Pressespiegel Izvestija, 22.5.: Mit dem Euro geht’s bergab

WARUM DER EURO IM INTERNATIONALEN ZAHLUNGSVERKEHR AN POPULARITÄT VERLIERT

Die Nutzung des Euro im internationalen Zahlungssystem SWIFT ging im April erneut in Folge zurück – von 32,6 % auf 31,7 %. Der Anteil des Euro an den Zahlungen ist seit mehreren Monaten rückläufig und hat nun in den letzten drei Jahren ein Minimum erreicht. Selbst in einer Krise und einem gewissen Rückgang des Vertrauens in den Dollar nimmt die Popularität des Euro weiter ab.

Warum dies geschieht und was der Grund dafür ist, dass die europäische Währung ihre verlorenen Positionen nicht wiedererlangen kann, erklärt die Izvestija.

Die verlorene Überlegenheit

Der Höhepunkt der Beliebtheit des Euro im internationalen Zahlungsverkehr innerhalb von SWIFT fand zwischen 2000 und 2010 statt. Im Jahr 2012 wurden noch bis zu 45% der Transaktionen über die einheitliche EU-Währung abgewickelt, während der Dollar weniger als 30% auf sich vereinigen konnte. Die europäische Schuldenkrise erschütterte diese Positionen jedoch, und um 2015 herum wurde der Euro bei 30% der Zahlungen oder sogar weniger eingesetzt. Seitdem ist der Dollar, mit Ausnahme eines kurzen Euro-Anstiegs im Jahr 2021, ein klarer Spitzenreiter beim SWIFT-Transaktionsvolumen.

Die Verwendung des Dollars wurde mit der Verhängung von Sanktionen gegen Russland im Jahr 2022, zu denen auch eine Kontosperre gehörte, auf die Probe gestellt. Dem Ansehen der amerikanischen Währung bei SWIFT tat dies jedoch keinen großen Abbruch: Der Anteil des Dollars an den Transaktionen wuchs eher etwas. Doch der Euro begann an Boden zu verlieren und verzeichnete schließlich wieder die schlechteste Performance seit 2020. Allmählich gewann jedoch der Yuan an Popularität, der mittlerweile an fünfter Stelle aller im System verwendeten Währungen steht.

Obwohl SWIFT den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr dominiert, wird nicht der gesamte Welthandel über dieses System abgewickelt. Russland nutzt beispielsweise zahlreiche Systeme zur Umgehung von SWIFT, da viele führende Banken vom System abgekoppelt sind. China wiederum entwickelt sein eigenes CIPS-Clearingsystem, über das jährlich Transaktionen im Wert von mehr als 11 Billionen US-Dollar abgewickelt werden.

Euro außerhalb der EU – eine matte Sache

Die Position des Euro im SWIFT-System wird noch magerer, wenn man den Handel innerhalb der EU und der Eurozone ausblendet.

Warum verliert der Euro weiterhin an Beliebtheit und überläßt dem Dollar einen immer größeren Teil des Welthandelssystems?

»Der Rückgang des Euro-Anteils könnte auf den Rückgang der Geschäftstätigkeit zwischen Europa und Russland zurückzuführen sein, und eine weitere Verringerung der Verwendung der europäischen Währung bei Abrechnungen ist wahrscheinlich«, erklärt Jevgenij Kaljanov, Experte für den Aktienmarkt bei »BKS Mir Investments«.
Für andere Teilnehmer an internationalen Währungstransaktionen ist möglicherweise der Euro genausowenig attraktiv wie der Dollar, da die EU wie die USA ihre Landeswährung als politischen Hebel für geopolitischen Druck einsetzt.

Laut »Finam«-Analyst Alexander Potavin liegt der Grund für den Rückgang des Euro-Anteils im internationalen Zahlungsverkehr an Gefahren, die auf eine Bankenkrise in der EU hindeuten, wie die Probleme der Schweizer Credit Suisse zeigen, die von der UBS-Gruppe übernommen wurde.
»Unserer Meinung nach ist der Rückgang der Nachfrage nach Euro im Zahlungsverkehr darauf zurückzuführen, dass sich Europa im vergangenen Jahr im Epizentrum der schwersten Energiekrise der letzten Jahrzehnte sowie der militärischer Ereignisse in der Ukraine und der Konfrontation mit Rußland befand, was die Wirtschaftslage in der Eurozone derzeit verschlechtert«, so der Experte.

Ihm zufolge ist jedoch zu erwarten, dass sich die Situation in den nächsten Jahren verbessern wird, was bedeutet, dass das Vertrauen in den Euro wachsen wird, zumal der aktuelle Anteil des Euro mit 31,74 % immer noch viel höher ist als der der nächsten konkurrierende Währungen.

Euro gegen Dollar und Yuan

Die Dominanz der amerikanischen Währung ist vor allem auf den größeren Umfang des US-Außenhandels im Vergleich zur Eurozone zurückzuführen. Und auch mit der Verbreitung der amerikanischen Währung als Reservewährung. »Der Dollar macht etwa 60 % der internationalen Reserven aus und 40% des Welthandels laufen in $. Der Euro – die zweitwichtigste Währung – macht 21 % bzw. 16 % aus«, sagt Finanzanalyst Mark Geuchman.

Er fügt hinzu, dass die amerikanische Wirtschaft trotz aller Schwierigkeiten weiterhin stärker sei als die europäische. Die Risiken der Bankenkrise in den USA, die sich auf die Präferenz für den Euro auswirken könnten, haben kleinere, weniger systemrelevante Banken getroffen. Aber in Europa hat die Krise eine sehr wichtige Bank, die Credit Suisse Group AG, versenkt.

»Darüber hinaus fungiert der Dollar traditionell als “Schutzbunker”, die im Falle drohender politischer und wirtschaftlicher Katastrophen aufgesucht wird. Daher treffen die Risiken von Krisen und Konjunkturabschwächungen in der Welt nicht die wachsende Verwendung des Dollars, sondern den Euro«, so Geuchman.

Er wies darauf hin, dass es möglich sei, daß sich der Anteil des Euro bei Zahlungen erhöht, wenn die Befürchtungen einer Rezession oder einer großen globalen Krise verschwinden. Er kann auf 35–38% steigen, wo er in den Jahren 2021–2022 lag.

Was den Yuan betrifft, so sind sich die Analysten nicht einig über seinen Erfolg im internationalen Zahlungssystem.

»Der Anstieg des Anteils der chinesischen Währung am Zahlungssystem spiegelt den Prozess der Abkehr von westlichen Währungen wider. Wir müssen mit einer weiteren Ausweitung der Nutzung des Yuan rechnen«, sagt Jewgenij Kaljanov.

Laut Alexander Potavin könnte der chinesische Yuan eines Tages ein Ersatz für US-Dollar oder Euro im internationalen Zahlungsverkehr werden. Es handelt sich jedoch um eine nicht vollständig frei konvertierbare Währung, die ihre eigenen spezifischen Risiken birgt.
»Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die chinesische Wirtschaft zur Nummer zwei der Welt geworden ist, macht der Yuan nur 2,29 % aller Zahlungen über das SWIFT-System aus«, fügt er hinzu.“

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Daraus kann man schließen, daß immer weniger Zahlungen über das SWIFT-System abgewickelt werden. Anstieg und Schwund in den Prozenten im SWIFT-System geben also gar nicht mehr den Anteil an der Weltwirtschaft wieder, den eine Volkswirtschaft einnimmt.

46 Gedanken zu “Pressespiegel Izvestija, 22.5.: Mit dem Euro geht’s bergab

  1. Der Euro kann seine Rolle auch nur in dem Maße behaupten wie oben beschrieben, weil andere Währungen noch weiter abgerutscht sind. Dazu gehört das britische Pfund.

    Es befindet sich ebenso im Wettlauf mit anderen Währungen wegen der steigenden Zinsen, wie Euro und Dollar auch.
    Der Leitzins des Dollars liegt bei 5,25%, des Pfunds bei 4,5% und des Euros bei 3,75. Man merkt also, wer die Nase vorn hat und wer unter Zugzwang ist.

    Außerdem haben die Zinserhöhungen bereits eine veritable Bankenkrise verursacht und jede weitere Zinserhöhung ist diesbezüglich ebenfalls ein Spiel mit dem Feuer.
    Dazu kommt die Inflation, gepaart mit der Einbildung, man könnte sie durch Zinserhöhungen verringern.
    Die Einbildung hat ihre Grundlage in dem Größenwahn, sich gegen Rußland zu positionieren und deshalb alle Sparten der Ökonomie dem unterzuordnen. Das beflügelt Inflation und Krise, und das darf aber niemand laut sagen. Also klammern sich alle an diese Wahnvorstellung, bei richtiger Zinspolitik ließe sich die Inflation verringern.

    Die Inflation im UK steht mit Ende April bei 8,7% und Feuer ist am Dach. Die diversen Experten-Idioten beschwören ein Szenario, demzufolge die Leitzinsen mindestens auf 5% bis Jahresende zu erhöhen sind. (Zum Glück ist bis dahin noch Zeit, man kann also das trostlose Geschwätz noch eine Zeitlang fortsetzen.)

    „Die Marktreaktion“ (auf die Veröffentlichung der Inflationszahlen) „begann bereits am Mittwoch, verstärkte sich jedoch am Donnerstag. Bei zweijährigen Staatsanleihen ist die Rendite (yield) innerhalb weniger Stunden um bis zu 17 Basispunkte gestiegen. Im Laufe der Woche erreichte der Anstieg 60 Punkte. Während der Krise, die durch den Minihaushalt – im Grunde eine massive Steuersenkung – des Tandems Liz Truss-Kwasi Kwarteng (des ehemaligen Wirtschaftsministers) ausgelöst wurde, erreichte der Anstieg 89 Basispunkte. Dieses Niveau wurde noch nicht erreicht, das derzeitige ähnelt allerdings dem der Marktkrise in den Jahren 2008 und 2009.
    Mit steigender Rendite sinkt der Wert der Anleihe. Anleger gehen davon aus, dass neue Schuldtitel mit teurerem Geld rentabler sein werden, was dazu dazu führt, daß die bereits im Umlauf befindlichen Anleihen an Wert verlieren, um diese Rendite zu erreichen.
    Dadurch steigt die Staatsverschuldung und Anleger, die Staatsschulden in ihrem Portfolio haben, verlieren. Der Zinssatz für eine zehnjährige britische Staatsanleihe liegt jetzt bei 4,4 %, viel höher als die 2,5 % in Deutschland oder 3 % in Frankreich und nur vergleichbar mit 4,3 % für Anleihen des italienischen Staats.“ (El País, 26.5.)

    Mit Staatsschulden verliert der heutige Anleger so oder so, weil der Leitzins immer noch bedeutend unter der Inflationsrate liegt.

    Als voriges Jahr das Pfund aufgrund der schwachsinnigen Finanzpolitik nach Wirtschafts-Lehrbuch unter Druck kam, mußte die Bank of England massiv Stützungskäufe machen. Nach Truss’ Abgang gelang es der Sunak-Regierung, mit viel Lächeln und Diplomatie, den Pfundkurs zu stabilisieren.
    Aber das war auch alles, und es fragt sich, wie lange das halten wird.
    Der IWF sagt ein Mini-Wachstum voraus, weil er nicht mit Rezessions-Szenarien weiteres Öl ins Feuer gießen will.

  2. Ein langer Artikel in EL País detailliert, warum das Verbot russischer Diamanten in der EU eine Schnapsidee wäre:

    Antwerpen ist das Zentrum des Diamantenhandels weltweit. Aber die Bearbeitung der Diamanten geschieht meistens woanders, vor allem in Indien. Der Handel Rußland-Indien-Antwerpen ist größtenteils in den Händen der Jain-Sekte, die die Bearbeitung und Kommezialisierung der Diamanten betreibt.

