GESCHEITERTE „VERSÖHNUNG“?
Kolumbien ist bei uns in den Medien vor allem als Land des Drogen- und Guerillakrieges präsent. Bei dem Getöse über Narcos und Entführungen usw. geht in den Medien ziemlich unter, daß Kolumbien in den letzten 2 Jahrzehnten eine ziemliche Erfolgsstory in Sachen Kapitalakkumulation hingekriegt hat. Das viertgrößte Land Lateinamerikas ist profitabler Kapitalstandort und verfügt auch über einen beachtlichen inneren Markt, also einheimische Zahlungsfähigkeit.
1. Das Territorium
Kolumbien hat im Kleineren zunächst den Auflösungsprozeß durchgemacht, der ganz Lateinamerika nach der Befreiung von der Kolonialherrschaft durchmachte. Dem „Befreier“ Bolívar schwebte zunächst ein vereinigtes Südamerika vor. Nach dem Abschütteln der Kolonialmacht wurde schnell klar, daß daraus nichts würde, weil viele der Befreier sich ein eigenes Territorium unter den Nagel rissen, in dem sie dann das Sagen hatten.
Zunächst bildete sich um 1820 aus den Resten der kolonialen Provinz Neu Granada der Staat Groß-Kolumbien, der das Gebiet des heutigen Kolumbien, Panama, Ecuador und Venezuela umfaßte. Dieser Staat wurde von den europäischen Mächten nicht anerkannt, weil er keine Monarchie war, und zerfiel Stück für Stück, weil irgendwelche Lokalgrößen sich ihr eigenes Reich schaffen wollten. 1830 spalteten sich Ecuador und Venezuela ab. Nach mehreren gescheiterten Versuchen im 19. Jahrhundert gelang auch Panama die Loslösung im Jahr 1903, mit Hilfe des US-Militärs, das einen kleinen abhängigen Staat brauchte, um den Panamakanal hindurch bauen zu können.
Auch dieses geschrumpfte Territorium reicht noch für einen der größten Staaten Lateinamerikas. Wie manche andere Staaten Lateinamerikas kontrolliert Kolumbien sein Gebiet nicht restlos. Durch weite Teile des Amazonas-Dschungels und sogar des östlichen Flachlandes führen keine Straßen oder Bahngleise, diese Territorien sind nur aus der Luft zugänglich, ebenso wie Leticia und die anderen Ortschaften am Amazonas selbst.
Kolumbien liegt zwischen zwei Meeren. Dort befindet sich mit dem unerschlossenen Gebiet des Sumpf-Urwaldes von Darien das Grenzgebiet zu Mittelamerika. Kolumbien ist deshalb von großer strategischer Bedeutung, was seinen wechselnden Regierungen im Laufe der Zeit viel Ungemach bereitet hat, weil das wachsame Auge und die Kanonenboote der USA eine ständige Bedrohung für Land und Leute darstellten.
Seit der Konstituierung Groß-Kolumbiens existiert eine formale Anerkennung der „Resguardos“, selbstverwalteter indigener Kommunen mit Gemeineigentum. Nach vielen Kriegen und Reformen sind sie seit 1991 in der Verfassung festgelegt. Die Frage bzw. der Streit entzünden sich daran, welche Grundstücke zu einer solchen Kommune gehören bzw. wo eine solche zu errichten sei. Kolumbien besaß in der Person von Quintin Lame einen Theoretiker des Indigenismus, der unter anderem auf Grundlage der „königlichen Verordnungen“ der Kolonialverwaltung gegen die Plantagenwirtschaft auftrat. Die Resguardos bestehen heute dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und auf Grund von Entlegenheit und Unwegsamkeit des Geländes keine nennenswerten Plantagen oder Bergwerke einrichten lassen. Sobald sich jedoch eine Ölfirma oder ein Agrarunternehmen für eine Gegend interessieren, so verschwinden alle Unterlagen, es gibt ein paar tote Bürgermeister und Wortführer, und die Bewohner können sich zusammenpacken und in die Metropolen abmarschieren.
Der Nährboden der Guerilla und Kleinkriege war also der Kampf ums Land.
