„MILEIS KETTENSÄGE BLEIBT STECKEN: ARGENTINIENS WIRTSCHAFTSWUNDER DROHT ZUM ALBTRAUM ZU WERDEN
Angesichts himmelhoher Zinsen und Reserven im Minus fällt es Argentiniens rechtsextremem Präsidenten zunehmend schwer, seine Haushaltskonsolidierung aufrechtzuerhalten“
El País legt Wert darauf, Milei stets als „rechtsextrem“ zu titulieren, damit man weiß, daß das kein Guter ist.
Es ist der Zeitung, die sich seinerzeit als Sprachrohr des Übergangs zur Demokratie in Spanien begriff, sehr angenehm, das Scheitern Mileis festzustellen.
Das Wichtige ist dabei allerdings, so schöne Begriffe wie „Haushaltskonsolidierung“ hochzuhalten: Das wäre ja gut, aber doch nicht soooo!
„»Die Welt spricht über Argentiniens Wirtschaftswunder!«, jubelte Javier Milei im vergangenen August vor 100 Wirtschaftsführern auf der Konferenz des Amerika-Rates (Consejo de las Américas) in Buenos Aires. »Alle sehen es, außer den Argentiniern«, klagte er sofort, sich des Mißtrauens seiner Zuhörer bewußt, bei denen er um Investitionen bettelte.
Der rechtsextreme Politiker war seit 8 Monaten Präsident und prahlte damit, »die größte Haushaltskonsolidierung der Menschheitsgeschichte« durchgeführt zu haben.“
Abgesehen vom Gegenstand, sollte man immer dann mißtrauisch werden, wenn etwas ein Jahrhundert-Ereignis oder gleich eines „der Menschheitsgeschichte“ ist – da kreißen Berge und Mäuschen werden geboren.
„Es waren Zeiten der Euphorie und übertriebener Phrasen: Er hatte einen Haushaltsüberschuß erzielt, die Inflation war von 20% monatlich im Januar auf unter 5% im Juni gesunken, die Wirtschaft sollte im 3. Quartal um fast 4 % wachsen – nach einem Rückgang von 1,8 % im ersten Quartal – und der private Konsum florierte, beflügelt durch die Rückkehr der Kredite und einen billigen Dollar.“
Ein Teil des Erfolges beruhte also sowieso auf Prophezeiungen, die billig zu haben sind, wie den 4% Wachstum – die dann natürlich nicht eingetreten sind.
Man merkt, wie heute Erfolgsmeldungen generiert werden.
„Wirtschaftsminister Luis Caputo war »ein Koloss«, und seine Kritiker waren »Econochantas« [= ökonomische Scharlatane] und »arschgefickte Mandrille«.“
Der Verfall des politischen Diskurses ist beachtlich. Von politischer Korrektheit verfielen manche neuen Politstars in das andere Extrem.
„Doch die Zeiten haben sich sehr schnell geändert. Ein Jahr nach diesem festlichen Ereignis kracht und ächzt das Wunder von Milei.
Im Dezember 2023 übernahm die rechtsextreme Regierung ein Land mit einer kaputten Währung, astronomischer Inflation und einer bankrotten Zentralbank.“
In ähnlichem schlechten Zustand übernahmen es die Peronisten nach dem ruhmlosen Ende der Regierung Macri, der am Schluß mit einem Riesen-Kredit des IWF gestützt wurde, um einen neuerlichen Bankrott zu vermeiden.
„Milei setzte daraufhin eine Schocktherapie ein: Er lockerte den Wechselkurs und korrigierte den darauf folgenden Inflationsschub mit Haushaltsanpassungen“ (auf gut Deutsch: Kürzungen und Streichungen, wo es nur ging), „der Einstellung der Geldausgabe und der Einstellung aller Staatsfinanzierung durch das Finanzministerium.“
Ganz so war es auch nicht, manche Zahlungen wurden weiter geleistet, damit der Laden nicht völlig zusammenkrachte.
Die Autoren des Artikels wissen das auch, es ist aber bequemer, hier Milei als unvernünftigen Wilden hinzustellen – das konnte ja nicht gutgehen!
„All dies wurde gewürzt mit einem »Kulturkampf« gegen »die Kaste«: Jede Kritik wurde mit Beleidigungen aller Art beantwortet, ihre Sprecher feierten die Entlassung von 50.000 öffentlichen Angestellten und stellten öffentlich in Frage, warum ein Arzt ein gutes Gehalt erhalten sollte, wenn er doch eigentlich nur »seinen Traum erfüllt«.
Die Märkte, mit Blick auf die Zahlen, übersahen die unangenehmen Details und unterstützten Milei.“
Auch bei den Zahlen übersahen sie unangenehme, oder zumindest gefälschte und nur projektierte.
„Schließlich lockerte einer von den seinigen“ (gemeint ist offenbar der Finanzminister?) „die finanziellen Beschränkungen“ (gemeint sind solche über Devisen Ein- und Ausfuhr), senkte die Steuern und bezeichnete Steuerhinterzieher als »Helden«.
Das Länderrisiko, also der Spread, den Argentinien für seine Schulden im Vergleich zu US-Anleihen zahlt, fiel infolgedessen von 2.500 Punkten im Jahr 2023 auf rund 500 Punkte im Januar 2025.“
Eigenartig.
Bei Liz Truss im UK hatten Steuersenkungen einen umgekehrten Effekt: Das internationale Finanzkapital fragte sich, wie diese Regierung dann ihre internationalen Verbindlichkeiten bedienen könnte, wenn sie wenig Einnahmen durch Steuern generierte?! – was zu einem Verfall des Pfundes führte.
Warum bei dem hochverschuldeten Argentinien andere Kriterien angelegt wurden, ist rätselhaft. Vor allem, da das Land ja schon einen Bankrott hingelegt hatte.
Hier versagt der Journalismus von El País vollkommen, wenn er diesen Zusammenhang unkommentiert läßt.
„Das Modell hatte jedoch ein Problem. Der monetäre Anker,“
Was das wohl ist?