    Ein Verbot russischer Diamanten in der EU würde zur Folge haben, daß sich der Diamantenhandel aus der EU vertschüsst und nach Fernost abwandern würde. Antwerpen würde den wichtigesten Einkommenszweig verlieren und Belgiens Finanzierungsprobleme würden sich erhöhen.

    Ein weiterer Schuss ins Knie also.

  3. Nicht mit der Binse, dass der Preis der Währungen am Markt sich vor allem als eine Relationsgröße  im Währungsvergleichs herstellt, wartet Stephan Kaufmann auf, – sondern mit der Darstellung  des Konflikts der EZB gegen Spekulationswellen  des weltweiten Finanzkapitals: "Whatever it takes"
    “(…) Die Zentralbank mit ihrer als Geldschöpferin schrankenlosen Zahlungsfähigkeit gibt eine unbegrenzte Garantie, zur Not Euro-Anleihen aufzukaufen und übertriebene Zinssteigerungen zu verhindern. Damit garantiert sie die Kreditwürdigkeit Europas – Spekulation zwecklos. Draghis Rede „war die Geburtsstunde der EZB als Risikomanagerin, die sich fortan um weit mehr als die Geldwertstabilität im engeren Sinne kümmern sollte“, erklärt die DZ Bank.(…) Die EZB ist die einzige Zentralbank der Welt, die immerzu rechtfertigen muss, dass sie eine Währungsunion und damit deren Geld, erhält, obwohl sie offiziell nur für dessen Wertstabilität zuständig ist. (…)”

    https://www.fr.de/wirtschaft/whatever-it-takes-92314253.html

    Dass die “Garantieleistung” der EZB – whatever it takes… – ihrerseits fundiert ist in einem Bündnis der Weltwährungen, untereinander wechselseitig für ihre ‘Finanzmarkt-Stabilität’ eintreten zu wollen. ( auch “whatever it takes”??? ) – das bleibt nachzutragen …..
    (Und wenn demnächst evtl. wieder der eine oder andere Donald Trump ein G7-Treffen wütend verlässt, – mal schauen, ob es dabei dann zukünftig auch noch bleibt…..).

    [Das Abschiffen des Pfund ist jedenfalls damals, als die noch neue Premierministerin Truss sofort in Finanzmarkt-Turbulenzen geriet,, aus den USA meiner Erinnerung zufolge eher mit Häme begutachtet worden, grad so, als hätten die USA darauf Wert legen wollen, dass der Anspruch von GB auf den Anschein von irgendeiner ‘Gleichrangigkeit’ mit dem großen Bruder aus Sicht der Biden-Regierung nicht nur eine alberne Petitesse innenpolitischer Selbstdarstellung von GB gewesen sei.]

    Was die damals betroffenen britischen Finanzprodukte betrifft – so kommt einem in der Abwicklung der Details manches bekannt vor ….

    “(…) Denn britische Pensionsfonds sind in großem Stil in britische Staatsanleihen, sogenannte Gilts, investiert, und sie haben diese Investments teilweise als Sicherheit für andere Finanzgeschäfte genutzt. Der plötzliche Zinsanstieg um über einen Prozentpunkt binnen zweier Tage und der Einbruch der Nachfrage nach Gilts stellten sie vor große Probleme, weil die Anleihen mit ihren alten, niedrigen Zinssätzen plötzlich weniger wert waren. Die Pensionsfonds mussten für ihre Geschäfte also zusätzliche Sicherheiten zur Verfügung stellen, die die aber kaum hatten. Mangels Käufern könnten sie auch keine Gilts verkaufen. Die Bank of England befürchtete in der Folge eine Implosion des Gilt-Markts und damit den Kollaps zahlreicher Pensionsfonds – und griff ein. Für 65 Milliarden Pfund kauft sie Gilts, um die Nachfrage zu stützen. Für Salomon Fiedler, Volkswirt bei der Berenberg Bank, ein wichtiger Schritt: “Es hätte ohne den Eingriff zu einer Abwärtsspirale kommen können”, vermutet der Marktbeobachter.(…)”
    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossbritannien-steuern-liz-truss-1.5668487

  4. Die EZB hat derzeit das folgende Problem:

    Einerseits will und mußte sie die Zinsen erhöhen, um im Wettlauf der Währungen nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten.

    Zweitens hat sie gleichzeitig das Anleihen-Aufkaufprogramm verlängert bzw. neu aufgelegt, damit alle Euro-Staaten ihre Verbindlichkeiten bedienen können und keine neue Eurokrise ausbricht.

    Jetzt muß sie aber für diese von den Nationalbanken aufgekauften Anleihen viel höhere Zinsen zahlen, die gesamte Verschuldung und auch die der EZB erhöht sich also auch und außerdem wird die Inflation durch die höheren Zinsen angetrieben, weil alle Kredite – kommerzielle und Konsumentenkredite – sich verteuern und damit alles, weil ja inzwischen schon alles kreditfinanziert ist.

  5. Wirtschaft in Eurozone rutscht in »technische Rezession«

    In der Eurozone ist die Wirtschaftsleistung zu Jahresbeginn überraschend“

    Überraschend für wen?

    „gesunken. Im ersten Quartal habe das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal um 0,1 Prozent nachgegeben, teilte das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Luxemburg nach einer dritten Schätzung mit. Der Währungsraum ist damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. In einer vorherigen Schätzung war noch ein leichtes Wachstum um 0,1 Prozent ermittelt worden. Volkswirte hatten mit einer Stagnation gerechnet.

    Im vierten Quartal 2022 war die Euro-Wirtschaft ebenfalls um 0,1 Prozent geschrumpft. Auch hier wurden die Daten revidiert, nachdem zuvor eine Stagnation ermittelt worden war.

    Wenn die Wirtschaft zwei Quartale in Folge schrumpft, sprechen Ökonomen von einer «technischen Rezession». Diese fällt jedoch noch sehr mild aus. Die Daten beziehen sich auf die 20 Länder der Eurozone. Kroatien war zum Jahreswechsel beigetreten.“

    Hat sich offenbar nicht als Herausreißer bewährt.

    „Im Jahresvergleich legte die Wirtschaft im Zeitraum Januar bis Ende März um revidierte 1,0 Prozent zu. In einer vorherigen Schätzung war noch ein Wachstum von 1,3 Prozent ermittelt worden. Volkswirte hatten mit einer Revision auf 1,2 Prozent gerechnet.

    Die Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Ländern der Eurozone zeigte deutliche Unterschiede. Das stärkste Wachstum erzielte Luxemburg mit 2,0 Prozent im Quartalsvergleich und Portugal mit 1,6 Prozent. Starke Rückgänge wurden hingegen für Irland (minus 4,6 Prozent) und Litauen (minus 2,1 Prozent) registriert. Das deutsche BIP war um 0,3 Prozent gesunken.“

    (Zeit, 8.6.)

    Portugal und Luxemburg als Konjunkturlokomotiven – hmmm.

  6. Deutsche Wirtschaft ist im Tiefschlaf – und keine Erholung in Sicht

    Inflation und hohe Energiepreise lähmen die deutsche Konjunktur. Wieder ist vom "kranken Mann Europas" die Rede. Die Ampelregierung aber ist sich nicht einig, was sie zur Unterstützung der Wirtschaft tun soll.

    Es ist nur ein sehr kleiner Lichtstrahl, und er reicht wohl nicht aus, um das Dunkel nachhaltig zu erhellen, in dem sich die deutsche Wirtschaft derzeit befindet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwar laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden nach zwei Quartalen in Folge nun von April bis Juni 2023 nicht mehr gesunken, die sogenannte technische Rezession damit beendet worden.

    Doch es gab, anders als von Experten erwartet, auch kein Wachstum. Nach minus 0,4 Prozent im vierten Quartal 2022 und minus 0,1 Prozent im ersten Quartal 2023 verzeichnete man in Wiesbaden im dritten Quartal einen Wert von 0,0.

    Und auch die Aussichten auf die kommenden Monate sind alles andere als rosig. Viele Ökonomen rechnen damit, dass Europas größte Volkswirtschaft 2023 insgesamt leicht schrumpfen wird – laut Bundesbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) um 0,3 Prozent.

    (…)

    (Standard, 2.8.)

    Man merkt, das Vokabel Rezession wird tunlichst vermieden, aber es schaut einfach nicht gut aus für die Wirtschaft Deutschlands – und damit der ganzen EU.

  7. Italien legt nach Börsenturbulenzen Obergrenze für Banken-Übergewinnsteuer fest

    Die Einnahmen sollen nicht mehr als 0,1 Prozent der Bilanzsumme übersteigen. Ryanair protestiert indes gegen Pläne, in Preise für Binnenflüge einzugreifen

    Rom – Nach heftigen Börsenturbulenzen hat Italiens Regierung für ihre beschlossene Sondersteuer auf Bankgewinne eine Obergrenze gesetzt. Die überraschende Entscheidung für eine Übergewinnsteuer hatte am Dienstag Aktien der italienischen Geldhäuser am Finanzmarkt abstürzen lassen. Das Finanzministerium versuchte daraufhin am späten Abend, die Märkte zu beruhigen. Es teilte mit, die Einnahmen aus der Steuer würden 0,1 Prozent der Bilanzsumme der Institute nicht überschreiten. (…)

    (Standard, 9.9.)

    Die Versuche, den ausufernden Ausgaben durch Erhöhung der Einnahmen irgendwie gegenzusteuern, wurde sofort von den „Märkten“ bestraft.

    Zum Unterschied von Liz Truss, die Steuern verringern wollte, wollte Meloni Steuern einheben – beides kommt nicht gut an.
    Es ist für einen Staat in Europa heute sehr schwer, irgendwie an Einnahmen zu kommen, sodaß eben nur immer mehr Verschuldung als Ausweg bleibt.

    Zum Unterschied von GB, wo es eine eigene Währung gibt, die durch die Pläne der Regierung ins Trudeln geriet und dadurch von den Finanzkapitalisten abgewertet wurde, ziehen die Turbulenzen in Italien auch den Euro in Mitleidenschaft.

  8. Chinesische Konjunktur belastet Siemens
    Warum der Auftragseingang bei Siemens einbricht

    Der Münchner Technologiekonzern kann die Schwäche am chinesischen Markt nicht ausgleichen. Vor allem bei der Automatisierungssparte Digital Industries ist der Auftragsbestand eingebrochen. Wie CEO Roland Busch in das heurige Jahr blickt.

    Erste Bremsspuren der schwachen Konjunktur zeigen sich bei Siemens. Der Vorstandsvorsitzende des Münchner Technologiekonzerns, Roland Busch, sagte am Donnerstag, dies liege vor allem daran, dass sich die Wirtschaft in China nicht so schnell erhole wie erwartet. "Wir gehen daher von einer abgeflachten Entwicklung aus." Busch spricht von einer "Normalisierung der Nachfrage".

    Das bekommt vor allem die Automatisierungssparte Digital Industries zu spüren. Deren Auftragseingang brach im dritten Quartal (April bis Juni) um mehr als ein Drittel ein. Bis zum Geschäftsjahr 2023/24, das im Oktober beginnt, rechnet Finanzvorstand Ralf Thomas für das Flaggschiff Digital Industries mit einer "Verlangsamung der Wachstumsdynamik auf hohem Niveau".
    Der Trend zu mehr Automatisierung und Digitalisierung sei aber ungebrochen. Mit 109 Milliarden Euro Auftragsbestand sitze der Konzern auf einem Rekordniveau.

    "Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut"

    Bei den Anlegern machte sich dennoch Ernüchterung breit. Um bis zu fünf Prozent auf 139,32 Euro fiel die Siemens-Aktie, die lange als Bollwerk gegen die schwächelnde Konjunktur galt und damit größter Verlierer im Dax war. "Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut", sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets.

