.
„Ein niederländischer Politikwissenschaftler nannte Assads Hauptfehler, die zu katastrophalen Folgen für Syrien führten
»Absprachen mit Terroristen sind eine tickende Zeitbombe«
Die Regierung von Baschar al-Assad sieht sich erneut einer gewaltigen terroristischen Bedrohung gegenüber. Der Vormarsch terroristischer Gruppen im Norden des Landes verlief sehr schnell und der Widerstand der Regierungstruppen war unangemessen schwach. Was sind die Gründe dafür? Welche Lehren sollten alle aus den Ereignissen in Syrien ziehen?
Der Forscher für Probleme des internationalen Terrorismus und Mitglied des Valdai-Clubs Grigorij Zerschtschikov (Niederlande) sprach darüber mit MK.
MK: Grigorij, wer steckt hinter der Terroroffensive in Syrien und warum hat sie jetzt begonnen?
GZ: Erstens: Wer steckt hinter dem Angriff? Dies sind in erster Linie die Terroristen von Hayat Tahrir Al-Sham (…). Dabei handelt es sich um eine Organisation, die lediglich die Bezeichnung»Al-Kaida« (…) geändert hat.“
Immerhin als Nachfolge-Organisation von Al-Kaida als eine Gegenbewegung zu IS gekennzeichnet, also „gut“:
„Im Westen wird sie als eine Art demokratische Bewegung dargestellt, die gegen Assad ist. Nun ja, fast hundertprozentig Demokraten. Das ist falsch. Es handelt sich um eine Terrororganisation, die von Türkiye mit Waffen und Beratern und von Katar mit Geld unterstützt wird. …
MK: Warum haben sie jetzt zugeschlagen?
GZ: Ganz einfach. Erstens ist die Hisbollah-Miliz einer der Hauptfaktoren, auf die sich Assad in Syrien verlässt. Verschiedenen Schätzungen zufolge befanden sich vor der israelischen Operation im Libanon zwischen 4.000 und 10.000 Hisbollah-Kämpfer in Syrien. Das heißt, es war eine Macht, mit der man rechnen musste. Erfahrene Kämpfer. Sie wurden in ihre Heimat zurückgerufen. Ihre Einheiten sind aufgrund der jüngsten Ereignisse und der israelischen Operation dünner geworden.
Das heißt, die Front im Kampf gegen Terroristen in Syrien ist geschwächt und Assads militärische Unterstützung ist geschwächt.
Zweitens standen die dort stationierten russischen Einheiten mit Beginn des Ukraine-Kriegs auch nicht mehr in der ersten Reihe.
Die fähigsten Offiziere wurden für den Sondereinsatz in der Ukraine abberufen. Darüber hinaus war die russische Präsenz in Syrien nie so stark wie beispielsweise die Präsenz der Hisbollah. Deshalb war die von mir genannte Terroristengruppe angesichts dieser Verwässerung der Front und der Verwässerung der Meinung, dass sich dies alles zu ihren Gunsten auswirkte.“
Nicht zu Unrecht, wie man sieht.
„Ich denke, dass ein weiterer interner syrischer Faktor eine Rolle gespielt hat. Es ist die syrische Armee selbst. Assad hat einen strategischen Fehler gemacht: Er hat Militärreformen durchgeführt und seine Armee auf ein Freiwilligenheer umgestellt. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft und der freiwillige Wehrdienst wurde eingeführt.
Wozu hat das geführt? »Freiwillig« bedeutet, daß ich nicht im Militär diene, sondern mich freikaufe.“
Assads Regierung dachte wohl, daß sie einerseits überzeugte Soldaten gewinnt, nicht genötigte, und außerdem Einnahmen erwirtschaftet. Der in der Ukraine und Rußland übliche Freikauf vom Wehrdienst, der dort illegal ist und die Mitglieder der Stellungskommissionen bereichert, wurde also in Syrien legalisiert, um die Staatskasse zu füllen.
„Aber machen wir uns nichts vor: Die syrische Armee wurde durch diesen Krieg demoralisiert und geschwächt. Die Besten wurden wie üblich eliminiert, die Überlebenden blieben übrig. Daher haben wir in den letzten Tagen, als Militärstützpunkte in Aleppo selbst kapitulierten, eine niedrige Moral und Kampfqualität festgestellt. Doch im Jahr 2015 kämpften die Syrer dort lange, sie wurden belagert und gaben nicht auf.
Nichts davon ist jetzt passiert. Das heißt, es gibt eine geringe moralische Komponente, Korruption in der Armee, auch das muss man nicht verbergen, und ein strategischer Fehler ist meiner Meinung nach die Neuformatierung der gesamten syrischen Armee auf freiwilliger Basis.“
Mit der Umstellung auf ein Freiwilligenheer ging offensichtlich auch die trügerische Hoffnung einher, das Schlimmste wäre vorbei – sowohl bei der Führung als auch bei der Armee.
Immerhin wurden damit auch Arbeitskräfte für den Wiederaufbau frei und die Fluchtbewegung nahm ab.
„Ein weiterer negativer Faktor auf syrischer Seite, ein Fehler der obersten syrischen Führung ist, dass sie dachten, dass Idlib zwar unter der Kontrolle der Terroristen Hayat Tahrir Al-Sham (in der Russischen Föderation verboten) stehe, aber sie stellen keine Bedrohung dar, sie braten in ihrem eigenen Saft, bis Aleppo ist es weit, sie bedrohen uns nicht.
Das war ein weiterer strategischer Fehler, und wir sehen, was dabei herauskommt.
Im Allgemeinen war alles, was passiert ist, natürlich nicht die Schuld der russischen Truppen und nicht die Schuld der Hisbollah. Schuld daran sind in erster Linie die oberste syrische Führung und die syrische Armee.
MK: Und was ist die wichtigste Lehre aus diesen Ereignissen?
GZ: Dieser Angriff, ein gewaltiger Angriff mit Unterstützung der Türkei, stellt einen völligen Verstoß gegen die Astana-Vereinbarungen von 2020 dar. Durch diesen Angriff wird alles vernichtet.“
Das ist bei Vereinbarungen dieser Art allerdings nicht unüblich …
Dies zeigt einmal mehr, dass die Brutstätten des Terrorismus und die Einflusszonen von Ländern, die Terroristen unterstützen, nicht auf dem von ihnen eroberten Territorium belassen werden dürfen.
Mit Terroristen und ihren Sponsoren kann man keine Friedensverträge abschließen. Das führt zur Katastrophe. Selbst wenn die syrische Armee stark wäre, würden sie dennoch zuschlagen. Das heißt, solche Vereinigungen sind eine tickende Zeitbombe.“
Das hieße also, daß man die Astana-Vereinbarungen nicht hätte schließen dürfen?
Dabei war das vor allem auf die Initiative Rußlands zurückzuführen, das damit die Türkei und den Iran unter einem Dach versammelte und Kasachstan die Rolle des Vermittlers im Syrienkrieg zuspielte.
Es ist vor allem Rußland, das sich da auf seinen diplomatischen Loorbeeren ausgeruht hat.
„Daher sind alle Vereinbarungen, die auf der Aufgabe von Brutstätten des Terrorismus, einigen Flugverbotszonen oder einigen Zonen basieren, in die die rechtmäßige Regierung kein Zutrittsrecht hat, eine Zeitbombe.
Und das haben die Ereignisse in Syrien einmal mehr gezeigt. Keine Verträge: Terroristen werden erst besiegt, wenn sie tot sind. Alles andere führt zu einer potenziellen Bedrohung.“
(MK, 1.12.)
———————————
Dazu ein lesenswerter Beitrag eines deutschen Politologie-Thinktanks von 2019, als dieser Astana-Prozeß seine beste Zeit erlebte:
„Russland und der Astana-Prozess zur Beilegung des Syrien-Konflikts
Mit dem »Astana-Format« haben Russland, Iran und die Türkei nicht nur eine Plattform für Verhandlungen über Syriens Zukunft geschaffen. Das Gesprächsforum hat auch dazu gedient, Streitthemen unter den drei »Garantiemächten« zu kanalisieren. Mit einem zukünftigen Ende der Kampfhandlungen in Syrien könnte sich jedoch die Funktion dieses Formats verändern, zumal dann Fragen des politischen Übergangs in einem Verfassungskomitee unter VN-Vermittlung behandelt werden sollen. (…)“
https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A57/
Laut El País hat die Türkei schon seit einiger Zeit den Dialog mit Assad gesucht. Der hat sich aber jeder Art von Gespräch verweigert, solange die Türkei syrisches Territorium besetzt. Daher wurde dieser Einmarsch unterstützt, um die syrische Führung weichzuklopfen.
Es scheint Erdoğan uangenehm zu sein, daß seine Schützlinge jetzt so weit vorgedrungen sind.
Seine Absicht war eher, die unter türkischer Oberhoheit stehenden syrischen Provinzen Idlib und Afrin zu behalten, um schön langsam die syrischen Fölüchtlinge in der Türkei dorthin zurückzuschicken, weil sie zu einer innenpolitischen Belastung werden.
Die Absicht der Türkei besteht laut El País nicht darin, Assad zu stürzen.
„An diesem Montag besprachen die Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, und Irans, Masud Pezeshkian, die Situation telefonisch und brachten ihre »bedingungslose Unterstützung« für Assad zum Ausdruck, betonten jedoch die Notwendigkeit einer Rückkehr zum Astana-Prozess und zum Dialog mit der Türkei.
China und mehrere arabische Länder haben in den letzten 48 Stunden ebenfalls Kontakt zu Damaskus aufgenommen, um ihre Unterstützung auszudrücken. Und aus dem Irak überquerten mindestens 300 schiitische Milizkämpfer die Grenze, um dem Regime dabei zu helfen, den Angriff der Rebellen aufrechtzuerhalten, berichtete die Agentur Reuters.
In Istanbul versicherte der Führer der syrischen Opposition im Exil, Hadi al Bahra, dass er bereit sei, »morgen« Verhandlungen mit Damaskus aufzunehmen, und warnte: »Wenn das Regime nicht auf die Forderungen des Volkes reagiert, wird die Militäroperation dies tun.“ weitermachen.«
Kontrolle der Rebellen über Dörfer in Hama
Vor Ort übernahm die von HTS nach Süden geführte Offensive die Kontrolle über mehrere Dörfer im Norden der Provinz Hama und näherte sich der Provinzhauptstadt, wo sich die Verteidigungslinien des Regimes konzentrierten und die Rebellen mit Drohnen und Raketenwerfern bombardierten und dabei acht Zivilisten töteten.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) handelte es sich dabei auch um ein Kind.
Auch im Süden des Landes, wo 2011 Proteste begannen, die im aktuellen Bürgerkrieg gipfelten, kam es zu einigen Bewegungen: In Sweida kam es zu Demonstrationen zur Unterstützung der Nordoffensive und in mehreren Städten in der Provinz Daraa haben Rebellen Polizeistationen und Militärposten angegriffen und deren Waffen erbeutet.
Die größten Veränderungen an der Front fanden jedoch im Norden des Landes statt, wo von der Türkei unterstützte syrische Milizen nach Tel Rifat vordrangen und es den von kurdischen Milizionären angeführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) abnahmen. Ihr Anführer, Mazlum Abdi, erklärte, dass die kurdischen Milizen sich mit »allen relevanten Parteien« abstimmen, um die Evakuierung aus diesem Gebiet und aus den noch immer unter ihrer Kontrolle stehenden Gebieten in den Stadtteilen von Aleppo und den Außenbezirken in Richtung Nordostsyrien zu organisieren.“
Derzeit – 2.12., abends – wird der Nordrand von Hama umkämpft.
„Bei der aktuellen Rebellenoffensive in Westsyrien könnten kurdische Kräfte eine wichtige Rolle spielen. Seit Beginn der Revolution und des anschließenden Bürgerkriegs verstehen es die Milizen kurdischer Herkunft, ein gewisses Gleichgewicht zu wahren, um sich nicht dem Krieg gegen Damaskus anzuschließen, ohne sich kategorisch auf die Seite des Regimes zu stellen.
So entschieden sich die USA vor 10 Jahren dafür, kurdische Milizionäre auszubilden und zu bewaffnen, die zusammen mit arabischen Kämpfern die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) bildeten und an vorderster Front im Krieg gegen ISIS standen. Es war diese Gruppe, die, unterstützt von amerikanischen Soldaten, die dschihadistische Gruppe am Boden in der Schlacht von Baguz (März 2019), dem Ende des Kalifats, besiegte.
Die SDF sind nun an ihrer Westflanke dem Risiko ausgesetzt, dass die von der Türkei unterstützte Koalitionsoffensive versuchen wird, im Nordwesten mehr Boden zu gewinnen. Das syrische Regime hatte auch den SDF einige wichtige Kontrollpunkte übergeben, wie den internationalen Flughafen von Aleppo. Dieser ist inzwischen in die Hände der Rebellen geraten, die in die ehemalige Wirtschaftshauptstadt des Landes eingedrungen sind.
Die gegenwärtige Offensive droht auch, die in den letzten Monaten etwas wacheren ISIS-Schläferzellen im Oststreifen Syriens (in der Provinz Deir al-Zor) zu bestärken.
Laut dem jüngsten Bericht zur Überwachung der Bedrohung durch den ISIS, der dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, unterhält die Gruppe eine Streitmacht von rund 3.000 Kämpfern auf beiden Seiten der syrisch-irakischen Grenze. Ihr Hauptkommando liegt jedoch in Syrien.“
Im Niemandsland, sozusagen.
(El País, 3.12.)
„Mit der Eskalation des Krieges in der letzten Woche sind die Kämpfe in Syrien an nahezu allen Fronten wieder aufgeflammt. Einerseits setzt im Westen des Landes die von der salafistischen Gruppe Hayat Tahrir al Sham (HTS) angeführte Rebellenoffensive ihren Vormarsch in Richtung Hama fort, wo sich gegenüber der Regierung von Baschar al-Assad loyale Kräfte neu formiert haben.
Darüber hinaus marschieren Fraktionen der Syrischen Nationalarmee (SNA) mit Unterstützung der Türkei in Richtung Manbidsch im Norden, nachdem sie den kurdischen Milizen alle von ihnen kontrollierten Gebiete im Nordwesten des Landes entrissen haben.
Im Osten haben die kurdisch-arabischen Milizen die Situation ausgenutzt, um ihr Territorium auf Kosten des Regimes zu vergrößern.
Und in diesem Zusammenhang hat Israel das Land erneut bombardiert. Bei einem Luftangriff auf ein Auto, das in der Nähe von Damaskus unterwegs war, wurde Salman Jumaa, ein hochrangiger Vertreter der schiitischen Hisbollah-Miliz, der als Verbindungsmann zur syrischen Armee fungierte, getötet, teilte eine libanesische Sicherheitsquelle der Agentur Reuters mit. (…)
Die neuen, von den Rebellen eingesetzten Behörden in Aleppo haben eine Bekanntmachung veröffentlicht, in der sie alle ehemaligen Angehörigen der Armee und der Sicherheitskräfte des Regimes auffordern, sich bis Freitag bei den dafür vorgesehenen Polizeistationen zu melden und so »von allen gerichtlichen Ermittlungen befreit zu werden und ihre Rechte zu wahren«.“
Dem würde ich keine Folge leisten, wenn ich eine solchermaßen angesprochene Person wäre.
(El País, 3.12.)
Die Dschihadisten nehmen Hama ein und marschieren Richtung Homs.
