DIE KURDISCHE PKK BEGINNT EINEN HISTORISCHEN ENTWAFFNUNGSPROZESS
Kämpfer der bewaffneten Gruppe verbrennen ihre Waffen im Irak. Die türkische Regierung betrachtet dies als einen »unumkehrbaren« Schritt auf dem Weg zum Frieden
Mit einer symbolträchtigen Kapitulationszeremonie und dem Verbrennen von Waffen hat die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihre Entwaffnung begonnen: ein wichtiger Schritt im historischen Prozess, der mit der türkischen Regierung ausgehandelt wurde, um den über 4 Jahrzehnte andauernden Konflikt zu beenden, der über 40.000 Menschenleben gefordert hat.
Quellen innerhalb der türkischen Regierung sind der Ansicht, der Friedensprozess befinde sich damit auf einem »unumkehrbaren« Weg zur Lösung.“
Man beachte auch die Namesgebung der PKK: Sie bezeichnete sich als „Arbeiterpartei Kurdistans“, was im ersten Teil auf ein sozialistisches Programm hinwies und keineswegs alle Mitglieder der kurdischstämmigen Bevölkerung ansprechen sollte. Die PKK steht daher von Anfang an im Gegensatz zu den stammesmäßig organisierten Eliten des irakischen Kurdistans.
Zweitens aber „Kurdistans“, und das heißt, daß sie sich auf ein Gebiet bezog, das sich weit außerhalb der Grenzen der Türkei erstreckt und daher auch die Regierungen und Behörden der benachbarten Staaten beunruhigte.
Dennoch gewährte noch Hafiz Al-Assad ihm eine Zeitlang Zuflucht in Syrien, wahrscheinlich mit der Vorstellung, damit die PKK ein Stück weit kontrollieren und für die Interessen Syriens einsetzen zu können.

„Die Veranstaltung fand diesen Freitag in der Nähe einer Höhle in der Provinz Sülejmanija in der Autonomen Region Irakisch-Kurdistan statt.
Dort versammelten sich rund dreißig PKK-Kämpfer, darunter mehrere Kommandeure, die unter Aufsicht irakischer Sicherheitskräfte Kalaschnikows, Raketenwerfer und andere Langwaffen in einen Kessel legten und in Brand setzten. »Wir haben unsere Waffen in Ihrer Gegenwart freiwillig zerstört, als Zeichen unseres guten Willens und unserer Entschlossenheit«, hieß es in einer Erklärung, die die Kommandantin Bese Hozat auf Türkisch und der Anführer der bewaffneten Gruppe, Nedim Seven, auf Kurdisch vorlas.
Sie betonten ihre Unterstützung für den im Februar verkündeten Friedensaufruf des Gründers und ideologischen Führers der PKK, Abdullah Öcalan, der seit 1999 auf einer türkischen Insel inhaftiert ist.
Die Kommandanten betonten, dies sei ein Schritt vom bewaffneten Kampf hin zu »legalen und demokratischen Methoden« der Politik. Im Gegenzug erwarteten sie von der türkischen Regierung die Umsetzung von Gesetzen, die die »demokratische Integration« der Kurden fördern. »Angesichts des zunehmenden faschistischen Drucks und der Ausbeutung weltweit sowie des Blutvergießens im Nahen Osten braucht unser Volk mehr denn je ein demokratisches, gleichberechtigtes, freies und friedliches Leben. In diesem Kontext liegt die Bedeutung und Dringlichkeit unseres Schrittes«, heißt es in der Erklärung weiter.

An der Veranstaltung nahm auch eine große Delegation von Mitgliedern der Zivilgesellschaft und der Partei für Gleichheit und Demokratie des Volkes (DEM), der wichtigsten legalen pro-kurdischen Partei in der Türkei, teil.
Die Vorbereitung des Entwaffnungsprozesses wird von den türkischen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit ihren irakischen und kurdisch-irakischen Sicherheitspartnern überwacht, mit deren Regierungen Ankara gut zusammenarbeitet.“
Einer der Gründe für die Kapitulation der PKK ist offensichtlich, daß die kurdische Führung im irakischen Kurdistan – die Barzani– und Talabani-Clans – der PKK die Unterstützung entzogen haben und mit den türkischen Behörden, vor allem dem Militär, kooperieren.