    Besonders im kurzzyklischen Geschäft, wo Aufträge schnell zu Umsätzen werden, hielten sich Kunden in China, aber auch in Europa zurück. Wegen der langen Lieferzeiten hätten sie viele Aufträge vorgezogen, die nun abgearbeitet würden. Stornierungen gebe es kaum, allerdings werden Lieferungen verschoben. Viel hänge nun davon ab, wann und wie die chinesische Regierung die Konjunktur ankurbeln werde. Von den von der US-Regierung angekündigten Investitionsverboten für Hochtechnologie in China sieht Busch Siemens nicht direkt betroffen. Er hofft aber, dass die Spannungen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten nicht eskalieren.

    Der Chef des Schweizer Rivalen ABB, Björn Rosengren, hatte kürzlich gesagt, seine Kunden verlagerten Investitionen von China nach Indien. Ausländische Unternehmen zögen sich nicht aus China zurück, sondern diversifizierten stärker, sagte Busch.

    (Industriemagazin, 10.8.)

    Peinlichst vermeidet der Chef von Siemens das Wort „Rußland“, es ist aber der unsichtbare Elefant im Raum.

  9. Im El País heute ein langer Artikel, in dem Deutschland als „Der kranke Mann Europas“ dargestellt wird.

    Eigentlich recht frech von der Zeitung. Deutschland wird hier genußvoll vom Thron gestoßen. Es hätte Großbritannien abgelöst, meint der Autor. (Was nicht heißt, daß GB „gesund“ wäre.)

    Das ökonomische Modell Deutschlands ist vorbei, meint der Autor. Es beruhte erstens auf Wettbewerbsfähigkeit, also einem guten Preis-Leistungsverhältnis seiner Exporte. Das ist durch die hohen Energiepreise dahin, alles wird teurer gegenüber Staaten, die eigene, günstigere Energiequellen haben.
    Alles, so erwähnt er fast höhnisch, kann man eben nicht mit staatlichen Förderungen reparieren.

    Ein Seitenhieb auf die Fähigkeit Deutschlands, sich seit der Finanzkrise günstig zu verschulden und alle möglichen Sektoren zu stützen, obwohl das eigentlich in der EU verboten ist – während es gleichzeitig anderen Staaten gegenüber den Sparmeister gab und ihnen dergleichen untersagte.

    Dazu kommt noch, daß China seine Importe zurückfährt, das war aber einer der wichtigsten Märkte für die deutsche Auto- und Maschinenbau-Industrie.

    Jetzt versucht Deutschland – wieder mit Subventionitis – Chip-Fabriken aus dem Boden zu stampfen – wenn das nur gutgeht, meint der Autor, ebenfalls leicht höhnisch. Am Ende wird alles an der ausgeuferten Bürokratie scheitern, die er in Deutschland dingfest macht.

    Zu Hause ist auch keine Rettung zu erwarten, da hüten alle ihre Geldbörseln, anstatt zu konsumieren.
    Der Autor schreibt das der „Mentalität“ und dem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit zu, wo alle es der schwäbischen Hausfrau gleichtun wollen.
    Daß es tatsächlich einen bedeutenden Kaufkraftverlust gibt, der sich dank Inflation immer weiter fortsetzt, nimmt er als weiteren Faktor ebensowenig zur Kenntnis wie den Verlust der Handelsbeziehungen zu Rußland.

  10. Ja ja, der Telegraph.
    Ich werde nicht schlau daraus, aus welchen Gründen sich diese Zeitung vorsichtig der Wahrheit nähert.

    „It was undoubtedly a surprise to Vladimir Putin when Western nations came together in a united front to impose such a draconian package of sanctions on Russia for its illegal invasion of Ukraine. Nothing like it had ever been done before.“

    Damit wird zwar so getan, als wäre das die angemessene Antwort auf die unerhörte Missetat Rußlands gewesen und das hätte die Überraschung dargestellt.
    Aber in Wirklichkeit waren die Russen höchstens darüber überrascht, mit welcher Vehemez sich die EU an die Rockschöße der USA hängt und Sanktionen verhängt, die ihre eigene Wirtschaft auf Talfahrt schicken:

    „… he’d calculated that many parts of the EU would be unable to tolerate the economic harm of cutting themselves off from Russian oil and gas, and could therefore not make such a policy stick.“

    Es ist ja tatsächlich bemerkenswert, mit welchem Schwung die EU-Staaten sich das Wasser abgraben, allen voran Deutschland, und gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn ihnen der Verbündete die Energieversorgung sprengt.
    Dieser Mangel an Souveränität empfinden die russischen Politiker als verächtlich.

  11. Jetzt bezeichnet auch die Izvestija Deutschland als den „kranken Mann Europas“:

    „Auch auf dem Immobilienmarkt, der 15 % des deutschen BIP ausmacht, gibt es Probleme. Hat der Immobilienmarkt in den letzten Jahren häufig als mäßigender Mechanismus fungiert und Probleme in anderen Wirtschaftszweigen ausgeglichen, so ist dieser Mechanismus inzwischen zusammengebrochen. Das Bauvolumen neuer Häuser ging stark zurück (von Januar bis August 2023 – um 50 %), es wurden 25 % weniger Baugenehmigungen erteilt und Bauträger meldeten massenhaft Insolvenz an. Auch der IFO-Index für die Bauwirtschaft liegt im tiefen Minus: -29,3 Punkte im August, der schlechteste Wert seit 2008.“

    Schau schau, der „Exportweltmeister“ – und 15% des BIP waren Immobilien? Das Wachstum war spekulationsgetrieben?

    Und das Beste: Die Schweizer Staatsbahnen wollen mit den deutschen nicht mehr zusammenarbeiten, weil die Züge von dort so unpünktlich sind!
    Als leuchtendes Beispiel werden den Deutschen ausgerechnet – die Italiener vorgestellt, deren Züge inzwischen pünktlich sind.

  12. Der Indien-Europa-Korridor

    Berlin, Brüssel und Washington planen Verkehrskorridor aus Europa über Mittelost bis nach Indien. Das Projekt soll mit der Neuen Seidenstraße rivalisieren und Indien enger an den Westen binden.

    Deutschland beteiligt sich an Plänen zum Aufbau eines Transportkorridors bis nach Indien und kooperiert dabei mit der EU und den USA. Wie Washington, Brüssel, Berlin und die Regierungen weiterer Staaten am Rande des G20-Gipfels in New Delhi beschlossen haben, soll ein India-Middle East-Europe Economic Corridor (IMEC) Europa und Südasien verbinden.
    Bestehen soll er aus einer Kombination aus Bahn- und Schiffstransport. Zudem ist der Bau von Unterseekabeln geplant; auch die Lieferung grünen Wasserstoffs aus Israel nach Europa ist vorgesehen. Das Projekt ist als Konkurrenzvorhaben zu Chinas Neuer Seidenstraße konzipiert. Außerdem soll es New Delhi stärker an die EU binden, um es leichter gegen Beijing in Stellung bringen zu können. Der IMEC ist das vierte Großprojekt auf dem Feld der Infrastruktur, das EU und USA bislang gestartet haben, um die Neue Seidenstraße zu schwächen. Zwei gelten als gescheitert, eines („Global Gateway“) kommt eher schlecht als recht voran. Dabei ist der Investitionsbedarf auf dem Infrastruktursektor weltweit hoch und lässt Raum für chinesische und transatlantische Vorhaben in beliebiger Höhe – nebeneinander und zur gleichen Zeit.

    (…)

    (German Foreign Policy, 12.9.)

    Die eigene Eisenbahn geht am Zahnfleisch, aber Deutschland plant Unterwasserkabel … Die Angelegenheit wirkt weder glaubwürdig noch perspektivenreich, reiht sich aber in die Serie der Absichtserklärungen ein, wie man doch noch wer sein könnte.

  13. Zu gegensätzlichen  Konjunkturentwicklungen  in den USA und im Euro-Raum schreibt Stephan Kaufmann (vor 2 Wochen) ….

    Steigende Zinsen setzen EU-Staaten unter Druck
    https://www.fr.de/wirtschaft/steigende-zinsen-setzen-eu-staaten-unter-druck-92636813.html

    ….  und vor 4 Wochen ….
    Euro-Stabilitätspakt: Geopolitik auf Kredit
    Im Streit um den Euro-Stabilitätspakt geht es um weit mehr als bloß Defizitregeln und Schuldentragfähigkeit
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177179.staatsschulden-euro-stabilitaetspakt-geopolitik-auf-kredit.html

    —–

    Die sog. "europäischen Schuldenregeln"  der EU – sollen sie  reformiert werden?

    https://www.euractiv.de/section/finanzdienstleistungen/news/was-wir-ueber-die-neuen-eu-schuldenregeln-wissen-und-was-nicht/

    https://www.euractiv.de/section/finanzdienstleistungen/news/eu-schuldenregeln-deutschland-und-frankreich-weiterhin-im-clinch/

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    Die vermutliche zukünftige neue Regierung Polens ist anscheinend jetzt schon bemüht, dass Polen nicht weiterhin von europäischen Geldzuflüssen abgetrennt werden soll

    https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/polen-teilnahme-an-eu-staatsanwaltschaft-gegen-eu-gelder/?utm_source=website&utm_campaign=popular

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    Der EU-Vorbehalt der BRD gegenüber Frankreich beim Thema ‘finanzpolitische Stabilitätspolitik’ lautete, dass die Weltmacht- und Führungsambitionen von Staaten innerhalb der EU mit deren eigener Ökonomiestärke begründen werden müssen – und nicht mit Zugriff auf Schuldenausweitung und/oder zusätzlichen (europäischen) Geldern. Genau das lässt sich aber grad kaum auseinanderdividieren – und bekanntlich befindet die BRD aktuell sich ebenfalls im Krisenmodus – den die dt. Regierung mit ihren neuen Haushaltsbeschluss-Notwendigkeiten vermutlich nun eher noch weiter befeuern wird…..

    Dass die Selbstverpflichtung der BRD auf die sogenannte ‘Schuldenbremse’ vor allem auch der Disziplinierung der anderen EU-Staaten – vor allem Frankreich und Italien – dienen sollte, ist grad so vergessen – wie ich bis letzte Woche noch geglaubt hatte, dass es das Bild der sog. “schwäbischen Hausfrau” mit ihrem Finanzgebaren wäre …. 🙂

  14. Gespräch mit Stefan von den GKN über Macht und Geld. (99zu 1)

    https://www.youtube.com/watch?v=7XQBjcTlbxU&t=8s

    Vgl. auch den Theorie – Text der GKN. über. Staatsverschuldung, Inflation etc….

    https://gegen-kapital-und-nation.org/media/pdfs/de/inflation_deutsch.pdf

    —–

    Aus dem ND-Artikel zur EU-Geopolitik, bzw. einem Kasten daraus: “Im Zuge der Eurokrise wurden die Schuldenregeln verschärft. Beim Defizit verpflichteten sich die Staaten 2012 zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt und zur Aufstellung nationaler Fiskalregeln – in Deutschland ist dies die Schuldenbremse. Bei den Gesamtschulden verpflichteten sich die Staaten, jenen Teil ihrer Schulden, der über der Grenze von 60 Prozent des BIP liegt, jedes Jahr um ein Zwanzigstel abzutragen (1/20-Regel). Die Coronakrise 2020/21 jedoch machte umfangreiche Hilfen für Haushalte und Unternehmen nötig, weswegen der SWP ausgesetzt wurde. Diese Aussetzung wurde 2022 verlängert wegen der Energiekrise im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Ab 1. Januar 2024 soll der SWP wieder gelten.” (s.o.)

  15. Also einmal ein Kommentar zu dem ersten Artikel von Kaufmann, der doch etwas leicht Phrasen aus der VWL übernimmt:

    „Denn die Konjunktur ist bereits plangemäß abgeschwächt, was die Inflationsrate drückt.“

    So war es doch dann auch nicht, daß man die Konjunktur möglichst abwürgen wollte. Das haben eben die steigenden Zinsen mit sich gebracht. Daß im Gefolge dessen die Inflation etwas zurückgeht, weil aufgrund mangelnder Kaufkraft und mangelndem Kredit notgedrungen die Nachfrage zurückgeht, ist zwar der gewünschte Effekt, ist aber leider nicht ohne Wirtschaftsschrumpfung zu haben.