Die Einnahme von Homs würde Latakia und Tartus von Damaskus abschneiden. Es ist anzunehmen, daß alles gemacht werden wird, um das zu vermeiden. Von Syrern, Russen usw.
Zur Einnahme von Hama ist an die Ereignisse von Hama im Jahr 1982 zu erinnern – in dieser Stadt dürften die Dschihadisten viele Sypathisanten haben.
Die Dschihadisten stehen vor Homs, während sich die Städte Deraa, Suaida und Kuneitra dem Aufstand anschließen. Aus der regulären syrischen Armee scheinen die Desertionen zuzunehmen.
Die von den USA unterstützten kurdisch-arabischen Milizen im Osten (Demokratische Kräfte Syriens, DKS) nehmen Deir-Es-Zor samt seinem Flughafen ein, ebenso einen Grenzübergang zum Irak.
Die Botschaften Rußlands und Chinas fordern ihre Bürger auf, Syrien zu verlassen.
(El País, 7.12.)
Schaut schlecht aus für Assad …
Die Frage ist, was die russische Regierung bezüglich ihrer Basis in Tartus entscheidet, und was aus der Enklave von Latakia und Tartus wird, sollten die Aufständischen Homs und schließlich auch Damaskus einnehmen.
Auf jeden Fall hat jetzt die Türkei die Oberhand in der Region, der Iran und Rußland sind ziemlich abgemeldet.
Der Osmanische Traum nimmt Gestalt an …
„Der gewählte US-Präsident Donald Trump warnte in seinem sozialen Netzwerk Truth Social, dass Rebellen in Syrien den Sturz von Präsident Bashar al-Assad vorbereiten
Zugleich forderte er die USA auf, sich nicht einzumischen.“
Die USA sind im irakischen Kurdistan präsent und unterstützen die DKS, in denen die YPG sich sozusagen legalisiert und verstärkt haben.
Will Trump, daß die USA sich da ausmischen?
Weiß er was, was Erdogan vorhat? Gibt es da so etwas wie einen heißen Draht?
„Laut Trump haben »Oppositionskämpfer in Syrien« einen beispiellosen Schritt unternommen, die Kontrolle über viele Städte übernommen, befinden sich am Stadtrand von Damaskus und bereiten sich darauf vor, »ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um Assad zu eliminieren«.
Ihm zufolge sei Russland »zutiefst in den Konflikt in der Ukraine verwickelt« und scheine »nicht in der Lage zu sein, diesen Marsch zu stoppen«. Gleichzeitig warf Trump dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama vor, er habe sich geweigert, die »rote Linie im Sand« zu verteidigen, was zur »russischen Intervention« in Syrien geführt habe.
Was Moskau betrifft, so hat es laut Trump »von Syrien nie einen besonderen Nutzen gehabt, außer dass es Obama dumm aussehen ließ«.“
Wo er recht hat, hat er recht.
Allerdings war Assad Rußlands letzter Verbündeter im arabischen Raum, Rußland wäre im Falle seines Sturzes dort völlig abgemeldet.
„»Syrien ist auf jeden Fall ein Chaos, aber es ist nicht unser Freund, und die USA sollten sich nicht einmischen«, schrieb Trump am Ende der Botschaft und fügte hinzu, dass alles wie gewohnt weitergehen solle.
»Mischen Sie sich nicht ein!« fasste der gewählte US-Präsident noch einmal zusammen.“
Das weist darauf hin, daß er sich mit der Türkei auf irgend etwas geeinigt hat, möglicherweise auch mit Israel.
Chaos in Syrien, als wieder aufflammender Bürgerkrieg, wäre ihm sehr recht.
Mehr als an eine Schwächung Rußlands denkt er an die des Iran.
(MK, 7.12.)
So, Assad ist weg. Das ging ja sehr schnell.
Was wird aus der russischen Basis in Tartus?
Es ist auffällig, daß in den hiesigen Medien kein Freudengeheul ausbricht: Hurra, der Diktator ist weg! Die Berichterstattung ist relativ verhalten, man weiß nicht so recht, wie man diesen Triumph Erdogans und Trumps feiern soll.
Zur weiteren Entwicklung in Syrien ist mir noch ein Interview mit einem Assistenten des algerischen Diplomaten Lakhdar Brahimi in Erinnerung, der so um 2012 erklärte, so etwas wie in Syrien habe er noch nie erlebt: Jeder kämpfe gegen jeden.
Erst das Auftauchen des IS brachte eine gewisse Stabilisierung der Anti-Assad-Bewegung.
Außerdem ist mir in Erinnerung, daß Vertreter verschiedener christlicher Kirchen sich bedingungslos hinter Assad stellten und meinten: Wenn Assad fällt, können die Christen Syrien verlassen.
Ungefähr die Hälfte (von den 10%, die die christliche Minderheit in Syrien ausmachte), hat es seither getan, wenn man diversen UNO- und Flüchtlings-Organisationen glauben kann.
Daß die Kurden/DKS und Drusen ihrerseits auch Basen und Städte eingenommen haben, kann man durchaus als Schadensbegrenzung verstehen, nicht unbedingt als Gegnerschaft zu Assad – wenn er fällt, wollen wir wenigstens unser Territorium verteidigen.
Es ist also ein weiterer Schritt zum Ende Syriens als Staat.
„Syrische Rebellen stoßen in Damaskus auf offene Tore (…)
Unterstützer schwach
Für die Rebellen war es eine Chance, dass die Unterstützer des Assad-Regimes, die ihn 2015 vor dem Sturz bewahrten und auf die er wohl auch diesmal zählte, derzeit schwach sind: die Hisbollah enthauptet, der Iran gedemütigt, beide von Israel, und Russland mit dem Ukrainekrieg beschäftigt und seit der Auflösung der Wagner-Gruppe ihres schlagkräftigsten Instruments am Boden beraubt.
Am Samstag hatten sich in der katarischen Hauptstadt Doha noch die Außenminister Russlands, des Iran und der Türkei im Rahmen des Astana-Formats getroffen: Ihr Statement klang am Tag danach wie aus einer anderen Welt. Alle drei forderten ein Ende der Kämpfe – und entwarfen einen Fahrplan für politische Reformen von Assad. Ein paar Stunden später war der weg.
Wobei Moskau mit dem Kurs, den Assad genommen hatte, unzufrieden war: Der iranische Einfluss war in den vergangenen Jahren überproportional gewachsen, in Syrien deckten sich die iranischen und die russischen Interessen jedoch nicht immer. Die Russen hatten auch ihren eigenen politischen Prozess für Syrien aufgestellt. Und den hatte Assad genauso blockiert wie jenen – seit langem stagnierenden – der Uno in Genf. (…)
Assad mauerte
Gleichzeitig hatte sich Assad auch den türkischen Annäherungsversuchen verweigert: Eine Stabilisierung, vor allem auch der Wirtschaft, in Syrien war aber stark im Interesse Russlands. Syrien wurde immer mehr zum Klotz am Bein Russlands, trotz der strategischen Vorteile eines russischen Mittelmeerhafens in Tartous und eines großen Militärstützpunkts in Khmeimim. Assad ließ alle abblitzen und mauerte sich ein. Wer ihn zuletzt zur Aufgabe überredete und außer Landes brachte, wird man erst erfahren.
Gescheitert sind allerdings auch die arabischen Golfstaaten mit ihrer Syrien-Politik. Als sie noch den Sturz des Regimes wünschten und darauf hinarbeiteten (und damit den demokratischen Aufstand zerstörten), stürzte es nicht. Als Resultat des Syrien-Kriegs mussten sie feststellen, dass die Türkei ihren Einfluss in Syrien erhöht hatte und im Westen und Norden sogar Territorium kontrollierte. Das ist ein arabischer Albtraum. Syrien hat 1938 Alexandretta an die Türkei verloren, die heutige türkische Provinz Hatay. Die Araber änderten ihre Politik: 2023 nahmen sie Syrien unter Assad wieder in die Arabische Liga auf.
Und nun endet die Herrschaft Assads damit, dass von Ankara ausgerüstete und teilweise kontrollierte – diejenigen, die in den Norden gegen die Kurden marschieren – Gruppen an die Macht kommen, die Türkei also erst recht ihren Einfluss ausweitet. Wenn Präsident Recep Tayyip Erdoğan von »Terroristen« spricht, dann meint er nicht die den Rebellenmarsch anführende Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die direkt von der Al-Kaida abstammt. Er meint die kurdischen Milizen der Autonomieverwaltung im Nordosten, die von den USA unterstützt werden.
Apropos Hamas, als einzige sunnitische Organisation der iranischen »Achse« und im vergangenen Jahr von Israel militärisch vernichtet: Obwohl das Regime stets die eigenen syrischen Muslimbrüder verfolgen ließ, war die Hamas lange wohlgelitten. Von 2001 bis zum Aufstand des Kriegs hatte sie in Damaskus sogar ihr Hauptquartier. Entgegen den iranischen Interessen unterstützte sie jedoch den Krieg gegen das Assad-Regime und zog 2012 ab. Der im Sommer 2024 von Israel in Teheran getötete Hamas-Führer Ismail Haniyeh begrüßte die syrische Revolution. Erst ab 2017 begann die vom Iran betriebene Versöhnung, ab 2022 gab es wieder Beziehungen. Angesichts des Schicksals der Hamas- und Hisbollah-Führer wollte Assad vielleicht auch einfach mit dem Leben davonkommen.“
(Der Standard, Gudrun Harrer, 8.12.)
„»Dunkle Wolken ziehen auf«: Ein westlicher Analyst sagte eine düstere Zukunft für Syrien voraus
»Schwanger mit weiterem Bürgerkrieg«
Das sich schnell verändernde Bild des Bürgerkriegs in Syrien lässt darauf schließen, dass sich dieses arabische Land innerhalb weniger Tage völlig verändert hat. Die Einnahme von Damaskus durch militante Islamisten schafft eine neue Realität nicht nur für die Syrer, sondern auch für regionale und globale Akteure.
Noch ist nichts vorbei, wie viele Beobachter behaupten. Das Echo des syrischen Bürgerkriegs wird noch sehr lange nachhallen.
»Für Syrien bricht ein neuer Morgen an, aber am Horizont ziehen dunkle Wolken auf«, betitelte der Sky News-Korrespondent für den Nahen Osten Alistair Bunkall seine kurze Analyse des Geschehens und begann seinen Text mit den Worten »Es ist vorbei.«
Was Bunkall meint, ist, dass die 54-jährige Herrschaft der Assad-Dynastie zu Ende ist.
Präsident Bashar al-Assad floh dem Analysten zufolge aus dem Land und die syrische Hauptstadt fiel. »Was als nächstes passiert, gibt Anlass zu großer Sorge«, fährt Alistair Bunkall fort. »Syrien ist geografisch und sozial tief gespalten. Dies ist ein Moment großer Gefahr. Sobald die Euphorie nachlässt, wird es nach Jahrzehnten blutiger Herrschaft tiefen Hass und Zorn auf Assads ehemalige Unterstützer geben. Es wird schwierig sein, das einzudämmen. … Es ist nicht bekannt, wer Syrien regiert«, stellt der Analyst fest. »Zahlreiche Rebellengruppen kontrollieren verschiedene Teile des Landes, und wir gehen davon aus, dass sie alle ihren Anteil an der Macht wollen. Dies birgt die Gefahr eines weiteren Bürgerkriegs, wenn nicht geordnet damit umgegangen wird.«
Der syrische Premierminister Mohammed Ghazi Jalali blieb in Damaskus und schlug eine friedliche Übergangszeit vor. Ein guter Indikator wird sein, wie er behandelt wird, schlägt der Sky News-Journalist vor.
»Hayat Tahrir al-Sham« (HTS), die Hauptgruppe, die diesen Aufstand mit der Eroberung von Aleppo auslöste, wurde einst mit Al-Kaida in Verbindung gebracht.“
Har har.
Sie ging daraus hervor.
„Sie hat diese Verbindungen aufgegeben,“
– nicht schwierig, da es Al-Kaida praktisch nicht mehr gibt –
„bleibt aber in den USA und anderen Ländern eine verbotene Terrororganisation.
Es ist unwahrscheinlich, dass Russland und Iran Syrien so schnell verlassen werden. Moskau verfügt über wichtige Militärstützpunkte an der Mittelmeerküste, die ihm Teile der Welt erschließen – deren Aufgabe wäre ein gewaltiger strategischer Schlag, argumentiert Alistair Bunkall.
Für den Iran war Syrien von zentraler Bedeutung für seine Widerstandsachse, ein Kanal, über den Waffen an die libanesische Hisbollah geschickt wurden, und ein lebenswichtiges Territorium innerhalb seiner Einflusszone. Doch nun sind sowohl Assad als auch die Hisbollah zusammengebrochen und das schiitische Einflussnetzwerk Irans ist in Stücke gerissen.
»Für Syrien bricht ein neuer Morgen an, aber am Horizont ziehen dunkle Wolken auf«, prophezeit der Korrespondent von Sky News für den Nahen Osten düster.“
(MK, 8.12.)
„USA werden ihre Truppen nicht aus Syrien abziehen
Daniel Shapiro, stellvertretender US-Verteidigungsminister, sagte, das habe nichts mit anderen Aspekten des Konflikts zu tun
Die USA werden ihre militärische Präsenz im Osten Syriens im Rahmen des Kampfes gegen den IS aufrechterhalten. Das erklärte der stellvertretende US-Verteidigungsminister Daniel Shapiro auf dem Forum »Manama Dialogue« in der bahrainischen Hauptstadt.
»Während sich die Situation in Syrien rapide entwickelt, werden sich die USA weiterhin eng mit den von der Krise betroffenen Partnern in der Region abstimmen, um deren Sicherheit zu gewährleisten. Unser Engagement für sie ist stärker denn je. Wir werden auch in Ostsyrien präsent bleiben – allein mit dem Ziel, den IS zu besiegen, das hat nichts mit anderen Aspekten des Konflikts zu tun«, sagte er.
Der stellvertretende US-Verteidigungsminister fügte hinzu, dass die USA weiterhin »die notwendigen Schritte unternehmen werden, um [US]-Kräfte und Partner zu schützen und das Wiederaufleben des IS in Ostsyrien zu verhindern.« (…)“
(Anti-Spiegel, 8.12.)
„Assad und Familie laut russischen Medien in Moskau
Der entmachtete syrische Präsident Assad und seine Familie sind laut russischen Nachrichtenagenturen in Moskau eingetroffen. Der Kreml habe ihnen aus humanitären Gründen Asyl gewährt, sagte ein Vertreter der russischen Regierung.
(…) Baschar al-Assad hat Syrien verlassen. Offenbar hält er sich in Russland auf. Ein Vertreter des Kremls sagte den Nachrichtenagenturen TASS und Ria Nowosti, Assad und seine Familie seien nach Moskau geflohen. Russland habe ihnen »aus humanitären Erwägungen« Asyl gewährt.
Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, schrieb auf Telegram, Russland könne Syrien nicht weiter unterstützen. Mit den Kämpfen müssten die Syrer nun alleine klarkommen.