Dazu kommt, daß das irakische Kurdistan de facto ein vom Irak abgespaltener Staat unter US-Schutzherrschaft ist und daher dem Führungsanspruch der PKK Fakten entgegensetzen kann. „Kurdistan“ sind wir!
Die Veranstaltung am Freitag war sorgfältig choreografiert, um sicherzustellen, dass sich die bewaffnete Gruppe durch die auf dem Verhandlungsweg zustandegekommene und hiermit öffentlich gemachte Kapitulation nicht gedemütigt fühlt: Ankara hat sich nämlich im Austausch für die Auflösung und Entwaffnung der PKK zu nichts Konkretem verpflichtet, doch den kurdischen Militanten blieben nicht viele andere Optionen, nachdem das türkische Militär dank seiner militärisch-industriellen Fortschritte im vergangenen Jahrzehnt praktisch alle Aktivitäten der PKK in der Türkei neutralisiert hatte.“
Nicht nur die Bewaffnung, auch die Diplomatie hat das Ihrige dazu beigetragen, siehe oben.
Was die „militärisch-industriellen Fortschritte“ betrifft, so bezieht sich der Autor offensichtlich auf die ständige Erweiterung und Weiterentwicklung der Drohnenproduktion, die es ermöglicht hat, die Kämpfer der PKK überall auszuspionieren und dann mit gezielten Militärschlägen – sowohl mit Drohnen als auch durch Bombardements durch Flugzeuge – praktisch zu vernichten.
„Wenngleich die Führung der bewaffneten Gruppe die Auflösung auf ihrem Kongress im Mai einstimmig akzeptierte, ist bekannt, dass es innerhalb der PKK einige gibt, die dem Prozess misstrauisch gegenüberstehen. Daher besteht stets die Gefahr von Spaltungen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Israel angeboten hat, den bewaffneten Kampf der Kurden in Syrien und der Türkei zu unterstützen, um seine Gegner zu schwächen, wie Öcalan bei einem Treffen mit einer DEM-Delegation im April warnte (dessen Notizen an die Presse durchgesickert sind).
Andererseits wollen sie auch das vermeiden, was die türkischen Medien als »Show« oder »Provokation« bezeichnen, um den türkischen Nationalismus nicht weiter zu schüren, da ein Teil der türkischen Gesellschaft Verhandlungen mit einer Organisation missbilligt, die als terroristische Vereinigung gilt.
Dies gilt insbesondere in einer Woche, in der 12 türkische Soldaten in einer Höhle im Nordirak an einer Methanvergiftung starben, als sie nach der Leiche eines anderen Soldaten suchten, der 2022 bei einer Operation gegen die PKK ums Leben kam.
Allerdings ist dieser Schritt rein symbolisch, weil die PKK verfügt über ganz andere Waffenlager als diese öffentlich vernichteten Waffen.
Für eine vollständige Entwaffnung muß der türkische Staat also tatsächlich Vorleistungen erbringen.
„Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnete die Waffenvernichtung der PKK in einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X als »wichtigen Schritt« auf dem Weg zu einer »terrorismusfreien Türkei«. Er betete darin auch um Gottes Hilfe für einen Prozess, dessen Ziel es sei, »die Sicherheit des Landes zu gewährleisten« und »einen dauerhaften Frieden in der Region« zu schaffen.
Türkische Regierungsquellen erklärten, der Beginn der Waffenabgabe markiere einen »unumkehrbaren Wendepunkt« im Prozess und die Türkei sei »zu allen Bemühungen um Abrüstung, Stabilität und dauerhafte Versöhnung in der Region verpflichtet«. Im Plan der Exekutive ist diese Abrüstung der dritte Schritt nach dem Aufruf zu Verhandlungen der Regierungskoalition im Herbst und dem Aufruf Öcalans zur Auflösung der PKK im Februar (der vom PKK-Kongress positiv aufgenommen wurde).
Der Prozess der »Entwaffnung und Beschlagnahmung« der Waffenarsenale der PKK und der »Auflösung ihrer bewaffneten Strukturen« werde mehrere Monate dauern, heißt es in Ankara. Anschließend sollen zwei weitere Schritte zur Reintegration der kurdischen Guerillamitglieder und längerfristig zur Versöhnung der betroffenen Gemeinschaften folgen.