    „Gleichzeitig sorgt die starke US-Wirtschaft für weltweit steigende Zinsen, was Kredite verteuert.“

    Daß die US-Wirtschaft so besonders stark sei, ist ein in den hiesigen Medien gepäppeltes Märchen. Die US-Ökonomen sind mehr als besorgt über den wackligen Zustand ihrer Wirtschaft. Später im Artikel führt Kaufmann auch aus, daß das ganze „Wachstum“ der USA kreditfinanziert ist, also auf staatliche Subventionen und Hoffen auf die Zukunft gebaut ist.
    Die Zinsen steigen in den USA nicht deswegen, weil die Wirtschaft so „stark“ wäre, sondern weil die USA ihre Weltmachtsambitionen, sprich Kriege, mit Kredit finanzieren und deswegen das Geld der ganzen Welt auf sich ziehen wollen.
    Deshalb haben sie Zinsen erhöht bis zu einem Punkt, wo es ihnen selbst bedenklich erschien und sie einen neuen Bankenkrach befürchteten.

    Also weder „starke Wirtschaft“ noch „Inflationsbekämpfung“ standen bei diesen Zinserhöhungen Pate.

    Die EU mußte notgedrungen nachziehen, um nicht ganz ohne Käufer für ihre auch sehr reichlich aufgelegten Staatsanleihen zu bleiben.

    Das wird wieder in dem Artikel so verkehrt dargestellt, daß es schon fast komisch ist:

    „Damit allerdings verschärft sich das Problem, vor dem die EU steht: Das Wachstum lahmt, die Schulden liegen vielfach hoch.“

    Aber die „Konjunkturabschwächung“ war doch „geplant“, siehe oben!
    Und die Schulden sind doch das Ergebnis dessen, wie der Euro von Anfang an angelegt war.
    Hier kommt das so daher, als wäre es nicht ein Ergebnis der bisherigen Wirtschafts- und Geldpolitik der EU, sondern eine „Lage“, der sich ihre Akteure einfach gegenübersehen. Um sich dann am Kopf zu kratzen: Was tun?

    Die Entsubjektivierung der ganzen „Lage“ setzt sich noch fort:

    „Gleichzeitig stehen die Regierungen vor hohen Ausgaben für Klimaschutz, Industriepolitik, Digitalisierung und Rüstung.“

    Aber diese Ausgaben haben sie doch selbst beschlossen! Und jetzt „stehen sie davor“!

    „Und nun fressen die Zinsen immer höhere Anteile am Budget.“

    Hüben wie drüben übrigens. Also die USA wie die EU kämpfen damit, aus dem Kredit mit den steigenden Zinsen sowohl ihre Außenpolitik – vor allem Kriege – als auch ihre Wirtschaft – durch Zuschüsse und Subventionen – als auch sich selbst – Beamte, Militär, Exekutive, Sozialstaat, Bildungs- und Gesundheitswesen – zu finanzieren.
    Und das in einer Zeit, wo sich große Akteure ganz oder teilweise vom Finanzmarkt zurückziehen, wie die BRICS-Staaten.

    Soweit einmal zum 1. – dankenswerterweise von Leser geposteten – Kaufmann-Artikel.

  16. Im 2. Kaufmann-Artikel aus dem Neuen Deutschland setzt sich diese Neigung, die Beschlüsse der Politiker und Währungshüter zu Sachzwängen zu vernebeln, auf die diese Akteure dann reagieren müssen:

    „Gleichzeitig hat in den letzten Wochen an den Finanzmärkten eine Art Eigendynamik eingesetzt, die die Zinsen auf Staatsschulden in die Höhe treibt.“

    Eigendynamik!

    Die Fed, die Bank of England und die EZB erhöhen die Zinsen und das ist eine Eigendynamik!? Im Grunde ist der ganze Imperialismus und die Marktwirtschaft eine „Eigendynamik“, die seltsamerweise immer von allen befeuert und gestützt wird …

    „»Derzeit leiht sich Washington die Rekordsumme von 300 Milliarden Dollar – jeden Monat«, merken die Ökonomen der Allianz an.
    Die Staatshilfen führen dazu, dass die US-Konjunktur überraschend stark ist – die lange prognostizierte Rezession stellt sich nicht ein, im Gegenteil.“

    Natürlich nicht, weil die Konjunktur immer fest gestützt wird, siehe oben.

    Das Selbstbewußtsein des derzeitigen US-Präsidenten, sich das alles leisten zu können, wird von seinen Kritikern nicht geteilt und treibt die Wähler in die Arme Trumps.

    Die Stützungs- und Unterstützungs-Party ist vielleicht auch aus anderen Gründen eines Tages zu Ende, weil die Schulden eben nur so lange als solide gelten, als sie durch überlegene Gewalt abgesichert sind …

    „Die EU arbeitet daher mit Hochdruck an einer Reform des Stabilitätspaktes, der sowohl den deutschen Forderungen nach Schuldenabbau nachkommen muss wie auch den Forderungen anderer Länder nach mehr Flexibilität und Spielraum bei der Finanzierung von Industriepolitik, Konjunkturprogrammen und Rüstung.“

    Bei diesem widersprüchlichen Programm hat heute zudem Deutschland das Problem, daß es bei stagnierender Wirtschaftsleistung und hohem Finanzbedarf der letzte Staat ist, der sich ein Sparpaket genehmigen kann.
    Dann ist es aber auch schwierig, anderen eines vorzuschreiben.

    „Derweil haben die Regierungen Frankreichs und Italiens bereits Fakten geschaffen. Ihre Haushaltspläne sehen für die kommenden Jahre Defizite weit über dem SWP-gemäßen Referenzwert von drei Prozent des BIP vor.“

    Damit setzen sie allerdings nur fort, was während der Pandemie längst eingerissen ist – überall.

    „Frankreich wiederum hat angekündigt, die Drei-Prozent-Defizitgrenze erst 2027 wieder einzuhalten.“

    Bis dahin fließt aber noch viel Wasser die Seine hinunter …
    ————-

    Zu dem angestrebten Stabilitätspakt und Schuldenregeln ist bei den Verhältnissen, wie sie sind, ist nur zu sagen, daß es so etwas sein wird wie die Maastricht-Kriterien: Vorne wird irgendetwas verkündet, man kann dann auch publikumswirksam streiten, ob der oder der Posten noch drin ist; oder andere Staaten an die Kandare nehmen – und hinten wird alles an Geld hinübergeschoben, was nötig ist, damit die Sache nicht kracht.

  17. Zum US-Wachstum zwei Nachfragen.

    1) In den hiesigen Medien las es aktuell sich anders:
    "Das Wirtschaftswachstum in den USA hat sich im Sommer deutlich beschleunigt. Dazu trug besonders der private Konsum bei. Die größte Volkswirtschaft der Welt verkraftet die gestiegenen Zinsen erstaunlich gut.
    Trotz stark gestiegener Zinsen hat die US-Wirtschaft ihr Wachstum im Sommerquartal mehr als verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet um 4,9 Prozent zu, wie das US-Handelsministerium heute in einer ersten Schätzung mitteilte. 
    Das ist die größte Steigerungsrate seit knapp zwei Jahren. Ökonomen hatten mit einem Plus von 4,3 Prozent gerechnet, nachdem es im Frühjahr nur zu einem Wachstum von 2,1 Prozent gereicht hatte. Experten sprachen nach den Daten von einer "bemerkenswert robusten" Konjunktur.   (…).  Zum guten Abschneiden im abgelaufenen Quartal trugen die Verbraucherinnen und Verbraucher bei, die ihren Konsum um 4,0 Prozent steigerten – nach lediglich 0,8 Prozent im vorangegangenen Vierteljahr. Die privaten Konsumausgaben, die mehr als zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung beitragen, werden vom robusten Arbeitsmarkt und steigenden Löhnen angeschoben. Letztere wuchsen zuletzt schneller als die Verbraucherpreise, wodurch die Kaufkraft zulegte."
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/usa-konjunktur-wirtschaftswachstum-bip-100.html
    [Dass hierzulande der Fortfall billiger russischer Energie und die Aufblähung der Staatsaufgaben für Rüstung und Militär die hiesige Ökonomie ganz anders trifft als die amerikanische, das würde mir zumindestens für den Unterschied zu den USA einleuchten.]

    2. Zur impliziten Entgegensetzung von (bloß) kreditverursacht zu realökonomisch…. 

    [… “ führt Kaufmann auch aus, daß das ganze „Wachstum“ der USA kreditfinanziert ist, also auf staatliche Subventionen und Hoffen auf die Zukunft gebaut ist.
    Die Zinsen steigen in den USA nicht deswegen, weil die Wirtschaft so „stark“ wäre, sondern weil die USA ihre Weltmachtsambitionen, sprich Kriege, mit Kredit finanzieren und deswegen das Geld der ganzen Welt auf sich ziehen wollen….]

    …das gefällt mir deswegen nicht, weil Verfügung über Kredit den Unterschied in den Ambitionen des kapitalistischen Wachstums eh und immerzu ausmacht. So oder so, ist kapitalistisches Wachstum immerzu von der Verfügung über Kredit abhängig – und wo sich davon mehr anlegt, dort gib es dann – potentiell – eben auch mehr Wachstum. (So ging jedenfalls in den letzten Jahrzehnten die Gleichung der USA auf.)  Dass das Kapital sich wegen der Kriege und der Kriegsvorbereitungen  in den USA anlegt, heißt eben auch, dass das Aufrüsten der USA deren Ökonomie nicht schadet. Hierzulande schaut das aktuell anders auf, was auf den  Vergleich  nicht der Währungen, sondern der Waffen beruht. Bis hin dazu, dass europäische Kraftmeierei, man wolle sich als Weltmacht aufstellen, ein Schmarotzertum an der Gewaltmaschionerie der USA ist. Da legt das Kapital sich dann doch lieber gleich bei den USA an…..  

    —–

    [3.] Anmerkung: Dass Israel sich solche Gewaltmaschinerie leisten kann, ist übrigens in ähnlicher, aber im Resultat grad umgedrehter Weise, vom Gewaltapparat der USA abhängig.   Dazu ein dritter Aufsatz von Stephan Kaufmann….

    “(…) Bemerkenswert stabil steht dagegen Israel da, zumindest aus der Sicht der internationalen Kreditgeber, der Finanzmärkte. Die Anleger, die wie Seismografen auf Entwicklungen in Politik und Wirtschaft eines Landes reagieren, zeigen sich vom Krieg in Gaza unbeeindruckt. Das belegt der Zins, den sie von Israels Regierung für zehnjährige Kredite verlangen, und der zeigt, für wie riskant die Anleger das Land halten. Anfang Oktober, vor dem Massaker der Hamas, lag Israels Zins bei 4,3 Prozent. Bis Montag den 6. Oktober war dieser Zins auf 4,2 Prozent gefallen. Das ist weniger als Italien – oder die USA.”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177553.nahost-wer-sich-den-krieg-leisten-kann.html

    [Dass die Kriege Israels deren Kredit nicht schaden, erkläre ich mir also damit, dass die USA der Pate dieser Nation ist, die auch nie behauptet hat, selbst in der Liga der Weltmächte ganz oben mitspielen zu können, sondern immer gewusst hat, dass die USA ihr A und O ist.]

    —–

    [EDIT: Dass chinesische Produkte, ob nun in der Elektronik, in der Couchgarnitur oder bei Schrauben und Muttern, bis hin zu chinesischen Anteilen an US-Dollaranleihen, Bestandteile des US-Wachstums (vgl. ganz oben unter 1.) sind – ist übrigens ein Treppenwitz (bzw. auch eine Erklärung, warum diplomatische Gepflogenheiten zwischen China und USA aktuell nicht aufgekündigt sondern anscheinend stabilisiert werden.)
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/china-und-die-usa-die-entspannungspolitik-koennte-nur-eine-verschnaufpause-sein-li.2160706

    Huch – dazu wieder Stephan Kaufmann aktuell

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177935.interessenpolitik-jenseits-von-gut-und-boese.html

  18. @Leser

    Das stimmt natürlich, daß inzwischen alles Wachstum kreditfinanziert ist.