Moskau werde nur noch helfen, wenn das syrische Volk das wünsche, sagte Kossatschow. Der Krieg sei nicht vorbei, weil es dort viele gegnerische Gruppierungen gebe, darunter Terroristen. Wichtig sei jetzt vor allem, die Sicherheit der russischen Soldaten in Syrien sowie die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit des Landes zu gewährleisten, sagte er. (…)
Laut Berichten russischer Staatsmedien sollen die Islamisten die Sicherheit der russischen Militärstützpunkte in dem Land garantiert haben. Die staatlichen russischen Nachrichtenagenturen Tass und RIA Nowosti berichteten unter Berufung auf eine Quelle im Kreml, russische Stellen stünden »mit Vertretern der bewaffneten syrischen Opposition in Kontakt«. Deren Anführer hätten »die Sicherheit der russischen Militärstützpunkte und diplomatischen Einrichtungen auf syrischem Territorium garantiert«.“
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, sagte, dass über das in Syrien stationierte Militär Moskaus nachgedacht werden müsse – ausgehend von den Erfahrungen etwa des Abzugs der sowjetischen Truppen aus der DDR und anderen Ländern.“
(Tagesschau, 8.12.)
„The push was spearheaded by Abu Mohammad al-Julani, the founder and leader of Jabhat al-Nusra, which he rebranded as part of H.T.S. a few years ago, claiming to disavow ties to Al Qaeda and casting himself as a fatigues-clad statesman. (…)
Since late November, Julani has issued statements aimed at reassuring Syria’s many religious minorities, including the Alawites, of which the Assads are members, that his group has embraced pluralism and religious tolerance. (The overtures have been made to Christians, and others, too.)“
Wenn das stimmt, so wäre das zumindest eine Alarmstimmung bei Assad & Co. wert gewesen, weil da konnte man ja auch feststellen, daß sich da etwas vorbereitet.
„The coming hours, days, and weeks will be a test of those stated intentions. Julani has said that he’s a changed man, but at least one of his fellow-fighters, a man I’ve known for years who held leadership positions in Jabhat al-Nusra, told me that the changes were cosmetic.
Before dawn on Sunday, I reached a former emir of Jabhat al-Nusra, who knows Julani well, by phone. He told me, “The man hasn’t changed at all, but there’s a difference between being in battle, at war, killing, and running a country.” Julani had seen the sectarian bloodlust of other Salafi-jihadi groups—before coming to Syria, in 2011, to form Jabhat al-Nusra, he was a member of Abu Bakr al-Baghdadi’s Islamic State of Iraq—and he’d noted those mistakes. Julani, the former emir went on, “now considers himself a statesman.” He remains, however, a U.S.-designated terrorist with a ten-million-dollar bounty on his head, which will surely complicate any state-building plans. (…)
He anticipated that Julani would dissolve H.T.S. and incorporate it and other factions into a new defense ministry. »He can’t punish every Syrian,« he said. »Julani has subdued the northern factions, which won’t dare to take him on, especially now that he has about forty thousand fighters.« He went on, »The fear, to be honest, is from the southern factions, one of which is supported under the table by the Israelis. But it has about two thousand or two thousand five hundred fighters. There is no local military power to stand or compete with Julani.« If he fails, the alternative scenario is Libya, a state torn apart by rival armed militias.
What happens to Syria’s Alawite communities, in particular, will indicate the direction the new state may take. (…) It remains to be seen whether Julani’s troops have the discipline to avoid committing violence against members of a community that was collectively branded a bedrock of the regime.
Any confidence, or lack thereof, that the Alawites have regarding their place in a new Syria will likely also be made clear whenever borders reopen, potentially precipitating a mass exodus across the nearest frontier, into Lebanon, a state already reeling from its own economic woes and that hosts some two million Syrian refugees. (…)
Uncertainties remain about the territorial integrity of this Free Syria. Turkey has long backed various rebel groups and has de-facto control of swaths of the north. The U.S. has some nine hundred troops in the country, supporting Kurdish-led groups in the northeast. And then there is Israel, which, within hours of Assad’s departure, invaded the Syrian city of Quneitra near the Israeli-occupied Syrian Golan Heights.
The geopolitical fallout of Assad’s—and Syria’s—exit from Iran’s hobbled Axis of Resistance will also be seismic. The alliance, comprising Syria, Lebanon’s Hezbollah, some Iraqi armed factions, Yemen’s Houthis, and the Palestinian Hamas, has taken a clobbering since Hamas’s surprise attack on Israel in October of 2023. Syria was a crucial strategic supply route for Hezbollah, which now finds itself landlocked by enemies: Israel, and a Syrian opposition that it fought to shore up Assad’s regime.
For now, though, among many Syrians, euphoria, and a great sense of potential, reigns. (…)“
Man wird sehen, wie lange sie anhält …
(The New Yorker, 8.12.)
Das erinnert ein wenig an die „Massenvernichtungswaffen“ von Saddam Hussein zur Rechtfertigung des Einmarsches in den Irak:
„Die israelische Armee hat Einrichtungen in Syrien bombardiert, in denen sie vermutet, dass das kürzlich gestürzte Regime von Baschar al-Assad chemische Waffen oder Langstreckenraketen lagerte, »damit diese nicht in die Hände von Extremisten fallen«, wie der israelische Außenminister Gideon Saar an diesem Montag berichtete.“
Man bemerke: „Chemische ODER Langstreckenwaffen“ – für den Fall, daß es keine chemischen gibt, so sind immer noch die vermeintlichen Raketen ein guter Grund, Syrien weiterhin zu bombardieren.
„Saar hat nicht angegeben, wo die Bombenanschläge stattfanden, obwohl einige Journalisten von Luftangriffen am Sonntag in der Nähe des Flughafens Mezzeh südwestlich von Damaskus berichtet haben.
Stunden zuvor berichteten die USA, dass sie mit ihren Verbündeten im Nahen Osten daran arbeiten, chemische Waffen zu zerstören und zu verhindern, dass sie in die Hände bewaffneter Gruppen oder Terroristen fallen, erklärte ein US-Beamter gegenüber der Presse.
Das US-Zentralkommando berichtete außerdem, dass seine Streitkräfte mehr als 75 Ziele der Terrorgruppe im Zentrum des Landes angegriffen hätten. Darüber hinaus warten Hunderte syrische Flüchtlinge an der türkischen Grenze auf die Rückkehr in ihr Land nach 13 Jahren Krieg und einem halben Jahrhundert Diktatur.
Einige warten am Öncüpinar/Bab al Salameh-Pass auf die Erlaubnis der türkischen Behörden. Derzeit stoppt die Türkei die Ausreise, weil sie vorher eine Verpflichtung unterzeichnen müssen, dass sie im Falle einer Ausreise aus dem Land, in das sie seit 2011 in Massen geflüchtet sind, nicht zurückkehren können.“
Die Türkei sichert sich also ab.
Als nächstes warte ich darauf, daß Erdogan zur EU kommt und Bedingungen nennt, künftige Flüchtlingswellen nicht durchzulassen.
Könnte teuer werden.
Selbstaufgabe? Versuch, sich mit Israel doch gut zu stellen? Oder islamische Verblendung? –
„Die Hamas gratuliert dem syrischen Volk dazu, dass es nach dem Sturz Assads »sein Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit erreicht« habe.“
Wirklich?
Die Russen wurden tatsächlich überrascht, wie Peskow meint:
„»Was passiert ist, hat sicherlich alle überrascht, und in diesem Fall sind wir keine Ausnahme«, sagte Peskow, als er nach dem raschen Unterstützungsverlust von Al-Assad bei seinem Militär gefragt wurde.“
(El País, 9.11.)
Die Verdammten dieser Erde:
„Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und andere europäische Länder haben nach dem Sturz Assads die Asylanträge für Syrer ausgesetzt
Auch Italien, Österreich, Finnland, Dänemark, Belgien, die Niederlande, Griechenland und Norwegen frieren Anträge auf internationalen Schutz von Bürgern des arabischen Landes ein. (…)
Berlin steht kurz vor Beginn des Wahlkampfs für die vorgezogenen Neuwahlen im Februar, bei denen Einwanderung ein zentrales Thema sein wird, und hat die Asylansuchen von Syrern ausgesetzt, bis die Situation nach dem Vormarsch der Rebellen geklärt ist.“
Es ist schon bemerkenswert: Nach über einem Jahr der Hetze gegen die „islamistische“ Hisbollah und die Hamas wird ein Land, in dem ein Ex-IS-Kommandeur die Truppe anführt, die jetzt in Syrien das Sagen hat, als möglicherweise sicheres Land eingestuft.
„Derzeit sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 47.000 Anträge eingefroren. In der EU sind Italien, Österreich, Griechenland, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Belgien den gleichen Weg gegangen und haben Anträge auf Asyl von Syrern bis auf Weiteres lahmgelegt. Darüber hinaus haben auch das Vereinigte Königreich und Norwegen (die nicht der EU angehören) ihre Anträge eingefroren.“
Man kann nicht ganz ausschließen, daß die entsprechenden Staaten den Braten riechen, daß von dort jetzt bald wieder ein Haufen Flüchtlinge kommen wird, und dem einen Riegel vorschieben wollen.
Man kann sich auf jede Menge ertrunkene und erschossene Syrer zwischen der syrischen Grenze und der EU einstellen.
Man merkt auch, daß manche europäische Politiker das voraussehen:
Die Europäische Kommission, die mit einiger Besorgnis und Unsicherheit beobachtet, was in Syrien nach dem Sturz Assads durch Rebellengruppen geschieht, (…) hat davor gewarnt, voreilige Entscheidungen oder Urteile zu treffen.
Am Sonntag sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass das Ende des Assad-Regimes in Syrien »vorerst« eine gute Nachricht sei. Eine Warnung, die in den Botschaften aller europäischen Staats- und Regierungschefs wiederholt wurde. »Wir werden künftige Machthaber danach beurteilen, ob sie allen Syrern ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen, die Souveränität Syriens gegen böswillige Einmischung Dritter verteidigen und in Frieden mit ihren Nachbarn leben«, sagte der Bundespräsident.“
(El País, 9.12.)
Herbe Enttäuschungen, die aber niemanden in seiner Propaganda irre werden lassen:
„Der syrische Zivilschutz hat die Suche nach möglichen Häftlingen im Saidnaja-Gefängnis, etwa 30 Kilometer nördlich von Damaskus, eingestellt, ohne »Hinweise auf geheime Zellen oder versteckte Keller« zu finden.
In einer Erklärung gibt die Gruppe an,“
Weiter unten im Artiel stellt sich heraus, daß dieser „syrische Zivilschutz“ die sattsam bekannten, vom britischen geheimdienst und Militär gepäppelten „Weißhelme“ sind.
„dass sie mit Hilfe von »Personen, die mit der Einrichtung vertraut« sind und von der Militärpolizei dabei begleitet wurden, eine »umfassende Durchsuchung aller Bereiche, Einrichtungen, Keller, Terrassen und umliegenden Bereiche des Gefängnisses« durchgeführt hat. Syrien und bekannt für die Anwendung von Folter gegen Tausende von Gefangenen. Am Sonntag begann nämlich ein Gerücht zu kursieren, dass sich Tausende von Gefangenen im Untergrund befinden würden und Tausende von Menschen in dieses Militärgefängnis mit dem Spitznamen »Menschenschlachthaus« gekommen seien, in dem das Regime von Baschar al-Assad (…) Tausende verzweifelte Menschen tötete.“
Woher wohl dergleichen Gerüchte kommen?
Macht aber nix:
„Ahmed al Charaa, besser bekannt als Abu Mohamed al Julani, der Anführer der aufständischen Koalition, die den Diktator gestürzt hat, versicherte an diesem Dienstag, dass die neuen Behörden »Kriegsverbrecher« verfolgen und bald eine Liste mit Namen veröffentlichen werden.“
Erinnert an die USA im Irak, wo die zur Fahndung ausgeschriebenen „Verbrecher“ auf Spielkarten dargestellt wurden.
Israel bringt sich auch in Stellung, man weiß gar nicht warum? Der Bösewicht ist doch weg, alles in bester Ordnung – ?
„Die israelischen Soldaten, die am Sonntag vor dem Sturz des durch eine Rebellenoffensive gestürzten Regimes von Baschar al-Assad syrisches Territorium betraten, seien kaum 25 Kilometer von Damaskus, der syrischen Hauptstadt, entfernt, sagten drei Quellen, zwei westliche und zwei, gegenüber Reuters.
Nach dem Sturz des Diktators begann die israelische Armee nach Angaben der israelischen Regierung einen »begrenzten und vorübergehenden« Einmarsch in syrisches Gebiet“
– wers glaubt, wird selig. Ähnlich wie bei den Golan-Höhen –
„und bezog Stellungen nahe der Grenze zwischen den beiden Ländern mit dem erklärten Ziel, »die Sicherheit der Bürger Israels zu gewährleisten« – in der Erwartung, dass das Land aufgrund des Sturzes eines Regimes und der Entstehung eines anderen ins Chaos stürzen könnte. (…)“
Die Erwartungshaltung der israelischen Führung ist sicher realitätsnäher als die euphorischen Bilder in den Medien.
Israel läßt nix anbrennen:
„Israel hat seit dem Sturz Assads rund 250 Luftangriffe in Syrien durchgeführt.“
(El País, 10.12.)
Israel marschiert vor und besetzt weitere Ortschaften auf dem syrischen Teil des Golan:
„Israel gewinnt in Syrien an Boden und nutzt den Sturz Assads (…)
Israel beeilt sich, das gegenwärtige Machtvakuum auszunutzen, um sicherzustellen, dass es nichts mehr gibt, was es eines Tages angreifen könnte, und begleitete den Bodenvormarsch mit einer intensiven Welle an Bombardierungen.
An diesem Dienstag gaben die israelischen Streitkräfte bekannt, dass sie »die meisten Lager für strategische Waffen in Syrien innerhalb von 48 Stunden zerstört haben, um zu verhindern, dass sie in die Hände terroristischer Elemente fallen«. Es handelt sich, wie der Militärkorrespondent des israelischen Fernsehsenders 12, Nir Dvori, an diesem Montag betonte, um eine Operation, »die sicherstellen soll, dass derjenige, der am Ende die Zügel in Syrien übernimmt, lange braucht, um die militärischen Fähigkeiten des Landes wieder aufzubauen.« »Wer in Assads Fußstapfen tritt, wird wie er enden«, warnte Verteidigungsminister Israel Katz.“
Israels Führung bereitet sich also mehr oder weniger auf die Aufteilung Syriens vor und will nicht, daß der irgend jemand etwas entgegensetzen kann.
(El País, 10.12.)
Für Rußland schaut es nicht gut aus in Syrien:
„Russland verhandelt mit den neuen syrischen Behörden über die Aufrechterhaltung seiner Stützpunkte im Land, auf die es für die Entsendung von Truppen und Waffen nach Afrika angewiesen ist
Der Kreml mildert seine Sprache, indem er diejenigen, die Assad gestürzt haben, als »Gegner« und nicht mehr als »Terroristen« bezeichnet – ein Zeichen dafür, dass Moskau seine Präsenz im Hafen von Tartus und auf dem Flugplatz Khmeimim sichern will.
Die überstürzte Flucht des ehemaligen syrischen Diktators Baschar al-Assad hat Moskau außen vor gelassen. »In den letzten 24 Stunden starteten Flugzeuge der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte und der syrischen Luftwaffe Angriffe mit Raketen und Bomben (…) mehr als 300 Terroristen, 55 Fahrzeuge und ein Lagerhaus wurden liquidiert«, hieß es im letzten Teil des Krieges von russischer Seite – Stunden bevor sein Verbündeter das Land verließ.
Einen Tag später änderte sich das Vokabular des Kremls und seiner Propagandakanäle: Man sprach nicht mehr von »Terroristen«, sondern von »Rebellen« und »Gegnern«.
Der Grund ist einfach: Moskau verhandelt mit den neuen Herren Syriens, einem Land, das die einzigen Stützpunkte beherbergt, die es dem slawischen Land ermöglichen, Truppen und Waffen nach Afrika und zu anderen Kunden im Nahen Osten zu schicken.“
(El País, 11.12.)