„den Milei zur Inflationskontrolle einsetzte, führte zu einem überbewerteten Peso und der Notwendigkeit, Dollar in das System zu pumpen, um den Wechselkurs zu stützen. »Zu Beginn erhielt die Regierung 22 Milliarden Dollar aus einem Haushaltsmoratorium“
Was das wohl war?
„und dann weitere 20 Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds«, sagt Marina Dal Poggetto, Direktorin des Beratungsunternehmens EcoGo, »aber sie erhielt keinen Zugang zu internationalen Krediten und zahlte weiterhin ihre fälligen Schulden.«“
Der Zugang zum internationalen Kreditmarkt kam mit dem Bankrott abhanden, wurde unter Macri versprochen und teilweise erreicht – was die Schulden erhöhte. Nachher war offenbar damit wieder Sense und Mileis Wahlversprechungen vom Schließen der Nationalbank und der Einführung des Dollar in Argentinien waren offenbar nicht dazu angetan, das Mißtrauen der Kreditgeber gegenüber Argentinien zu verringern.
Daß Argentinien seine fälligen Schulden „zahlte“, also bediente, ist zwar auf der einen Seite ebenso üblich als auch notwendig, im Falle Argentiniens aber dennoch verwunderlich, weil woher kam das Geld?
„Der Wendepunkt kam im April dieses Jahres, als Milei, unterstützt durch die IWF-Rettungsaktion, den »Cepo«, wie die Argentinier die Devisenbeschränkungen nannten,“ (die offenbar zwar gelockert, aber nicht aufgehoben worden waren) „abschaffte und den offiziellen Dollar zwischen den Bändern schwanken ließ.“
Hierbei handelte es sich um eine Forderung des IWF, um den oben erwähnten 20 Milliarden-Kredit zu erhalten, siehe hier.
„»Als die Beschränkungen für die Bevölkerung aufgehoben wurden, kauften und horteten die Argentinier 14,7 Milliarden Dollar. Solange die Exporteure den Markt versorgten, funktionierte alles, und der Wechselkurs blieb innerhalb der Spanne. Als die Dollarzuflüsse ausblieben und die Nachfrage stabil blieb, führte die Regierung eine beispiellose geldpolitische Straffung durch, um den Druck einzudämmen«, sagt Dal Poggetto.“
Beispiellos!
Schon wieder so ein Vokabel, das nichts erklärt, aber viel Wind macht.
Die Devisenbeschränkungen bezogen sich offenbar auf den Ankauf von Dollars für Private. Daß ihre Aufhebung den Dollar vom Markt verschwinden lassen würde, war vorauszusehen, weil das Vertrauen in den Peso ist nach wie vor gleich Null.
Der Rest gibt Rätsel auf. Welche „Exporteure … versorgten den Markt“? Wer exportiert, behält sich doch seine Devisen bzw. trägt sie auf die Bank.
Es waren also Geldhändler, die „den Markt versorgten“, und woher die das Geld hatten, bleibt im Dunkeln – es könnte genauso gut die Staatskasse gewesen sein.
Das würde erklären, warum auf einmal „die Dollarzuflüsse ausblieben“ – weil die Devisen-Staatskasse leer war.
„Um den Peso-Umlauf zu reduzieren, den Dollarkurs zu bremsen und die Inflation unter Kontrolle zu halten, erhöhte die Regierung die Mindestreserveanforderungen (Einlagen, die Banken als Reserven halten müssen und nicht verleihen dürfen) auf 53 % und zahlte Zinsen in Pesos von fast 80%.“
Diese beiden Maßnahmen sollten erstens die Spar-Tätigkeit fördern und die Banken in ihrer Kreditvergabe einbremsen, was natürlich nicht wirklich belebend auf die Wirtschaft wirkte.
Dem Rückgang der Inflation lag also – abgesehen von den fixierten Inflationsraten – ein Rückgang von Konsum und Nachfrage zugrunde.
Daß übrigens 80% Zinsen auf Peso-Einlagen gezahlt wurden, steht im Widerspruch zur Behauptung, Mileis Regierung habe die Geld-Emission auf Null zurückgefahren.
Irgendwoher muß das Geld für solche Zinsen ja kommen.
„Stagnierende Wirtschaftstätigkeit
Die Folge dieser himmelhohen Zinsen war rein mathematisch gesehen ein Stillstand der Wirtschaftstätigkeit. Der jüngste Bericht des argentinischen Zentrums für politische Ökonomie (Cepa) zeigt, daß der durchschnittliche Girokontozinssatz 49,8 % des Realzinses betrug, was für Unternehmen zusätzliche Finanzierungskosten von rund 100 Millionen US-Dollar bedeutete. »Nach der V-förmigen Erholung der Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2024 war im ersten Halbjahr 2025 eine deutliche Stagnation zu beobachten, und seit Februar ist ein Abwärtstrend erkennbar, der im zweiten Halbjahr in eine Rezession münden könnte. Hält dieses Niveau bis zum Jahresende an, würde sich die Wirtschaft im Vergleich zu 2024 um 4% erholen, ein Wert, der unter den Prognosen des IWF von 5,5 % liegt«, orakelt das Beratungsunternehmen.“
Ein unglaublicher Blödsinn, den dieses „Beratungsunternehmen“ von sich gibt: Überall Stagnation, soweit das Auge reicht, aber zu Jahresende wird sich die Wirtschaft wundersamerweise erholen – diese Prophezeiung entbehrt jeder Grundlage, genauso wie diejenige des IWF, der sie gegenübergestellt wird.
„Messungen des staatlichen Statistikamts INDEC bestätigten den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit im am Donnerstag veröffentlichten Bericht zum zweiten Quartal 2025. Das BIP wuchs im Jahresvergleich um 6 %, sank jedoch im Vergleich zum ersten Quartal um 0,1 %. Der Konsum sank im gleichen Zeitraum um 1,1 %. Milei wurde daraufhin über Nacht zu einem wirtschaftlichen „Andersgläubigen“.