    Allerdings halte ich daran fest, daß es eine falsche Bestimmung ist, daß die Zinsen in den USA deshalb gestiegen sind, weil die Wirtschaft stark ist.

    Das hat andere Gründe, nämlich den Finanzierungsbedarf des Staates.

    Das mit dem US-Wachstum schaue ich mir noch an, wenn ich dazu komme.
    Ich erinnere nur daran, daß das Wachstum vor dem Crash der Finanzkrise 2008 auch gut war, weil der Begriff des „Wachstums“ sich völlig emanzipiert von dem, was da wächst, und luftige Geschäfte mit Wertpapieren und Kreditderivaten sich auch als Wachstum niederschlagen.

     Und auch da dürfte in der EU größere Flaute sein als in den USA.

  19. Vorabveröffentlichung aus aktuellem Anlass:
    Der Staatshaushalt durch die Brille der FAZ 
    Schuldenfinanzierte Herrschaft – ein Sachzwang, am ‚richtigen‘ Ende zu sparen.
    ..
    Jahr um Jahr stellt die amtierende Regierung in einem Haushaltsplan vor, wie viel Geld für welches staatliche Vorhaben veranschlagt werden soll. In ­bürgerlichen Gemeinwesen wie dem deutschen ist das ein wichtiges Ereignis, schließlich wird mit der Finanzierung einzelner Posten über die politische Ausrichtung und Ausübung der Staatsgewalt für das anstehende Haushaltsjahr entschieden. Diesem Gewicht trägt die FAZ auch in diesem Jahr wieder Rechnung, indem sie der Haushaltsplanung etliche Artikel und Kommentare widmet, die auf ihre Weise sowohl von einer Sachkenntnis als auch davon zeugen, wie die FAZ die Sache verstanden wissen will…..   (Forts.):
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/staatshaushalt-durch-brille-faz

  20. @Leser, zur Frage des US-Wachstums:

    Also auf die Schnelle finde ich zur US-Wirtschaft das:

    US economic outlook: a cooler climate as the US economy enters Q4

    With economic strength persisting in Q3, the US is likely to avoid a recession this year. We revise up GDP growth in 2023 and 2024 by 0.6ppts and 0.4ppts respectively, but do not foresee a sustained reacceleration and expect a significant growth slowdown in 2024. After an estimated 2.1% real GDP growth in 2023, we expect 0.9% growth in 2024. Headline CPI inflation is seen averaging 4.0% in 2023 and 2.5% in 2024, with the Fed cutting interest rates by an expected 100 basis points to 4.375% by year-end 2024. We see the 10-year Treasury yield at 3.9% by year-end 2023 and 3.5% at year-end 2024.“

    https://www.swissre.com/institute/research/sigma-research/Economic-Outlook/us-economic-outlook-september-2023.html

    Also wenn ich das interpretiere, so haben die USA heuer vor allem durch heftiges Investieren z.B. in die erneuerbaren Energien (dort ist noch viel zu bauen auf dem Gebiet, vor allem bei Wind und Sonne, weil diese Sparte bisher eher unterbelichtet war) und nicht zu vergessen Rüstung ein Wachstum hingekriegt, das aber als nicht sehr dauerhaft eingeschätzt wird von den Schweizer Analysten.

    Und dieses 2,1%-Wachstum ist überhaupt nur deswegen so sensationell, weil sonstwo (EU, Japan) auch nicht viel los ist. Japan, Australien, Kanada bleiben voraussichtlich unter 2%, das UK unter einem halben Prozent.
    Wenn man das alles ins Verhältnis zur Inflationsrate und der Schuldenlast setzt, so ist das wirklich eine matte Performance. 

    China soll heuer um 4,9% wachsen, das wird schon als problematisch niedrig angesehen …

    Aber wie ich oben bemerkte, die US-Wirtschaft wird diesseits des großen Teiches oder womöglich nur im deutschsprachigen Raum der EU hochgejubelt – vielleicht um sich selbst zu versichern, daß man bei allem Katzenjammer zu Hause doch auf das richtige Pferd gesetzt hat, und sich weiter an die Rockschöße der USA zu klammern.

  21. Zur Frage des deutschen Staatsschulden-Regiments werden bei Heise/Telepolis die systemimmanenten Standards des Politsprechs gegen die "Schuldenbremse" noch einmal zusammengefasst. Solche bürgerlichen  Trivialitätäten,  die bis gestern auch etliche Regierungschefs aus Bundesländer verbreiteten, die christdemokratisch regiert werden, gelten inzwischen gemäß dem Urteil des Gerichts als – "verfassungswidrig".    Ächt jetzt?

    https://www.telepolis.de/features/Haushaltssperre-und-Folgen-Wer-ist-schuld-an-der-Schuldenkrise-die-keine-ist-9536664.html

    Und dass das ganze Gedöns mit der dt. Schuldenbremse zu nix anderem hatte taugen sollen, als Resteuropa unter deutsche Rechnungsweisen beim Kreditmanagement zu disziplinieren, daran will sich auch keine Sau mehr erinnern?

    “Im Zuge der Eurokrise wurden die Schuldenregeln verschärft. Beim Defizit verpflichteten sich die Staaten 2012 zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt und zur Aufstellung nationaler Fiskalregeln – in Deutschland ist dies die Schuldenbremse. Bei den Gesamtschulden verpflichteten sich die Staaten, jenen Teil ihrer Schulden, der über der Grenze von 60 Prozent des BIP liegt, jedes Jahr um ein Zwanzigstel abzutragen (1/20-Regel). Die Coronakrise 2020/21 jedoch machte umfangreiche Hilfen für Haushalte und Unternehmen nötig, weswegen der SWP ausgesetzt wurde. Diese Aussetzung wurde 2022 verlängert wegen der Energiekrise im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Ab 1. Januar 2024 soll der SWP wieder gelten.”
    (aus dem oben zitierten Kaufmann-Artikel zur EU-Geopolitik auf Kredit:)

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177179.staatsschulden-euro-stabilitaetspakt-geopolitik-auf-kredit.html

    —–

    Laut Stephan Kaufmann soll das Gedöns die internationalen Kapitalmärkte von der auch weiteren Schuldentragfähigkeit der EU überzeugen. (Allerdings sind Verfassungsrichterinnen keine bürgerlichen VolkswurtschaftlerInnen, , sondern Staatsrechtler. Und wie kommen die dann aktuell nun darauf?)

    “Das Ringen um die politökonomische Dominanz auf dem Globus ist in vollem Gang. Die USA, China und die EU liefern sich ein Rennen um Klimaschutztechnologien und Rohstoffe, um Absatzmärkte und Künstliche Intelligenz. Gleichzeitig fahren sie ihre Rüstungsbudgets hoch. Daraus resultiert ein gigantischer Finanzbedarf, der ohne neue Schulden nicht zu decken ist. Die Regierungen der USA und Chinas genehmigen sich daher steigende Schulden und Defizite. Europa hingegen hat sich selbst gebunden: Ab nächstem Jahr sollen die Regeln des Stabilitätspaktes wieder gelten, die die Defizite eingrenzen. Folge wären drastische Sparmaßnahmen, mitten in der Krise. Die EU streitet daher um eine Reform des Paktes – doch ein Treffen diese Woche brachte keine Lösung. Die Zeit drängt, 2024 naht. »Ich möchte nicht darüber spekulieren, wie die Finanzmärkte reagieren, wenn es keine Einigung gibt«, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel – und nannte dabei jene Instanz, die der neue Schuldenpakt überzeugen soll.” (s.o.)

    Gibt es eigentlich jenseits der allenthalben Wahlen gewinnenden Populisten auch innerhalb der Auguren der Finanzmärkte verstärkt warnende Stimmen über die Staatsverschuldungen – oder gelten Staatsschuldenpapiere nicht umgekehrt finanztechnisch als allererste Wahl – ob der Gewalten, die sie verbürgen (und dann auch noch kreuzweise verbürgen….).
    [Das mit dem kreuzweise Verbürgen mag ja allerdings spätestens mit Trumps Wiederwahl zukünftig nicht mehr so sein, vermute ich mal, dass dann das Hauen und Stechen um Kreditwürdigkeit erst so richtig losgetreten werden wird.]

    Vielleicht heißt es auch, dass Verfassungsrechtlerinnen wissen, dass hinter deutschen Regeln zur Nation zwar ein politischer Wille der Parteien zur Nation steht. (Aber nicht, wie z.B. in den USA, eine Gewalt, die garantieren soll, dass dieser Wille auch weltweit gültig werden soll. Und erst recht ist das nicht so bei all der weltweiten Phrasendrescherei der diversen EU- Protagonisten – und deren, hach, “Kreditwürdigkeit”)

  22. Vor einigen Jahren ging es um griechische Staatsschulden, heute anscheinend um deutsche.

    Desungeachtet  mag zum Spruch, da hätte angeblich “ein Staat über seine Verhältnisse gelebt”,  hilfreich ein Blick auf frühere Debatten sein, schließlich ging es auch damals um den Kredit Europas ….

    2016 – Der Fall Griechenland

    https://de.gegenstandpunkt.com/tondokumente/fall-griechenland

    https://de.gegenstandpunkt.com/sites/default/files/tondokumente/gegenstandpunkt-griechenland-stuttgart-2016.mp3

    (vgl. dort u.a. ab der 17. Minute über die doch allseits erlaubte “Netto-Neuverschuldung”….)

  23. “Während die Schuldenbremse die jährliche Verschuldung strikt begrenzt, ist die Aufnahme zusätzlicher Schulden in außergewöhnlichen Krisensituationen erlaubt. So rechtfertigte die Regierung 2021 eine Gesamtverschuldung von 240 Milliarden Euro, um auf die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie zu reagieren.
    Als jedoch Anfang 2022 klar wurde, dass 60 Milliarden Euro ungenutzt bleiben würden, da sie nicht mehr für Corona-bezogene Ausgaben benötigt wurden, beschloss der Bundestag, die entsprechenden Kreditermächtigungen in den Klimafonds zu übertragen.
    Dies sei jedoch verfassungswidrig, erklärte Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, am Mittwoch, da es keinen „Veranlassungszusammenhang“ zwischen der Notlage der Corona-Krise und den geplanten Ausgaben für grüne Investitionen gebe.
    Zweitens verstoße die Verwendung von Geld aus genehmigten Schulden aus einem Jahr zur Finanzierung von Ausgaben in den Folgejahren gegen den Grundsatz der jährlichen Haushaltsführung, erklärte sie.
    Da der Beschluss erst 2022 gefasst werde, aber den Haushalt 2021 betreffe, verstoße er außerdem gegen den Grundsatz, dass der Haushalt im Voraus festgelegt werden müsse.”
    (Urteilszusammenfassung zit. nach EURACTIV)
    https://www.euractiv.de/section/finanzdienstleistungen/news/bundesverfassungsgericht-kippt-60-milliarden-spritze-fuer-klimafonds/

    Und d e s w e g e n? – So ein Gedöns?

    “(…) Die nach der Finanzkrise grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse wird in dieser Situation zum Hebel, mit dem sich Sozialkürzungen und Ausverkauf öffentlich durchsetzen lassen: Sparschwein leer, Elend tut not, heißt es zur Letztbegründung, obwohl es mit der Kreditwürdigkeit der BRD keine Probleme gibt, sie also völlig ungestraft Billionen Schulden für das Nötigste aufnehmen könnte. Mit Merz wird das nicht zu machen sein, und eine Grundgesetzänderung bräuchte eine Zweidrittelmehrheit. (…)
    https://www.jungewelt.de/artikel/463748.bundeshaushalt-sozialraub-mit-hebelbremse.html

    Die Maus, die der kreißende Berg gebären wird – könnte also schlicht ein Regierungswechsel sein, den anscheinend unterschiedliche Kräfte aktuell vorbereiten ….
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ende-der-ampel-fdp-basisinitiative-erreicht-unterschriftenzahl-fuer-mitgliederbefragung-a-b6642560-6a20-4e8d-8a91-69cc70ee80e5

  24. Ja, die FDP hat das Problem, daß sie ziemlich abgeschifft ist. Ob ein Austritt aus der Koalition und Neuwahlen das ändern würden, ist allerdings fraglich. Sie hat ja wenig zu bieten, das sie von anderen Parteien unterscheiden würde.