Erstens sind die Dschihadisten gar nicht die neuen Herren Syriens, sondern wahrscheinlich die nützlichen Idioten verschiedener Mächte, die mit dem Territorium ihre eigenen Pläne haben.
Außerdem nehme ich an, daß weder sie noch ihre Hintermänner ein Interesse an russischer Präsenz im Land haben …
Es könnte natürlich sein, daß sich in den sicher kommenden Fraktionskämpfen eine Fraktion findet, die sich mit Hilfe der Russen halten will.
Aber da hat Israel auch schon sehr viel entschieden durch seine Bombardements.
Der Rachedurst ist auch groß und ihm wird entsprochen werden. Teile und herrsche!
„Viele haben ihre Empörung und Wut über die Entscheidung der Koalition der Rebellengruppen unter der Führung von HTS zum Ausdruck gebracht, den syrischen Armeesoldaten Amnestie zu gewähren, da sie dies als Verrat an den Opfern und ihren Familien betrachten.
In EN LA, einer syrischen Nachrichtengruppe, kommentierte eine Person mit einem im Gefängnis vermissten Verwandten wütend, nachdem sie die Bilder der Leichen gesehen hatte: »Diejenigen, die der Amnestie zugestimmt haben, sollten die Leichen der in Saidnaja Inhaftierten sehen!«
Ein großer Teil der Bevölkerung ist besorgt darüber, wie und ob Gerechtigkeit geübt wird. Daher wurde diese Amnestie vielfach kritisiert.“
Die Amnestie war die bedingung dafür, keinen Widerstand zu leisten. Außerdem sind es ja nicht die Soldaten, die den Sicherheitsapparat des Assad-Systems ausgemacht haben.
Aber die Rachegelüste sind offenbar unendlich und überwiegen alle Überlegungen darüber, wie diese Gesellschaft überhaupt weiter funktionieren soll.
„Stunden nachdem die Bilder aus dem Gefängnis auftauchten, versprach Abu Mohamed al Julani, Anführer der HTS, die Mitglieder der Sicherheitskräfte Assads, die an Morden und Folter beteiligt waren, strafrechtlich zu verfolgen.
Er versicherte außerdem, dass bald eine Liste der Angeklagten veröffentlicht werde. Doch die Familien der Opfer wissen nicht, ob diese Versprechen eingehalten werden.
Jeder Haushalt in Syrien ist auf irgendeine Weise betroffen. Assad stärkte und propagierte konfessionelle Differenzen, um an der Macht zu bleiben, und nutzte seine alawitische Gemeinschaft, um die Opposition zu bekämpfen.“
Eine widersprüchliche Feststellung, weil das heißt ja, daß offenbar die Alawiten verschont geblieben sind.
Aber man sieht schon, in welche Richtung diese Vergeltungs-Gelüste gehen werden.
„Ihr Argument lautete: »Sunniten sind Terroristen und sie werden euch vernichten, wenn ihr nicht zuerst handelt.«“
D.h., die Repression richtete sich gegen die Sunniten. Also ist eben nicht jede Familie betroffen.
„In diesen 14 Jahren war das Assad-Regime für den Tod von mehr als 200.000 Menschen verantwortlich.
Andererseits sind von den mehr als 130.000 Menschen, die in den von der Diktatur kontrollierten Gefängnissen inhaftiert und gewaltsam verschwunden sind, nur etwa 20.000 aufgetaucht, was einen Zustand der Verzweiflung hervorruft.“
Vorausgesetzt, daß diese Zahlen stimmen, fehlen rein rechnerisch 110.000 Menschen und nicht 200.000. Bzw. die restlichen oder auch ein Teil davon können ja durchaus bei Kämpfen im Krieg und Bürgerkrieg umgekommen sein und es ist gar nicht sicher, daß die alle Opfer der Regierung oder der Sicherheitskräfte waren.
„Inmitten dieses Szenarios schüren anonyme Konten in sozialen Netzwerken Rachegelüste und verbreiten massiv Fehlinformationen.
All dies geschieht in einem Kontext, in dem fast jeder bewaffnet ist. Im Osten des Landes beginnen sich besorgniserregende Ereignisse zu ereignen: In Deir al-Zor haben die Syrischen Demokratischen Kräfte mindestens sechs Zivilisten getötet, nachdem sie bei einem Angriff einer von der Türkei unterstützten Rebellengruppe 26 ihrer Männer verloren hatten.“
Die SDK sind also auch im Visier derer, die mit gutem Gewissen ans Aufräumen gehen wollen.
„Und als alle hofften, dass zumindest die Bevölkerung eine Pause von den Bombenangriffen bekommen könnte, nutzte Israel das Chaos aus und begann mit der Zerstörung der militärischen Infrastruktur der syrischen Armee, wobei mehr als 20 Menschen ums Leben kamen.
Israelische Streitkräfte sind auf syrisches Territorium vorgedrungen und haben neue Gebiete an der Grenze zu den Golanhöhen besetzt.
HTS hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben, ein Schweigen, das weitere Kritik hervorgerufen hat.“
Das weist darauf hin, daß HTS von Israel unterstützt worden ist und es dabei keinerlei Verhandlungen darüber gegeben hat, wie sich Israel nach dem Sieg dieser Dschihadisten-Armee verhalten wird. Israel hat also völlig freie Hand, sich Gebiete Syriens unter den Nagel zu reißen.
„Syrien, das sich nun in einer neuen Phase befindet, steht nach der Flucht Assads, der das Land verwüstet hat, vor einer gewaltigen Aufgabe.“
Es ist also klar, daß ein Mann und sein Clan das Land „verwüstet“ hat und nicht 14 Jahre Krieg mit allen möglichen Akteuren, darunter dem IS. Zumindest ist das jetzt die gültige Sichtweise, nach der die künftigen Akteure handeln werden.
„Die neuen Behörden stehen auf dem Prüfstand. Die Wirtschaft bleibt eine große Herausforderung. Der Dollarpreis hat sich verdoppelt, was zu einem nahezu proportionalen Preisanstieg führt und die Kaufkraft der Bevölkerung stark beeinträchtigt.“
Der „Dollarpreis“ ist offenbar der Wechselkurs des Dollars zum Syrischen Pfund. Aber hat dieses Geld überhaupt noch eine Gültigkeit? Wer garantiert es eigentlich und steht für seine Werthaltigkeit gerade?
Die Bewohner Aleppos wurden angeblich aufgefordert, es möglichst schnell in Dollars oder türkische Lira einzuwechseln.
„In 14 Jahren Krieg wurde das Vertrauen der Bevölkerung in alle am Konflikt beteiligten Akteure untergraben.
HTS hat eine besorgniserregende Bilanz bei der Unterdrückung von Demonstrationen gegen seine Politik im Nordosten Syriens vorzuweisen, was nur wenige Monate vor der Offensive geschah. (…)“
???
Im Nordosten Syriens waren die HTS doch gar nicht präsent?
Handelt es sich womöglich um den Nordwesten, um Idlib und Afrin, wo sie in den letzten 10 Jahren das Sagen hatten?
(El País, 11.12.)
Der Autor des Artikels ist ein Syrer, der sich darum bemüht, Assad für alle Übel verantwortlich zu machen, die Syrien in den letzten 14 Jahren betroffen haben.
Es ist offensichtlich, daß er sich einige Mühe gibt, die Sache in diesem Lichte darzustellen, aber selber Zweifel hat, ob das die ganze Wahrheit ist.
„Die Welt ist in einer ständigen Feier berauscht vom Sturz des Diktators, die darauf abzielt, die Monstrositäten des Monsters zu zeigen, aber das heutige Syrien wird hauptsächlich von einer Rebellenallianz aus mehreren Gruppen kontrolliert – mit einer unsicheren Regierung und einem unsicheren Projekt für die Zukunft.
Bestenfalls kann eine gewisse Periode der Stabilität unter der Führung von Al Scharaa sorgen. Die Inszenierung jedenfalls erinnert an die schlimmsten Tage von Mossul (Irak) mit der Ausrufung des Islamischen Staates (ISIS).
Aber es gibt noch ein anderes Syrien, das seit 2011 in Leid und Verzweiflung steckt und nun von den Schlagzeilen in den Schatten gerückt ist.
In diesem anderen Syrien, das scheinbar die gewohnte Normalität beibehält, mit seinen bis spät in die Nacht geöffneten Geschäften und dem Lärm der Stromgeneratoren, der die ganze Stadt durchtönt, gibt es auch verzweifelte Menschen, die einem Lastwagen mit Lebensmitteln hinterherlaufen, um einen der Säcke mit Lebensmitteln zu ergattern, weil diejenigen, die für die Verteilung der Lebensmittel verantwortlich sind, nicht in der Lage sind, die große hungrige Masse zu versorgen. »Wir haben seit einem Tag nichts gegessen«, sagt Ahmed.
Obwohl die Kurden alles tun, um Vertriebene aufzunehmen, die aus Aleppo und anderen Gebieten geflohen sind, ist die Realität so, dass niemand damit gerechnet hat oder darauf vorbereitet war, dass es wieder einmal so viele Flüchtlinge geben könnte.
Nicht weit entfernt befindet sich in einer Schule ein provisorisches Aufnahmezentrum, in dem 7 kürzlich angekommene Familien auf ihre weitere Verteilung warten. »Heute ist der Zustrom gering, aber es gab Tage, an denen bis zu 1.000 Familien an einem einzigen Tag ankamen«, sagt Mahmud, einer der Verantwortlichen des Zentrums.
Die Probleme, mit denen das syrische Kurdistan konfrontiert ist, betreffen nicht nur die Flüchtlingskrise, sondern auch die Absichten der Türkei.
Das Szenario für Nordsyrien ist düster, da es neben den von der Türkei unterstützten Kräften auch mit dschihadistischer Bedrohung konfrontiert ist.“
Was heißt „neben“?! Die ziehen derzeit alle an einem Strang.
„»Gestern haben sie am Stadtrand von Raqa zwei ISIS-Terroristen getötet und zwei weitere verletzt, als sie einen Kontrollpunkt angriffen«, sagt Newsra, eine Kurdin, die gerade aus dieser Stadt zurückgekehrt ist. Vorfälle dieser Art kommen täglich vor. »Die Schläferzellen sind jetzt sehr aktiv«, bestätigt ein Beamter, der seinen Namen lieber nicht nennen möchte. Anti-Terror-Einsätze sind an der Tagesordnung. (…)“
(El País, 11.12., Reportage aus Kamyschli)
Im Standard ein Artikel, der auf einer CNN-Story beruht: Eine dortige Reporterin findet in einem syrischen Gefängnis einen halbverhungerten Gefangenen, der bei den vorherigen, von Syrern durchgeführten Gefängnisbefreiungen offenbar übersehen wurde und nur auf sie, den rettenden Engel, gewartet hat.
Wers glaubt wird selig.
Dazu dann der Satz: „Mehr als 100.000 sollen sich unter schwerer Folter und unmenschlichen Bedingungen in den Lagern des Regimes befunden haben, viele wurden in den vergangenen Tagen befreit. Zehntausende wurden allerdings nach Schätzungen von Assads Folterknechten und Henkern ermordet.“
Weiter oben waren es noch mehr als 200.000, die seit 2012 in Gefängnissen verschwunden sein sollen. Man wird sehen, wie sich die Zahlen im Lauf der Zeit reduzieren.
Folter gab es in Syrien sicher, das zeigt die Geschichte des in den USA entführten und nach Syrien ausgelieferten kanadischen Staatsbürgers Maher Arar. Damals störte das übrigens im Westen niemanden und war nie Thema.
Die derzeit kolportierten Zahlen sind doch etwas aufgeblasen.
„Terrorexperten fürchten Rückkehr inhaftierter IS-Kämpfer
Nach dem Sturz von Bashar al-Assad droht laut Islamismusexperten eine Rückkehr von in syrischen Gefängnissen inhaftierten IS-Kämpfern. »Die Gefahr, dass die Lage nächstes Jahr unsicherer wird und Terroristen aus den Gefängnissen freikommen, ist sehr real«, sagte Guido Steinberg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). US-Präsident Joe Biden habe zwar den Einsatz von US-Truppen gegen die IS-Miliz zugesagt, doch Donald Trump könnte sie mit Amtsantritt Ende Jänner abziehen.
Die Ereignisse in Syrien hätten »großes Potenzial, eine Welle an Rückkehrern ehemaliger IS-Kämpfer nach Europa zu bringen, auch nach Österreich«, sagte auch Extremismusforscher Nicolas Stockhammer im APA-Gespräch. In Lagern, die unter der Kontrolle des von den USA unterstützten, kurdisch angeführten SDF-Bündnisses stehen, gebe es »durchaus Personen, die wahrscheinlich für den IS gekämpft haben und auch die Kinder von IS-Kämpfern, die vermutlich Radikalisierung ausgesetzt waren«.
In einschlägigen Kommunikationskanälen könne man laut Politikwissenschafter Thomas Schmidinger derzeit beobachten: »Auch österreichische Jihadisten beobachten die Lage in Syrien genau.« Er rechnet »mit einer Wiederauferstehung des IS«. »Wenn Söldner die Gefängnisse unter ihre Kontrolle bringen, könnte passieren, was schon einmal im Oktober 2019 der Fall war, nämlich dass sehr viele IS-Kämpfer freikommen.« Er warnt vor tausenden IS-Gefolgsleuten, »die auch noch immer voll ideologisiert sind, auf freiem Fuß«.“
(Standard, 13.12.)
„Putin und ein sunnitisches Regime in Syrien?
Wurde Russland vom Vorstoß der Aufständischen tatsächlich überrascht? Eine Theorie zur aktuellen Lage in Syrien.
Seit Tagen rätselt die Welt über den Angriff der Gruppe »Komitee zur Befreiung Groß-Syriens« (Hay’at Tahrir al-Sham, HTS) auf Regimegebiete in Syrien und die Schnelligkeit, mit der diese Mujaheddin die Verteidigungslinien der syrischen Armee durchbrachen.
Zudem wundern sich Beobachter über die militärische Reaktion der Russen. Einerseits fiel diese schwächer aus als erwartet; andererseits waren die russischen Luftschläge deutlich weniger effektiv als in der Vergangenheit. Moskaus politische Reaktion war zwar im Tonfall scharf, doch ein Aufschrei in Form heftiger Drohungen oder martialischer Worte blieb aus.
Die Tatsache, dass die russische Luftwaffe erst zwei oder drei Tage nach Beginn des Angriffs intervenierte, wurde zunächst im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und den dort gebundenen russischen Militärkapazitäten interpretiert. Manche Beobachter vermuteten, Russland wolle Assad unter Druck setzen, damit er sich letztendlich mit Erdoğan an einen Tisch setzt und eine Einigung zur Wiederherstellung der Beziehungen zwischen beiden Staaten erzielt. Moskau hat in den letzten Monaten sukzessive auf eine solche Annäherung hingearbeitet, doch Assad blieb bis zuletzt stur.
Allerdings reichen derartige Erklärungen nicht mehr aus, um das zögerliche militärische Vorgehen Russlands nach der Eroberung Aleppos und dem Vormarsch von HTS in Richtung Süden zu erklären. Dies wirft die Frage auf, ob die Situation möglicherweise aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden sollte. Mit anderen Worten: Könnte es sein, dass Russland gar nicht verhindern wollte, dass HTS sich in Syrien ausbreitet, die Kontrolle über die Großstadt Aleppo übernimmt und weiter in Richtung Damaskus marschiert?
