Pressespiegel Komsomolskaja Pravda: Über die Statistiken zur Pandemie

UM 60 % HÖHERE STERBLICHKEIT WELTWEIT?
Ein Artikel der Financial Times von Ende April wird in der Komsomolskaja Pravda analysiert. Darin wird aufgrund einer Studie in 14 Staaten festgestellt, daß die Statistiken nur einen Teil der Coronavirus-Toten wiedergeben. Und zwar deshalb, weil nur diejenigen Fälle als Coronavirus-Opfer in die Statistik eingehen, die entweder getestet oder bei der Autopsie als CV-Tote qualifiziert wurden. Viele Menschen, die außerhalb der Krankenhäuser sterben, gehen in die Statistik nicht ein.
Die Studie vergleicht die gemeldeten CV-Toten mit der sogenannten Übersterblichkeit. D.h., es wird über einige Jahre zurück ermittelt, wie viele Menschen in dem betreffenden Zeitraum – z.B. Jänner bis März der letzten 10 Jahre – gestorben sind, und wieviele heuer gestorben sind. Es wird also eine sozusagen kontinuierliche Kurve – oder eher ein Zickzack-Kurs, weil im Winter immer mehr Leute sterben als im Sommer – erstellt und dann geschaut, wie weit die Kurve heuer vom Mittel abweicht.
Aufgrund dieser Zahlen kommt die FT zu dem Schluß, die Sterblichkeit könnte viel höher sein.
Der von der KP befragte Experte sagt, daß es sogenannte indirekte CV-Todesfälle auch gibt: Das sind Menschen, deren Operationen oder Untersuchungen verschoben werden, weil die Krankenhäuser voll sind und die deswegen sterben, weil sie nicht rechtzeitig behandelt werden.
Demgegenüber steht eine verringerte Sterblichkeit durch Verkehrsunfälle, weil weniger Verkehr ist.
Auch der Vergleich von Krankheitsverläufen in verschiedenen Staaten ist problematisch, weil sehr unterschiedlich getestet wird und daher die Zahl der bestätigten Infektionen sehr unverläßlich ist. Das einzige Land, das seine ganze Bevölkerung mehr oder weniger durchgetestet hat, ist Island. (Da geht das ja auch einfacher, bei 357.000 Einwohnern.) Auch in der Schweiz, den USA und Rußland wird viel getestet. In Frankreich und Großbritannien werden wenige Tests gemacht. (Was hier als „viel“ und „wenig“ gilt, erfährt man nicht.)
Auch bei den gemeldeten CV-Toten muß nicht jeder an der Krankheit selbst verstorben sein – z.B. Unfallopfer, die getestet wurden und die eben auch infiziert waren. Da gibt es Unterschiede in der Handhabung. In Deutschland und in Rußland werden nur solche Tote als CV-Tote registriert, die tatsächlich daran verstorben sind, während in Italien, Belgien und Spanien jeder als CV-Toter verbucht wird, bei dem das Virus festgestellt worden ist.
Ganz unbrauchbar sind die Statistiken deshalb nicht, weil innerhalb des Landes lassen sich hier schon gewisse Entwicklungen verfolgen, aber man kann daraus keine Rückschlüsse für die Entwicklung in anderen Ländern ziehen. Natürlich kann man auch ablesen, daß manche Länder stärker betroffen sind, andere weniger, z.B. am Vergleich Spanien–Finnland.
Außerdem entsteht durch die Verzögerung bei der Datenverarbeitung ein falsches Bild über den aktuellen Verlauf.
In dem Interview wird auch auf Weißrußland, Schweden und Turkmenistan verwiesen, die keine Lockdowns verordnet haben, und von den sogenannten „CV-Dissidenten“ bewundert werden, die meinen, die Aufregung um CV sei künstlich verursacht (aus was für dunklen Motiven auch immer) und vor allem auf Schweden verweisen, und sagen: Geht doch auch anders!
Dazu bemerkt der Analyst (ein Mitarbeiter des Max Planck-Instituts), daß Schweden zwar keine Sperren von Betrieben, Lokalen usw. durchgeführt habe, aber deswegen nicht nix gemacht hat. Alte Leute sollen zu Hause bleiben, man soll im öffentlichen Leben Abstand halten, und sich irgendwie schützen. Und man kann auch nicht sagen, daß Schweden eine beispielhaft niedrige Übersterblichkeit hat – sie liegt bei 2,8 %, während sie in Vorbildländern wie Finnland oder Österreich bei 1% und darunter liegt.
Dazu kommt allerdings noch, daß Schweden urbanisierter ist als Finnland und Norwegen und auch die gewöhnlichen Grippeepidemien dort mehr Opfer fordern als in seinen Nachbarländern. Noch schlechter in der Grippestatistik stehen Großbritannien, Italien oder Belgien da.
Weißrußland kann man damit nicht vergleichen, weil es dort überhaupt keine Statistiken zur CV-Pandemie gibt. Alles, was es an Daten zu Weißrußland gibt, ist mehr oder weniger aus dem Ärmel geschüttelt.
Eine endgültige Statistik für den weltweiten Verlauf wird es erst Mitte nächsten Jahres geben – vorausgesetzt, daß keine 2. Welle eintritt –, aber halbwegs genaue Statistiken über den Verlauf (zumindest in Europa) erwartet der Analyst in eineinhalb Monaten, also Ende Juni.
Und wie sieht es aus in Asien, vor allem China? Dort soll ja alles vorbei sein?
Da meint der Analyst: Die chinesischen Statistiken sind fragwürdig. Dort wurde ziemlich lange gemeldet, die Zahl der tatsächlich Erkrankten sei 38 000, und um diese Zahl herum schwankte die Statistik täglich um ein paar 100 Fälle mehr oder weniger. Das ist unmöglich. Die Kurve muß steigen oder fallen.
Es gibt einzelne Daten, die glaubwürdiger sind, von diversen Spitälern oder Institutionen Wuhans erstellt, aber die sind zu gering und lokal, um daraus generelle Schlüsse ziehen zu können.
Und wie ist es mit Vietnam, wo angeblich keine Toten zu beklagen sind und von wo gemeldet wird, sie hätten die CV-Pandemie hinter sich?
Dazu meint der Analyst, in Vietnam seien alle Statistiken unbrauchbar, auch was die Bevölkerungsanzahl, Sterblichkeit, Geburtenrate usw. angeht. Im Grunde beruht in diesem Land alles auf Schätzungen, deshalb würde er sich auf die CV-Meldungen auch nicht verlassen.
Und was ist mit dem Rest der Welt, Afrika, Indien, Pakistan, Australien?
In den meisten dieser Staaten gibt es keine verläßliche Datenerfassung. Oft wird nur in den Hauptstädten irgendetwas gemeldet. In Indonesien z.B. gibt es zu Jakarta Daten, die zeigen, daß das Land stark betroffen ist. Ecuador meldet noch halbwegs brauchbare Daten, und einige Städte in Indien.
Es gibt nicht nur CV-Dissidenten, die sagen, alles ist übertrieben, sondern auch Radikale, die sagen, die Zahlen werden nach unten geschönt, in Wirklichkeit sei bei uns in Rußland alles viel schlimmer?
Die offiziellen Daten in Rußland werden von den medizinischen Einrichtungen erstellt und in einem System der Datenerfassung verarbeitet. Wir Statistiker bemühen uns, daraus Entwicklungen zu erkennen, aber derzeit ist es noch zu früh, um endgültige Schlüsse ziehen zu können.
Auch die Website der John Hopkins-Universität leistet beachtliche Arbeit, kann aber natürlich die oben angeführten Mängel der Daten selbst nicht beseitigen.
Die Krankheit ist auf jeden Fall sehr ernst zu nehmen. Die Studien zur Sterblichkeit auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess zeigen eine Sterblichkeitsrate, die 3-10mal höher ist als bei gewöhnlichen Grippewellen. Außerdem ist es viel ansteckender als SARS oder MERS-Viren, die auch eine hohe Sterblichkeitsrate aufweisen. CV hat ein enormes Verbreitungspotential.