2. Die Gewaltfrage
„Der Oberst Aureliano Buendía zettelte zweiunddreißig bewaffnete Aufstände an und verlor sie allesamt. Er hatte von siebzehn verschiedenen Frauen siebzehn Söhne … Er entkam vierzehn Attentaten, dreiundsiebzig Hinterhalten und einem Erschießungskommando. Er überlebte eine Ladung Strychnin in seinem Kaffee, die genügt hätte, ein Pferd zu töten. … Er wurde sogar Oberbefehlshaber der Revolutionsstreitkräfte, der die Rechtsprechung und Befehlsgewalt von einer Grenze zur anderen innehatte… Das einzige, was von dem Ganzen zurückblieb, war eine nach ihm benannte Straße in Macondo.“ (Gabriel García Márquez, 100 Jahre Einsamkeit)
Mehr noch als andere Staaten Lateinamerikas ist Kolumbien das Land der Bürgerkriege und Aufstände. Die alten Großgrundbesitzer-Eliten und die aufstrebenden Kaufleute und Modernisierer, indianische und marxistisch-leninistische Guerilleros, Drogenhändler und Paramilitärs, Studenten und Offiziere, sogar Kleriker sind die wechselnden Darsteller auf dieser blutigen Bühne.
Schon Bolívar mußte sich vor Attentaten in Acht nehmen und gegen seine ehemaligen Waffenbrüder kämpfen. Später setzte sich der Kampf zwischen der Zentralregierung und den abspaltungswilligen Provinzen fort. Die endgültige Trennung Panamas von Kolumbien war das Ergebnis des für alle Beteiligten desaströsen „Kriegs der 1000 Tage“. Das „Bananenmassaker“ von Ciénaga 1928, wo eine unbekannte Zahl von Bananenpflückern durch das den Interessen der United Fruit Company verpflichtete kolumbianische Militär abgeknallt wurde, beflügelte den Aufstieg der Liberalen Partei, die sich eine Modernisierung des Landes im Sinne des Aufbaus eines einheimischen Kapitalismus vornahm. 20 Jahre später löste die Ermordung ihres populären Führers die „Gewaltperiode“ aus, eine weitere Bürgerkriegsphase, in der sich die Anhänger der beiden großen Parteien über ein Jahrzehnt lang landauf landab massakrierten. Auch hier ging es wieder darum, wer sich fruchtbaren Boden aneignen konnte. Diesen Kämpfen fielen nach Schätzungen bis zu 300.000 Menschen zum Opfer.
Damals verbündeten sich die Guerillas der Berge mit denen des Flachlandes und die Mitglieder der 1930 gegründeten Kommunistischen Partei mit dem indianischen Widerstand der entlegenen Dörfer.
Die „Gewaltperiode“ wurde offiziell für beendet erklärt, als die beiden Parteien der Elite ihre Einflußsphären in einer Art Proporzsystem aufteilten, und sich fortan gemeinsam gegen die Habenichtse wendeten, die ihre Geschäfte behinderten.
Das führte 1964 zur Gründung der FARC, der größten und ausdauerndsten Guerillapartei Lateinamerikas. Im gleichen Jahr entstand die ELN. Die beiden Guerilla-Organisationen waren einander nicht recht grün. Während die FARC das Wort „Revolution“ im Namen führten und sich auf die bäuerliche Landbevölkerung stützen, betont die eher die urbane Bevölkerung und die Intelligenzia ansprechende ELN das nationale Mythos. In den Reihen der ELN finden sich viele Männer der Kirche, so auch der als Märtyrer verehrte Camilo Torres.
Das Schwanken der Kaffeepreise und anderer Agrarprodukte und die sonst eher trostlose wirtschaftliche Situation führte in den späten 70-er Jahren zur Entwicklung des Kokainhandels und -anbaus.
Kaffeepreisverfall am Weltmarkt
Abgesehen davon, daß dieser Wirtschaftszweig auch einiges zur Wirtschaft Kolumbiens beitrug, machten sich die Köpfe der Drogenkartelle dadurch bei der Staatsgewalt beliebt, daß sie eigene paramilitärische Truppen zur Bekämpfung der Guerilla aufstellten. Mitte der 80-er Jahre verlor der kolumbianische Staat die Kontrolle über weitere Teile seines Territoriums. Die USA mischten sich im Rahmen ihres „Kriegs gegen die Drogen“ sehr unverschämt ein und zerstörten Kokain-Anbaugebiete – und auch andere landwirtschaftliche Nutzflächen – mit aus der Luft versprühten Chemikalien. Ebenso verlangten sie die Auslieferung von Drogenhändlern.
In diesem Kleinkrieg zwischen linken Guerillas, Drogenkartellen, Regierungsbeamten, Paramilitärs und US-Behörden mußten fast 7 Millionen Kolumbianer ihren Wohnort verlassen. Die Zahl der Toten wird mit 220.000 beziffert, wobei nicht klar ist, welche Toten auf wessen Konto gehen.
Der Drogenhandel verlor nach dem Tod von Pablo Escobar 1993 seinen konfrontativen Charakter. Er stellt heute einen Wirtschaftszweig unter anderen dar, und seine weniger spektakulären Drahtzieher gehören zu den Eliten der kolumbianischen Wirtschaft.