    Zu den anderen Themen:

    oder gelten Staatsschuldenpapiere nicht umgekehrt finanztechnisch als allererste Wahl

    Das war vor der Finanzkrise 2008 ff. auch so … Dann wurden sie fraglich und manche galten als toxisch.

  25. Sinn und Zweck des staatlichen deutschen (wie europäischen) Regelwerks fürs staatliche Schuldenmacher kommen in der öffentlichen Debatte komplett gar nicht vor. Warum hat der Staat sich selber – anscheinend – Regeln verpasst, die ihn nun beim Verschulden auch mal  lästig sein können, weil sie die Staaten zu diversesten Umständlichkeiten nötigen?  (Und sei es nur, dass sie sich neue Lügen und staatliche Titel' ausdenken müssen – neue Schuldenmassen werden flugs in ‘Vermögen’ umtituliert….) Dass es um die Behauptung des deutschen wie des europäischen Staatskredits geht  – weil das komplette staatliche Procedere sich – auch – selber teilweise “abhängig gemacht hat” von den Ratings und Bewertungen der weltweiten Finanzmärkte, und damit von deren jeweiligen Konjunkturen und Warnhinweisen auf weltweit irgendwo unsichere Kantonisten für weltweites Glück und Wohl – des kapitalistischen Geldes…. [Und bis gestern hat man europaweit da eher an Italien und dessen Staatsschulden gedacht, heute anscheinend nicht mehr nur….]. Zusammenhalten und Ausbauen europäischer Weltmacht erfordert eben auch europäisches Schuldenmanagement – runtergebrochen bis hin zu den Schuldenregeln in Schland….

    [Vor drei Jahren erläuterte Stephan Kaufmann bereits einige Ungereimtheiten und Märchen, um die Notwendigkeit staatlichen Schuldenmachers zu illustrieren. So ähnlich hört man es heute aktuell auch von der Sozialdemokratie, während die CDU das Märchen von der schwäbischen Hausfrau aufwärmt.
    https://www.fr.de/wirtschaft/eine-maerchenhafte-rechnung-11033055.html ]

    [EDIT: Da es um europäische bzw. dt. Weltmacht gehen soll, gelten Ukraine-Schulden zumindestens in D (noch) als sakrosankt. Einzig die Verköstigung von aus der Ukraine geflüchteten Volksmassen wird gelegentlich zum Thema, denn auch beim Thema Ukraine soll es garantiert nicht um die Leute gehen!]

  26. Über die (Schulden-) Maus, die inzwischen sichtbar wird:

    Die Titel für die staatlichen Schulden (‘Klarheit der Schulden’) für die weltweiten Kriegseinsätze lauten auch zukünftig nach wie vor nicht:
    “Summe der  Material- und Menschen-Kosten für erfolgreiche deutsche Kriegsteilnahme an erfolgreichen Gemetzeln   in Afghanistan,  Mali,  Ukraine etcpp ”
    – sondern weiterhin eher so:   Förderung von Zivilgesellschaften auswärts,  Betriebs- und Versorgungsausgaben
    https://www.bundeshaushalt.de/static/daten/2023/soll/epl23.pdf
    [Aber überzählige weil ungenutzte Geld-Plan-Kennziffern aus dem Afghanistan-Einsatz dürfen nicht im nächsten Jahr in die haushälterische Kostenstelle wg. Ukraine verschoben werden. Immer hübsch sauber und korrekt bleiben beim {Verbuchen vom} Abschlachten.]

    Und jedes Jahr muss nun ein komplett immer ganz neuer Plan her. (‘Jährlichkeit der Schulden’) – Da freuen sich Beamte in dt. Stadtstaaten,  wo es bisher gelegentlich auch 2-Jahres-Pläne  gab, über nun jedes Jahr same procedure as last year …..
    [Und damit ist die deutsche Aufregerei dann auch wieder mal rum.]

  27. Daß die Schuldenproblematik durch neue Bilanzierungsregeln wegzuwischen ist, mag die Hoffnung der Regierung und vor allem des Finanzministeriums sein.

    In der Privatwirtschaft gelang es ja auf diese Art und Weise auch, Schulden zu verstecken und Gewinne herbeizuzaubern.

    Ob das auch beim Staatshaushalt gelingt, darf bezweifelt werden.

  28. Die allgemeine Debatte in der BRD fasst sich aktuell eher so zusammen, dass die BRD mit ihrer maroden Infrastruktur und, indem sie sich im Vergleich mit anderen Staaten und deren staatlichen Schuldenstand vergleicht, weniger ein Schuldenproblem als ein "Schuldenbremse-Problem" habe, was dem CDU-Häuptling dessen CDU-Landesfürsten anlässlich ihrer kaputten Brücken, Zugstrecken und Schulen aktuell an den Kopf werfen. Die Sozen denken das sowieso …. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178157.haushalt-reform-der-schuldenbremse-gebot-der-vernunft.html

    (Dasss die Bonität deutscher Staatspapiere gelitten habe, habe ich nicht vernommen. Und das Argument, dasss sie nicht gelitten habe, das sei deswegen so besonders katastrophal, weil vor der Finanzkrise das damals auch so normal-ähnlich war, da scheint mir solch ausgesuchte Vergleicherei nicht zielführend zu sein. (Haben sie gelitten, spricht das dafür, haben sie nicht gelitten, dann spreche das aber ja genau darin – erst recht dafür…) (Die umgekehrte Logik, dass überalll nix als Stabilität herausluge, so oder so, ist ja ähnlich bescheuert…)  Das damalige Misstrauen (2007 ff.) der Finanzmärkte in die Haltbarkeit [ihrer eigenen…] Schulden bzw. deren Zukünftigkeit in bestimmten (staatlichen oder bankenmäßigen)  Ecken oder in das angebliche Wachstum von diesem oder jenem oder in ihr kapitalistisches Wachstum insgesamt mag aber ja also. immerzu  neu auftreten, schließlich ist das Hauen und Stechen gegeneinander Prinzip dieser Produktionsweise – und spätestens vielleicht auch, das wird ja z.B. bei der Neuwahl voni Trump befürchtet, wenn das staatliche Geflecht der wechselweisen Kreditgarantien reißt – öder aufgekündigt wird .)

    —–

    Die europäischen Schuldenregeln insgesamt (die waren ja der Grund für die dt. Schuldenbremse in der dt. Verfassung….) sind hingegen weniger deutlich …..
    https://www.euractiv.de/section/finanzen-und-wirtschaft/interview/deutsche-haushaltskrise-verzoegert-einigung-ueber-eu-finanzen/. (30.11.)
    – Sowie vom 24.11. – damals noch eher im Gestus von Katastrophenmeldungen: https://www.euractiv.de/section/finanzdienstleistungen/opinion/das-ende-einer-deutschen-illusion/

  29. "(…) Stattdessen sieht die Chefökonomin der OECD, Clare Lombardelli, »einen langsamen Abstieg« der Weltwirtschaft voraus: 2024 nur noch 2,7 Prozent (2025: 3,0 Prozent). Für viele Länder senkte die Organisation ihre früheren Prognosen für die Jahre 2024/25.
    »Die Straffung der Geldpolitik, die Anfang 2022 einsetzte, macht sich zunehmend bemerkbar«, sagte Lombardelli. In den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften sei laut der britischen Ökonomin bis weit in das Jahr 2024 hinein nicht mit Zinssenkungen zu rechnen, in manchen Ländern sogar nicht vor 2025. Das trifft vor allem Volkswirtschaften wie Brasilien, Südafrika oder Indonesien hart, deren Zinssätze weit höher liegen als jene in der Eurozone oder den Vereinigten Staaten. In der Folge schrumpft die Kreditvergabe an Firmen.  Gleichzeitig beschneiden hohe Leitzinsen der Notenbanken, die damit die hohe Inflation eindämmen wollen, den finanziellen Spielraum der Regierungen, da sie weit mehr als in den vergangenen 20 Jahren für ihre Schulden zahlen müssen. Diesem Problem müssen sich auch die extrem hoch verschuldeten Industriestaaten Japan, Italien und USA stellen. (…) "
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178175.weltwirtschaft-oecd-keine-weiche-landung.html

  30. Die deutsche Staatsverschuldung in Form von Anleihen hat 2 Eckdaten: 1. das Vertrauen in die deutsche Ökonomie. 2. Die Konkurrenz anderer Anleihen.

    Zu 1: Nach der Finanzkrise 2008 ff. waren die deutschen Anleihen eine Art Ankerwährung unter diversen fragwürdigen Euro-Anleihen, und deswegen unverändert nachgefragt.
    Es darf allerdings bezweifelt werden, daß das heute auch so ist, da sich negative Meldungen über die deutsche Wirtschaft häufen.
    Da geht es nicht nur um marode Infrastruktur, sondern eben auch um gestiegene Energierechnungen und die berechtigten Zweifel, ob die „Energiewende“ gelingt. Es könnte also durchaus sein, daß die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen nachläßt.
    Und schließlich wurde die „Schuldenbremse“ nicht aus Jux und Tollerei eingerichtet, sondern eben genau deshalb, um das Vertrauen in die Staatsanleihen zu erhalten.

    Ad 2. ist zu bemerken, daß die US-Anleihen nach wie vor höhere Zinsen haben und die Performance der US-Wirtschaft zwar meiner Ansicht nach nicht so berauschend ist, aber besser als Deutschland und die EU steht sie auf jeden Fall da.

  31. Stephan Kaufmann:   Schuldenbremse. – Bändigung der Zukunft
    Die Schuldenbremse soll Stabilität garantieren. Aber das geht nicht.
    (…) So kann doch keine Regel der Welt die Solidität der Finanzpolitik garantieren. Denn Sparsamkeit kann in die Krise führen, ebenso wie Verschuldung, auch wenn sie für Investitionen verwendet wird. Der Erfolg kreditfinanzierter Investitionen ist stets unsicher. Verstärkt wird diese Unsicherheit inzwischen dadurch, dass die staatlichen Ausgaben die »Zukunftsmärkte« ja erst schaffen, auf denen sie sich dann rentieren sollen. Dieses kreditfinanzierte Schaffen von Märkten verfolgen die großen Wirtschaftsmächte zudem gegeneinander. Und das in Zeiten, in denen wachsende »geopolitische Spannungen« den Weltmarkt in eine Art permanenten Kriegszustand versetzen, inklusive Sanktionen, Zöllen und Embargos. Die Investitionsrendite ist damit grundsätzlich gefährdet – und genau deswegen müssen sie sein. Denn wer nicht investiert, hat schon verloren.(…)”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178219.haushalt-schuldenbremse-baendigung-der-zukunft.html?action=print

  32. Vor einiger Zeit – 8-10 Jahre – kam auf diesem Blog die Frage auf, warum Schuldenbremsen und Sparhaushalte eigentlich vertrauensbildend wirken?

    Man könnte als Investor auch sagen, Sparsamkeit im Staatshaushalt schlägt sich auf die Infrastruktur und auch auf Subventionen, beschränkt die Möglichkeiten, eigenständige Wirtschaftspolitik zu treiben und macht ein Land weniger attraktiv.

    Aber die Logik scheint anders zu gehen: Angesichts der schrankenlosen Möglichkeit, Schulden aufzunehmen – die ganze Welt steht zur Verfügung – erweckt so eine selbst angelegte Fußfessel Vertrauen, ähnlich wie die Maastricht-Kriterien.
    Bisher.