Motiviert von der Notwendigkeit, die Inflation am Vorabend der nationalen Parlamentswahlen am 26. Oktober in Schach zu halten, griff er auf eine Politik des vorläufigen Stopfens von Löchern zurück, die langfristig schwer durchzuhalten ist. Der Markt verlor nach und nach die Geduld.“
Man wäre interessiert, wie diese „Andersgläubigkeit“ und Löcherstopferei konkret aussieht, wird aber diesbezüglich nicht bedient.
Es ist auch beachtlich, wie hier „der Markt“ als Subjekt vorgestellt wird.
„Am vergangenen Donnerstag machte der Markt dies deutlich. Das Länderrisiko schloß bei 1.453 Basispunkten, 16,6 % höher als am Vortag und doppelt so hoch wie im August. Argentinische Anleihen in ausländischer Währung brachen um bis zu 14 % ein, und die Zentralbank war gezwungen, Reserven im Wert von 379 Millionen Dollar zu verkaufen, um den starken Anstieg des Wechselkurses zu bremsen.
Dieser hatte den zweiten Tag in Folge die Obergrenze der von der Regierung festgelegten Bandbreite von 1,474 Pesos erreicht. Am Freitag sah es nicht besser aus: In einer Woche, in der das Länderrisiko schließlich die Marke von 1.500 Punkten überschritt, wurden 678 Millionen Dollar verkauft.“
Ob bald wieder die Reste des argentinischen Goldschatzes dran sind, sobald die Dollarreserven weg sind?
„»Die Stimmung hatte sich seit der Auflösung der LEFIs im vergangenen Juli verschlechtert [hier handelt es sich um eine Operation mit Schatzanweisungen, die 10 Billionen Pesos in die Geldmenge pumpte und Druck auf Wechselkurs und Inflation ausübte].“
Das steht in starkem Kontrast zum laut proklamierten Stopp der Geldemissionen … Immerhin handelt es sich sogar beim heutigen Wechselkurs um 6,8 Milliarden $ …
Warum wurde dieses Wunder-Instrument aufgelöst? Vermutlich ebenfalls auf Druck des IWF, dem diese Schöpfung von Milliarden aus dem Nichts nicht ganz geheuer war.
„Und von da an haben sie nichts mehr richtig gemacht«, sagt der Manager einer der größten Investmentagenturen Argentiniens, der seinen Namen nicht nennen möchte.“
Der Typ tut damit so, als wäre vorher alles richtig gewesen, dabei war das ja nur ein großangelegter Schwindel zwischen laut angekündigter monetaristischer, also Geldknappheits-Politik nach außen und unbeschränkter Geldemission im Geheimen.
„»Es gab keine Notwendigkeit, die LEFIs aufzulösen, und alles wurde falsch gemacht. Die Mindestreserveanforderungen wurden mehrfach erhöht, was sehr schlecht für die Banken ist, weil es ihr Geschäft einschränkt.
Jeder Peso, den eine Bank reservieren muß, ist ein Peso, mit dem sie nichts anderes anfangen kann. Wir hatten absurde Zinsvolatilitäten, die auch niemandem helfen. All das zeugt von schlechter Praxis«, beklagt er.“
Auch die Theorie zu dieser Praxis war nicht gut …
„Die Reaktion derjenigen, die sparen konnten, war die übliche: Sie kauften Dollar angesichts einer Zentralbank in tiefroten Zahlen.“
Man erinnere sich daran, daß Milei im Wahlkampf kettensägenschwingend von der Auflösung der Zentralbank faselte.
Die Praxis zu diesem Geschwätz rund um die Dollar-Einführung – die weder IWF noch USA unterstützt hätten und die deshalb sowieso unmöglich war – war, der Nationalbank Einnahmen zu entziehen und Kreditaufnahme und Zahlungen aller Art aufzubürden, unter gleichzeitiger Dezimierung des Goldschatzes.
Die Nationalbank wurde somit zur Zauberbox, mit deren Hilfe Milei sein potemkinsches Dorf aufrechterhielt.
„Allein im Juli gelangten 5,432 Milliarden Dollar in private Hände. Die Soziologin Ariel Wilkis, Co-Autorin des Buches »Der Dollar: Geschichte einer argentinischen Währung«, weist darauf hin, daß auch Mileis Regierung von dem üblichen »Dollarisierungsprozeß in den Monaten vor Wahlen« nicht verschont geblieben sei. »Dieser Prozeß steht im Widerspruch zu Mileis Behauptung, seine Politik werde von der Bevölkerung unterstützt«, betont sie.“
Was sagt die Dame eigentlich?
Sie sagt, vor allen Wahlen kaufen die Leute Dollars, weil sie überzeugt sind: Besser wird es nicht!
Und daß alle Behauptungen Mileis, er hätte das Vertrauen der Bevölkerung, auf seinem seinerzeitigen Wahlsieg beruhen, der ja schon fast 2 Jahre her ist.
„Für Wilkis bestand Mileis Wunder darin, daß er sich mit Unterstützung der Bevölkerung an die Macht brachte. Der rechtsextreme Politiker war der erste und einzige Kandidat in der argentinischen Geschichte, der mit dem Versprechen an die Macht kam, die öffentlichen Ausgaben drastisch zu senken. Entgegen vieler Vorhersagen behielt er fast 50 % Zustimmung, nachdem er die Preise für Strom, Gas und öffentliche Verkehrsmittel erhöht, öffentliche Angestellte entlassen und sogar Renten, das Budget für Universitäten und die führenden Krankenhäuser des Landes gekürzt hatte.“
Worauf diese Zustimmungswerte beruhten, sei einmal dahingestellt. Umfragen lassen sich manipulieren.
Aber das Paradox bleibt, daß mit Kürzungs- und Entlassungsversprechen Wahlen gewonnen wurden.
Man vergesse allerdings nicht, daß diese mit dem Versprechen der Dollarisierung einhergingen. Und das wurde nicht eingelöst.
„Der Präsident prahlte im In- und Ausland mit der Unterstützung der Bevölkerung für seine Politik, doch dieses Bild wurde bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag in der Provinz Buenos Aires zerstört, bei denen er fast 14 Punkte hinter den Peronisten landete.