In England und Wales wurden Studien gemacht zur Sterblichkeitsrate der Vogelgrippe 2015 im Vergleich mit CV jetzt und bereits nach 3 Wochen betrug die Übersterblichkeit heuer 13 500 Personen im Vergleich zu den ersten 3 Wochen Vogelgrippe 2015.
In den stärker betroffenen europäischen Ländern ist das überall eindeutig, daß diese Epidemie sehr viele Todesopfer fordert.

6 Gedanken zu “Pressespiegel Komsomolskaja Pravda: Über die Statistiken zur Pandemie

  1. “Außerdem ist es viel ansteckender als SARS oder MERS-Viren, die auch eine hohe Sterblichkeitsrate aufweisen”
    SARS und MERS waren erheblich tödlicher als SARS-CoV-2 (rund hundertfach], dafür ist das jetzige Corona-Virus aber erheblich ansteckender.

  2. Na ja, das mit dem 100-fach ist sicher übertrieben.
    Ich finde für SARS eine Todesrate von 10% der Infizierten, für MERS 34 %.
    Die für CV19 ist noch gar nicht endgültig ermittelt, weil sie in verschiedenen Ländern unterschiedlich verläuft.

  3. Ich glaube nicht, daß alle Krankenhausangestellten getestet wurden.
    Nur wenn der Hut brennt, wird offenbar ein Test gemacht.
    Ich habe beim Surfen diese Statistik gefunden und mir gedacht, das sagt auch einiges aus.
    In Spanien „schützte“ sich das medizinische Personal – zumindest noch Anfang April – mit Plastik-Regenmänteln und ähnlichen Notbehelfen.

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