Das Verhalten von HTS in Aleppo deutet stark darauf hin, dass die Gruppe nicht ernsthaft befürchten musste, aus der Stadt vertrieben zu werden. Sie konnte dort sofort die Stromversorgung wiederherstellen, Benzin, Diesel sowie Nahrungsmittel stehen in großen Mengen zur Verfügung. Zudem wurden die Masten des syrischen Telefonnetzes abmontiert und durch jene eines anderen Netzes ersetzt. Mit anderen Worten: Eine großflächige russische Bombardierung, wie sie im Zuge der Schlacht um Aleppo 2017–2018 stattfand, wird offenbar nicht befürchtet.
Auch während ihres Vormarsches in Richtung Süden stößt HTS auf nur schwachen Widerstand seitens der syrischen Armee und einiger syrischer paramilitärischer Einheiten. Weder Milizen der libanesischen Hizbullah noch Kräfte aus Iran oder dem Irak sind beteiligt.
Dies dürfte den Russen bekannt sein, die über die Lage der Hizbullah nach den israelischen Angriffen informiert sind. Auch der Schwierigkeiten Irans, sich auf syrischem Territorium wirkungsvoll militärisch zu entfalten, ist sich Moskau bewusst. Einerseits befürchten die Iraner Angriffe durch Israel, andererseits hatten sie bereits vor der Offensive ihre Sichtbarkeit und militärische Präsenz in Syrien reduziert, um positive Signale an die arabischen Nachbarn und vor allem die künftige US-amerikanische Administration zu senden, die den iranischen militärischen Einfluss in der Region als Hauptfaktor der Instabilität betrachtet und wohl auch bereit ist, dagegen vorzugehen. So versuchte Iran, seine Strategie der nicht zu verkennenden Schwäche anzupassen.
Ähnliches gilt für die irakischen Milizen, die sich nach den gegenseitigen Angriffen von Iran und Israel sowie den israelischen Angriffen auf die Hizbullah in einer schwierigen innenpolitischen Lage befinden. Wenngleich sie ihre Solidarität mit dem syrischen Staat erklärte, wird die irakische Regierung alles daran setzen, den Irak aus solchen existenziellen Konflikten herauszuhalten – eine Tatsache, die den Russen ebenfalls bekannt ist.
Dass Moskau all dies wusste und dennoch militärisch nicht stärker reagiert hat, ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite könnte darin bestehen, dass Russland die Situation bewusst genutzt hat, um seine Strategie in Syrien ebenfalls sanft zu verändern. Könnte es sein, dass die Russen zusammen mit der Türkei die Vereinbarungen mit den Iranern im Rahmen des Astana-Prozesses aufgekündigt haben, nachdem sie erkannten, wie geschwächt Iran in Syrien ist? Wäre es möglich, dass die Russen HTS und anderen Gruppierungen Spielraum gelassen haben, um ein alternatives System anstelle des Assad-Regimes zu etablieren?
Assad oder HTS – beide lehnen die »westliche Demokratie« ab
Ein solches System könnte aus Islamisten oder gemäßigten Islamisten bestehen – oder, wie es neuerdings heißt, aus einem »islamischen, aber nicht religiösen Staat«. Dies würde die Russen von der Last des Assad-Regimes befreien und ihnen gleichzeitig ermöglichen, ein System zu unterstützen, das ihren Interessen näher steht. Moskau hat bereits Erfahrungen mit der Etablierung solcher Systeme gesammelt, wie das Beispiel Tschetschenien nach dem Krieg zeigt. Damals formte der Kreml aus dem Widerstand gegen die russische Herrschaft ein System, das in seinem Sinne bis heute funktioniert. Vor dem Hintergrund seiner großen sunnitisch-muslimischen Minderheit im Land nimmt Russland für sich stets in Anspruch, mit islamisch-autoritären Systemen umgehen zu können.
Dass die sunnitische HTS-Führung in der Nordwestprovinz Idlib bereits viele »Qualitäten« eines militärisch-autoritären Geheimdienststaates aufwies, dürfte nach russischem Geschmack sein.
Ein ähnliches Vorgehen wäre auch in Syrien denkbar, insbesondere, da die Türkei als Partner mit ihrer Nähe zu solchen Gruppierungen eine Schlüsselrolle spielen kann. Auch die herrschenden Eliten in Tschetschenien unterhalten Kontakte zu ähnlichen Gruppierungen. Für die Russen wäre dies letztlich zwar keine Win-Win-Situation, aber eine Möglichkeit, eine strategische Schwäche in ihrem Sinn zu drehen. Weder Assad noch HTS glauben an den liberalen Staat – beide teilen die Vorbehalte der Russen gegenüber dem Modell der westlichen Demokratie. Dies ist für Russland von zentraler Bedeutung in seinem geopolitischen Kampf gegen den Westen und dessen liberale Ideologie.“
(Zenith, 5.12.)
Was für diese Thesen spricht, ist z.B. die Aussage Peskows vor einigen Tagen, Rußland sei wirklich völlig überrascht worden durch diesen Vormarsch.
Really really?
Wem muß er das erzählen?
„Zentrale von Assads Drogenindustrie entdeckt
In einem Lagerhaus bei Damaskus wurden große Mengen von Captagontabletten gefunden, die offensichtlich für den Export vorbereitet waren
Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien haben die siegreichen islamistischen Rebellen große Mengen der stimulierenden Droge Captagon entdeckt.
In einem Lagerhaus nahe der Hauptstadt Damaskus präsentierten die neuen Machthaber Journalisten den Ort, wo die Tabletten im industriellen Maßstab produziert und offensichtlich für den Export verpackt wurden. Die Terrorgruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) kündigte an, die Bestände zerstören zu wollen. Zum Teil wurden bereits säckeweise Tabletten verbrannt.
Verstecke für den Export
Die Tabletten waren zum Teil in den Gehäusen von Elektrogeräten verstaut. Gefunden wurden sie unter anderem zwischen den Kupferspulen von Spannungsstabilisatoren. In dem Lagerhaus wurden auch zahlreiche Paletten mit den Ausgangsstoffen für die Drogenproduktion gefunden, auch Komponenten für die Herstellung von Methamphetamin.
In den vergangenen Jahren war von Syrien der Drogenschwarzmarkt im gesamten Nahen Osten mit Captagon versorgt worden. Für das Regime des Diktators Bashar al-Assad bedeutete das Geschäft Einnahmen in Milliardenhöhe – eine wichtige Finanzierungsquelle für das infolge von Bürgerkrieg und Sanktionen wirtschaftlich darniederliegende Land. Captagon wurde so das wichtigste Exportgut Syriens unter Assad. Schätzungen sprechen davon, dass der Drogenhandel alle legalen Exporte in den Schatten stellte.“
Eine traurige Verwandlung der einst existierenden syrischen Pharmaindustrie, die durch Zerstörungen und Sanktionen auf dieses illegale Schlupfloch verwiesen war.
„Für die florierende Drogenproduktion soll Assads Bruder Maher al-Assad verantwortlich gewesen sein. Gemeinsam mit Amer Khiti, einem syrischen Geschäftsmann, sei er die treibende Kraft hinter den illegalen Geschäften gewesen. Gegen Khiti wurden im Vorjahr von Großbritannien Sanktionen verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, mehrere Unternehmen zu kontrollieren, die an der Produktion und dem Schmuggel von Drogen beteiligt sind.“
Man fragt sich, wo dieser Bruder heute ist?
„Vermutet wird auch, dass Assad gezielt versucht hat, mit der Flut der Drogen eine Suchtepidemie in verschiedenen Ländern, vor allem den reichen Golfstaaten und insbesondere Saudi-Arabien, zu verursachen, um den sozialen Frieden zu destabilisieren und Druck auf die Regierungen auszuüben.
Nutzung durch Terroristen
Captagon wurde Berichten zufolge auch intensiv von den Terroristen des IS genutzt, weshalb die Substanz den Namen »IS-Droge« erhielt. Auch bei zahlreichen getöteten Mitgliedern der islamistischen Terrororganisation Hamas wurden nach dem Massaker in Israel vom 7. Oktober Captagon-Tabletten gefunden. Sie nutzten die Droge, um bei ihren genozidalen Gräueltaten ruhig und wach zu bleiben.“
(Standard, 13.12.)
Schaut so aus, als ob Rußland seine Basen in Syrien aufgibt:
„Moskau schweigt trotz der Bewegung von Flugzeugen und Schiffen auf seinen Stützpunkten in Syrien
Die Schiffe, die russisches Getreide in das arabische Land transportieren, gehen vor seiner Küste vor Anker und ein Bericht der deutschen Verteidigung deutet auf das Auslaufen von Militärschiffen hin.“
Man sieht daran, daß Syrien mit russischen Getreide versorgt wurde.
Ab jetzt?
„Es gibt Bewegung an russischen Stützpunkten in Syrien, die Moskau nutzte, um den ehemaligen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor seiner Flucht zu stützen.
Die Frage (…) ist, ob es dem Kreml gelingen wird, zwei militärische Einrichtungen in dem arabischen Land zu behalten, die für die Ausweitung seines Einflusses im Nahen Osten und in Afrika von wesentlicher Bedeutung sind.
Die Verlegung von Flugzeugen auf dem russischen Stützpunkt und Flugplatz in Chmejmim sowie die Einstellung der Getreidelieferungen nach Damaskus haben den Verdacht eines möglichen russischen Abzugs geweckt.“
Was sicher ist: Kein russisches Getreide mehr für Syrien.
Woher sonst?
„Obwohl Russland während der Verhandlungen mit den neuen syrischen Behörden schweigt, deutet ein interner Bericht des deutschen Verteidigungsministeriums, auf den die deutsche Agentur DPA Zugriff hatte und der von deutschen Medien zitiert wurde, darauf hin, dass Moskau Vorbereitungen für eine vollständige Aufgabe seiner Stützpunkte trifft.
Russische Schiffe, fügt er hinzu, hätten den anderen Stützpunkt bereits verlassen: den Marinestützpunkt Tartus.
Zwei ausgebleichte Porträts (…) – des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des ehemaligen syrischen Diktators Bashar al-Assad – krönen den Bogen über die militärische Kontrolle der Armee über den russischen Stützpunkt Chmejmim. Es gibt keine Wache, nur einen quergestellten Lastwagen am Eingang und mehrere Zäune. Die Wachhäuschen sind leer, auch die Posten der Soldaten.
Assads Armee ist vor einer Woche verschwunden, wie die zahlreichen zurückgelassenen Panzer in der Umgebung zeigen. Ein weiterer Eingang, der Haupteingang, der nur von Putins Porträt gekrönt wird, wird von russischen Soldaten bewacht. Die uniformierten Männer sehen angespannt aus und beantworten jede Frage mit einem scharfen »Nein!«.
Ein Kampfflugzeug landet auf der Landebahn, aber im Großen und Ganzen ist die Lage ruhig (…) »In den letzten zwei, drei Tagen gab es viel Bewegung am Stützpunkt, aber wir wissen nicht, ob sie bleiben oder gehen«, erklärt ein Passant.
In den letzten Tagen hat Rußland damit begonnen, seine in Syrien stationierten Streitkräfte abzuziehen und sie auf seine Küstenstützpunkte zu konzentrieren: den Luftwaffenstützpunkt Khmeimim und den Marinestützpunkt Tartus.
Sie tun dies in Zusammenarbeit mit den neuen Rebellenbehörden und werden stets von Konvois von Hayat Tahrir al Sham eskortiert, der islamistischen Gruppe, die den Sieg über das bereits gefallene Regime in Damaskus anführte.
Die Financial Times veröffentlichte von den Unternehmen Maxar und Planet Labs aufgenommene Satellitenbilder, die die Anwesenheit einer Antonov An-124 zeigen, des größten Transportflugzeugs der Welt, mit offener Nase für den Frachteintritt auf dem Flugplatz.
Ein weiteres Flugzeug dieses Typs steht auf der Piste der Basis, zusammen mit drei weiteren Iljuschin Il-76-Flugzeugen.
Das russische Verteidigungsministerium lehnt es ab, sich zur Gesamtstärke seiner Truppen in Syrien zu äußern, sodass es unmöglich ist, das Ausmaß der Umstrukturierung an seinen Stützpunkten abzuschätzen.
Auf dem Flugportal Flightradar24 kann man 2 An-124 mit der Registrierung RA-82040 und RA-82037 verfolgen, die in der letzten Woche mindestens 3 Flüge von Syrien nach Russland durchgeführt haben.
Auf jeden Fall könnten diese Flüge nicht die einzigen sein, falls die russischen Luftstreitkräfte beschlossen haben, die Transponder anderer Flugzeuge zu deaktivieren, wie es in der Vergangenheit schon öfter geschehen ist. (…)
Kein definitiver Rückzug
Diese Frequenz an Flügen entspricht jedenfalls nicht einem definitiven Abzug.
»Als russische Truppen 2015 nach Syrien entsandt wurden, machten sie in zwei Wochen fast 300 Bewegungen, und das war, bevor der Stützpunkt erweitert wurde«, meint Dara Massicot, Forscherin am Carnegie Center, auf ihrem X-Account (ehemals Twitter).
Neben diesen Bewegungen in den russischen Stützpunkten gibt es noch andere. Auf den oben genannten Satellitenbildern ist zu sehen, wie Techniker auf dem Flugplatz Chmejmim mehrere Hubschrauber und ein S-400-Flugabwehrsystem, das modernste Rußlands, abbauen. Ebenso haben zwei Fregatten, die »Admiral Gorschkow« und die »Admiral Grigorowitsch«, den Marinestützpunkt Tartus verlassen.
Die russischen Kriegstelegram-Kanäle bieten auch andere Hinweise auf einen zumindest teilweisen Rückzug aus Syrien. Die Plattform »Neorossija-Milizberichte« hat mehrere Videos von russischen Kolonnen auf dem Weg zu den beiden Stützpunkten ausgestrahlt.
»Wohin?« fragt ein Mann einen russischen Soldaten auf Englisch. »Heim«, antwortet er mit einem breiten Lächeln. Die Zukunft, die beide Stützpunkte erwartet, ist noch unbekannt.
Putins Sprecher Dmitri Peskow räumte am vergangenen Mittwoch ein, dass der Kreml nach der Flucht seines Verbündeten Assad mit den Rebellen verhandelt. »Selbstverständlich pflegen wir Kontakte zu denen, die die Lage in Syrien kontrollieren«, sagte er in seiner täglichen Pressekonferenz. »Die Gewährleistung der Sicherheit unserer Anlagen ist von größter Bedeutung.«
Am selben Tag veröffentlichte die Agentur Bloomberg, dass Russland Garantien erhalten habe, dass seine Truppen während ihres Abzugs nicht angegriffen würden. Allerdings sind diese Garantien laut Bloomberg nur vorübergehend. Die Zukunft des Flugplatzes Chmejmim und des Hafens von Tartus bleibt ungewiss.
Moskau schweigt zum Fortgang der Verhandlungen mit den von der Dschihadistengruppe Hayat Tahrir al Sham (HTS) angeführten Rebellen, obwohl einige Anzeichen darauf hindeuten, dass sie nicht besonders gut laufen.
Russland hat die Lieferung von Weizen nach Syrien eingestellt, teilten Quellen beider Länder der Agentur Reuters mit: Ein Transportschiff liegt weiterhin vor der syrischen Küste vor Anker und ein anderes hat seinen Kurs aufgrund der Unsicherheit über die Zahlungen und die künftige Regierung des arabischen Landes in Richtung Ägypten geändert.“
(El País, 14.12.)