Die Gründe für die Wahlniederlage sind vielfältig. Letzten Monat brachte ein hochrangiger Beamter die Schwester des Präsidenten, Karina Milei, in einen Fall von Bestechung für die Bereitstellung von Medikamenten für Menschen mit Behinderungen in Verbindung.
Hinzu kamen politische Fehler einer unerfahrenen Regierung, die sich weigerte, Hilfe von ihren vorübergehenden Verbündeten anzunehmen.“
Damit ist vermutlich die Partei Macris PRO gemeint, mit der Mileis Partei bei den letzten Regionalwahlen keine Koalition eingegangen ist – in der vielleicht realistischen Einsicht, daß sie mehr schaden als nützen würde.
„Doch zweifellos ist die wirtschaftliche Notlage der Hauptgrund für das Ergebnis.
Die Argentinier feiern den Rückgang der Inflation, die ihre Löhne immer schneller aufzehrte, sind aber frustriert, weil sie trotz Ausgabenkürzungen und Arbeitszeiterhöhungen nicht über die Runden kommen.
Einige haben sogar Kredite aufgenommen, die sie nicht zurückzahlen konnten: Die Zahlungsrückstände bei Kreditkarten stiegen laut der Zentralbank im gleichen Zeitraum von 1,9 % im Juni auf 4,4 % im Juli und die Zahlungsrückstände bei Privatkrediten von 4,1 % auf 6,4 %. Dies sind die höchsten Werte seit Anfang 2024, als die von Milei angeordnete 50-prozentige Abwertung des Peso und der darauf folgende Inflationsschub alle argentinischen Haushaltskonten durcheinanderbrachten. »Das Paradoxon der aktuellen Situation ist die Spannung zwischen Preisstabilität und Einkommensknappheit«, sagt Wilkis.
Das von Wilkis beschriebene Phänomen ist in Argentinien jedoch nicht neu. Dasselbe geschah in den 1990er Jahren, als die vom liberalen Peronisten Carlos Menem und seinem Wirtschaftsminister Domingo Cavallo eingeführte Konvertibilität des Peso zum Dollar die Hyperinflation auslöschte.
Die Kosten waren ein beispielloser Produktionsstillstand, steigende Arbeitslosigkeit und die Schließung Tausender kleiner Unternehmen, vor allem in den Provinzen. Das System funktionierte wie heute, solange die Wirtschaft Dollar erhielt – damals durch die Privatisierung Dutzender öffentlicher Unternehmen und durch Schulden. Als der Zufluß versiegte, wurde der Wechselkurs unerträglich, und im Dezember 2001 explodierte alles mit der Corralito-Krise und der Erklärung eines monumentalen Zahlungsausfalls.
Niemand denkt an diese dunklen Jahre,“
– oh doch.
Das Gespenst eines neuerlichen Bankrottes brachte überhaupt die Leute so weit, den Mileischen Versprechungen zu glauben und die Kettensäge gut zu finden.
„doch alle warnen Milei, daß die Dinge nicht so gut laufen, wie er gerne darstellt. Die Wahlen in Buenos Aires waren ein unerwarteter Schlag ins Gesicht der Casa Rosada, ein plötzliches Erwachen aus dem Tagtraum eines Präsidenten, der an die »Mächte des Himmels« appelliert, um einen seiner Ansicht nach göttlichen Kreuzzug gegen »Sozialismus«, »Kaste« und »Kirchnerismus« durchzuführen, die seiner Ansicht nach Quelle allen Übels der Welt sind.
Die Wahlurnen zeigten eine Momentaufnahme der Krise, die auf die Anpassung folgte, insbesondere in der Provinz Buenos Aires, wo 40 % der Landesbevölkerung leben.
Eduardo Donza, Forscher an der Beobachtungsstelle für private Verschuldung der UCA (Argentinische Katholische Universität), bestätigt, daß das von Milei geforderte Opfer vor allem die Mittelschicht getroffen hat. Einige übliche Ausgaben dieser sozialen Schicht, wie etwa die Gebühren für Privatschulen und Krankenversicherungen (in Argentinien als Prepaid-Versicherungen bekannt), sind deutlich über den Verbraucherpreisindex gestiegen. Familien sind daher gezwungen, den Gürtel enger zu schnallen oder auf diese privaten Leistungen zu verzichten.
Den Familien fehlt es an Geld, weil die Einkommen nicht im gleichen Maße gestiegen sind, um diese Ausgaben zu decken, ebenso wie die Ausgaben, die durch den Wegfall der Subventionen für Strom, Gas, Wasser und Transport entstehen, die während der Kirchner-Regierungen gewährt wurden.“
Der Wähler ist ein seltsames Wesen: Milei versprach: Schluß mit den Subventionen! – und viele schrieen Jaaaa! – und wählten ihn.
Dachten sie, daß sie auf einmal zu Geld kommen und diese Subventionen nicht mehr brauchen würden?
„In einigen Sektoren haben sich die Gehälter an die Inflation angepaßt; in anderen blieben sie weit zurück, wie im Fall der öffentlichen Angestellten.
Bekleidungs- und Schuhfabriken, der Einzelhandel und das Baugewerbe haben aufgrund des Konsumrückgangs, der Öffnung des Imports und des Online-Handels sowie des vollständigen Stopps öffentlicher Arbeiten Arbeitsplätze verloren. Seit Milei an die Macht kam, sind im Baugewerbe 73.415 und in der Industrie 42.870 Stellen verloren gegangen, wie aus offiziellen Angaben hervorgeht.
»Die Mittelschicht, die mehr konsumieren könnte, gibt einen großen Teil ihrer Ausgaben für diese erhöhten Dienstleistungen oder das Schulgeld ihrer Kinder aus, sodaß ihnen weniger Geld zur Verfügung steht als zuvor. Und das geht zu Lasten der Beschäftigung, die zunehmend prekärer wird«, betont Donza. »Historisch gesehen ist die Prekarität das größte Problem auf dem argentinischen Arbeitsmarkt, nicht die Arbeitslosigkeit. Denn wer keine formelle Beschäftigung hat, muß einen Weg finden, selbstständig zu arbeiten. Wir beobachten Prekarität und eine Zunahme von Mehrfachbeschäftigungen, insbesondere bei Menschen, die gute Jobs hatten, deren Einkommen aber deutlich gesunken ist, zum Beispiel bei öffentlichen Angestellten, die nach einer anderen Stelle suchen, oder bei Rentnern mit relativ geringem Einkommen«, fügt er hinzu.