Die FARC wurden 3x in Friedensprozesse einbezogen: Unter dem Präsidenten Betancur Mitte der 80-er Jahre, unter Pastrana in den 90-er Jahren, und schließlich in den letzten Jahren unter dem Präsidenten Santos. Gescheitert sind sie bisher daran, daß weder die FARC noch die paramilitärischen Gruppen den Kampf aufgeben wollten.
Auch heute ist es so, daß die zugesicherte Straffreiheit sich auf alle Parteien des Bürgerkrieges bezieht. Das ist auch der Grund, warum der derzeitige, über Kuba vermittelte Friedensprozeß in einem sehr schwach besuchten Referendum von einer dünnen Mehrheit abgelehnt wurde.
Dennoch, daß sowohl die Drogenbosse als auch die Guerilla ziemlich zurückgesteckt haben, hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung Kolumbiens zu tun.
3. „Die Armut des Menschen als Ergebnis des Reichtums der Erde“ – Kolumbiens Wirtschaft
Der ständige Kleinkrieg und die Schwäche des Staates haben dazu geführt, daß Kolumbien nie in die Schuldenfalle geraten ist. Es konnte sich nie besonders verschulden, weil ein Staat, der sein Territorium und seine Bevölkerung nicht im Griff hat, keinen Kredit genießt. Außerdem waren die Regierungen Kolumbiens hauptsächlich damit beschäftigt, die innenpolitische Situation in den Griff zu kriegen, und ließen sich deshalb gar nicht groß auf schuldenfinanzierte Entwicklungs-Abenteuer ein.
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, erwies sich Kolumbien als ideales Land für die wirtschaftliche Liberalisierung, wie sie von Reagan, Thatcher usw. verkündet und zunächst in deren Ländern durchgesetzt wurde. In Kolumbien gab es wenig Sozialstaat, der das Budget belastet hätte. Es gab wenige staatliche Betriebe, die man privatisieren hätte können/müssen. Es gibt auch bis heute wenig Hindernisse für Investoren. Sie dürfen Leute vertreiben oder vertreiben lassen, wenn ihnen eine Gegend für ihr Unternehmen zusagt. Sie dürfen die Umwelt versauen, ohne groß rechtliche Folgen fürchten zu müssen.
Der Kampf um das Land ist als Ergebnis der Kleinkriege und Vertreibungen mehr oder weniger entschieden. Plantagenbesitzer, Drogenhändler und andere Unternehmen teilen sich das brauchbare agrarisch genutzte Land auf. Kleinbauern und Indigene sind geduldet, solange sich für ihre Felder niemand interessiert.
Mehr als ein Sechstel der Bevölkerung lebt im Großraum Bogotá, und ein ebenso großer Anteil in den größten Städten Medellín, Cali und Baranquilla. Kolumbien ist sehr urbanisiert, weil die Metropolen mehr Überlebensmöglichkeiten bieten – sowohl im ökonomischen als auch im gewaltmäßigen Sinne. Die Landflucht hat der Guerilla ihre Grundlage entzogen und das Geschäft der Plantagenbetreiber befördert – ob die jetzt Bananen anbauen oder Kokablätter, bei beidem war die Landbevölkerung eher störend.
Sie finden aber dennoch einen Markt vor, der nicht ganz zu verachten ist. Die Zerstörung der Subsistenzwirtschaft hat im Zusammenspiel mit anderen Faktoren nämlich einen inneren Markt geschaffen, und auch eine Unternehmerklasse, die ihn bedient. Neben den Export-Klassikern Kaffee und Bananen, Orangen und Schnittblumen baut Kolumbien alles an, was im Land verzehrt wird, hat eine bedeutende Lebensmittelindustrie, einen der größten Viehbestände Lateinamerikas und einen boomenden Energiesektor. Neben Erdöl generiert und exportiert es Wasser- und Windkraft und versorgt die im Lande tätigen Industriebetriebe mit günstigem Strom. Auch andere Industriezweige konnten in Kolumbien Fuß fassen.
Mit der größeren Rechtssicherheit ist auch der Tourismus ins Rollen gekommen, der heute 4% des BIP ausmacht, mit jährlichen Steigerungsraten. Kolumbien profitiert hier einerseits von der verbesserten Sicherheitslage im eigenen Land als auch von den Naturkatastrophen, Attentaten und Unruhen in anderen Tourismusdestinationen.
4. Perspektiven
Die Versöhnungspolitik des vorigen Präsidenten Santos, die sowohl von seinem Vorgänger Uribe als auch von seinem Nachfolger Duque torpediert wurde und wird, hat also handfeste Grundlagen: Erstens schaden die Guerilla, die Entführungen usw. dem inzwischen ziemlich florierendem Geschäftsleben.