Die Regierung hat die PKK-Mitglieder zur Kapitulation aufgefordert, da diejenigen, die keine Blutverbrechen begangen haben, begnadigt werden und keine Gefängnisstrafen zu erwarten haben.
Eine weitere, heikle Frage ist, was mit denjenigen Militanten geschehen wird, die nachweislich getötet haben, da die Türkei beabsichtigt, sie strafrechtlich zu verfolgen.
Der Regierung von Recep Tayyip Erdoğan nahestehende Medien haben jedoch die Möglichkeit angedeutet, ihnen in Drittländern Zuflucht zu gewähren.
Die Entwicklung der PKK
Die PKK wurde 1978 gegründet, griff aber erst 1984 zu den Waffen gegen den türkischen Staat, nachdem sie andere rivalisierende kurdische Gruppen ausgeschaltet und ihr Anführer Abdullah Öcalan in Damaskus, Syrien, Zuflucht gefunden hatte.
Ursprünglich forderte die Gruppe die Unabhängigkeit Kurdistans – eines Gebiets, das sich über die Türkei, den Iran, den Irak und Syrien erstreckt –, gab diese Forderungen jedoch im Laufe der Jahre allmählich auf.“
Oder auch nicht, so genau läßt sich das nicht feststellen.
„Zunächst erklärte sie sich für Autonomie,“
– in der Türkei, aber dieses Konzept gewann mit der Etablierung der Autonomie in Syrien sozusagen Substanz und bedrohte dadurch die territoriale Integrität der Türkei –
„dann für das vage Konzept des »demokratischen Konföderalismus« und in jüngerer Zeit für das Versprechen einer »demokratischen Gesellschaft«, die die Türken und Kurden der Türkei als »Gründervölker« der Nation integriert.“
Damit ist angesprochen, daß der Separatismus und jede Form lokaler Selbstverwaltung als Forderung aufgegeben, und auch die Vereinigung mit anderen kurdischen Gebieten nicht mehr angestrebt wird.
„Von ihrem anfänglichen Guerillakrieg ging die PKK zu Angriffen auf Städte über, worauf die türkische Regierung mit einer Strategie der verbrannten Erde – der Räumung Hunderter Ortschaften und der Vertreibung ihrer Bewohner – und einem schmutzigen Krieg reagierte, der in 4 Jahrzehnten Konflikt Zehntausende Tote und Tausende Vermisste forderte.
Die PKK nutzte die Instabilität in der Region zudem aus, um – nach dem Ersten Golfkrieg“
– gemeint ist der 2. Golfkrieg von 1991, der erste, zwischen Iran und Irak, dauerte ca. 8 Jahre und endete 1988 –
„ihre Stützpunkte auf den Nordirak auszuweiten und Verbündete im Iran (die PJAK) und in Syrien zu gründen: die PYD und ihre YPG-Milizen, die während des dortigen Bürgerkriegs sehr aktiv waren und parallel zum Friedensprozess in der Türkei nun Gespräche mit der neuen Regierung in Damaskus über eine Integration in den syrischen Staat aufgenommen haben.“
Auch in Syrien wird also das Autonomieprojekt zumindest Gegenstand von Verhandlungen.
Mit der Entwicklung in Syrien und dem Sturz Baschar Al-Assads verlor die PKK also auch ihre Unterstützung in Rojava.
„Die PKK sowie ihre Tochter- und Schwesterorganisationen (sowohl zivile als auch bewaffnete) sind in einer vielschichtigen Struktur mit mehreren Entscheidungsträgern organisiert. Die hierarchische Struktur und der Personenkult um Öcalan, der aus den maoistischen Wurzeln der PKK stammt,“
– so ein Unsinn.
Der „Personenkult“, was immer man darunter verstehen mag, ist die logische Folge eines „Volkes ohne Staat“, das sich mangels Grenzen und Gewaltmonopol um eine Integrationsfigur schart.
„haben es dem Gründer jedoch ermöglicht, einen starken Einfluss auf die Anhänger und Sympathisanten der PKK auszuüben und trotz seiner Inhaftierung seit 1999 eine wichtige Rolle bei den Friedensverhandlungen zu spielen.