Seit Mileis Amtsantritt sind im privaten Sektor 98.763 Arbeitsplätze verloren gegangen
Die schwächsten Sektoren blieben dank der Ausweitung der staatlichen Hilfsprogramme teilweise von der Anpassung verschont.“
Das sind eben die Ersatzprogramme für die gestrichenen Subventionen und man fragt sich, ob hier wirklich weniger Geld ausgegeben wurde?
„Der Erhalt des Sozialversicherungssystems und die Verlangsamung der Inflation trugen dazu bei, bis Ende 2024 im Vergleich zum Vorjahr 1,5 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien.“
Bei dieser gefeierten „Befreiung“ – eine trostlose Phrase – muß man nachfragen, was dort eigentlich als „Armut“ definiert wird?
„Die aktuelle Quote von 38,1 % spiegelt jedoch immer noch die sozioökonomische Verschlechterung Argentiniens nach wiederkehrenden Wirtschaftskrisen wider. »In Argentinien gibt es einen hohen Anteil struktureller Armut, der nur schwer zu reduzieren ist. Es handelt sich bereits um die dritte Generation, d. h. um Menschen, die in Haushalten geboren wurden, in denen ihre Eltern bereits arm waren und mit sehr ernsten Problemen zu kämpfen haben«, erklärt die Forscherin.
Wahlen
Milei richtet seinen Blick nun auf die nationalen Zwischenwahlen am 26. Oktober. Seine Partei, La Libertad Avanza, ist in beiden Kammern des Kongresses in der Minderheit und muß zusätzliche Abgeordnete gewinnen, um die von ihr vorgeschlagenen Strukturänderungen voranzutreiben.
Gleichzeitig beschwört sie die Gefahr einer Rückkehr zum Kirchnerismus und das Risiko wirtschaftlicher Katastrophen aller Art herauf, um Wählerstimmen zu gewinnen. Wenn die Wirtschaft ins Wanken gerate, so Dal Poggetto, liege das nicht daran, daß die Dinge schieflaufen, sondern daran, daß die Anleger das »Kuka-Risiko« fürchten, eine abwertende Bezeichnung für einen möglichen Wahlsieg der Kirchneristen.“
„Kuka“ – Kurzform von cucaracha, Küchenschabe – ist eine abfällige Bezeichnung für die Anhänger der Peronisten.
Mit dem „Kuka-Risiko“ wird der Teufel an die Wand gemalt, was passieren würde, falls wieder die Peronisten an die Macht kommen.
Es ist also eine Wortschöpfung für den internen Gebrauch, für die Parteienkonkurrenz.
„»Das Argument für die Beibehaltung des Modells lautet: Wenn der Populismus (= die Partei „Union por la Patria“ von Kirchner) nicht zurückkehrt, sinken die Länderrisiken und die Kreditvergabe kehrt zurück. Doch der Peronismus hat in der Provinz Buenos Aires gewonnen, und die Chancen, daß er auch die nationalen Wahlen gewinnt, sind hoch«, warnt Dal Poggetto.“
Cristina Fernández de Kirchner wurde zwar von der Ausübung aller Ämter ausgeschlossen, aber erstens hat die Partei auch andere Mitglieder und zweitens ist ein solches Gerichtsurteil im Falle eines Wahlsieges nicht in Stein gemeißelt.
„Es bleibt abzuwarten, ob eine weitere Wahlniederlage Mileis Vorhersagen erfüllen würde. Unterdessen erlebt die Regierung einige Versuche politischer Öffnung, um die zurückgelassenen politischen Verbündeten zurückzugewinnen. »Die Ideen der Freiheit werden Buenos Aires erobern«, wiederholte Milei im letzten Wahlkampf – und er lag falsch.
Letzte Woche kündigte der Präsident die Einrichtung eines »politischen Runden Tisches« und eines »föderalen Dialogs« an, um die Gouverneure zusammenzubringen, die seine Regierung zunächst unterstützten, ihm nun aber den Rücken gekehrt haben. Der Haushaltsentwurf, den er letzten Montag vorlegte, sieht mehr Mittel für die Provinzen und eine leichte Erhöhung der Mittel für öffentliche Universitäten sowie der Gesundheits- und Bildungsausgaben vor.
Milei wirkte deutlich gemäßigter: Er verzichtete auf Beleidigungen und vermied sogar seinen üblichen Schlachtruf »Lang lebe die Freiheit, verdammt noch mal!«, mit dem er seine Reden üblicherweise abschließt.
Es bleibt abzuwarten, ob der Schritt zur Mäßigung nicht zu spät kommt. Der Präsident hat nicht nur die Zuneigung der Gouverneure, der Verkörperung territorialer Macht, verloren, sondern auch die der Geldbesitzer.
Der desillusionierte Broker spricht von »Ermüdung« angesichts der Vorgehensweise von Milei und seinem Wirtschaftsteam. »Sie verhalten sich absolut arrogant. Wir wünschen uns ein professionelleres Management in Politik und Kommunikation, denn diese Arroganz bringt nichts. Einmal sehen, ob sie imstande sind, zu reagieren«, sagt er.
Am Montag nach der Wahl brachen die Anleihekurse ein, und die Aktien argentinischer Unternehmen fielen an der Wall Street um bis zu 20 %. Der Wechselkurs erreichte erstmals die Obergrenze von 1,475 Pesos, was die Zentralbank am Donnerstag zu Verkäufen im Wert von 54 Millionen Dollar zwang.
Wenn die Gewinne sinken, kommt es auf gute Manieren an.“
Da kommen die arschgefickten Mandrille nicht so gut an …
„Ausländische Investitionen tröpfeln lediglich
Die argentinische Öl- und Gasmesse, die größte Schau des Energiesektors des südamerikanischen Landes, schloß letzte Woche ihre jährliche Ausgabe mit der Teilnahme von mehr als 400 Unternehmen und rund 30.000 Besuchern ab. Diese Rekordzahlen unterstreichen die Attraktivität dieses Sektors und insbesondere seines Juwels, der gigantischen unkonventionellen Kohlenwasserstoff-Reserve Vaca Muerta im argentinischen Patagonien.