Zweitens ist der Guerilla inzwischen ihre Klientel zu einem guten Teil durch Abwanderung abhanden gekommen, und damit auch ihr Unterstützernetz. Außerdem hat es einen Generationswandel gegeben, die neue Führung sieht im bewaffneten Aufstand keine Zukunft und will sich lieber legal betätigen.
Die paramilitärischen Gruppen, die früher von Plantagenbesitzern aller Art, Drogenbossen und dem Militär gemeinsam ausgerüstet und aufrechterhalten wurden, organisieren sich jetzt als private Sicherheitsfirmen, die jeder anheuern kann, dessen ökonomische Interessen sich irgendwo mit den Einheimischen vor Ort spießen. Über Ermordungen von Bauernführern, Gewerkschaftern oder Umweltschützern wird man daher weiter hören.
Der neue Präsident Ivan Duque, ein besonderer Freund der USA, hat angekündigt, im Inneren und in der Außenpolitik keine Kompromisse einzugehen, das Wohl der Kolumbianer den Gesetzen des Marktes zu überantworten, und alles zu unternehmen, um die Regierung Venezuelas zu stürzen.
Dass da ein florierendes Geschäftsleben unterwegs ist, mag ja so sein, aber dass dieses auch gleich noch die Interessen der Einheimischen im Blick hat (“… baut Kolumbien alles an, was im Land verzehrt wird”), täte ich bezweifeln.
Für mich liest sich dein historischer Abriss, d.h. gewaltsame Vertreibung der Landbevölkerung und darauf folgende Urbanisierung geradezu wie ‘ursprungliche‘ Akkumulation von Kapital. Das läuft m.E. überall so und dazu bedarfs gar keiner Regierung, das machen die potentiellen Unternehmer anfangs schon noch alles selber, und wenn das nur gewaltsam geht, weil bspw. das begehrte Land von anderen benutzt wird, dann bewaffnen die sich eben und verjagen die Bewohner. Umgebracht wird i.d.R., wer sich nicht verjagen lässt. Eine Regierung brauchen diese Unternehmer immer erst, wenn die Claims schon abgesteckt sind und als Privateigentum juristisch ‘abgesichert’ resp. legalisiert werden sollen.
Insofern sind auch die Unterschiede zwischen den letzten Präsidenten Kolumbiens nicht so gravierend (die wurden sicher nicht zufällig alle an US- bzw. UK-Unis
indoktriniertausgebildet. Die Anliegen der ‘kleinen Leute’ waren denen ziemlich schnurz, unterschiedlich waren vermutlich bloß ihre Methoden, die Guerrilla zu bekämpfen. Wieso ausgerechnet Santos auf den umstrittenen Deal mit der FARC war, und ob das wirklich seine Idee war, halte ich für wenigstens fraglich, zumal er sich vorher ziemlich kompromisslos gab:Gefängnis statt Präsidentenpalast
“Das ecuadorianische Bezirksgericht von Sucumbios im Norden des Landes hat den Haftbefehl gegen den kolumbianischen Präsidentschaftskandidaten Juan Manuel Santos Mitte dieser Woche bestätigt. Nach der Anklage wird dem rechtskonservativen Politiker mehrfacher Mord und Angriff gegen die innere Sicherheit Ecuadors vorgeworfen. Mit dem Haftbefehl wurde auch der Antrag auf Auslieferung Santos bestätigt.
Manuel Santos, Wunschnachfolger des amtierenden kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe und Washingtons, war am 1. März 2008 als Verteidigungsminister Kolumbiens verantwortlich für die Bombardierung eines Lagers der Guerillaorganisation FARC im Grenzgebiet zu Kolumbien. Santos verantwortete auch den folgenden Vorstoß von kolumbianischen Militärs auf ecuadorianisches Staatsgebiet, um die Leichen zu bergen und – so wird vermutet – Überlebende zu exekutieren.
Bei dem Überfall starben 23 Personen, darunter vier mexikanische Studentinnen und ein Ecuadorianer.”
Gut möglich, dass der ‘Friedensvertrag’ überhaupt nur als Mittel gedacht war, die FARC zu entwaffnen:
Fortsetzung der Gewalt in Kolumbien
“Kein Frieden, nur Entwaffnung der Farc
Die Friedensverhandlungen in Havanna haben also zur Entwaffnung der Farc geführt, aber keinen soliden Ansatz für den Frieden gebracht. Dies liegt nicht nur an einer holprigen Umsetzung des Friedensvertrags bzw. den vielen Modifizierungen, die ihn nach der Unterzeichnung zahnloser gemacht haben, sondern auch daran, dass der Friedensprozess an sich nicht dafür konzipiert war, die alten Probleme, die zur politischen und sozialen Gewalt geführt hatten, an der Wurzel zu packen.