Dies ist nicht der erste Versuch eines Friedensprozesses zwischen Ankara und der bewaffneten Gruppe, aber er ist derjenige, der am weitesten fortgeschritten ist: Frühere Versuche scheiterten an der Zustimmung zur Auflösung oder zur Abgabe der Waffen.“

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Eine gewichtige Stimme meldet sich zu der Sache:
„Bahçeli lobt PKK-Entwaffnung: »Schritt von historischer Bedeutung«
Nach der symbolischen Waffenabgabe der PKK hat MHP-Chef Devlet Bahçeli den Schritt als „historisch“ begrüßt. Er würdigte das Einhalten von Öcalans Friedensaufruf und lobte Regierung und Opposition gleichermaßen für ihren Beitrag.
Nach der symbolischen Entwaffnungszeremonie der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat der Vorsitzende der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, in einer ersten Reaktion das Vorgehen als „historisch“ bewertet. Besonders hob er hervor, dass der inhaftierte PKK-Begründer Abdullah Öcalan mit der Initiative sein Versprechen eingelöst habe.
»Tatsächlich erleben wir gegenwärtig Tage von außergewöhnlicher Bedeutung – für die Türkei ebenso wie für die gesamte Region«, erklärte Bahçeli in Ankara. Der Rückzug der PKK aus dem bewaffneten Kampf sei ein Beleg dafür, dass die Organisation »im Einklang mit dem Aufruf für Frieden und demokratische Gesellschaft vom 27. Februar« sowie den Beschlüssen ihres 12. Kongresses vom Mai 2025 nun ihre Strukturen auflöse und zur Entwaffnung schreite.
»Wie zuletzt in seiner Videobotschaft deutlich wurde, hat der Gründungsführer der PKK sein Wort gehalten, seine Zusagen eingehalten und die globalen und regionalen Bedrohungen rechtzeitig erkannt«, sagte Bahçeli mit Blick auf Abdullah Öcalan.
Der Vorsitzende der ultranationalistischen MHP, die in der Regierungskoalition mit der AKP steht, lobte zugleich die Rolle von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner Regierung. Sie hätten, so Bahçeli, die Linie einer »terrorfreien Türkei« von Beginn an konsequent verfolgt und den Prozess mitgetragen. Auch die DEM-Partei erwähnte er ausdrücklich – positiv. Sie habe mit einem »verantwortungsbewussten und ausgewogenen Kurs« zur Stabilität beigetragen und damit „ihren Platz an der Seite einer gemeinsamen Zukunft“ eingenommen.
»Ein neuer Abschnitt beginnt«
Mit Blick auf die nächsten Schritte sagte Bahçeli, man befinde sich nun am Beginn einer neuen Ära. Gruppenweise Übergaben von Waffen seien zu erwarten. »Ein dunkles Kapitel beginnt sich zu schließen«, so der MHP-Chef. Gleichzeitig warnte er vor möglichen Versuchen, die positive Entwicklung zu untergraben. »Politisch motivierte Kreise, die auf Provokation, Verleumdung und Verweigerung setzen, werden angesichts des wachsenden Klimas der Hoffnung und des Friedens enttäuscht sein.«
Bahçeli spricht von Meilenstein
Die aktuellen Entwicklungen seien ein Wendepunkt, so Bahçeli weiter: »Was wir erleben, ist ein Meilenstein, der das kollektive Gewissen der Gesellschaft mit Zuversicht erfüllt.« Zum Abschluss bedankte er sich bei allen, die zu diesem Prozess beigetragen haben und wünschte der Bevölkerung eine friedliche neue Phase.“
Wer sich noch weiter für die Türkei interessiert, sei auf die sehr ausführlichen Radiosendungen mit Max Zirngast verwiesen:
Parteien, Innenpolitik, Verfassung: https://cba.media/448949
Parteienkonkurrenz, die Kurden und die Debatte um den Völkermord an den Armeniern, das Aghet: https://cba.media/450725
Der Völkermord an den Armeniern, Nordzypern und der Konflikt in Syrien: https://cba.media/452301 und
https://cba.media/462106
Außerdem ist auch an das einige Jahre zurückliegende Ende einer anderen bewaffneten Truppe zu erinnern.