Dieses Interesse geht jedoch mit Vorsicht einher. Multinationale Konzerne beobachten die wachsenden Zweifel an Javier Mileis Regierungsfähigkeit sowie Argentiniens Probleme mit Finanzierung, Infrastruktur und anstehenden Reformen aufmerksam.
Infolgedessen zögern viele, Hunderte oder Milliarden Dollar in mittel- und langfristige Initiativen zu investieren. Einige haben sich sogar für den Verkauf an den Meistbietenden entschieden und das Land verlassen, wie beispielsweise das US-Unternehmen Exxon Mobile oder das spanische Unternehmen Telefónica.
Seit August 2024 hat Argentinien ein großzügiges 30-jähriges Steuer-, Wechselkurs-, Zoll- und Rechtsanreizsystem für Unternehmen eingeführt, die Projekte im Wert von über 200 Millionen US-Dollar einreichen (das sogenannte RIGI). Ein Jahr später wurden nur 7 Projekte genehmigt, mit einer Gesamtinvestition von 13,067 Milliarden US-Dollar (11 Milliarden Euro zum aktuellen Wechselkurs) und schätzungsweise 1.000 direkten Arbeitsplätzen.
Die wichtigste Initiative ist die schwimmende Erdgasverflüssigungsanlage (LNG), die vor der Küste der patagonischen Provinz Río Negro errichtet werden soll. Die bisher genehmigten Investitionen belaufen sich auf 6,878 Milliarden US-Dollar (5,8 Milliarden Euro) für die Installation von zwei Schiffen mit einer jährlichen Gesamtproduktionskapazität von 6 Millionen Tonnen Flüssigerdgas. Die gesamte Produktion ist laut Southern Energy, dem verantwortlichen Konsortium argentinischer Unternehmen, für den Export bestimmt.
Argentinien entschied sich für die schiffsbasierte Verflüssigung,
– die preisgünstiger und auch schneller einzurichten ist, aber auch geringere Mengen verarbeitet, siehe Krk in Kroatien –
„nachdem sich Malaysias Petronas von einem ehrgeizigen Projekt zurückgezogen hatte, das es mit dem staatlichen Ölkonzern YPF zum Bau einer Onshore-LNG-Anlage im Wert von über 30 Milliarden US-Dollar vereinbart hatte.
»Wir brauchen das RIGI, um solche Investitionen zu schützen, da sie sonst nicht getätigt würden. In anderen Ländern der Region ist es nicht notwendig«, erklärt Ernesto López Anadón, Direktor des Argentinischen Instituts für Öl und Gas, bei einem Treffen mit Journalisten. López Anadón räumte auch ein, daß Argentinien »viele Dinge reformieren muß, wenn es auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig sein will«.“
Das kostet jedoch Geld und das ist in Argentinien für den Schuldendienst gebunden.
„Reformen in der Warteschlange
Einige der Reformen, die Investoren seit Jahren fordern – wie eine Steuerreform und eine Arbeitsmarktreform – können nicht per Präsidialdekret umgesetzt werden, sondern erfordern langwierige Verhandlungen und die Suche nach einem Konsens im fragmentierten argentinischen Kongreß.
Javier Milei, der im vergangenen Jahr nur begrenzte politische Flexibilität gezeigt und sogar die Beziehungen zu einigen seiner Verbündeten abgebrochen hat,“
– man merkt an dieser ewigen Rererei um die „Verbündeten“, daß mindestens einer der beiden Autoren dieses Artikels sehr viel Sympathien für die Macri-Partie zu haben scheint, oder sogar Mitglied ist –
„hat keine Möglichkeit, diese Gesetze voranzutreiben. Sein Schicksal scheint von einem guten Ergebnis bei den Parlamentswahlen am 26. Oktober abhängig zu sein, bei denen beide Kammern teilweise neu besetzt werden.
Politik ist nur einer der Faktoren, die Investoren berücksichtigen. In ihren Präsentationen auf der Argentina Oil & Gas wiesen Führungskräfte von Kohlenwasserstoffunternehmen darauf hin, daß der Engpaß, der der Branche derzeit die größten Sorgen bereitet, die Finanzierung sei.
Die von Milei eingeführten hohen Zinsen haben den Zugang zu Krediten abrupt gestoppt, und auch externe Mittel fließen nicht.“
Mit einem Wort, die argentinischen Banken können keine Kredite vergeben und die ausländischen Banken wollen nicht – sie riskieren keine Kredite für argentinische Projekte.
Das liegt alles an dem Schuldenberg und nicht an Ungeschicklichkeit der Handhabung, wie die Autoren dieses Artikels suggerieren:
„Die argentinischen Unternehmen Tecpetrol und Pluspetrol kündigten an, eine Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen abzuwarten, bevor sie ihre geplanten Investitionen beschleunigen.
Dieselbe Unsicherheit herrscht bei Bergbauunternehmen, einem der Sektoren, die in den kommenden Jahren voraussichtlich am stärksten wachsen werden. Der britisch-australische Riese Rio Tinto hat ein Projekt zur Investition von 2,724 Milliarden Dollar in der nördlichen Provinz Salta genehmigt, um jährlich bis zu 60.000 Tonnen Lithiumcarbonat zu produzieren; das australische Unternehmen Galan Lithium plant ein weiteres 217-Millionen-Dollar-Projekt zur Produktion von Lithiumchlorid in der benachbarten Provinz Catamarca.
Eines der zu lösenden Probleme ist die Infrastruktur für den Transport der Rohstoffe aus diesen Bergbauindustrien und die hohen Transportkosten in einem Land mit einem Straßennetz von fast 4.400 Kilometern von Nord nach Süd. Seit seinem Amtsantritt hat Milei öffentliche Bauarbeiten gestoppt, und die Straßen im ganzen Land leiden zunehmend. Lastwagen, die auf den Nationalstraßen unterwegs sind, die das Land mit den nördlichen Grenzen Boliviens, Paraguays und Brasiliens verbinden, müssen Schlaglöcher überwinden, die durch mangelnde Instandhaltung verursacht wurden, und die Provinzbehörden warnen vor einem steigenden Risiko von Verkehrsunfällen.