Eins davon ist die hohe Landkonzentration, die Landlose und Kleinbauern seit über einem Jahrhundert immer weiter in die Armut treibt und viele von ihnen in den letzten Jahrzehnten zum Überleben in den Koka-Anbau gezwungen hat. Gleichzeitig verfügen Drogenhändler, Agrarindustrielle, Bergbau- und Erdölfirmen sowie unproduktive Großgrundbesitzer über immer mehr Ländereien, die zum Teil die Paramilitärs durch Massenvertreibungen gewaltsam geräumt hatten. Aktuell hat Kolumbien die höchste Landkonzentration Lateinamerikas: 81 Prozent der Landfläche gehören zu nur 1 Prozent der Grundbesitzer. Im Friedensvertrag bleibt der Großgrundbesitz jedoch unangetastet. Stattdessen verspricht der Staat, Brachland an Kleinbauern zuzuteilen und mit Besitzurkunden zu formalisieren. Dabei geht es insgesamt um circa acht Prozent der Landoberfläche (Zehn Millionen Hektar). Doch nicht mal diese Vereinbarung wird umgesetzt. Außerdem boxte die Regierung Santos das Zidres-Gesetz durch, das den Großunternehmen das Ansammeln von Staatsländereien ermöglicht, die vorher nur den Landlosen oder Kleinbauern zugeteilt werden durften.”
@Samson
Der Satz ist seltsam.
Welche Interessen?
Wer sollte die im Blick haben?
Es geht darum, daß Kolumbien eine Lebensmittelindustrie und einen zahlungskräftigen inneren Markt besitzt. Das unterscheidet dieses Land z.B. von Venezuela, wo es für die Agrarkapitalisten nicht gewinnversprechend war, für den inneren Markt zu produzieren. Also wurden jede Menge Lebensmittel importiert und viel agrarisch nutzbares Land lag brach.
Venezuela konnte sich das leisten, weil es ein großer Ölexporteur war.
Heute macht das Troubles, weil sie das Geld für die nötigen Importe nicht haben.
In Kolumbien hingegen belasten keine Lebensmittelimporte die handelsbilanz, weil genug im eigenen Land da ist, und dort auch verkauft wird.
Warum das so ist, weiß ich nicht genau, aber es ist eben so, und daher gibt es in Kolumbien weder Engpässe, noch Devisenprobleme.
Was du sonst schreibst bzw. postest, bestätigt ja nur, was ich geschrieben habe.
Was die FARC und die ELN betrifft, so haben die offenbar von sich aus die Nase voll und wollen deshalb verhandeln.
Verteidigungsminister von Kolumbien nach Tötung von Ex-Farc-Kämpfer unter Druck
In seiner ersten Stellungnahme zur Tötung des Ex-Guerillero Torres in Catatumbo, Provinz Norte de Santander, behauptete er zunächst, die Erschießung sei lediglich ein Unfall gewesen. Demnach hatte Torres versucht, dem Soldaten Daniel Eduardo Gomez das Gewehr zu entwenden, und dabei versehentlich abgefeuert.
Sowohl der Bericht der Staatsanwaltschaft als auch ein Video, das die Leiche des ehemaligen FARC-Mitglieds misshandelt und verstümmelt zeigt, widersprechen der Aussage des Verteidigungsministers. Die Schwester des Ermordeten sagte aus, dass die Leiche mit Kugeln im Arm, Knie und Schädel gefunden wurde. Zudem hätten Angehörige des Militärs versucht, den toten Körper in einem Massengrab zu verstecken.
https://amerika21.de/2019/05/225949/misstrauen-botero-tod-dimar-torres
Kolumbiens Armee belohnt wieder Soldaten für Getötete
In ein Formular, das den Offizieren vorgelegt wurde, war einzutragen, wie viele Aufständische und Kriminelle ihre Soldaten im vergangenen Jahr getötet oder verletzt und wie viele sich ergeben hatten. Als Ziel für das Jahr 2019 gab General Martínez dann vor, dass diese Zahlen heuer verdoppelt werden sollen.