    Allerdings wurde ja die Schuldenbremse und die Sparpakete auch unterlaufen, indem verschiedenen Institutionen wie den großen Banken viel Geld hinübergeschoben wurde, um sie vor dem Crash zu bewahren.
    Die Finanzwelt weiß also, daß es mit es mit dieser selbst auferlegten Beschränkung nicht weit her ist.

  33. Stephan Kaufmann hat seine oben zitierten Binsenweisheiten aus dem ND in der sozialdemokratischen Frankfurter Rundschau  noch einmal weiter in ihrer Widersprüchlichkeit zusammengefasst:

    Streit um die Schuldenbremse: Führen mehr Staatsausgaben wirklich zu mehr Wachstum?
    "(…) Ob sich Staatsausgaben nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Wirtschaft lohnen, ist  mit vielen Unsicherheiten behaftet. Gleichzeitig scheint klar zu sein, dass in der aktuellen Situation hohe Ausgaben für Klimaschutz, Infrastruktur und technologische Transformation unaufschiebbar sind. Denn der Klimawandel schreitet voran. Zudem legen Europas Konkurrenten USA und China billionenschwere Subventionsprogramme auf, um die Märkte der Zukunft zu besetzen und ihre Aufrüstung zu finanzieren. Wer hier vorne liegt, gewinnt. Michael Hüther, Präsident des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), schlägt daher vor, einen verfassungsrechtlich abgesicherten Transformations- und Infrastrukturfonds einzurichten – also Ausgaben für die Klimatransformation an der Schuldenbremse vorbei zu finanzieren. Die nötigen Ausgaben seien schlicht zu hoch, um sie aus der jährlichen Neuverschuldung zu bestreiten."
    https://www.fr.de/wirtschaft/wie-investitionen-auch-mit-der-schuldenbremse-moeglich-sind-92712842.html

    —–

    Investitionen in Digitalisierung, Chip-Fabriken und Künstliche Intelligenz sind also die zweite Säule der in Rede stehenden “Zukunftsinvestitionen”, die nun nach dem Gerichtsurteil anders finanziert werden sollen. Vgl. inhaltlich dazu:

    Peter Schadt: Kapitale Chancen
    KI am Arbeitsplatz verteilt Chancen nach oben und Risiken nach unten..
    .
    „Der Einsatz Künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz ist nicht aufzuhalten. Denn alle Vorteile, die sie bietet, nützen den Eigentümern der Produktionsmittel – die Risiken hingegen werden an Arbeiter und Gesellschaft weitergereicht.“ (konkret 11/2023)
    https://www.konkret-magazin.de/hefte/828-11-2023
    https://www.academia.edu/attachments/108158591/download_file?s=portfolio

    …..

    Investitionen in Schulen, Kindergärten, Brücken, Bahnstrecken etc. – damit lassen sich unmittelbar keine Gewinne einfahren. Und darum geht es der Fortschritts-Koalition doch schließlich: um Fortschritte (bei den Profiten). Sie nennen das aber lieber: “Beiträge (bzw. ‘Anschubfinanzierung’) zum Wachstum” . Die FDP radikalisiert diesen Standpunkt, indem sie Cent-genau bei jedem neuen Brückenprojekt nachzählen will, ob das auch wirklich 2024 mehr abstrakten Reichtum (für den Staat, also mehr Steuereinnahmen) generieren würde (zitiert im FR-Text von Kaufmann) Kein Wunder, dass deutsche Schulen und deutsches Bildungssystem aussehen, – wie sie eben, seit Jahrzehnten, nur immer schlechter, aktuell so aussehen. – Und daher international als immer schlechter von PISA-Studien u.a. bewertet werden ….. Dass der zunehmenden öffentlichen Verblödung und Verhetzung so garantiert kein Einhalt geboten würde, das ist. eh klar….)

  34. Nachgetragen: ein Hauptthema sind auch  “Sozialkürzungen” – aus Sicht etlicher Regierender befördern die nämlich das kapitalistische Wachstum des Standorts, indem sie für die Verbilligung der Arbeitskraft sorgen und die Erpressungsmacht des Kapitals gegenüber dem einzelnen Arbeiter vergrößern (ideologisch gefasst in den Parolen vom 'Lohnabstandsgebot')
    https://www.tagesschau.de/inland/spar-debatte-urteil-haushalt-100.html

    … vermutlich eher als Erinnerung – einige Antworten auf. die Frage: Warum gibt es eigentlich überhaupt einen Sozialstaat:
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/fragen-zum-sozialstaat-zu-freiheit-zwang-politik#section4

  35. Die Sozialkürzungen sollen der Idee nach das arbeitende Personal williger und billiger machen.
    Daß das nicht funktioniert, hat mit dem zu tun, was Marx im 1. Abschnitt des Kapital unter den Stichworten „einfache“ und „komplizierte“ Arbeit erläutert:

    „Wie nun in der bürgerlichen Gesellschaft ein General oder Bankier eine große, der Mensch schlechthin dagegen eine sehr schäbige Rolle spielt, so steht es auch hier mit der menschlichen Arbeit. Sie ist Verausgabung einfacher Arbeitskraft, die im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwicklung, in seinem leiblichen Organismus besitzt. Die einfache Durchschnittsarbeit selbst wechselt zwar in verschiednen Ländern und Kulturepochen ihren Charakter, ist aber in einer vorhandnen Gesellschaft gegeben. Kompliziertere Arbeit gilt nur als potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit, so daß ein kleineres Quantum komplizierter Arbeit gleich einem größeren Quantum einfacher Arbeit. Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung. Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert setzt sie dem Produkt einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar.“ (S. 60)

    Erst wird einmal alle Arbeit, geistige wie körperliche, gleichgesetzt. Die „guten Jobs“ sind dann die, die besser bezahlt werden. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Tätigkeiten werden damit auf den bloß quantitativen Unterschied der Bezahlung heruntergebracht.

    Auf diesem Niveau bewegt sich die ganze öffentliche Debatte, und es verweist auf den ideologischen Charkater derselben, daß die ganzen studierten Wirtschaftswissenschaftler und sonstigen „Experten“ diese dümmliche Grundlage ihres Räsonnierens nicht hinterfragen.

    Praktisch erweist sich nämlich recht schnell, daß man nicht alle Arbeitswilligen überall einsetzen kann. Als Verkäufer, Kellner oder Druckereiangestellte braucht man Leute, die der deutschen Sprache mächtig sind, von anderen Fertigkeiten ganz abgesehen, die man dank des Verfalls des Bildungswesens auch bei echten Inländern nicht mehr voraussetzen kann.
    Bei handwerklichen Tätigkeiten ist überhaupt Feuer am Dach, was den nachwuchs betrifft, nachdem die Jugend und auch viele nicht mehr ganz Junge ihre Hände vor allem für die Bedienung von Smartphones einsetzen.
    Die sogenannten „einfachen“ Arbeiten sind nämlich im Zuge der Digitalisierung größtenteils verschwunden. Um einen Sack von hier nach dort zu tragen, gibt es inzwischen mechanisierte Programme.

    Und so kann man weiter über Arbeitskräftemangel jammern und beklagen, daß keiner mehr arbeiten will.

  36. Im modernen (akademischen) Diskurs kritisiert man nicht die "kapitalistische Klassengesellschaft", sondern bemängelt zunehmend einen sog. "Klassismus".    https://www.schule-ohne-rassismus.org/themen/klassismus/#:~:text=„Klassismus“%20ist%20die%20Diskriminierung%20und,gesellschaftliche%20Partizipation%20von%20bestimmten%20Gruppen.  

    Bei Overtone kritisiert Krim z.B. diese gängige Aussage: „Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Deutschland ist eine Klassengesellschaft. Wer arm ist bleibt arm. Aber ich bin noch nicht fertig. Als wär es nicht genug, dass Menschen unter Armut leiden, krank werden, früher sterben, sie werden dafür auch noch diskriminiert.“ Krims Kritik (1.51 Uhr) daran:
    https://overton-magazin.de/hintergrund/kultur/bloedenrepublik-deutschland/#comment-86350

    Hinweis: In Tübingen gibt es am Donnerstag eine Diskussion über “Einkommensgerechtigkeit” in der Klassengesellschaft https://versus-politik.de/diskussion2/

    Weitere Anmerkungen zur Lage der arbeitenden Klasse [online]: https://www.contradictio.de/blog/archives/9520

  37. Zum (un)kritischen Gerechtigkeitswahn, dass der Kapitalismus sich in allerlei Bedingungen auflöse, die den Tüchtigsten ihren Erfolg vermiesen würden, bemerkte Herbert Auinger in einem Exkurs 2021 (nachdem er dargestellt hat, dass z.B. manche Personalmanager nach wie vor aus Eigentümlichkeiten der Handschrift in Bewerbungsschreiben komplette Charakterbilder sich zusammenfantasieren):

    "(…) Die Macht des Eigentums in Gestalt seiner ausübenden Organe und Funktionäre kann da alle ihre Kriterien frei zur Geltung bringen; die Vorstellung, es sei im Kapitalismus unbedingt nötig und sogar möglich, dass gnadenlos immer der oder die „Beste“ ausgewählt werde, ohne einen Blick auf die sonstigen Eigenheiten der Person zu werfen, ist sach- und weltfremd. Die üblichen Diskriminierungsverbote belegen wieder mal, was da täglich läuft, und ein Machthaber über Jobs oder Wohnungen oder Sozialleistungen kann seine Abneigungen im Rahmen seiner Spielräume halt zum Ausdruck bringen, solange er keine Beweise hinterlässt. Es hängt eben sehr davon ab: Sobald Personalmangel gegeben ist, nehmen Tourismusbetriebe auch Asylwerber als Lehrlinge, und beschweren sich über die Gefahr der Abschiebung. In einer anderen Situation, bei Überangebot, sind sie dann u.U. auch wählerischer, und verlangen Deutschkenntnisse. Habe das ungarische Beispiel erwähnt, wo die Roma-Bevölkerung nach dem Systemwechsel zu Demokratie und Marktwirtschaft ziemlich geschlossen aus dem Wirtschaftsleben hinausgedrängt wurde, ohne dass dafür explizite Rassengesetze zuständig waren. Die Marktwirtschaft ist in diesem Sinn kein fairer Wettbewerb, wo allein die gemessene Leistung zählt, sondern die Nutznießer und maßgeblichen Moderatoren dieses „Wettbewerbs“, die modifizieren die „Regeln“ ständig nach ihren Bedürfnissen." (…)
    https://cba.media/532332

  38. Sich um Gerechtigkeit und Diskriminierung Gedanken zu machen heißt eben, sich dumm zu machen, weil man dann nie mehr auf die Zwecke und Interessen kommt, die sich in unserer Gesellschaft durchsetzen.

    Ich denke, es gibt eine ganze Menge von Meinungsmacher-Profis, die genau auf diesen Themen herumreiten und sie in alle Winkel hintragen und als wichtig in die Welt hinausposaunen – damit die Verblödung der Menschheit voranschreitet und man sie dann an diesen Themen wie an einem Nasenring herumziehen kann, wohin man sie haben will.