Rußland scheint das Kapitel Syrien abzuschließen.
Die Frage bleibt, wie es seine Präsenz in Afrika ohne die syrischen Stützpunkte aufrechterhalten kann.
Es dürfte Verhandlungen mit anderen Staaten in der Region geben.
„Wie reagiert Lateinamerika auf die neue Situation in Syrien?
Vorwürfe gegen Europa wegen Unterstützung der HTS-Dschihadisten aus wirtschaftlichen Gründen. (…)
Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro: (…) »Das große westliche und demokratische Europa unterstützt die syrischen Taliban nur, weil sie es ihm ermöglichen werden, die Gaspipeline zum Mittelmeer mit Gas aus Katar, den Emiraten und Saudi-Arabien zu bauen, ohne die vom Iran kontrollierte Straße von Hormus passieren zu müssen.«
Petro überschätzt die EU, sowohl ihrem Einfluß als auch ihrer Planungsfähigkeit nach …
„Kurz nach dem Einmarsch der (…) HTS in Damaskus (…) stellte Petro auf X die Hypothese von neuen Allianzen und »neuen Verratenen« als Hintergrund des Machtwechsels in Syrien auf. Er schrieb: »Russland gibt Baath-Regime in Syrien auf: Neue Allianz mit Trump?«
Laut Petro bedeutet die Machtübernahme der HTS einen Rechtsruck in Syrien in Richtung Fundamentalismus, ähnlich wie in Afghanistan, Irak und Libyen.
Israel, so Petro, werde durch die Besetzung syrischer Gebiete weiter wachsen. »Die Palästinenser und die Kurden werden noch stärker isoliert. (…) Neue Allianzen, neue Verratene«.
Anschließend stellte der kolumbianische Präsident 9 Fragen darüber, was im Kontext der »neuen Allianzen« kommen könnte. »Wohin wird das syrische Öl fließen?«“
Vermutlich weiter in Richtung USA bzw. deren Käufer.
„»Werden der Panarabismus und seine säkulare Idee sterben?« (…)“
„Werden“?
„Brasilien bekräftigte »die Notwendigkeit der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts« sowie »der territorialen Einheit Syriens und der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates«.“
Dergleichen klingt heutzutage reichlich antiquiert.
„In Syrien sollen circa 3.500 Brasilianer:innen leben. Die brasilianische Regierung hat alle Staatsbürger:innen, die sich in Syrien aufhalten, aufgefordert, das Land zu verlassen.
Ähnlich reagierte das argentinische Außenministerium. Die Regierung warnte die Argentinier:innen davor, nach Syrien zu reisen. Sie empfahl den argentinischen Staatsangehörigen, das arabische Land »so schnell wie möglich zu verlassen«, solange die kommerziellen Fluggesellschaften noch aktiv seien. (…)
Die kubanische Regierung forderte »die Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität und der Unabhängigkeit Syriens sowie die Sicherheit der diplomatischen Vertretungen«.“
Letzteres ist allerdings in Gefahr, nicht nur durch die Dschihadisten, sondern vor allem durch Israel.
„Die »Töchter und Söhne« Syriens in Chile wiesen auf die Zehntausende von Syrer:innen hin, die aufgrund der »vom Ausland unterstützten Angriffe« der HTS fliehen mussten. (…)“
(amerika21, 15.12.)
„Syria After Assad
The scramble is on to define the future of Syria, quickly, to avert a war even more divisive than the conflict that has riven the nation for thirteen years.
The Iranian foreign minister, Abbas Araghchi, was ashen-faced in Doha, on December 7th, as he met with envoys from Russia, Turkey, Saudi Arabia, Iraq, Egypt, Jordan, and Qatar to confer about Syria. Rebels were on the doorstep of Damascus just ten days after they had launched a sweeping offensive.
By midnight, the representatives of the nations—with disparate political systems and conflicting regional goals—had concurred that the government of President Bashar al-Assad could not survive. They called for an urgent political transition. By dawn, Assad had departed Damascus for Russia, without a word to the people his family had ruled—and gassed, imprisoned, tortured, and murdered—for a half century. »No one believed it could happen,« Araghchi later told Iranian television. »What was surprising was, first, the Syrian Army’s inability to confront the situation, and, second, the rapid pace of developments.«
Syria, a geostrategic centerpiece in the Middle East, was abruptly upended. So, too, was the region.
Now the scramble is on to define the future of Syria, quickly, to prevent ethnic, political, and sectarian rivalries from triggering a war even more divisive than the conflict that has riven the nation for thirteen years. Syria’s twenty-three million people include multiple Muslim sects, Christians, Druze, and Kurds.
Both Ramadan and Easter are legally celebrated. Its history after declaring independence from a French mandate in 1946 was volatile. There were twenty coups before 1970, when Hafez al-Assad, the defense minister and the father of Bashar, ousted members of his own Baath Party. The next year, he became President.
»The conflict is not over,« Geir O. Pedersen, the U.N. special envoy for Syria, warned. Regional and global players want to be »positive and supportive, but many are nervous« about a government created by Hay’at Tahrir al-Sham, a Sunni militia that led the uprising and whose leaders previously had ties with Al Qaeda and ISIS. »They see an Islamist group come to power and wonder if they’ll really deliver on what they promise.«
The danger, Pedersen noted, is the Libya scenario. After the ouster of Muammar Qaddafi, in 2011, rival governments fought from Tripoli and Benghazi. Other transitions after the Arab Spring uprisings have not gone well, either. Tunisia’s democracy has eroded since 2011, as democratically elected leaders have been imprisoned or silenced. Egypt’s democratically elected government was removed in a military coup in 2013. Yemen was split after the Houthis seized power, in 2014, during a civil war that now targets international shipping.
The question is whether Syria’s uprising—which also started in 2011—is the Arab Spring, Part Two. Six diverse political and ethnic groups now claim territory. Pedersen reflected, »It will require a new miracle in the days and weeks ahead to insure that things don’t go wrong in Syria.«
The charismatic H.T.S. leader, who is known by the nom de guerre Abu Mohammed al-Jolani, has vowed not to repeat the mistakes that led to civil war in Iraq, where the U.S. occupation, in 2003, dismantled the military and banned the Baath Party from government.
Those moves spawned anti-American militias, including groups that Jolani joined. He fought with Al Qaeda of Iraq, and in 2005 he was detained by U.S. forces at the notorious Camp Bucca, where he met Abu Bakr al-Baghdadi, the founder of ISIS.
Baghdadi later dispatched him to establish a Syrian branch of ISIS. In the ever-evolving world of jihadism, Jolani has since distanced H.T.S. from both Al Qaeda and ISIS. In a symbolic gesture, he has returned to his given name, Ahmed al-Sharaa. Yet he heralded Assad’s fall as »a victory for the Islamic nation.« The U.S. still has a ten-million-dollar bounty on his head, and H.T.S. is on the list of foreign terrorist organizations.“
HTS hat auch, wie der IS oder die Taliban, die Schahada als Fahne verwendet. Jetzt wedelt sie mit der alten syrischen Fahne, aber die Schahada-Fahne ist sicher noch irgendwo im Abstellkammerl. Vor allem, wenn sich mit Syrien als Einheit auch kein Erfolg abzeichnet …
„In Doha, the envoys called the Syrian crisis a »dangerous development« for international security. They pleaded for an end to military operations that could slip into chaos. Hakan Fidan, the Turkish foreign minister, said that the new government should treat all faiths and ethnicities equally. It should tolerate »no revenge.«“
In Syrien schreien schon viele Geschädigte des Assad-»Regimes« nach »Gerechtigkeit« …
„As the main supporter of H.T.S., Turkey is the winner among regional rivals, just as Iran and Russia, who backed Assad, are the losers. The Biden Administration said that it is prepared to recognize a new government if it is »credible, inclusive, and non-sectarian.« Syrian forces toppled Assad, however, so it’s unclear how much influence any foreign government will wield in Damascus, except economically. The U.S. has crippling sanctions on Syria for terrorism and repression.
As a first step, H.T.S. appointed Mohammed al-Bashir, an engineer who had run the provincial H.T.S. government in northern Idlib, to be Prime Minister for about three months.
For the rest of the world, U.N. Resolution 2254 remains the legal premise for a transition. It calls for a new constitution and free elections stretched over eighteen months. But it was written nine years ago. Time is moving much faster now in a country where the economy is collapsing and millions have been displaced or forced into exile. »We should accept instability, because it is part of the process,« Sawsan Abou Zainedin, who leads Madaniya, an umbrella organization for two hundred Syrian civil-society groups, said. »We’re all standing on good will, but we can’t stand on good will for long.”
That sense of uncertainty has spread across the region.
ISIS has a growing underground presence again in Syria; the U.S. launched more than seventy-five air strikes to prevent it from exploiting the turmoil.
Tensions are escalating between Turkey, a NATO member, and the Kurdish-led Syrian Democratic Forces, which are backed by a U.S.-led coalition. The S.D.F. now controls a third of Syria.
As Assad fell, Israeli tanks and troops crossed into Syria and seized a hundred and fifty square miles of the Golan Heights, a demilitarized zone patrolled by the U.N. since 1974, as part of a U.S.-brokered ceasefire after the last war between Israel and Syria.
Israel also launched nearly five hundred air strikes on the Syrian Navy, Army, and Air Force. »We have no intention to meddle in Syria’s internal affairs, but we certainly intend to do whatever is needed to guarantee our security,« the Israeli Prime Minister, Benjamin Netanyahu, said. »As I promised, we are changing the face of the Middle East.« The tectonic shift in the balance of power was apparent when Iran pulled its last diplomats out of Syria as the meeting in Doha wrapped up. The rebels, in one of their first acts, stormed the mausoleum of Hafez al-Assad and set his coffin ablaze.“
(The New Yorker, 15.12)
Karin Leukefeld
„Syrien gestern und heute – Betrachtungen einer Korrespondentin
Kennen Sie »Wimmelbilder«? Kinder und Erwachsene lieben »Wimmelbilder«. Kinder lieben sie, weil sie stundenlang darauf sehen und immer wieder Neues entdecken können. Erwachsene lieben sie, weil sie Kinder auf diese Weise zumindest eine Zeitlang ruhigstellen können. Beliebte Themen für »Wimmelbilder« sind Häfen, Weihnachts- oder Wochenmärkte, Bauernhöfe; Zirkuszelte oder Jahrmärkte. Es gibt »Wimmelbilder« aus Städten und aus verschiedenen Jahrhunderten, es gibt sie als Bücher, Kalender, im Internet, als Plakate oder als Teppiche für Kindergärten. Gemeinsam ist allen, dass sie Phantasiebilder sind, die mit der Wirklichkeit nichts (mehr) zu tun haben. Als »Wimmelbild« können Sie sich vorstellen, was derzeit von Medien und Politikern der westlichen Hemisphäre und ihren Partnern im östlichen Mittelmeerraum und in der arabischen Golfregion über Syrien produziert wird. (…)
Die Redaktionen drängen auf immer mehr und neue Bilder, die internationalen Trendsetter-Sender wie BBC, CNN und Al Jazeera haben Reporter, Kameraleute und Techniker in Stärke von Fußballteams nach Damaskus geschickt, sie scheinen rund um die Uhr zu arbeiten. Sie werden nicht müde, die Fahnen der „Rebellen“ zu zeigen, die überall und massenweise an Geschäfte und an die Bevölkerung verteilt wurden – eine Fahnenfabrik an unbekanntem Ort war offenbar auf die große Nachfrage vorbereitet worden und hatte große Mengen produziert. (…)
Als Schulen und Universitäten am Sonntagmorgen – in der arabischen Welt ist das der Wochenanfang – wieder öffnen, sehen die Schüler verlegen zu, wie die neue Fahne gehisst wird, vor der sie nun Aufstellung nehmen müssen. Eine Lehrerin erscheint vor ihren Grundschülern mit der neuen Fahne als Schultertuch. (…)“
Diese Fahne ist deshalb so wichtig, weil der IS und auch die Al-Nusra-Front – ebenso wie die Taliban – die Schahada verwendet haben, die Fahne des Kalifats. (Auch Saudi-Arabien hat sie in seiner Fahne.)
Das Hissen der alten syrischen Fahne aus Vor-Assad-Zeiten soll Säkularität und Rückkehr zur Normalität suggerieren, gerade angesichts der Bedenken über die Zukunft Syriens.
Man erinnere sich: Bei der Machtübernahme der Taliban gab es einige Tote, die – vor allem in Jalalabad – an der afghanischen Fahne festhalten wollten.
„Israel nutzt das Machtvakuum im Weißen Haus und in Damaskus, um sich Land anzueignen, das ihm nicht gehört. Israelische Truppen haben die syrischen Golan-Höhen komplett übernommen und die dort stationierten UNDOF-Truppen ignoriert. (…) der Überfall auf Syrien könnte die Vorstufe zu einem Überfall auf Irak und Iran sein. Netanyahu spricht von der Umstrukturierung der Region in einen »Neuen Mittleren Osten« und liefert damit den USA, EU und NATO, was sie schon lange wollten. Hauptsache, die Störenfriede Hamas, Hisbollah, Assad und Syrien sind beseitigt, Iran und Russland wurden aus der Region zurückgedrängt. (…)“
Was den Irak betrifft, ist er ohnehin schon geteilt. Auf den unter Bagdads formeller Oberhoheit verbliebenen Irak könnte man schon einen Überfall machen, aber eher wird er bzw. der nördliche, unter US-Oberhoheit stehende Teil „nur“ als Aufmarschgebiet gegen den Iran verwendet werden.
(Nachdenkseiten, 16.12.)
„ … Das neue Syrien steht vor unermesslichen Herausforderungen. Fast 14 Jahre lang hat der Konflikt nicht weniger als die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen oder Flüchtlingen gemacht (ungefähr 23 Millionen im Jahr 2011, als der Konflikt begann), die dieser Tage überlegen, ob sie in ihre Heimat zurückkehren, warten oder im Aufnahmeland bleiben sollen. Der Krieg ließ 90 % der Bevölkerung in Armut zurück und verstärkte den Klientelismus und die systemische Korruption der Wirtschaftsstruktur.
Hinzu kommt das Wirrwarr ausländischer Interventionen, die den Syrienkrieg geprägt haben. Russische Soldaten ziehen ihre Truppen von verschiedenen Punkten ab, um sie auf ihre Stützpunkte zu konzentrieren, und im Nordosten kommt es weiterhin zu Zusammenstößen zwischen pro-türkischen islamistischen Rebellen und den Kurden, die wie Öl und Wasser sind.“
Damit ist gemeint, daß sie miteinender keinesfalls auskommen können.
„Die USA unterhalten fast tausend Soldaten, um die Kurden in der ölreichen Region zu schützen, Truppen, die der nächste Präsident, Donald Trump, nach seinem Amtsantritt am 20. Januar abziehen will. (…)“
Es werden ja weniger die Kurden geschützt als das Öl, auf das die USA sicherlich weiter die Hand draufhalten werden.
In der kurdischen Region gibt es weiterhin Lager mit Zehntausenden von IS-Flüchtlingen, hauptsächlich Frauen und Kinder, die niemand will – was wohl mit denen geschehen wird?
„Selten in der Geschichte hat sich in so kurzer Zeit so viel verändert. Brot zum Beispiel ist mittlerweile allgegenwärtig in den Händen von Passanten. Syrer, die in vom Regime kontrollierten Gebieten lebten (vor drei Wochen 70 % des Landes und fast alle größeren Städte), hatten eine Karte, mit der sie es zu einem subventionierten Preis kaufen konnten. Offensichtlich ist damit Schluß, also bereitet jeder das Bargeld in der Warteschlange vor, die zwischen einer und eineinhalb Stunden dauern kann.