https://derstandard.at/2000103513105/Kolumbiens-Armee-belohnt-wieder-Soldaten-fuer-Getoetete
So so, Kolumbien ist das Guaidó-Theater offenbar müde:
Kolumbien will nicht mehr für venezolanische Deserteure zahlen
Angesichts der Flüchtlingswelle aus dem Nachbarland will die Regierung keine Hotelrechnungen mehr bezahlen
https://next.derstandard.at/story/2000105360076/kolumbien-will-nicht-mehr-fuer-venezolanische-deserteure-zahlen
FARC kehren zurück zu den Waffen
Guerillaführer erklären Friedensprozess in Kolumbien für gescheitert
Der Friedensprozess in Kolumbien ist gescheitert. Führende Vertreter der früheren Guerillaorganisation FARC-EP (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes) haben angekündigt, zum bewaffneten Kampf zurückkehren zu wollen. Das geht aus einem Video hervor, das in der Nacht zum Donnerstag im Internet veröffentlicht wurde. Zu sehen sind in der halbstündigen Aufnahme die Comandantes Iván Márquez und Jesús Santrich, umgeben von bewaffneten Kämpfern in Uniformen mit dem Logo der FARC-EP. Hinter ihnen ist die Losung zu lesen, die auch die Überschrift einer von Márquez verlesenen Erklärung ist: »Solange es den Willen zum Kampf gibt, besteht Hoffnung auf den Sieg«.
In dem elfseitigen Papier, das auch auf der neu gestarteten Internetseite farc-ep.info zu finden ist, wirft die neue FARC-EP der kolumbianischen Regierung vor, den Friedensprozess verraten zu haben. Erinnert wird unter anderem an die anhaltende Serie von Morden an früheren Guerilleros, der seit Unterzeichnung des Friedensvertrages rund 150 Menschen zum Opfer gefallen sind.
https://www.jungewelt.de/artikel/362002.farc-kehren-zur%C3%BCck-zu-den-waffen.html
Die kolumbianische Regierung versucht jetzt, den sozialen Protesten mit der altbewährten Hetze gegen Ausländer zu begegnen, also die eigenen Armen gegen “fremde” aufzuhetzen: Die Venezolaner, die seit Jahren bei uns einfallen, sind schuld an allem!
Abgesehen davon, ob das greift oder von den kolumbianischen Massen durchschaut wird: Es ist eine widersprüchliche Politik gegenüber Venezuela.
Die Regierung von Ivan Duque hat ihre ganze Rhetorik und Wahlkampagne, und ihre Propaganda seither darauf aufgebaut, daß Venezuela, konkret: die Regierung von Nicolas Maduro, die Quelle allen Übels ist.
Nach dieser Logik waren alle Venezolaner, die nach Kolumbien gekommen sind, gute und arme “Verfolgte”.
Jetzt sind das auf einmal “Wirtschaftsflüchtlinge”, die “uns” die Butter vom Brot fressen.
Diese ganze Hetzpropaganda kann sehr nach hinten losgehen …
Präsident von Kolumbien: "Sanfter Putsch" gegen linke Regierung im Gang
Der kolumbianische Staatschef Gustavo Petro hat einen "sanften Staatsstreich” gegen ihn und seine politische Bewegung Pacto Histórico angeprangert.
Hintergrund ist die jüngste Entscheidung der Justiz, die Wahl von Roy Barreras für ungültig zu erklären. Er habe die Vorschrift, seine alte Parteimitgliedschaft zwölf Monate vor dem Datum der Registrierung für die Parlamentswahlen niederzulegen, nicht eingehalten, hieß es zur Begründung.
Barreras gilt als Vertrauter des Präsidenten. Im Jahr 2020 gab er seinen Austritt aus der Partido de la U bekannt und trat 2021 dem Pacto Histórico bei, 2022 kandidierte er dann für das Linksbündnis. Bis zu seiner Suspendierung Mitte Mai war er Senatspräsident und ist ein Befürworter von Petros Reformvorhaben, die von der Opposition großen politischen Gegenwind erfahren.
Bereits im März war die Wahl von César Pachón zum Senator für den Pacto Histórico für ungültig erklärt worden, ihm wurde ebenfalls die gleichzeitige Mitgliedschaft in zwei Parteien vorgeworfen. Dies könnte künftig noch weitere Kongressabgeordnete aus dem Linksbündnis treffen, etwa den Präsidenten der Abgeordnetenkammer, David Racero sowie die Senatsmitglieder María José Pizarro und Wilson Arias. Entsprechende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen bereits.
Ein weiterer Senator der Linken, gegen den bereits Sanktionen verhängt wurden, ist Álex Flórez. Die Staatsanwaltschaft ordnete vergangene Woche eine achtmonatige Suspendierung an, weil er drei Polizisten "verleumdet" haben soll, indem er sie als "Mörder" bezeichnete. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und wird vom Obersten Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit geprüft.
Am Montag kritisierte der Präsident in den Sozialen Netzwerken, "dass man den Abgeordneten des Pacto Histórico die Stimmen wegnimmt, indem man sie mit Verwaltungsanordnungen suspendiert". Die jüngsten Entscheidungen der Justiz änderten de facto "die politische Vertretung im Kongress, die das Volk gewählt hat". Sie hätten dem Linksbündnis "den Vorsitz im Kongress und nun auch seine Stimmen genommen. Das ist der sanfte Putsch", heißt es in seinem Tweet.