Von den 2.700 unvollendeten Projekten während der Amtszeit von Alberto Fernández sind 54 Prozent unter der aktuellen Regierung nicht vorangekommen. Früher oder später wird die Regierung sie wieder aufnehmen müssen, auch wenn dies den prekären Haushaltssaldo zusätzlich belastet.“
Müssen, ohne zu können, weil die Schulden müssen zuerst bedient werden.
Um den verfahrenen Karren wieder etwas in Bewegung zu bringen oder zumindest seinen Anhängern etwas zu bieten, präsentiert Javier Milei sein Buch „Die Erschaffung des Wunders“ mit einem Rock-Konzert, bei dem er singt:
„Gib mir das Feuer deiner Liebe“
(El País, 7.10.)
Nun ja.
Es geht doch nichts über gute Freunde:
„USA kaufen argentinische Pesos um 20 Milliarden Dollar
Die Präsidenten Donald Trump und Javier Milei wollen sich nächste Woche treffen
Die USA stützen die argentinische Wirtschaft mit Käufen der Landeswährung Peso. Zudem sei ein Rahmenabkommen über einen Währungstausch im Volumen von 20 Milliarden Dollar mit der argentinischen Zentralbank geschlossen worden, teilte US-Finanzminister Scott Bessent am Donnerstag mit.
Dies sei das Ergebnis eines viertägigen Treffens der Finanzminister beider Länder in dieser Woche in Washington, an dem auch Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnahmen. »Argentinien ist in einer akuten Liquiditätskrise«, schrieb Bessent auf der Plattform X. »Das US-Finanzministerium ist bereit, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Stabilität der Märkte zu gewährleisten.«“
Natürlich, wenn Argentinien einen weiteren Bankrott hinlegt, so würde das die Weltwirtschaft nicht mehr so locker wegstecken wie 2001-2002.
Aber man halte sich vor Augen: Während in den USA alles steckt, weil sich das Parlament nicht auf ein Budget einigen kann, macht die Regierung 20 Milliarden locker, um Argentinien vor dem Crash zu bewahren.
„Die Intervention der USA zeigte umgehend Wirkung auf den Finanzmärkten: Die Kurse argentinischer Dollar-Anleihen zogen an. Die bis 2035 laufende Anleihe verteuerte sich um 4,6 Cent auf 60,58 Cent je Dollar. Auch der Peso legte zu und notierte 0,8 Prozent höher bei 1425 je Dollar. Ein Sprecher des US-Finanzministeriums lehnte genauere Angaben darüber ab, wie viele Pesos die USA genau gekauft haben und wie das Abkommen über einen Währungstausch strukturiert ist.
Die USA hatten schon länger angekündigt, das finanziell angeschlagene Land und seinen rechtspopulistischen Präsidenten Javier Milei zu unterstützen. »Wenn sie dieses Versprechen nicht gehalten hätten, stünden wir vor einem kompletten Kollaps von Argentinien«, kommentierte Eduardo Ordonez Bueso von Bankinvest die Maßnahmen.“
Die USA-Regierung mußte einspringen, weil der private Banksektor dafür nicht zu haben ist und der IWF offensichtlich auch nicht mehr liquide ist – immerhin besteht der IWF nicht nur aus den USA und die grenzenlose Stützung Argentiniens ist nicht so leicht durchzubringen.
„Die Märkte waren jüngst unter Druck geraten, nachdem Mileis Partei eine regionale Wahl verloren hatte. Dazu hatten auch Korruptionsvorwürfe gegen Mileis engstes Umfeld beigetragen. Die Entwicklung schürte Sorgen bei Investoren, Mileis Partei könnte auch bei den wichtigen Zwischenwahlen am 26. Oktober schlecht abschneiden. Die argentinische Zentralbank hatte daraufhin den Peso mit massiven Käufen gestützt. Der IWF hatte Argentinien im April eine Kreditlinie von 20 Milliarden Dollar gewährt.“
Deshalb konnte diese Institution nicht jetzt auf die Schnelle wieder 20 Mrd. hinüberschieben.
„Für den 14. Oktober ist ein Treffen von Milei mit US-Präsident Donald Trump geplant.“
(Standard, 10.10.)
„Die Abwertung des Peso trifft Argentinien trotz Trumps Rettungsanker für Milei
Die finanzielle Instabilität verschärft sich und die Nachfrage nach Dollars steigt 5 Tage vor den Parlamentswahlen
Nicht einmal die Unterstützung des Dollarherstellers konnte die Nachfrage nach Greenbacks in Argentinien und die daraus resultierende Abwertung des Peso eindämmen. Donald Trumps angekündigte Wirtschaftshilfe für seinen Verbündeten Javier Milei umfasst einen Währungsswap im Wert von 20 Milliarden US-Dollar (17,3 Milliarden Euro),“
— d.h. offensichtlich, die Fed kauft Pesos. Und das noch dazu öffentlich. Hurra, wir stützen die argentinische Währung. Alles während des Shutdowns, wo also für inneramerikanische Staatsausgaben kein Geld da ist —
„eine Kreditlinie über Privatbanken in Höhe von weiteren 20 Milliarden US-Dollar“
— d.h., der Präsident befiehlt den privaten Banken, Argentinien zu kreditieren und gibt ihnen Garantien dafür.
Über den hierbei verrechneten Zinsfuß gibt es keine Informationen.
„und wiederholte Interventionen des US-Finanzministeriums am Devisenmarkt. Doch nichts davon konnte den Finanzmarkt fünf Tage vor den Zwischenwahlen, die diesen Sonntag stattfinden, stabilisieren.“
Dem Peso helfen also alle diese Maßnahmen wenig.
Die Finanzwelt weiß genau, daß die argentinische Wirtschaft von außen gestützt wird und eigentlich nur ein Durchhaus für Kredite aller Art ist, aber selber gar nicht viel dazu beitragen kann.