Oder die Währung. Das Bezahlen mit Dollars hätte noch vor drei Wochen eine Gefängnisstrafe bedeuten können. Jetzt zahlen Syrer, die aus den Nachbarländern Libanon, Jordanien und der Türkei (wo sich die meisten Flüchtlinge aufhalten) zurückkehren, mit Dollar und türkischer Lira, was die lokale Währung in nur zwei Tagen um 20 % gestärkt hat.“
Eigenartig. Was hält das syrische Pfund überhaupt noch am Leben?
„Nach dem Sturz des Regimes notierte der Dollar bei 15.000 syrischen Pfund. An diesem Sonntag sind es nur mehr rund 12.000. (…)
Manchmal, wenn jemand zögert, frei über Politik zu sprechen oder seinen Namen zu nennen, erinnern ihn die anderen daran, dass er nichts mehr zu befürchten hat: Assad ist nach Moskau geflüchtet.
Aber es ist ein trügerisches Gefühl. Es gibt diejenigen, die zu Hause sind, ohne zu feiern oder zu lächeln. Wie Elias, der während des Krieges 4 Jahre lang in der syrischen Armee kämpfte. Niemand, stellt er klar, habe ihn gezwungen. Es geschah aus freien Stücken. »Nicht um Assad zu verteidigen, sondern weil ich mich als Christ (…) von anderen bedroht fühlte«, erklärt er. Jetzt hört er Kämpfer mit salafistischen Bärten oder dschihadistischen Symbolen auf der Straße oder in WhatsApp-Videos und fragt sich: »Denken diese Leute, dass auch ich in Syrien einen Platz habe?
Ja, mit Worten sagen sie, dass uns nichts passieren wird, aber tief in ihrem Herzen wollen sie Syrien in ein Land verwandeln, in dem islamisches Recht herrscht, und dass meine Frau sich nicht so kleiden darf, wie sie es tut.«
Ein anderer Christ, der sich lieber nur mit seinem Vornamen identifiziert (Georges), sagt, dass er ein Treffen in einem Hotel in Damaskus beruhigt verlassen habe.
Die Vertreter der neuen Behörden beharrten darauf, dass sie wollten, dass »alle Ruhe haben«, und versicherten ihnen, dass sie jeden Angriff gegen ihre Gemeinschaft verfolgen würden.
»Wir wollen nur Brot und Sicherheit, dass wir leben und unsere Kinder zur Schule bringen können und dass wir unsere Bräuche und Traditionen respektieren. Mehr nicht«, fügt er hinzu, während ein Auto mit Hupe und heruntergelassenen Fenstern vorbeifährt, während das Lied mit dem heutzutage trendigen Slogan spielt: “Hebe deinen Kopf, du bist ein freier Syrer.«“
Aber um Brot zu essen und Kinder in die Schule zu schicken, braucht es ja eine Wirtschaft, die das ermöglicht, oder?
„Jaramana am Stadtrand von Damaskus ist eine ursprünglich drusische Stadt, in der sich aufgrund der jüngeren Geschichte (irakische Flüchtlinge aus dem Krieg, der das Land nach der amerikanischen Invasion, die Saddam Hussein stürzte, verwüstete), und aufgrund einer Reform des Immobilienrechts andere Bevölkerungsgruppen angesiedelt haben.
Omar Masud gehört zu den ersten, die eine komplizierte Beziehung zum Assad-Regime hatten, die während des Krieges schwankte.
Als Angehöriger einer der kleinsten und gefährdetesten Minderheit betrachtet der 25-jährige Masud die neuen Führer mit dem gleichen Misstrauen. »Für mich sind beide Mörder.
Assad mordete unterirdisch (in Bezug auf die Saidnaja-Zellen und andere Militärgefängnisse, in denen Tausende syrische Oppositionelle starben) und die HTS unter freiem Himmel.«
Er ist besorgt darüber, dass HTS die kleineren, aber sehr fundamentalistischen Fraktionen, die an der Offensive beteiligt waren, »nicht kontrollieren kann« und holt sein Handy heraus, um in einem Video das Symbol auf dem Arm eines der Kombattanten zu zeigen, der soeben 2 Menschen auf den Knien in der Hitze der Offensive erschießt.
»Erkennen Sie das? Das ist das Symbol von Daesh (dem IS). Das meine ich. Wir haben nicht eine Diktatur abgeschüttelt, damit diese Bestien kommen.«
Diese Woche versuchte eine Gruppe sunnitischer Kämpfer, mit der Haltung von jemandem, der gerade die Oberhand hat, in die wichtige schiitische Moschee von Saida Zeinab einzudringen, wie in einem Video zu sehen ist. Sie liegt 10 Kilometer von der Hauptstadt entfernt und beherbergt das Grab von Zeinab ben Ali, einer von Schiiten auf der ganzen Welt verehrten Figur: Enkelin Mohammeds und Tochter Alis. »Was uns am meisten Sorgen bereitet, sind Gruppen, die eigenständig handeln«, sagt Ali Abu Hassan, einer der Scheichs dieses Ortes. »Es war ein langer und blutiger Krieg, es ist normal, dass man Angst hat.«
Die schwierige Aufgabe wird kurzfristig vom neuen Premierminister Mohamed Al Bashir geleitet. Er hat vorübergehend die Führung der Regierung übernommen, um einen Übergang bis März 2025 zu leiten.
Es ist eine Art Kopie von Idlib, der Rebellenhochburg, von der aus die Offensive begann. Dort übte er sein Amt aus, und zwar unter völlig anderen Bedingungen: Es war die Nordwestprovinz, in der drei Millionen Menschen zusammengedrängt lebten, zwei Drittel davon waren Vertriebene aus anderen Teilen des Landes. Und wo Hayat Tahrir El Sham begann, eine Art eigene Verwaltung aufzubauen (Ausstellung von Ausweispapieren, Einrichtung von Gerichten…) und dabei heimlich die Operation vorbereitete, – unterstützt von der Türkei, die bei Verhandlungen stets beteuerte, dass dort nichts los sei.
Er hat das islamische Recht in Idlib nicht streng durchgesetzt, aber HTS hat eine Geschichte von Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen und wird von den USA, die 10 Millionen Dollar für den Kopf von Al Julani ausgesetzt hatten, als Terrororganisation eingestuft. (…)“
Nicht streng durchgesetzt – was soll man sich darunter vorstellen? Ja oder nein?
„Darüber hinaus versucht Al Julani in einem Syrien, in dem Vater (Hafez) und Sohn (Bachar) Assad den Personenkult pflegten, (…) sein Profil herabzustufen, um nicht zum neuen Star zu werden, der die Muster des gestürzten Regimes wiederholt.
HTS hat in einer Erklärung darum gebeten, sein Gesicht nicht auf Autos, Wänden, Bannern oder Regierungsgebäuden zu plazieren. Außerdem trägt er jetzt seinen richtigen Namen und seine Zivilkleidung anstelle der Militärkleidung, die vorher sein Markenzeichen war.
In einer Art historischem Zusammenstoß weist der Kampfname al-Julani darauf hin, dass seine Familie aus den Golanhöhen stammt, dem Gebiet Syriens, das Israel im Sechstagekrieg 1967 einnahm und 13 Jahre später annektierte.
Heute haben israelische Truppen ihre Machtposition (…) ausgenutzt, um gegen das Waffenstillstandsabkommen von 1974 zu verstoßen. Sie dringen in einen Teil der entmilitarisierten Zone des Landes ein und nehmen den strategisch wichtigen Berg Hermon ein, wodurch Damaskus in Artilleriereichweite gelangt.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz wies bereits an diesem Freitag auf die »hohe Sicherheitsbedeutung« hin, die Kontrolle über Hermon zu behalten und »den Truppen zu ermöglichen, dort unter den schwierigen Wetterbedingungen« des Winters zu bleiben.
Israel startete außerdem an einem einzigen Tag die größte Operation in der Geschichte seiner Luftwaffe: Hunderte von Bombenangriffen, die die meisten strategischen Fähigkeiten der syrischen Armee zerstörten.
Mit der Flucht des zuverlässigen Assad – der zwar seinem Verbündeten Iran erlaubte, Waffen an die Hisbollah im Libanon weiterzugeben, aber gleichzeitig Israel Berechenbarkeit und eine sichere Grenze garantierte – hat Israel das Machtvakuum ausgenutzt, um die militärischen Fähigkeiten Syriens für die nächsten Jahrzehnte zu schwächen. Das Dröhnen der Jagdbomber am Himmel des Landes ist mittlerweile zur Konstante geworden.
Al Julani räumte an diesem Samstag laut indirekten Aussagen im nationalen Fernsehen ein, dass er weder im Konflikt mit Israel stehe noch „die Fähigkeit habe, einen Feldzug“ gegen den viel mächtigeren Nachbarn zu führen. Er wies aber darauf hin aber auch, dass Israel »nach dem Abzug der Iraner« und der Hisbollah-Miliz, die gekommen waren, um Assad im Krieg zu unterstützen, »keinen Vorwand mehr habe«, einzugreifen.
Dies war der Grund, warum Israel in den letzten Jahren Syrien in einem fort und ungestört bombardiert hat. Fast täglich seit Beginn des Krieges im Libanon, zwischen September und Dezember.
Das heißt, die nächste Regierung erhält ein Syrien ohne Kontrolle über sein gesamtes Territorium und eine Armee mit weniger als 10 % der ursprünglich vorhandenen strategischen Boden-Luft-Raketen. Das geht aus den Daten der israelischen Armee hervor, die betont, dass diese Zerstörung sehr nützlich sein könnte, um nun das iranische Atomprogramm zu vernichten.
Das ist ein Plan, der seit fast zwei Jahrzehnten auf dem Tisch von Benjamin Netanjahu liegt – aus Zeiten, als der Iran noch stärker und Israel schwächer war.“
(El País, 15.12.)
„Kurden fordern »Ende aller Militäreinsätze« in Syrien
Vertreter der autonomen kurdischen Gebiete im Nordwesten Syriens haben ein Ende aller Kämpfe in dem Land gefordert und der neuen Übergangsregierung in Damaskus die Hand ausgestreckt.
Der Vorsitzende des Exekutivrats Hussein Othman forderte am Montag in Raqqa »einen Stopp der Militäreinsätze auf dem gesamten syrischen Territorium, um einen konstruktiven, umfassenden nationalen Dialog zu beginnen«.“
Das richtet sich vor allem an Israel und die Türkei, der Ruf dürfte aber dort ungehört verhallen.
„Die »politische Ausgrenzung und Marginalisierung, die Syrien zerstört hat«, müsse ein Ende haben, sagte Othman weiter. Alle politischen Kräfte müssten »ein neues Syrien wieder aufbauen.« (…)
Othman forderte eine Dringlichkeitssitzung in Damaskus, um sich »auf die Standpunkte für die Übergangszeit zu einigen«. Er betonte auch die Notwendigkeit, »die Einheit und Souveränität der syrischen Gebiete zu wahren und sie vor den Angriffen der Türkei und ihrer Söldner zu schützen«.
Zugleich hatte die Türkei ihre Angriffe auf kurdisch kontrollierte Gebiete in Syrien wieder aufgenommen und die Einnahme von Manbij und Tal Rifaat verkündet. Am Mittwoch erklärten kurdische Kämpfer, in Manbij eine von den USA vermittelte Waffenruhe mit der Türkei vereinbart zu haben.“
(Standard, 17.12.)
Reportage aus Rakka:
„Nachts sieht Raqa aus wie Kabul oder Bagdad in ihren schlimmsten Zeiten. Doch mit dem Sonnenaufgang verwandelt sich die Stadt.
Jahre sind vergangen, seitdem es Schauplatz dschihadistischen Grauens war. Heute bahnt sich das Leben seinen Weg durch die Straßen, voller Menschen. Am Morgen öffnen die Geschäfte zuallererst ihre Jalousien und der Verkehr verstopft die Stadt.
Es besteht allerdings ein deutlicher Unterschied zu den Tagen vor dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad: Die Angst vor einem Angriff der türkischen Armee und ihrer Verbündeten wie der Syrischen Nationalarmee, die in den letzten Wochen Gebiete im Norden Syriens von den DKS (Demokratische Kräfte Syriens) erobert haben, ist gestiegen. Strategisch wichtige Städte wie Manbidsch und Tel Rifat gingen verloren.
Die Zivilverwaltung der kurdischen Syrer (Rojava), die im Zuge des Bürgerkriegs in Syrien eine halbautonome Region im Nordosten des Landes errichten konnte und mehr als ein Drittel des syrischen Territoriums kontrolliert, ist alarmiert.
In den letzten Tagen erklärte Ankara, dass es die Absicht Ankaras sei, »das gesamte syrische Territorium zu besetzen und zu annektieren«.“
Das heftige Wehen der syrischen Fahne dürfte bald vorbei sein …
Es fragt sich allerdings, was andere Akteure auf dem syrischen Schachbrett dazu sagen, wie die Golfstaaten, Israel und die EU.
Mit den USA dürfte da einiges vereinbart worden sein …
Man kann allerdings auch die israelischen Bombardements so verstehen, daß damit der türkischen Armee Hindernisse aus dem Weg geräumt werden sollen.
„Verschiedene Quellen warnen, dass die türkische Offensive unmittelbar bevorstehen könnte.
Zu einer Zeit, in der die neue syrische Übergangsregierung eine Stabilisierung des Landes anstrebt, haben sowohl Israel – auf den Golanhöhen – als auch die Türkei in den von den DKS kontrollierten Gebieten mit Bombenangriffen begonnen und behaupten, damit ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.
Das Wall Street Journal zitierte am Dienstag hochrangige US-Beamte, wonach die türkischen Streitkräfte damit begonnen hätten, pro-türkische Soldaten und Milizsoldaten sowie unzählige Artilleriegeschütze in der Nähe von Kobane zu konzentrieren. Diese Stadt an der Grenze zur Türkei war die erste große Stadt, die 2015, die wenige Monate nach der Besetzung durch die Dschihadisten von den Kurden mit Unterstützung der USA vom IS zurückerobert wurde.
Die DKS halten ihr Bündnis mit den USA im Kampf gegen die Überreste des IS in Syrien aufrecht. Angesichts dessen reiste US-Außenminister Antony Blinken letzte Woche in die Türkei, um Zusicherungen einzuholen, dass Ankara die Operationen gegen kurdische Kämpfer reduzieren würde.“
Blinken hat hier nichts mehr zu melden:
„Allerdings scheiterten die von Washington vermittelten Waffenstillstandsgespräche zwischen den syrischen Kurden und den von der Türkei unterstützten Rebellen in Kobane am Montag ohne eine Einigung.
Ankara argumentiert, dass sowohl die Partei, die die autonome kurdische Einheit in Syrien regiert, als auch die Milizen dieser Region mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden sind und daher Terroristen sind, die nicht am Übergangsprozess nach dem Sturz des Regimes teilnehmen dürfen.
Was in Rakka und in ganz Syrien neu ist, ist die Zahl der Flüchtlinge, die in den letzten Tagen angekommen sind. Die ersten waren im gefürchteten Fußballstadion untergebracht, das in der Vergangenheit vom IS als Gefängnis und Folterzentrum genutzt wurde. Mittlerweile wurde es in ein primäres provisorisches Unterbringungszentrum, vor allem aber in ein Lager- und Verteilungszentrum für Lebensmittel umgewandelt.“
Weitere Informationen aus Rakka sind, daß dort an die Flüchtlinge einmal täglich Essen verteilt wird und daß die Leiter der DKS-Verwaltung in verschiedenen Gebäuden verteilt sind, um Anschlägen des IS zu entkommen, der in Form von Schläferzellen immer noch sehr präsent in Rakka ist.