Erst kürzlich warnte Petro vor einem Militärputsch, nachdem tausende Reservisten gegen ihn protestierten und ein Ex-Oberst sich über die Absicht von Kreisen der aktiven Reserve des Militärs geäußert hatte, den Präsidenten zu stürzen (amerika21 berichtete).
Seit seinem Amtsantritt im vergangenen August erfährt der Präsident großen politischen Widerstand. Ende April kündigte er die Koalition mit den Parteien des Establishment im Kongress auf und tauschte sieben Minister:innen aus. Drei von ihnen gehörten den traditionellen Parteien an oder standen ihnen nahe.
(…)
(Amerika21, 1.6.)
Starke politische Spannungen zwischen den Regierungen von Israel und Kolumbien
Geht es bis zur Ausweisung des israelischen Botschafters? Antisemitismusvorwürfe und "Alarm" bei der alten kolumbianischen Elite
Seit der militärischen Antwort Israels auf den Angriff palästinensischer Kräfte am 7. Oktober haben sich zwischen Kolumbien und Israel heftige Spannungen entwickelt. Äußerungen des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro zum Vorgehen Israels im Gaza-Streifen und offizielle israelische Reaktionen haben zu einer beispiellosen diplomatischen Krise geführt.
Ein Vergleich des Gaza-Streifens unter israelischem Bombardement mit dem Warschauer Ghetto und viele weitere Posts von Petro auf X (ehemals Twitter) mündeten in eine offizielle Erklärung Israels, dass das Land seine Exporte von Sicherheitsausrüstung nach Kolumbien beende.
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Lior Haiat, veröffentlichte eine entsprechende Erklärung seiner Regierung. Im Übrigen sei "die kolumbianische Botschafterin in Israel, Margarita Manjarrez, nach den feindseligen und antisemitischen Äußerungen des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro gegen den Staat Israel in der vergangenen Woche zu einem rügenden Gespräch einbestellt" worden.
Israel verurteile die Äußerungen Petros, "die eine Unterstützung der von den Hamas-Terroristen begangenen Gräueltaten zum Ausdruck bringen, den Antisemitismus schüren, die Vertreter des Staates Israel beeinträchtigen und den Frieden der jüdischen Gemeinschaft in Kolumbien bedrohen", so die offizielle Note weiter.
Kolumbiens Außenminister Álvaro Leyva forderte wegen ähnlicher Aussagen den israelischen Botschafter in Kolumbien auf: "Entschuldigen Sie sich wenigstens und gehen Sie". Leyva stellte später klar, dass dies "keine Ausweisung" gewesen sei. Diese Erläuterung bezog sich auch auf Petros erklärte Bereitschaft, einen Bruch der Beziehungen mit Israel in Kauf zu nehmen: "Wenn die außenpolitischen Beziehungen zu Israel ausgesetzt werden müssen, setzen wir sie aus".
Petro postete: "Mir wurde vorgeworfen, ich sei antisemitisch und unterstütze die Hamas. Das ist ignorant. Ich kann keine Organisation verteidigen, die die Verbindung von Religion und Staat stützt". Davor hatte der kolumbianische Präsident geschrieben: "Die Hamas und die israelische Rechte ernähren sich vom Blut des jeweils anderen."
Einen Tag nach dem Hamas-Angriff in Israel gab das kolumbianische Außenministerium in einer Erklärung bekannt, dass die Regierung "die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die gestern und heute Morgen stattgefunden haben, auf das Schärfste verurteilt".
In einem weiteren Post erklärte der Präsident, dass die Position seiner Regierung im "Einklang mit der Mehrheit der Nationen der Welt" sei und verteidigte die Außenpolitik seiner Regierung.
"Wir setzen uns für ein Friedensabkommen ein, das die beiden Staaten Palästina und Israel, ihre Souveränität und Freiheit sowie die Grenzen von 1967 anerkennt". Die Besetzung der palästinensischen Gebiete müsse beendet werden.
Petro warnte davor, dass "die Rechtsextremen" auf beiden Seiten des Konflikts zu "einem Weltenbrand" hinführen. Es müsse jedoch "ein Verantwortungsgefühl für die Menschheit geben".
"Bei den gewalttätigen Aktionen der Parteien wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen, die von der Justiz der beiden Länder oder der internationalen Justiz untersucht werden müssen", mahnte Petro an und forderte eine Waffenruhe, um weitere zivile Opfer zu verhindern. Sein Land plane, humanitäre Hilfe nach Gaza zu schicken.