Die Frage ist, ob dergleichen womöglich dem Dollar schadet?
„Der Peso fiel am Dienstag erneut gegenüber dem Dollar, und die US-Währung erreichte den im Rahmen des aktuellen flexiblen Wechselkurssystems erwarteten Höchststand: Sie schloss bei 1.490 Einheiten pro Dollar. Seit April, als Milei die Beschränkungen für den Devisenhandel (den sogenannten »Cepo«, eine Art Fessel) aufhob, hat die Landeswährung um fast 25 % abgewertet.“
Die Aufhebung dieser Beschränkungen war eine Bedingung des IWF für Argentinien, um weitere Rettungs-Kredite zu erhalten, und hat die Lage in Argentinien verschärft, weil sie den Zugang von Unternehmen zu Devisen verteuert hat.
„Unter den argentinischen Finanzmarktakteuren herrscht weithin die Auffassung, dass die … Regierung nach den Wahlen vom Sonntag … zumindest Schlüsselvariablen eines gefährdeten Wirtschaftsplans ändern wird.“
Sehr kompliziert ausgedrückt, und von der Hoffnung getragen, daß da noch viel zu retten sein wird.
Immerhin ist Mileis kettensägengeschmückter Erfolgsweg am Ende und keiner weiß mehr wie weiter.
„Daher der Rekordkauf von Dollar, der üblichen Zuflucht der Argentinier angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit.
Der Großhandelskurs des Dollars lag bei 1.490 Pesos und stieg damit gegenüber dem Vortag um etwas mehr als 15 Pesos. Die argentinische Zentralbank (BCRA) musste eingreifen und 45,5 Millionen Dollar verkaufen, um den Kurs unter der oberen Preisspanne von derzeit 1.491 Pesos zu halten. Die BCRA hatte Mitte September innerhalb von nur drei Tagen 1,11 Milliarden Dollar verkauft,. … Dieser Aderlaß wurde zunächst durch die erste der aufeinanderfolgenden Ankündigungen des US-Rettungspakets gestoppt.“
Die gute Nachricht ist hier, daß die argentinische Nationalbank überhaupt noch Dollars besitzt, die sie auf den Markt werfen kann.
„Auch am Dienstag gab es Unterstützungsbekundungen der Trump-Regierung für Milei. Finanzminister Scott Bessent bestätigte, was die argentinische Regierung am Montag angekündigt hatte: die Umsetzung eines Swaps im Wert von 20 Milliarden Dollar, der einige Tage zuvor vereinbart worden war.
»Dies ist eine Brücke in eine bessere wirtschaftliche Zukunft für Argentinien, kein finanzielles Rettungspaket«, betonte Bessent in den sozialen Medien. »Wir wollen keinen weiteren gescheiterten Staat in Lateinamerika.«“
Erstens ist das natürlich das Eingeständnis, daß in Argentinien der Hut brennt. Man fragt sich übrigens, welche anderen Staaten Bessent im Auge hat?
„Seine Äußerungen waren als Reaktion auf die Kritik aus dem Inland an Trump gedacht, der einem verbündeten Präsidenten hilft, während seine eigene Regierung unter dem Regierungsstillstand leidet.
Der andere Teil der US-Hilfe ist ein 20-Milliarden-Dollar-Kredit für das südamerikanische Land. Berichten zufolge hat das Finanzministerium die Aufgabe einer Gruppe von Privatbanken anvertraut, darunter JP Morgan Chase, Bank of America, Goldman Sachs und Citigroup, wie die US-Presse berichtete.
Das Wall Street Journal berichtete am Dienstag, dass die Banken Schwierigkeiten bei der Strukturierung des Kredits haben und Zusicherungen suchen, dass sie die investierten Mittel zurückerhalten können. »Banker warten auf Anweisungen des Finanzministeriums, welche Garantien Argentinien bieten könnte oder ob Washington plant, die Kreditlinie selbst zu unterstützen«, berichtete die Zeitung.“
Ohne Worte.
Siehe oben — ob das dem Dollar gut tut?
„Mangelndes Vertrauen
Trumps Unterstützung für Milei scheint außer Zweifel zu stehen, doch sie wurde von Äußerungen des Republikaners begleitet, die das mangelnde Vertrauen … kaum zerstreuen konnten. Als der US-Präsident den argentinischen Präsidenten vor einer Woche im Weißen Haus empfing, machte er die millionenschwere Wirtschaftshilfe vom ungewissen Ausgang der Zwischenwahlen abhängig.“
Dabei sind doch gerade diese Wahlen etwas, das unbedingt positiv beeinflußt werden muß. Weil ein schlechter Ausgang für Milei schickt den Peso weiter in den Keller.
Aber ob dieses last-minute-Rettungspaket da viel ausrichten kann, ist zweifelhaft.
„Am Montag, Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe des Währungstauschs,“
Währungstausch!
Es hanndelt sich um den Aufkauf einer praktisch entwerteten Währung.
„rechtfertigte Trump seine Zugeständnisse an Milei mit den Worten: »Argentinien kämpft um sein Überleben, … sie haben kein Geld, … sie sind am Sterben«.
Milei setzte darauf, die Zwischenwahlen am Sonntag in einem Umfeld wirtschaftlicher Erholung und finanzieller Stabilität zu erreichen, das es ihm ermöglichen würde, von dem zu profitieren, was er als seine größte Errungenschaft betrachtet: der durch geld- und fiskalpolitische Anpassungen sowie die Wechselkursankerung gestützte Inflationsabschwächung.
Doch seine Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Und nicht nur das: Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung und die vernichtende Niederlage … bei den Provinzwahlen in Buenos Aires trübten seine Aussichten zusätzlich.
Dieselben Meinungsforscher, die bis vor sechs Monaten einen Erdrutschsieg für seine Partei La Libertad Avanza vorhergesagt hatten, prognostizieren nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Peronismus.“
Wenn das tatsächlich eintreten sollte, so liegt es daran, daß die Opposition genauso wenig weiß, wie weiter.
(El País, 22.10.)