————–
Reportage aus Kobane:
„Im bombardierten Kobane
Kobane ist eine weitere strategische Stadt, deren Zukunft ungewiss ist. Es ist inzwischen halb leer, viele seiner Bewohner sind aus Angst vor türkischen Kampfflugzeugen geflohen. »Im Schnitt gibt es 20 Bombenanschläge pro Tag«, sagt Salah, der Polizeichef von Kobane. »Außerdem gibt es aktive IS-Zellen, nicht innerhalb der Stadt, sondern in deren Umgebung«. Er versteckt sich in einem Keller, um sich vor möglichen Drohnenangriffen zu schützen. »Wenn Sie heute abreisen möchten, können Sie nicht nachts reisen. Es ist nicht sicher« sagt er.
Mittlerweile ist das ehemalige Flüchtlingslager verschwunden und die verbliebenen Flüchtlinge wurde fast vollständig evakuiert.
»Du kannst durch das Tor mit der Fahne fahren, aber halte nicht an, denn sie könnten dich erschießen«, warnt ein Bürger. Gemeint ist damit der Metallzaun, der die Grenze zwischen der kurdischen Bastion und der Türkei markiert und an dessen Ende eine große türkische Flagge zu sehen ist.“
Die ehemals türkisch-syrische Grenze ist offenbar nicht mehr aktuell, weil sich die Türkei auch hier bereits syrisches Territorium einverleibt hat.
„Mittlerweile finden in dieser kurdischen Stadt täglich Beerdigungen statt. Am Samstag wurden 8 Soldaten durch einen Drohnenangriff getötet und auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.
In der Ferne fuhr ein Lieferwagen mit Musik und Parolen acht Krankenwagen voraus, die mit eingeschalteten Sirenen unterwegs waren. In jedem von ihnen schrien die Ehefrauen, Mütter und Töchter jedes Soldaten untröstlich über den jüngsten Verlust.
Als die Krankenwagen am Eingang des Friedhofs anhielten, trug eine Gruppe Männer die Särge eine Allee entlang, die an einer Kanzel endete. Dort deponierten sie die sterblichen Überreste und die Beerdigungszeremonie begann. In diesem Moment brach unter den Anwesenden Schmerz aus, die über den Verlust ihrer Lieben schrien und weinten.
Das syrische Schachbrett birgt noch viele Ungewissheiten, aber eine der wichtigsten ist, ob die syrischen Kurdenmilizen auch in Zukunft die Kontrolle über Rakka, Kobane und die Gefängnisse behalten werden, in denen noch zwischen 10.000 und 12.000 Mitglieder des IS inhaftiert sind. Dazu kommen noch die Lager Al-Roj und Al-Hol, wo ihre Frauen und Familien sowie 25.000 Kinder und Jugendliche leben.“
Angeblich sind allein in Al-Hol 50.000 Personen inhaftiert, in Al-Roj weniger.
(El País, 18.12.)
„Assad dementiert seine Fluchtabsicht – und keiner will ihm glauben
Der abgesetzte Machthaber behauptet, er habe nie vorgehabt, Syrien zu verlassen: Die Entscheidung sei in Moskau getroffen worden
Es kam eher überraschend, dass Syriens geflohener Machthaber, Bashar al-Assad, noch meinte, seinen Ruf retten zu müssen. Über die Authentizität seines Statements zu Wochenbeginn auf Telegram wurde noch kurz gerätselt, die darin abzulesende Realitätsverweigerung und Paranoia waren jedoch typisch für ihn. Viele Syrer und Syrerinnen würden auch sagen: Die Lügerei ist typisch. Assad widerspricht Berichten, dass er sich bei Nacht und Nebel, ohne auch nur seine Familie und engsten Vertrauten zu informieren, aus Syrien davongeschlichen habe. (…)“
(Standard, 19.12.)
Dabei dürfte er schon die Wahrheit sagen – er mußte offenbar von den Russen darüber aufgeklärt werden, wie wenig Rückhalt er im Land hat.
Eine Reportage aus Jarmuk, dem Stadtteil von Damaskus, wo die Palästinenser lebten, die seit der Nakba hier geflüchtet waren:
„»Die palästinensischen Fraktionen übergaben ihre Waffen und verschwanden, als die Milizen aus Nordsyrien das Lager betraten«, verrät der 86-jährige Shaabi (einer der noch übriggebliebenen Bewohner). Hamas-Islamisten waren schon vorher Verbündete von Hayat Tahrir al Sham (HTS), aber viele zogen in den Gazastreifen.“
– vom Regen in die Traufe –
„Die Fatah-Nationalisten, die seit einem halben Jahrhundert mit der Assad-Familie im Zwist lagen, haben Syrien längst verlassen, und die Linken der Volksfront zur Befreiung Palästinas, die eng mit dem Regime kooperierten, scheinen vom Erdboden verschluckt zu sein. (…)“
3 Männer zwischen 75 und 86, die der spanische Reporter befragt,
„gehören zu den 6.000 Einwohnern, die inmitten von Ruinen und Verlassenheit in der Enklave am Rand von Damaskus, in der einst mehr als 150.000 Palästinenser lebten, immer noch da sind.(…)
Jarmuk wurde erstmals 2013 belagert, zwei Jahre nach Beginn des Konflikts (in Syrien), als die meisten Palästinenser aufgrund des Krieges bereits in andere Gebiete der Hauptstadt gezogen waren oder das Land verlassen hatten. Die Aufständischen übernahmen sofort das Flüchtlingslager.
Dann erstarkte der IS auf seinen Straßen und vertrieb die Nusra-Front, den Al-Qaida-Ableger, aus dem die HTS-Kommandeure stammen, mit Waffengewalt. Zwischen 2015 und 2018 verwandelten Regierungsflieger und Artillerie Jarmuk in ein Kriegsgebiet, indem sie Fassbomben abwarfen und Haubitzen abfeuerten.
Hungersnot, Krankheit und Elend dezimierten die wenigen Überlebenden.
Etwa eine halbe Million Palästinenser lebten vor dem Konflikt in Syrien, innerhalb der Diaspora von mehr als 5 Millionen, die offiziell von der UNRWA, der UN-Agentur für palästinensische Flüchtlinge, registriert sind.
Gegenüber der Einschränkungen, denen sie in anderen Ländern wie dem Libanon ausgesetzt sind, haben die Erben der Nakba (auf Arabisch wörtlich »Katastrophe«) in Syrien fast die gleichen Rechte, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und des Wahlrechts, wie syrische Staatsbürger.“
„Hatten“, muß man hinzufügen. Gegenwärtig kann man dergleichen überhaupt nicht mit Sicherheit sagen.
„Jarmuk war eines der größten Flüchtlingslager im Nahen Osten. Es entwickelte sich seit 1950 von einem provisorischen Zeltlager zu einem Wohn- und Geschäftsviertel im Süden der Hauptstadt. (…)
Nach mehr als einem Jahrzehnt der Zerstörung ist die palästinensische Enklave in Vergessenheit geraten. »Selbst die Friedhöfe wurden dem Erdboden gleichgemacht, wir können nirgends unsere Toten bestatten«, beklagt Shaabi.
Dutzende Palästinenser, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind, kehren nach der Flucht Assads zum ersten Mal seit zwölf Jahren nach Damaskus zurück, um die Gräber ihrer Vorfahren zu rehabilitieren und ihre Häuser wieder zu übernehmen, sofern sie noch stehen und reparierbar sind.“
(El País, 21.12.)
„Aktivisten: Schwere Kämpfe bei Kobane in Nordsyrien
Im Norden Syriens kommt es Aktivisten zufolge weiter zu schweren Gefechten zwischen pro-türkischen Kräften und Kurdenmilizen. Besonders um die Stadt Kobane unweit der Grenze zur Türkei gebe es weiterhin heftige Zusammenstöße, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Kämpfer der von der Türkei unterstützen Syrischen Nationalen Armee (SNA) und Verbündete versuchten, Kobane unter ihre Kontrolle zu bringen, hieß es. Im Kampf mit den kurdisch angeführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) seien auch türkische Drohnen im Einsatz gewesen. Die SDF bestätigten die Kämpfe.
Auch in der Gegend um Rakka hat es nach Angaben der Beobachtungsstelle türkische Drohnenangriffe gegeben. Dabei soll es auch Opfer gegeben haben.
Der Türkei wird vorgeworfen, das Machtvakuum in Syrien nutzen zu wollen, um die unter Verwaltung kurdischer Milizen stehenden Gebiete im Norden des Landes zu zerschlagen. Die Kurden und die SDF werden von den USA unterstützt. Während die SDF für die USA ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien sind, sieht die Türkei die Miliz als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und damit als Terrororganisation.“
—————
Sieh da, die Russen haben sich schon an die Übersiedlung gemacht:
„Libyscher Regierungschef: »Haben Bedenken, dass internationale Konflikte nach Libyen verlagert werden«
Nach Berichten über eine mögliche Verlegung russischer Waffen nach Libyen nach dem Sturz von Machthaber Bashar al-Assad hat der libysche Regierungschef Abdulhamid Dbeibah gewarnt, dass sich sein Land in ein »Schlachtfeld« verwandeln könnte. »Wir haben Bedenken, dass internationale Konflikte nach Libyen verlagert werden und das Land zu einem Schlachtfeld wird«, so Dbeibah vor Journalisten.“
War ja vor nicht allzu langer Zeit schon einmal so.
„In den vergangenen Tagen hatte es Berichte gegeben, wonach russische Streitkräfte militärische Ausrüstung vom russischen Marinestützpunkt Tartus und dem russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Syrien in den Osten Libyens verlegen, wo Russland seit Jahren eine rivalisierende Regierung unterstützt.
Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto hatte zuvor erklärt, dass »Moskau Ressourcen von seiner syrischen Basis in Tartus nach Libyen transferiert«. »Das ist keine gute Sache«, sagte Crosetto am Mittwoch der Zeitung »La Repubblica«. Russische Schiffe und U-Boote im Mittelmeer seien »ein Grund zur Besorgnis, vor allem, wenn sie nur ein paar Schritte von uns entfernt sind«, fügte er hinzu.“
(Standard, 21.12.)
Historischer Rückblick aus der alten MSZ von 1986: Wie in Syrien alles anfing:
https://msz.gegenstandpunkt.com/sites/msz8/files/artikel/pdf/86_10_syrien.pdf
Aktuelle Darstellung, wofür die Ereignisse in Syrien in der BRD im Dezember 2024 instrumentalisiert werden:
https://nestormachno.alanier.at/pinnwand-zu-heissen-themen-3/#comment-88910
Na, wenn Leser hier einen Artikel von 1986 postet, so erinnere ich an das etwas neuere Interview, das Baschar Al-Assad vor 8 Jahren gegeben hat.
Reportage aus Homs:
„Beamte verdienen weniger als 30 Euro im Monat und in der Privatwirtschaft sind die Gehälter nicht viel höher. Mehrere Jobs zu haben ist die Norm.“
Diese verschiedenen Jobs muß man erst einmal finden, nimmt man an …
„90% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, und jeder vierte Syrer lebt in extremer Armut, und das in einem Land, in dem das für den Lebensunterhalt einer Familie erforderliche Einkommen auf 200 bis 300 Euro pro Monat geschätzt wird.
Damit das neue Syrien nicht vor Hunger zusammenbricht, haben die neuen Behörden versprochen, die Gehälter ab Januar zu erhöhen. Die Wirtschaftskrise im Libanon, wo viele Syrer während des Krieges ihre Ersparnisse deponiert hatten, und die Kontrolle der Ölfelder durch die von Washington unterstützten kurdischen Milizen haben die Staatskassen eines seit mehr als einem Jahrzehnt ruinierten Landes geleert.
Ohne die Aufhebung der Sanktionen der USA und der EU gegen das Regime wird eine Wiederbelebung des todkranken Patienten kaum möglich sein.“
Es ist interessant, daß die Sanktionen bestehen bleiben, die sich ja gegen das Assad-Regime gerichtet haben.
Jetzt ist es weg, die Sanktionen bleiben aber.
Offensichtlich ist in der Freien Welt niemand daran interessiert, daß Syrien wieder irgendwie auf die Füße kommt.
Das paßt zusammen mit den Bombardements Israels.
„Neben vielen anderen Bedürfnissen müssen mehr als 8.000 Schulen saniert und ein Drittel des Gesundheitssystems wieder in Betrieb genommen werden, damit Syrien kein gescheiterter Staat mehr ist.“
An solchen Bemerkungen kann man noch erahnen, was für ein geordnetes und relativ wohlhabendes Land Syrien einmal war.
Und was seitdem in andere Kassen bzw. Taschen geflossen ist.
„Die Kosten für den Wiederaufbau des arabischen Landes werden enorm sein. Die Zentralbank hat bestätigt, dass die 26 Tonnen Gold (entspricht etwa 2,2 Milliarden Dollar oder rund 2,1 Milliarden Euro), die 2011 in ihrem Safe deponiert sind, noch vollständig vorhanden sind.“
Da ist ja noch etwas zu holen – man denke an die Aktion Javier Mileis in Argentinien, der vor einigen Monaten einen Großteil des argentinischen Goldschatzes abtransportieren ließ, um beim IWF etwas Luft vor dem drückenden Schuldendienst zu erwirken.
„Von den 14 Milliarden Dollar an Devisenreserven, die im gleichen Jahr vom IWF registriert wurden, sind nur noch ein paar Hundert Millionen übrig.
Schätzungen aus dem Jahr 2020 gehen davon aus, dass mindestens 250 Milliarden Dollar, fast 240 Milliarden Euro, nötig wären, um die schwersten Kriegsschäden zu beheben.
»Mit dem, was ich im Libanon sparen konnte, werde ich mein Haus in Bab Amro wieder aufbauen. Aber zuerst muss ich nach Sidon zurückkehren, um meine Frau und meine fünf Kinder zu holen und meine Angelegenheiten zu regeln«, räumt Ahmed Bizan ein, ein 44-jähriger Transportunternehmer, der ebenfalls in Bab Amro lebt. »Ich hoffe, dass wir gemeinsam ein neues Syrien aufbauen können«, wünscht er sich, »denn ohne Demokratie und Wohlstand müssen wir Homs wieder verlassen.«“
(El País, 23.12.)
Dieser Artikel ist von leisen Zweifeln durchzogen, ob der Wiederaufbau Syriens auch gelingen wird – in der einstigen Industriemetropole Syriens.
Israeli strike targets facilities in Syria's Aleppo, state TV says
An Israeli strike targeted military facilities at Safira town in Syria's Aleppo, Syrian state television reported early on Friday.
(Jerusalem Post, 2.1.)
Israel greift Verteidigungsfabriken und Forschungszentrum in Aleppo an
Israelische Flugzeuge starteten Raketenangriffe auf Verteidigungsanlagen und Waffendepots im Gebiet Es-Safir. Das berichtete das libanesische Nachrichtenportal Naharnet, schreibt TASS.
Darüber hinaus griffen Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe ein Forschungszentrum am Stadtrand von Aleppo an. Die Einzelheiten des Vorfalls werden nicht genannt. Über Opfer oder Schäden wurden keine Angaben gemacht.“
(Lenta.ru, 2.1.)