Im Kolumbien wird die diplomatische Zuspitzung weithin kommentiert. Das ultrarechte Nachrichtenmagazin Semana präsentierte unter der Überschrift "Alarm: Zusammenstoß zwischen Kolumbien und Israel trifft die Streitkräfte und bedroht die nationale Sicherheit des Landes" eine Reihe prominenter Stimmen aus Politik und Militär, die Präsident Petro scharf kritisieren und die Kooperation zwischen Israel und Kolumbien für die Sicherheit des südamerikanischen Landes als "unabdingbar" erachten.
Im militärischen und polizeilichen Bereich von Kolumbien haben Lieferungen, Know-how, Wartung und Beratung durch Israel große Bedeutung. Das Portfolio reicht von Flugabwehrbatterien über Kampfflugzeuge bis zu Sicherheitskameras. Kolumbien importiert Munition für Infanteriewaffen aus Israel, es gibt Abkommen über die Produktion von Waffen, Sprengstoff und Munition.
Marta Lucía Ramírez, ehemalige Außen- und Verteidigungsministerin unter den Regierungen von Álvaro Uribe und Iván Duque, erklärte: "Für die Zukunft unserer Militär- und Polizeikräfte wird sich der Verlust dieser Zusammenarbeit zweifellos sehr negativ auswirken". Israel sei einer der wenigen Staaten gewesen, "die Kolumbien auf dem Höhepunkt des Terrorismus militärische und sicherheitspolitische Unterstützung gewährten", erinnerte sie.
Die Beteiligung Israels am internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien wurde 2011 nach der Veröffentlichung von Depeschen der US-Botschaft in Bogotá auf Wikileaks breiter bekannt (amerika21 berichtete). Die Regierung von Uribe (2002-2010) nutzte im Rahmen der Praxis extralegaler Hinrichtungen demnach vor allem israelische Unterstützung, um hochrangige Aufständische zu töten.
Der ehemalige Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón, der auch Botschafter in den USA war, bezeichnet die diplomatische Krise als "ernst". Der "Zugang zu israelischem Material" mache "einen großen Teil der strategischen Kapazität des Landes" aus. Pinzón warf Petro vor, "vielleicht daran interessiert" zu sein, die Streitkräfte in Kolumbien "zu schwächen".
Indes sind die vielen Posts von Präsident Petro zur Eskalation in Nahost weniger auf den Konflikt Israel-Palästina fokussiert als es der aktuelle Skandal erscheinen lässt. Sie fügen sich ein in die politische Agenda über Friedens-, Umwelt- und Sozialpolitik, die die erste linke Regierung Kolumbiens seit ihrem Amtsantritt vorgelegt hat.
"Wir steuern auf die Barbarei zu, wenn wir die Machtverhältnisse nicht ändern. Das Leben der Menschheit und insbesondere der Menschen im Süden hängen davon ab, wie die Menschheit die durch den Reichtum des Nordens verursachte Klimakrise überwinden wird. Gaza ist nur der erste Vorgeschmack darauf, dass wir alle überflüssig sind", bekundet Petro in einem weiteren Post seine Überzeugung, die er bereits ähnlich in internationalen Gremien vorgetragen hat.
(amerika21, 19.10.)
„Kolumbien und China bauen ihre Beziehungen zu einer strategischen Partnerschaft aus
Zahlreiche Kooperationen bei Infrastrukturprojekten wie Verkehr und Verbindung von Atlantik und Pazifik. Sehr persönliche Würdigung Petros von Mao Zedong“
Gemeint ist vermutlich: Würdigung Mao Zedongs durch Petro
„Bei einem dreitägigen Staatsbesuch in China ist Kolumbiens Präsident Gustavo Petro mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zusammengetroffen, um bilaterale Fragen zu besprechen. Ein Ergebnis war die Übereinkunft, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf die Ebene einer strategischen Partnerschaft anzuheben. Im Anschluss an dieses Treffen wurden 13 bilaterale Kooperationsabkommen in den Bereichen Verkehr, Technologie, Kultur und Gesundheit unterzeichnet.
(…)
(amerika 21, 29.10.)
In einem Artikel des New Yorker über Ecuador steht:
„But across the border in Colombia the cocaine trade was flourishing. Despite a fifteen-year anti-trafficking effort supported by the United States, by 2016 the country was producing more of the drug than ever, accounting for an estimated sixty per cent of the world’s supply.“
Selbst wenn das mit den 60% übertrieben ist, so wirft diese Einschätzung doch ein bezeichnendes Licht auf die Wirtschaft Kolumbiens, wo sich die Koka- und Kokain-Produktion und der Kokainhandel von einer Bedrohung des Gewaltmonopols in eine respektable Branche verwandelt zu haben scheint, von der ein guter Teil der Wirtschaft Kolumbiens beherrscht wird.