  39. Wer irgendeine Unzufriedenheit darin begründet sieht, dass dort Ungerechtigkeit herrsche, macht einen Fehler im Umgang mit seiner Unzufriedenheit. "Ungerecht" misst einen Sachverhalt am Maßstab von "Gerechtigkeit", die einerseits anscheinend zwar nur ein privates Gefühl zu sein scheint, andererseits existiert dessen Wucht nur darin, dass es sich auf Maßstäbe bezieht, die als anerkannte Maßstäbe gelten, und sei es der Spruch, dass jeder seines Glückes Schmied sei, und jedem alle Möglichkeiten wo gibt offen sein müssten. Diese Gerechtigkeitsvorstellung gründet offensichtlich im Gleichheitsversprechen des modernen bürgerlichen Staates, der damit aber ja sein eigenes Recht durchsetzt. (Im Zweifelsfall und wenn es hart kommt, kann – jeder – Bürger zum kriegerischen Dienst am Durchsetzen des Staates gegen einen Feindstaat eingezogen werden, und das ist  sie dann, die staatliche Gerechtigkeit, an einem ihrer Glanzpunkte.) Auch die Gleichheit und Gerechtigkeit vor Gericht dient der Durchsetzung der staatlichen Justiz, und wenn bis in die 60 Jahre  Schwule schnell verknastet werden konnten, dann war das keine Ungerechtigkeit der Heteros, sondern [damaliges!] staatliches Recht (hier vor allem in den Exzessen des bürgerlichen Familien-, Ehe- und Personenrechts.) Dass an jedem dritten Tag eine Frau von ihrem Liebsten umgebracht wird,  oder Männer ihre komplette Familie auslöschen, ist auch nicht ungerecht darin, dass Männern solch gewalttätiges Durchsetzen eines eigenen Anspruches auf ein angebliches ehemäßiges “Recht auf Liebe bzw. Zuneigung” (offensichtlich ein brutaler Scheiß…) in dieser auslöschenden Form  von Frauen (im Regelfall eher) nicht blüht…. [Oder der Staat ungerecht gegenüber den Geschlechtern verfahre.]  Auch hier empfiehlt es sich, sich Kenntnisse  über die kapitalistische Normalität der Funktionsweise der bürgerlichen   Familie nicht nur zur Weihnacht 2023  zu verschaffen (und nicht darüber zu jammern, dass die Welt so “ungerecht” gegenüber den Frauen sei…)
    https://de.gegenstandpunkt.com/tondokumente/frau-kapitalismus
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/frau-kapitalismus
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/frauen-aufsichtsraete

  40. Stephan Kaufmann:     Freihandelsabkommen – Europas Umarmungsstrategie...
    Mit Freihandelsabkommen will die EU alte Abhängigkeiten verringern und neue schaffen

    Kaufmann referiert die aktuell allenthalben zu registrierende “…. Tendenz, die Handelspartner als Gegner zu behandeln, deren Nutzen dem eigenen entgegensteht und die daher bezwungen werden müssen. In diesem verschärften globalen Machtkampf bilanziert die EU seit einiger Zeit einen doppelten Machtverlust: Erstens ist ihre eigene ökonomische Bedeutung geschrumpft, was andere Staaten unabhängiger von der EU macht. Zweitens ist Europa immer abhängiger vom Welthandel, also von der Kooperation anderer Staaten geworden.
    Die Weltwirtschaftsmacht steigt ab
    Dieser Machtverlust ergibt sich vor allem gegenüber den USA und China. Selbst wenn man die Handelsströme zwischen den EU-Staaten ausklammert, ist die EU der weltgrößte Ex- und Importeur der Welt, vor den USA und China. »Die Bedeutung ausländischer Märkte für Europa ist stetig gewachsen«, erklärt das Ifo-Institut. Noch 1995 hingen zehn Prozent der EU-Wertschöpfung von ausländischer Nachfrage ab, 2019 waren es schon 17 Prozent. Für die USA liege dieser Anteil nur bei neun Prozent und für China bei knapp 14 Prozent. Zudem, so das Ifo, ist die Bedeutung des Auslands insbesondere für China in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Auch was die Importe angeht, werden die Volksrepublik und die Vereinigten Staaten immer unabhängiger vom Ausland.
    Für die Länder Lateinamerikas ist die Volksrepublik immer wichtiger geworden. Die Bedeutung der EU dagegen schwindet. Gleichzeitig ist die ökonomische Bedeutung der EU global gesunken. Seit Mitte der neunziger Jahre ist ihr Anteil an der Weltwirtschaftsleistung von 21 auf 15 Prozent geschrumpft. China hat die EU inzwischen überholt. Das ökonomische Gewicht der USA hat zwar ebenfalls abgenommen, doch bleiben die Vereinigten Staaten die weltgrößte Volkswirtschaft mit einem global dominanten Finanzmarkt. Entsprechend geschrumpft ist damit Europas Einfluss in Handelsgesprächen, beispielsweise mit Lateinamerika. (….)”
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178375.mercosur-freihandelsabkommen-europas-umarmungsstrategie.html

    EDIT: Pomrehn argumentiert bei Heise ähnlich wie Nestor (hier drunter):
    https://www.telepolis.de/features/Absturz-der-EU-Wer-ist-schuld-am-enormen-Handelsbilanzdefizit-9570034.html

  41. Eine direkte Wirkung der Abkopplung von Rußland.

    Die Sanktionen sind und waren ein Schuß ins Knie, und Ausdruck des Größenwahns und der Selbstüberschätzung der EU-Politiker.

  42. China-Exporte: Chipausrüster ASML unter politischem Druck

    Der niederländische Chipindustrieausrüster ASML hat einige chinesische Kunden wenige Wochen vor der Ausweitung von Exportbeschränkungen nicht mehr mit Maschinen zur Chipherstellung beliefern können. Eine Lizenz für die Auslieferung bestimmter Lithografiesysteme sei teilweise von der niederländischen Regierung zurückgezogen worden.

    Der niederländische Chipindustrieausrüster ASML hat einige chinesische Kunden wenige Wochen vor der Ausweitung von Exportbeschränkungen nicht mehr mit Maschinen zur Chipherstellung beliefern können. Eine Lizenz für die Auslieferung bestimmter Lithografiesysteme sei teilweise von der niederländischen Regierung zurückgezogen worden, teilte das Unternehmen am Montag in Veldhoven mit.

    ASML: Exportbeschränkungen und chinesischer Technologie-Blockade

    In Diskussionen mit den US-Behörden habe der Konzern zudem weitere Klärung zu Umfang und Auswirkung von US-Exportbeschränkungen erhalten. Der Rückzug der Lizenzen habe keine wesentlichen Effekte auf den Finanzausblick für das Jahr 2023, hieß es von ASML.

    Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg in der Nacht zum Dienstag unter Berufung auf Insider berichtete, drang die Regierung von US-Präsident Joe Biden auf den vorzeitigen Lieferstopp. Chinas Außenministerium kritisierte, die USA würden unter Vorwand andere Länder dazu zwingen, Technologie-Blockaden gegen China umzusetzen. Das Verhalten der USA verletzte "ernsthaft" internationale Handelsregeln und wirke sich auf die Stabilität globaler Lieferketten aus, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag in Peking. Die Niederlande solle objektiv bleiben und "den Geist des Vertrages" respektieren.

    Seit dem 1. Jänner greifen ohnehin bestimmte Exportverbote für sogenannte Deep-Ultraviolet-Lithografiemaschinen (DUV) nach China, um das Land von der Versorgung mit Chip-Hochtechnologie abzuschneiden. Die USA hatten zuvor auf das Verbot der Lieferung von moderneren Belichtungsanlagen der sogenannten Extreme-Ultraviolet-Technologie (EUV) nach China hingewirkt.

    ASML und der Technologiestreit

    ASML ist ein sehr wichtiges Unternehmen in der Chip-Branche. Seit längerem schon belastet der Technologiestreit zwischen den USA und China die Anlegerstimmung rund um Europas wertvollsten börsennotierten Technologiekonzern. ASML hat ein Quasi-Monopol im Bereich fortschrittlicher Belichtungssysteme zur Chipproduktion. Zu den Kunden zählen die großen Chiphersteller TSMC, Samsung und Intel. ASMLs Technologie kann für die Herstellung sämtlicher Halbleiter etwa für Smartphones zum Einsatz kommen, aber auch für militärische Zwecke – mit Blick auf China sorgen sich die USA vor allem um Letzteres.

    (Industriemagazin, 4.1.)

    Durchaus möglich, daß dergleichen Verbote das Unternehmen killen. Immerhin gibt es nicht so viele zahlungsfähige Kunden für diese HighTech-Produkte.
    Andererseits könnte das natürlich den Ausschlag geben für eine Chip-Produktion in der EU selbst … Wenn nur die leidige Energiefrage nicht wäre …

  43. Den Huthis sei Dank:

    „Aus Angst vor Lieferengpässen: Unternehmen holen Produktion zurück nach Europa

    Unternehmen aus Europa und den USA verlagern ihre Produktion zunehmend zurück in die Heimat. Das geht aus einer am Donnerstag vorgestellten Studie des Beratungsunternehmens Capgemini hervor.

    In Europa und den USA hat die Reorganisation globaler Lieferketten und Produktionskapazitäten mit dem Ziel, diese näher an die heimischen Märkte heranzubringen, an Dynamik gewonnen. Laut einer aktuellen Studie des Capgemini-Forschungsinstituts mit dem Titel »Die Renaissance der Fertigung: Reindustrialisierungsstrategien in Europa und den USA« haben 47 Prozent der großen europäischen und amerikanischen Unternehmen bereits in die Verlagerung ihrer Produktion investiert und 72 Prozent entwickeln derzeit Reindustrialisierungsstrategien oder haben diese bereits umgesetzt.

    Insgesamt wollten die Unternehmen in den kommenden drei Jahren 3,4 Billionen US-Dollar (3,2 Billionen Euro) investieren, um neue Produktionskapazitäten in der Nähe ihres Heimatlandes aufzubauen, heißt es in der Studie weiter. Mehr als die Hälfte davon (zwei Billionen US-Dollar) entfalle auf Europa. Allein auf Deutschland entfielen 673 Milliarden US-Dollar (633 Milliarden Euro). Für die Studie befragte Capgemini im Februar 1.300 Führungskräfte europäischer und amerikanischer Großunternehmen.

    Subventionen für Investitionen spielen Rolle

    In Europa und den USA wird zunehmend in die Rückverlagerung der Produktion in den Heimatmarkt (Reshoring), in ein Nachbarland (Nearshoring), in die Produktion vor Ort sowie in den Bau oder die Modernisierung von Produktionsanlagen investiert. Ziel ist es, die Position der Unternehmen gegenüber Störungen widerstandsfähiger zu machen. Der größte Teil dieser Mittel fließt in Initiativen, die auf den Markt ausgerichtet sind, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Die Studie geht davon aus, dass Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Rohstoffknappheit und fehlende Anreize dennoch vermehrt zu kurzfristigen Investitionen außerhalb des Heimatmarktes führen werden. Diese erfolgen dann vor allem als Nearshoring und verlagern Kapazitäten in politisch und wirtschaftlich verbündete Länder (Friendshoring).

    Die Unternehmen nannten die Erfahrungen mit Lieferengpässen in den vergangenen Jahren als Hauptgrund für die Rückverlagerung von Produktionsstätten. Für 70 Prozent der befragten Managerinnen und Manager ist der Wunsch nach einer besseren Absicherung gegen Störungen und Verzögerungen in der Lieferkette der wichtigste Faktor. Zuletzt hatten vor allem die Angriffe der Huthi-Milizen auf Schiffe im Roten Meer Verzögerungen bei der Lieferung von Teilen aus Asien nach Europa zur Folge. Dies führte dazu, dass das Tesla-Werk in Deutschland seine Produktion vorübergehend einstellen musste.

    Neben wirtschaftlichen und operativen Vorteilen bietet die Reindustrialisierung den Unternehmen auch die Möglichkeit, ihre Klimaziele besser zu erreichen, so die Studie. So geht die Mehrheit der befragten Unternehmen davon aus, dass sie ihren CO2-Fußabdruck in den nächsten drei Jahren im Durchschnitt um 13,6 Prozent reduzieren können. Für 49 Prozent der Befragten spielten zudem staatliche Anreize und Subventionen eine Rolle, mit denen vor allem die USA um Investitionen werben. Für die Ansiedlung von Batterie- und Chipfabriken hat auch Deutschland zuletzt hohe Subventionen gewährt. (…)

    (Industriemagazin, 18.4.)

    Allerdings wird dann die Energiefrage so richtig heiß …

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